Unterhaltungsshow kann eine steuerbegünstigte Theateraufführung sein
Gesetze: UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) veranstaltete in Sport- und Festhallen sog. Budo-Galas, die als „größte Kampf-Kunst-Shows„ beworben wurden. Die in den Streitjahren 1993 bis 1995 aus dem Verkauf von Eintrittskarten für den Besuch dieser Veranstaltungen erzielten Entgelte unterwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) dem allgemeinen Steuersatz, während die Klägerin dafür eine Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz als Theatervorführung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) beanspruchte.
Bei den Veranstaltungen wurden fernöstliche Kampfkünste von internationalen Meistern oder Großmeistern unter Mitwirkung eines aus Actionfilmen bekannten Schauspielers dargeboten. Das FA beurteilte die Darbietungen als nicht begünstigte Veranstaltungen mit überwiegend sportlichem Charakter.
Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage erreichte die Klägerin nur, dass Fernsehübertragungen der Veranstaltungen ermäßigt besteuert wurden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, soweit die Klägerin die Besteuerung der Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten mit dem allgemeinen Steuersatz angriff. Zur Begründung stellte das FG darauf ab, dass es sich bei der Budo-Gala um eine nicht steuerbegünstigte „Showveranstaltung mit Unterhaltungscharakter„ gehandelt habe.
Mit der Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG. Ihrer Ansicht nach erfüllen die Veranstaltungen der Klägerin die Voraussetzungen für eine Theatervorführung. Die Vorschrift schließe mit dem Merkmal „Veranstaltung von Theatervorführungen„ auch theaterähnliche Veranstaltungen mit Unterhaltungscharakter ein.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsätze durch Veranstaltungen von sog. Budo-Galas mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
II. Die Revision ist begründet. Für die Umsätze der Klägerin durch Veranstaltung von sog. Budo-Galas gilt der ermäßigte Steuersatz. Die in der Vorentscheidung enthaltene Abgrenzung von Unterhaltungsshow und Theatervorführung ist durch § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG nicht gerechtfertigt.
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für „die Leistungen der Theater…sowie die Veranstaltungen von Theatervorführungen…durch andere Unternehmer„.
Die Klägerin hat Theatervorführungen im Sinne der Vorschrift veranstaltet.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind unter Theatervorführungen i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG nicht nur Aufführungen von Theaterstücken, Opern und Operetten zu verstehen, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst und des Varietes bis zu den Puppenspielen (, BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519). Dem entspricht auch die Verwaltungsauffassung in Abschn. 166 Abs. 2 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) 2000. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG bezweckt, zugunsten der Besucher der entsprechenden Veranstaltungen eine Preiserhöhung zu vermeiden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519; vom V R 60/93, BFHE 176, 500, BStBl II 1995, 348).
Dem Wortsinn entsprechend betrifft die Veranstaltung eine Vorführung, die von oder in einem Theater geboten wird. Maßgebend ist jedoch allein der Inhalt der Vorführung (keine Filmvorführung, kein Sportwettkampf, keine Wahlkundgebung) und nicht der Ort (Schauspielhaus, Stadion, Konzerthalle) oder die sachlichen Voraussetzungen eines Theaters (z.B. Ensemble und Spielplan, vgl. Abschn. 106, 166 UStR 2000 für Theater) abzustellen. Begünstigt sind daher z.B. auch Mischformen von Sprech-, Musik- und Tanzdarbietungen (vgl. humoristische Vorträge im Stil der Jahrhundertwende mit Berliner Gassenhauern in BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519).
b) Im Streitfall hat das FG —wenn auch im Zusammenhang mit der Prüfung einer Übertragung von Urheberrechten i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG— festgestellt, dass die Budo-Gala ein pantomimisches Werk darstelle, bei dem der geistige Gehalt durch das Ausdrucksmittel der Körpersprache, d.h. durch Bewegungen, Gebärden und Mimik wiedergegeben werde. Die Budo-Gala sei eine persönlich geistige Schöpfung durch choreographische Formgestaltung in der durch den Urheberrechtsschutz geforderten Höhe. Die persönliche Leistung sei in der Gesamtkonzeption der Budo-Gala, durch die Auswahl und der Zusammenstellung der einzelnen Darbietungen, ihrer choreographischen und lichttechnischen Untermalung vorhanden.
c) Die trotz dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung des FG, die Klägerin habe eine „Unterhaltungsshow„ und keine Theatervorführung veranstaltet, ist mit § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG unvereinbar.
Die Vorschrift schließt eine Unterhaltungsshow nicht aus, wenn sie den eingangs erwähnten Voraussetzungen entspricht. Auch eine Unterhaltungsshow kann eine Theatervorführung i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sein.
d) Die Klägerin ist ferner gegenüber den Besuchern als Veranstalter aufgetreten (vgl. , BFH/NV 1997, 716; BFH-Urteil in BFHE 176, 500, BStBl II 1995, 348); denn der Leistungsaustausch —Theatervorführung gegen Eintrittsgeld— hat sich zwischen ihr, dem Veranstalter, und dem Publikum vollzogen (BFH-Urteil in BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519).
2. Der Begünstigung der vorbezeichneten Veranstaltungen steht Gemeinschaftsrecht nicht entgegen. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG findet eine gemeinschaftsrechtliche Vorgabe in Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden. Diese ermäßigten Sätze…sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar.
In Kategorie 7 von Anhang H (Verzeichnis der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können) sind u.a. folgende Dienstleistungen bezeichnet, auf die der ermäßigte Steuersatz angewendet werden darf:
„Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, für Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen.„
Die Aufzählung ergibt, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten einen weiten Beurteilungsspielraum einräumt. Dieser ist auch für die Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Begriffe „für Veranstaltungen, für Theater„ zu beachten. Zwar sind Bestimmungen, die Ausnahmen von einem allgemeinen Grundsatz darstellen, eng auszulegen. Das gilt auch für Bestimmungen, die eine ermäßigte Besteuerung zulassen (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften —EuGH—, Urteil vom Rs. C-83/99 - Kommission/Spanien, Slg. 2001, I-445, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2001, 210, Rz. 19). Da eine ausdrückliche Bestimmung der Voraussetzungen für die Eintrittsberechtigung für Theater fehlt, ist die Wendung —wie geschehen— nach ihrer gewöhnlichen Bedeutung auszulegen (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-445, UR 2001, 210, Rz. 20).
3. Die Vorentscheidung wird aufgehoben. Die während des Revisionsverfahrens ergangenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheide vom werden insoweit geändert, als auf die Umsätze der Klägerin in den Streitjahren der allgemeine Steuersatz angewandt worden ist. Sie sind mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 121 Satz 1, § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem FA übertragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 984
BFH/NV 2004 S. 984 Nr. 7
DStRE 2004 S. 907 Nr. 15
DAAAB-20749