Keine Begünstigung der Anschaffung eines im Außenbereich als Behelfsheim errichteten Gebäudes
Leitsatz
Ein im Außenbereich als Behelfsheim errichtetes und zunächst als solches genutztes Gebäude, das später ohne bauaufsichtliche Genehmigung zum dauernden Wohnen genutzt wird, ist in seinem Bestand auch dann nicht geschützt, wenn die zuständige Baubehörde über einen längeren Zeitraum die baurechtswidrige Nutzung duldet. Für die Anschaffung eines solchen Gebäudes besteht daher regelmäßig kein Anspruch auf Eigenheimzulage.
Gesetze: BauGB §§ 29, 35EigZulG § 2 Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug: (EFG 2002, 1014) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom ein Grundstück zum Kaufpreis von 140 000 DM. Das 5 436 qm große Grundstück ist mit einem Haus, das teilweise gemauert ist und teilweise aus Holz besteht, bebaut.
Nach den Angaben der Klägerin gehört das Hausgrundstück zu einer Siedlung, die um 1930 auf Anordnung der Reichsluftfahrtbehörde für den Betrieb eines Feldflugplatzes errichtet worden sei. Nach Kriegsende sei die Siedlung vorübergehend von der britischen Armee genutzt und danach dem Bundesvermögensamt übergeben worden. Eine Zeit lang seien dort Über- und Umsiedler untergebracht gewesen. Später sei das Gelände mit den als Behelfsheimen bezeichneten Gebäuden vom Bundesvermögensamt an Privatpersonen verpachtet und in den 90er Jahren an sie verkauft worden. Die Gebäude der Siedlung würden zum dauernden Wohnen genutzt. Die zuständige Baubehörde sei dagegen nicht eingeschritten.
Laut Bewertungsakte ist das Grundstück —seit der Veräußerung vom Bundesvermögensamt an die Voreigentümerin für 13 557,14 DM— als sonstiges bebautes Grundstück bewertet.
Die Siedlung liegt im Außenbereich (§ 35 des Baugesetzbuches —BauGB—); im Flächennutzungsplan ist das Gebiet als „Wald-/landwirtschaftliche Fläche„ dargestellt. Bauakten für dieses Grundstück liegen nach Auskunft der zuständigen Baubehörde nicht vor; für eine Wohnnutzung sei zu keiner Zeit eine Genehmigung erteilt worden.
Die Klägerin beantragte die Gewährung einer Eigenheimzulage ab 1997. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) lehnte den Antrag mit der Begründung ab, das Grundstück sei nicht mit einem baurechtlich zum Dauerwohnen zugelassenen Gebäude bebaut. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 1014 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe die Klage abgewiesen, weil sie, die Klägerin, nicht nachgewiesen habe, dass das von ihr erworbene Haus aufgrund einer Baugenehmigung errichtet bzw. dass eine solche nachträglich erteilt worden sei. Diese Begründung verletze materielles Recht, jedenfalls aber liege ein Verfahrensfehler vor. Das FG habe übersehen, dass nicht sie, die Klägerin, sondern das FA die Tatbestandsvoraussetzungen für die angeblich fehlende Begünstigung bzw. für den Ausschluss der Begünstigung darlegen und beweisen müsse. Als Ausschlusstatbestand komme allenfalls § 2 Abs. 1 Satz 2 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) in Betracht. Das Wohnhaus liege aber weder in einem Sondernutzungsgebiet noch in einem Gebiet für Ferienwohnungen.
Das FG habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Es hätte z.B. durch Nachfrage beim Bundesvermögensamt der Frage nachgehen müssen, ob die Siedlung bzw. das Wohngebäude tatsächlich ungenehmigt errichtet worden sei.
Nach den Grundsätzen der Verwirkung könne die Baugenehmigungsbehörde die Nutzung des Wohnhauses nicht mehr untersagen. Unstreitig dulde sie bereits seit Jahrzehnten die Nutzung der Siedlung und der dazu gehörenden Wohnhäuser.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und des ablehnenden Bescheides des FA sowie der Einspruchsentscheidung Eigenheimzulage ab 1997 in Höhe von 2 500 DM jährlich festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Das FG hat im Ergebnis zu Recht keine Eigenheimzulage gewährt.
a) Gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EigZulG ist die Anschaffung einer Wohnung in einem eigenen Haus, die keine Ferien- oder Wochenendwohnung ist, begünstigt.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Wohneigentumsförderung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist die Herstellung einer Wohnung dann nicht begünstigt, wenn die Wohnung entgegen den baurechtlichen Vorschriften ohne Baugenehmigung errichtet worden ist. Der Nachweis für die (materielle) Baurechtmäßigkeit des Bauvorhabens kann danach nur durch eine Baugenehmigung oder eine Bescheinigung der zuständigen Behörde, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist —so genannte Baufreistellungsbescheinigung— erbracht werden (, BFHE 189, 70, BStBl II 1999, 598, m.w.N.).
c) Grundsätzlich ist diese Rechtsprechung auch auf dasEigZulG als Nachfolgeregelung des § 10e EStG anwendbar, da das EigZulG mit der Förderung vergleichbare Zwecke verfolgt, nämlich den Erwerb von Wohneigentum für Familien mit Kindern zu erleichtern und die Vermögensbildung als Bestandteil der Altersvorsorge zu fördern (BTDrucks 13/2235, S. 14). Anders als in Herstellungsfällen kann die Eigenheimzulage bei Anschaffung einer Wohnung aber auch dann zu gewähren sein, wenn keine Baugenehmigung vorgelegt werden kann, aber das Gebäude in seinem Bestand geschützt ist und vom Anspruchsberechtigten uneingeschränkt zu Wohnzwecken genutzt werden darf (Senatsurteil vom III R 52/01, zur Veröffentlichung bestimmt).
aa) Da der Begriff der Wohnung voraussetzt, dass die Räume tatsächlich und rechtlich zum Wohnen auf Dauer geeignet sind (vgl. auch , BFHE 197, 218, BStBl II 2002, 145, unter II. 4. a, m.w.N.), ist die Anschaffung einer Wohnung im eigenen Haus nicht nur begünstigt, wenn der Rechtsvorgänger das Gebäude in Übereinstimmung mit dem formellen oder materiellen Baurecht errichtet hat, sondern auch dann, wenn es in dem Jahr mit dem formellen oder materiellen Baurecht übereinstimmt, ab dem der Anspruchsberechtigte die Eigenheimzulage begehrt und die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (in der Regel das Jahr der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken). Denn auch bei einem Gebäude, das ohne Einhaltung der formellen baurechtlichen Vorschriften errichtet worden ist, darf die Beseitigung nicht angeordnet und die Nutzung nicht untersagt werden, wenn es mit dem materiellen Baurecht überstimmt und eine uneingeschränkte Nutzung als Wohnung erlaubt ist (Gaentzsch, Baugesetzbuch, Kommentar, § 29 Rz. 21, 22, m.w.N.).
bb) Ist in dem betreffenden Gebiet im Förderzeitraum die Errichtung von Wohngebäuden nicht erlaubt, kann die Gewährung einer Eigenheimzulage in Betracht kommen, wenn für das Wohnhaus bei Errichtung eine Baugenehmigung vorlag oder eine solche nach den bei Errichtung geltenden Bestimmungen nicht erforderlich und das Wohnen auf Dauer nicht verboten war. Denn ein vom Rechtsvorgänger in rechtmäßiger Ausübung seines Eigentumsrechts geschaffenes Gebäude, das uneingeschränkt zu Wohnzwecken genutzt werden durfte, ist in seiner konkreten Funktion geschützt. Das Gebäude und seine Nutzung bilden für die baurechtliche Beurteilung eine Einheit (vgl. 4 B 172.96, Baurechtssammlung —BRS— 59 Nr. 81, m.w.N.). Dieser dem Objekt anhaftende sog. passive Bestandsschutz ist eine Ausformung des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), das in den Regelungen des Bauplanungsrechts und den Bestimmungen der Landesbauordnungen über den Abbruch von Gebäuden seinen Ausdruck findet ( 4 C 7.97, BRS 59 Nr. 109; Dolde in Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, S. 311, 312, m.w.N. zur Rechtsprechung).
cc) Vom Bestandsschutz gedeckt ist aber nur die nach Art und Umfang unveränderte Nutzung. Wird ein Bauwerk, das bisher für einen nach § 35 Abs. 1 BauGB im Außenbereich privilegierten oder sonst baurechtlich erlaubten Zweck genutzt worden ist, für einen anderen Zweck genutzt, so liegt hierin nicht nur eine Nutzungs-, sondern zugleich auch eine Funktionsänderung, die zu einer Entprivilegierung führt. Damit entfällt auch der Bestandsschutz, der dem Gebäude zukommt ( 4 B 52.02, BRS 65 Nr. 92, m.w.N.).
dd) Im Streitfall könnte für das im Außenbereich belegene Haus ein Bestandsschutz als Wohngebäude nur angenommen werden, wenn es als Wohngebäude genehmigt worden oder eine Genehmigung bei Errichtung nicht erforderlich gewesen und das Gebäude seit Errichtung ununterbrochen zum dauernden Wohnen genutzt worden wäre. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weil das Haus offensichtlich nur als Behelfsheim genehmigt und jedenfalls auch nur als solches genutzt worden war. Eine Genehmigung als Behelfsheim berechtigt nicht zur Wohnnutzung (Oberverwaltungsgericht —OVG— Bremen, Urteil vom 1 BA 39/96, BRS 59 Nr. 150). Die Nutzung eines Behelfsheims zum dauernden Wohnen ist eine Nutzungsänderung i.S. des § 29 BauGB, die nach den landesrechtlichen Vorschriften des Bauordnungsrechts regelmäßig genehmigungsbedürftig ist (vgl. § 69 Abs. 4 der Niedersächsischen Bauordnung —NBauO—; zur Nutzungsänderung vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/ Wiechert, Niedersächsische Bauordnung, 6. Aufl., 1996, § 2 Rz. 61, § 69 Rz. 62 ff.). Mit der Nutzungsänderung entfiel der Bestandsschutz. Dass die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung zum dauernden Wohnen (ausdrücklich) genehmigt hat, hat die Klägerin nicht vorgetragen und ist von der zuständigen Behörde auch verneint worden. Die von der Klägerin behauptete Duldung der Wohnnutzung durch die Behörde ist einer Genehmigung i.S. der bauordnungsrechtlichen Vorschriften nicht gleichzusetzen.
ee) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FG seine Entscheidung nicht auf § 2 Abs. 1 Satz 2 EigZulG (Belegenheit in einem Ferien- oder Wochenendhausgebiet), sondern im Ergebnis zu Recht auf § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG gestützt. Da der Begriff „Wohnung„ —wie oben ausgeführt— voraussetzt, dass die Räume tatsächlich und rechtlich zum Wohnen auf Dauer geeignet sind, ist ein im Außenbereich als Behelfsheim errichtetes Gebäude, das ohne bauaufsichtliche Genehmigung zum dauernden Wohnen genutzt wird, nicht begünstigt, da der Bestand des Gebäudes nur in seiner durch die Nutzung bestimmten Funktion geschützt ist.
d) Die Voraussetzungen für die Gewährung der Eigenheimzulage nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG sind auch nicht deshalb erfüllt, weil, wie die Klägerin meint, die zuständige Baugenehmigungsbehörde die Nutzung als Wohnhaus nach den Grundsätzen der Verwirkung nicht mehr untersagen könne.
Es kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen des Wohnungsbegriffs —tatsächliche und rechtliche Eignung zum dauernden Wohnen— erfüllt wären, wenn die Behörde ihre Befugnis, die Wohnnutzung zu untersagen, verwirkt hätte. Abgesehen davon, dass nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung erhebliche Zweifel bestehen, ob eine Verwirkung in den Fällen formeller oder materieller Illegalität eines Bauvorhabens überhaupt in Betracht kommt (vgl. z.B. Urteile des OVG Lüneburg vom 1 L 4487/99, Niedersächsisches Verwaltungsblatt —NdsVBl— 2002, 22, und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9 UZ 700/02, Baurecht 2003, 594), setzt der Tatbestand der Verwirkung nach der Rechtsprechung des 4 B 130.91, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 35) unter anderem ein Verhalten der zuständigen Behörde voraus, das bei dem Verpflichteten das berechtigte Vertrauen entstehen lässt, die Behörde werde aus überlegten Gründen von ihren Befugnissen, gegen den rechtswidrigen Zustand einzuschreiten, keinen Gebrauch machen (OVG Lüneburg in NdsVBl 2002, 22). Auch ein langjähriges Bestehen baurechtswidriger Zustände führt nicht ohne weiteres zur Verwirkung des baurechtlichen Beseitigungsanspruchs (vgl. —juris—, m.w.N.).
Die Klägerin hat nichts vorgetragen, woraus sich ableiten ließe, dass die zuständige Baubehörde einen derartigen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Der Umstand, dass das Bundesvermögensamt die Grundstücke mit den zu Wohnzwecken genutzten Behelfsheimen zunächst verpachtet und später verkauft hat, rechtfertigt bei objektiver Betrachtung nicht die Annahme, die nach Landesbaurecht zuständige Baubehörde werde auf bauaufsichtliche Verfügungen verzichten. Im Übrigen war nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin jedenfalls den Voreigentümern die baurechtswidrige Situation und der Stadtentwicklungsplan, der eine Aufforstung des Geländes nach Entfernung der Barackensiedlung vorsah, bekannt. Diese Kenntnis muss sich die Klägerin im Hinblick auf den behaupteten Vertrauenstatbestand zurechnen lassen. Denn es ist Sache des (Einzel-)Rechtsnachfolgers, sich beim Erwerb eines Anwesens über die Rechtmäßigkeit eines dort vorhandenen Baubestandes, sei es durch Bestehen auf der Vorlage der Baugenehmigung, sei es durch Anfrage bei der Behörde zu vergewissern ( —juris—). Verschweigt der Rechtsvorgänger eine wesentliche Eigenschaft des Grundstücks, ist ggf. zivilrechtlich Regress zu nehmen.
2. Die Verfahrensrügen der Klägerin greifen nicht durch. Da die Zulassung der Revision nicht auf den geltend gemachten Verfahrensmängeln beruht, sieht der Senat von einer Begründung gemäß § 126 Abs. 6 FGO ab.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 487
BB 2004 S. 928 Nr. 17
BFH/NV 2004 S. 687 Nr. 5
BStBl II 2004 S. 487 Nr. 11
DB 2004 S. 966 Nr. 18
DStRE 2004 S. 699 Nr. 12
FR 2004 S. 853 Nr. 14
INF 2004 S. 401 Nr. 11
KÖSDI 2004 S. 14172 Nr. 5
StB 2004 S. 203 Nr. 6
OAAAB-20258