BFH Urteil v. - IX R 67/00

Vorkostenabzug nach § 10i Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nur für nach dem EigZulG begünstigte Wohnungen

Gesetze: EStG § 10i

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, erwarben im Streitjahr (1996) ein Einfamilienhaus. Die von den Klägern im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr nach § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) wie Sonderausgaben geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen für das Haus in Höhe von 22 500 DM ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) nicht zum Abzug zu, weil das Haus in einem reinen Wochenendhausgebiet liegt, in dem der Bebauungsplan die Nutzung als Dauerwohnsitz verbietet.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 71 veröffentlichten Urteil die Auffassung, die Gewährung des Vorkostenabzugs für Erhaltungsaufwendungen nach § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG setze nicht voraus, dass diese mit einem begünstigten Objekt i.S. des § 2 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) zusammenhingen. Eine zu eigenen Wohnzwecken zu nutzende Wohnung könne auch eine Wochenendwohnung sein. Die Gesetzesüberschrift sei für die Interpretation ohne Bedeutung.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 10i Abs. 1 EStG. § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG enthalte zwar keinen ausdrücklichen Bezug auf das Eigenheimzulagengesetz, dies sei jedoch auf die äußerst hektische Gesetzesarbeit zurückzuführen. Aus den Gesetzesmaterialien, der Überschrift des § 10i EStG und der Gesetzessystematik folge, dass nur die Förderung von nach § 2 EigZulG begünstigten Objekten beabsichtigt sei. Die zunächst beabsichtigte Verknüpfung des § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mit der tatsächlichen Inanspruchnahme von Eigenheimzulage sei im Gesetzgebungsverfahren aufgegeben worden, damit auch Steuerpflichtige außerhalb der Einkunftsgrenze des Eigenheimzulagengesetzes in den Genuss des Vorkostenabzugs kommen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Das Haus der Kläger sei ein Objekt i.S. des § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und widerspreche nicht den Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren. Hätte der Gesetzgeber die Kopplung an § 2 EigZulG gewollt, so hätte er dies —wie im ursprünglichen Gesetzentwurf und wie zuvor in § 10e Abs. 6 EStG— ausdrücklich geregelt. Der Gesetzgeber habe einen neuen Fördergegenstand geschaffen. Die Auslegung des FA sei für den Rechtsanwender nicht zu erkennen und widerspreche dem Grundsatz der Normenklarheit.

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Vorkostenabzug nach § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auch für ein nach dem Eigenheimzulagengesetz nicht begünstigtes Objekt in Anspruch genommen werden kann.

1. Nach § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG sind Erhaltungsaufwendungen bis zu 22 500 DM, die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind, als Vorkosten wie Sonderausgaben abziehbar. Die Vorschrift des § 10i EStG wurde durch das Gesetz zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung vom (BGBl I 1995, 1783) als Nachfolgeregelung zu § 10e Abs. 6 EStG in das Einkommensteuergesetz eingefügt und regelt nach ihrer Überschrift den Vorkostenabzug bei einer nach dem Eigenheimzulagengesetz begünstigten Wohnung.

Bei der Wohnung i.S. des § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG muss es sich —entgegen der Auffassung des FG— um ein nach § 2 EigZulG begünstigtes Objekt handeln (, EFG 2000, 213; , EFG 2001, 1123; Boeker in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 10i Anm. 44 ff., 48; Mellinghoff in Kirchhof, Einkommensteuergesetz KompaktKommentar, 3. Aufl., § 10i Rn. 3; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 10i Nachtrag zur früheren Rz. 6; Hausen/Kohlrust-Schulz, Die Eigenheimzulage, 2. Aufl., Rz. 718; , BStBl I 1998, 190, Tz. 124; a.A. Stephan, Der Betrieb —DB— 1996, 298, 302; Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 3. Aufl., § 10i EStG Rz. 5 a.E.; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach (HHR), Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 10i EStG Anm. 41). Ob eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 2 EigZulG unterblieben ist, weil diese angesichts der Überschrift des § 10i EStG für entbehrlich gehalten wurde, oder ob es sich dabei —wie das FA meint— um ein gesetzgeberisches Versehen aufgrund hektischer Gesetzesarbeit handelt, kann offen bleiben. Diese Auslegung (dazu unter a) des § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG lässt der Wortlaut der Vorschrift zu (b) und folgt eindeutig aus Entstehungsgeschichte und Systematik (c) sowie aus dem Zweck (d) der Vorschrift.

a) Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (ständige Rechtsprechung: , BVerfGE 1, 299, 312; , BFH/NV 2003, 1551, m.w.N.). Steuerbegünstigungsvorschriften, zu denen auch § 10i EStG zählt, sind weder unter dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Förderung noch buchstäblich eng auszulegen; entscheidend ist, dass aus dem Gesetz heraus belegt werden kann, dass der Gesetzgeber den zur Entscheidung anstehenden Lebenssachverhalt begünstigen wollte. Der die Steuerbegünstigung prägende Begünstigungszweck ist Maßstab der teleologischen Auslegung (, BFH/NV 1998, 155; vom IV R 49/99, BFHE 195, 257, BStBl II 2001, 437).

b) Entgegen der Auffassung des FG lässt der Wortlaut des § 10i EStG die Auslegung zu, dass eine Wohnung i.S. des § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nur eine nach dem Eigenheimzulagengesetz begünstigte Wohnung ist.

§ 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nennt zwar in seinem Tatbestand nur die „erstmalige Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken„. Dieser Tatbestand wird durch § 10i Abs. 1 Satz 2 EStG erweitert, auch dort spricht das Gesetz nur von der „Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung„ und der „Wohnung„. Ein ausdrücklicher Verweis auf § 2 EigZulG fehlt.

Jedoch spricht der Wortlaut des § 10i EStG insgesamt für eine andere Auslegung. Aus der amtlichen Überschrift ergibt sich, dass § 10i EStG den Vorkostenabzug für eine nach dem Eigenheimzulagengesetz begünstigte Wohnung regelt. Diese Einschränkung erstreckt sich —entgegen der Auffassung des FG— auf beide Nummern des § 10i Abs. 1 Satz 1 EStG. Eine amtliche Überschrift wird von der gesetzgebenden Körperschaft mitbeschlossen, gehört zum Gesetzesinhalt und hat die Aufgabe, auf den ersten Blick ersehen zu lassen, mit welcher Materie sich die betreffende Vorschrift befasst; sie ist zur Auslegung des Gesetzes heranzuziehen. Bei einem Widerspruch zwischen dem Wortlaut des Gesetzes und der Gesetzesüberschrift geht der Gesetzeswortlaut vor (vgl. , BFHE 140, 312, BStBl II 1984, 327, unter II. 2. b aa). Vorliegend widerspricht die Überschrift des § 10i EStG dem Gesetzeswortlaut nicht, sondern ergänzt den Gesetzesinhalt des gesamten § 10i EStG um ein weiteres, einschränkendes Tatbestandsmerkmal.

c) Dass nur nach dem Eigenheimzulagengesetz begünstigte Objekte zum Vorkostenabzug nach § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG berechtigen, ergibt sich ferner eindeutig aus der Entstehungsgeschichte und Systematik der Vorschrift. § 10i EStG ist die Nachfolgeregelung zu § 10e Abs. 6 EStG. Nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG können nur Vorkosten für eine Wohnung i.S. des § 10e Abs. 1 EStG wie Sonderausgaben abgezogen werden. Der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG ist danach auf begünstigte Objekte beschränkt. Dieser in der Vorgängervorschrift eindeutig zum Ausdruck kommende Grundsatz sollte in § 10i EStG beibehalten werden und ist daher für die Auslegung des § 10i EStG heranzuziehen.

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Gesetz zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung (BTDrucks 13/2235) sollte im Zuge der Umstellung auf eine progressionsunabhängige Förderung der selbstgenutzten eigenen Wohnung der Vorkostenabzug in der bisherigen progressionsabhängigen Form und in der tatbestandlichen Ausgestaltung des bisherigen § 10e Abs. 6 EStG erhalten bleiben (BTDrucks 13/2235, S. 14). Im Unterschied zu § 10e Abs. 6 EStG sollte aber § 10i EStG nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf nur von dem in Anspruch genommen werden können, der eine Eigenheimzulage in Anspruch nimmt; bei Überschreitung der Einkunftsgrenzen sollte § 10i EStG nicht in Anspruch genommen werden können (BTDrucks 13/2235, S. 18). Deshalb sah der ursprüngliche Gesetzentwurf vor, den Vorkostenabzug —einschließlich des Abzugs von Erhaltungsaufwendungen— allgemein von der tatsächlichen Inanspruchnahme von Eigenheimzulage abhängig zu machen (BTDrucks 13/2235, S. 7).

Diese geplante Einschränkung wurde jedoch später wieder beseitigt. Der Finanzausschuss schlug vor, den Vorkostenabzug für Erhaltungsaufwendungen in Höhe von bis zu 22 500 DM, unabhängig von der Einhaltung der Einkunftsgrenzen, unverändert beizubehalten (BTDrucks 13/2784, S. 2 f., 37); im Zuge dieses Kompromissvorschlags wurde § 10i EStG insoweit in die spätere Gesetzesform gebracht (BTDrucks 13/2784, S. 17 f.). Der Finanzausschuss ging davon aus, dass der Vorkostenabzug nur für nach dem Eigenheimzulagengesetz begünstigte Objekte gewährt werden solle, dass für die Berücksichtigung von Erhaltungsaufwendungen aber keine Einkunftsgrenze gelte (BTDrucks 13/2784, S. 47). Im Rahmen der Plenarberatungen wurde von verschiedenen Rednern ebenfalls zum Ausdruck gebracht, der bisherige Vorkostenabzug sei beibehalten worden (Plenarprotokoll 13/65, Stenografischer Bericht der 65. Sitzung, S. 5608 C, 5609 B, 5619 D).

d) Auch nach dem Zweck der Vorschrift sollten nur nach dem Eigenheimzulagengesetz begünstigte Objekte durch § 10i EStG begünstigt sein. Ziel des Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung war die Umstellung der zuvor progressionsabhängigen auf eine progressionsunabhängige Förderung (BTDrucks 13/2235, S. 1). Im Rahmen dessen sollte der Vorkostenabzug nach § 10i EStG zum Ausgleich für die niedrigere Grundförderung für Altbauten erhalten bleiben (BTDrucks 13/2235, S. 14), um die Anschubfinanzierung in der Anfangsphase zu erleichtern (BTDrucks 13/2784, S. 37 f.). Dies zeigt, dass der Vorkostenabzug von Erhaltungsaufwendungen vom Gesetzgeber —wie zuvor bei § 10e EStG— zur Förderung von (nach dem Eigenheimzulagengesetz) begünstigten Altbauten vorgesehen war. Gleichzeitig wollte der Gesetzgeber die Förderung von Ferien- und Wochenendwohnungen ausschließen (BTDrucks 13/2235, S. 15 zu § 2 EigZulG). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber entgegen dieser Intentionen einen neuen Fördertatbestand für alle Wohnungen, u.a. auch für Ferien- oder Wochenendwohnungen, schaffen wollte, sind —entgegen der Auffassung der Kläger— nicht ersichtlich.

2. Nach diesen Grundsätzen ist das FG im Streitfall zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Kläger für ihr Einfamilienhaus den Vorkostenabzug nach § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Anspruch nehmen können. Das Einfamilienhaus der Kläger ist kein nach § 2 EigZulG begünstigtes Objekt.

Ferien- oder Wochenendwohnungen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 EigZulG nicht begünstigt. Bei der Auslegung dieser Begriffe sind die zu § 10e EStG entwickelten Rechtsgrundsätze anzuwenden (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 109/00, BFH/NV 2001, 599; vom IX B 21/00, BFH/NV 2000, 1204). Unter Ferien- und Wochenendwohnungen sind solche Wohnungen zu verstehen, die baurechtlich nicht ganzjährig bewohnt werden dürfen oder sich aufgrund ihrer Bauweise nicht zum dauernden Bewohnen eignen (vgl. , BFHE 187, 488, BStBl II 1999, 225; vom X R 160/88, BStBl II 1990, 815, jeweils zu § 10e EStG). Das Einfamilienhaus der Kläger ist danach ein Wochenendhaus; denn es liegt nach den tatsächlichen, den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG in einem Wochenendhausgebiet als Sondergebiet i.S. des § 10 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung (BGBl I 1990, 133), in dem der Bebauungsplan u.a. die Nutzung als Dauerwohnsitz verbietet. Für eine von diesem Bebauungsplan abweichende Baugenehmigung (vgl. dazu , BFHE 197, 301, BStBl II 2002, 514, m.w.N.) bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 628
BFH/NV 2004 S. 628 Nr. 5
YAAAB-16070