Ausbildung eines Unteroffizieranwärters zum Telekommunikationselektroniker
Leitsatz
Ein Kind, das als Unteroffizieranwärter (Soldat auf Zeit) zum Telekommunikationselektroniker ausgebildet wird, befindet sich in einer Berufsausbildung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Anschluss an , BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523).
Gesetze: EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der im Mai 1981 geborene S, der Sohn der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), beendete im Juli 1999 die Schulausbildung. Zum trat er den Dienst als Soldat auf Zeit mit einer Verpflichtungszeit von 12 Jahren bei der Bundeswehr an. Er wurde mit dem untersten Mannschaftsdienstgrad und als Unteroffizieranwärter nach § 11 der Soldatenlaufbahn-Verordnung (SLV) angestellt. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Soldat auf Zeit wird S zum Telekommunikationselektroniker ausgebildet. In der Zeit zwischen Beendigung der Schulausbildung und Beginn des Dienstes als Zeitsoldat war S nicht arbeitslos gemeldet.
Mit Bescheid vom hob der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) die Festsetzung des Kindergeldes für S unter Berufung auf § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab August 1999 auf, weil dieser sich ab August 1999 nicht mehr in einer Ausbildung befunden habe. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage, mit der die Klägerin die Gewährung von Kindergeld für die Zeit von August 1999 bis August 2002 begehrte, ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Ausbildung des S zum Telekommunikationselektroniker, die dieser im Rahmen der Tätigkeit als Soldat auf Zeit absolviere, keine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG darstelle. Die Tätigkeit des Soldaten auf Zeit stelle vielmehr einen Dauerberuf dar. Bei einem Kind, das zwar noch ein höher gestecktes Berufsziel anstrebe, dabei aber einen Dauerberuf ausübe, liege die vom Gesetzgeber typisierend unterstellte finanzielle Belastung der Eltern durch das Kind nicht vor. Auch für den Monat August 1999 sei S nicht für das Kindergeld zu berücksichtigen, weil er sich weder in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG befunden habe noch —mangels Arbeitslosmeldung— als arbeitsloses Kind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG anzusehen gewesen sei.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass S sich im August 1999 in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG und ab September in einer Berufsausbildung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG befunden habe.
Die Klägerin beantragt, ihr Kindergeld für S für August 1999 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Der Senat vermag auf der Grundlage der von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen nicht zu entscheiden, ob der Klägerin Kindergeld für S für den Monat August 1999 zusteht.
1. S erfüllt im Monat August 1999 entgegen der Auffassung der Vorinstanz den Tatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. Er befand sich in diesem Monat in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten.
a) Unstreitig befand sich S bis zum Juli 1999 in der Schulausbildung.
b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz absolvierte S auch ab September 1999 eine Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Die Verpflichtung als Soldat auf Zeit auf 12 Jahre steht der Annahme eines Ausbildungsverhältnisses jedenfalls zu Beginn der Verpflichtungszeit nicht entgegen (a.A. , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1999, 1186, 1187, rkr.).
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 32 EStG a.F. ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; VI R 34/98, BFHE 189, 95, BStBl II 1999, 705; VI R 50/98, BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706; VI R 24/99, BFH/NV 2000, 27). An dieser Begriffsbestimmung hat der BFH auch nach der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) festgehalten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 189, 95, BStBl II 1999, 705; vom VI R 92/98, BFHE 189, 103, BStBl II 1999, 708; vom VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523).
bb) Dementsprechend hat der BFH sowohl das Referendariat im Anschluss an die erste juristische Staatsprüfung (, BFHE 191, 54, BStBl II 2000, 398) als auch die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Offizier des Truppendienstes nach §§ 18, 19 SLV (BFH-Urteil in BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523) als Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG qualifiziert.
cc) Nichts anderes gilt für die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Fachunteroffizier, wenn —wie hier— feststeht, dass der Soldat tatsächlich Lehrgänge belegt und somit nicht lediglich im Mannschaftsdienstgrad Dienst tut, sondern tatsächlich eine Ausbildung erhält. Dies ist der Familienkasse gegebenenfalls durch eine Bestätigung der Bundeswehr, dass eine Ausbildung beabsichtigt wird, nachzuweisen. Der Unteroffizieranwärter hat in diesem Fall sein Berufsziel noch nicht erreicht, sondern er wird sowohl militärisch als auch für einen zivilen Beruf (hier: zum Telekommunikationselektroniker) ausgebildet und hat im Rahmen der Ausbildung Prüfungen (hier: die Fachunteroffizierprüfung gemäß § 12 SLV) abzulegen. Er strebt damit eine Tätigkeit bei der Bundeswehr als Spezialist in einer berufsausbildungsbezogenen Verwendung (hier: Wartungsfeldwebel Roland) an. Die im Rahmen der Verpflichtung als Soldat auf Zeit zu durchlaufende Ausbildung stellt sich sowohl mit ihrem militärischen als auch mit ihrem zivilen Teil als Maßnahme dar, die als Grundlage für den angestrebten Beruf geeignet ist.
dd) Der dienstrechtliche Status des Unteroffizieranwärters als Soldat auf Zeit steht dieser Beurteilung nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523).
ee) Auf die Frage, ob die von S ausgeübte Tätigkeit als Dauerberuf im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu § 32 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 EStG i.d.F. des Einkommensteuerreformgesetzes vom (BGBl I 1974, 1769) anzusehen ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Der erkennende Senat hat diese Rechtsprechung, nach der bei Vorliegen eines privaten oder öffentlichen Ausbildungsdienstverhältnisses der Tatbestand der Berufsausbildung entfällt, wenn das Kind zur Vorbereitung auf ein höher gestecktes Berufsziel einen Beruf ausübt, der von vielen als Dauerberuf ausgeübt wird und ausgeübt werden kann (vgl. , BFHE 172, 411, BStBl II 1994, 102; III R 79/92, BFHE 172, 62, BStBl II 1993, 871), für die Rechtslage nach der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs durch das JStG 1996 ausdrücklich aufgegeben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523).
ff) Die Rechtsprechung des BFH, nach der Kinder, die ihren Grundwehrdienst leisten, nicht für das Kindergeld zu berücksichtigen sind (, BFHE 196, 98, BStBl II 2001, 675), steht dem hier gefundenen Ergebnis ebenfalls nicht entgegen. Wer seinen Grundwehrdienst leistet, bereitet sich damit gerade nicht auf eine Laufbahn innerhalb der Bundeswehr vor, sondern erfüllt eine gesetzliche Verpflichtung gemäß § 1 des Wehrpflichtgesetzes. Der Grundwehrdienst eines Wehrpflichtigen ist daher nicht als Ausbildung anzusehen.
c) Da S sich bis Juli 1999 und erneut ab September 1999 jeweils in einer Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG befand, ist der Monat August 1999 als Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG anzusehen.
2. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Der Anspruch der Klägerin auf Kindergeld für August 1999 hängt davon ab, ob die Einkünfte und Bezüge des S den anteiligen Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 6 EStG überschritten haben. Dabei sind nicht nur die Einkünfte des S des Monats August 1999 zu berücksichtigen, sondern alle Einkünfte und Bezüge, die S (nach Vollendung des 18. Lebensjahres im Mai 1999) in der Zeit von Juni bis Dezember 1999 erzielt hat. Die Vorinstanz hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Diese wird sie nachzuholen haben.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 247
BB 2004 S. 34 Nr. 1
BFH/NV 2004 S. 248
BFH/NV 2004 S. 248 Nr. 2
BStBl II 2007 S. 247 Nr. 6
DB 2004 S. 50 Nr. 1
DStRE 2004 S. 81 Nr. 2
FR 2004 S. 296 Nr. 5
INF 2004 S. 84 Nr. 3
StB 2004 S. 41 Nr. 2
JAAAB-13914