Spenderteil
Leitsatz
Spenderteil
1. Entscheidungen, mit denen ein Antrag auf Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen im Sinne von § 16 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GeschGehG abgelehnt wird, unterliegen in der Revisionsinstanz nicht der Inzidentkontrolle nach § 557 Abs. 2 ZPO.
2. Maßnahmen gemäß § 145a PatG in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GeschGehG kommen nur für Informationen in Betracht, die in das Verfahren eingebracht worden sind, nicht hingegen für Informationen, die eine Partei zur Erfüllung eines im Rechtsstreit geltend gemachten Anspruchs erteilen muss.
3. Das Revisionsgericht ist für Anordnungen gemäß § 16 Abs. 1 oder § 19 Abs. 1 GeschGehG nicht zuständig.
4. Die Grundsätze, nach denen ein Patent auf der Grundlage von Art. 69 Abs. 1 EPÜ und dem Protokoll zur Auslegung dieser Vorschrift (und auf der Grundlage der inhaltsgleichen Regelung in § 14 PatG) auszulegen ist, sind in der Rechtsprechung des Senats seit langer Zeit geklärt.
5. Diese Grundsätze stehen in allen wesentlichen Punkten in Einklang mit der Rechtsprechung des Einheitlichen Patentgerichts und der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts.
Gesetze: § 543 Abs 2 ZPO, § 557 Abs 2 ZPO, § 14 PatG, § 145a PatG, § 16 Abs 1 GeschGehG, § 19 Abs 1 GeschGehG, § 20 Abs 5 S 4 GeschGehG, § 20 Abs 5 S 5 GeschGehG, Art 69 Abs 1 EuPatÜbk
Instanzenzug: Az: I-2 U 17/24 Urteilvorgehend Az: 4a O 61/18
Gründe
1I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 310 179 (Klagepatents) in Anspruch, das ein Spenderteil schützt.
2Eine gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage hatte in erster Instanz Erfolg. Der Senat hat diese Klage auf die Berufung der hiesigen Klägerin abgewiesen, soweit sie sich gegen eine hilfsweise verteidigte Fassung des Patents richtet ().
3Das Landgericht hat die Beklagte auf der Grundlage der erteilten Fassung des Klagepatents mit Urteil vom antragsgemäß zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Rückruf verurteilt und die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt.
4Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Urteilstenor an die Fassung angepasst wird, die das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren erhalten hat. Auf die Anschlussberufung der Klägerin hat es die Beklagte ferner zu Auskunft und Rechnungslegung in Bezug auf Verbrauchsmaterialien verurteilt (, GRUR 2025, 479). Einen von der Beklagten gestellten Antrag auf Geheimhaltungsmaßnahmen bezüglich der nach dem Urteil zu erteilenden Informationen hat es zurückgewiesen.
5Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde und mit dem Begehren, dem in zweiter Instanz gestellten Geheimnisschutzantrag stattzugeben. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel und dem Geheimnisschutzantrag entgegen.
6II. Die Zurückweisung des in zweiter Instanz gestellten Geheimnisschutzantrags unterliegt nicht der Nachprüfung durch den Senat.
71. Gemäß § 557 Abs. 2 ZPO unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichts auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung unanfechtbar sind.
8a) Unanfechtbar im Sinne dieser Vorschrift sind auch solche Entscheidungen, die selbständig mit einem Rechtsmittel anfechtbar sind, etwa mit einer sofortigen Beschwerde (, NJW 2015, 2425 Rn. 5).
9Dieses Rechtsmittel sieht § 20 Abs. 5 Satz 5 GeschGehG, der gemäß § 145a Satz 1 PatG in Patentstreitsachen entsprechend anzuwenden ist, für Beschlüsse vor, mit denen ein Antrag auf Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen im Sinne von § 16 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GeschGehG abgelehnt wird.
10b) Da eine sofortige Beschwerde gemäß § 567 Abs. 1 ZPO nur gegen im ersten Rechtszug ergangene Entscheidungen der Amts- und Landgerichte statthaft ist, sind entsprechende Entscheidungen eines Oberlandesgerichts grundsätzlich unanfechtbar. Deshalb unterliegen solche Entscheidungen auch dann nicht der Nachprüfung im Revisionsverfahren, wenn sie erst im Endurteil ergehen (, NJW 2015, 2425 Rn. 5).
11Danach sind die gegen die Ablehnung von Geheimnisschutzmaßnahmen durch das Berufungsgericht erhobenen Rügen im Streitfall unzulässig.
12c) Dieses Ergebnis steht in Einklang mit dem Sinn und Zweck von § 20 Abs. 5 Satz 4 und 5 GeschGehG.
13Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG kann die Anordnung von Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GeschGehG nur gemeinsam mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache angefochten werden. Die Ablehnung entsprechender Anträge ist hingegen nach der bereits erwähnten Regelung in § 20 Abs. 5 Satz 5 GeschGehG mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
14Dieser Regelung liegt die Überlegung zugrunde, dass mit einem stattgebenden Beschluss das Geschäftsgeheimnis zunächst gesichert ist und die Beeinträchtigung der anderen Partei und der sonstigen Beteiligten nicht so schwer wiegt, dass eine Anfechtung bis zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel in der Hauptsache nicht zurückgestellt werden könnte. Wird hingegen eine entsprechende Anordnung abgelehnt, gerät das Geschäftsgeheimnis in Gefahr und eine vor der Entscheidung über das Rechtsmittel in der Hauptsache erfolgte unzulässige Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses könnte nicht mehr rückgängig gemacht werden (BT-Dr. 19/4724, S. 38; I ZB 86/20, GRUR 2022, 591 Rn. 14 - Geschäftsgeheimnis bei Hohlfasermembranspinnanlagen; Beschluss vom - I ZB 32/23, GRUR 2024, 152 Rn. 27).
15Im Streitfall ist die ablehnende Entscheidung zwar erst im Endurteil erfolgt und die angestrebten Geheimnisschutzmaßnahmen betreffen Informationen, die die Beklagte aufgrund der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Verurteilung erteilen muss. Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kommen Maßnahmen gemäß § 145a PatG in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GeschGehG aber nur für Informationen in Betracht, die in das Verfahren eingebracht worden sind, nicht hingegen für Informationen, die eine Partei zur Erfüllung eines im Rechtsstreit geltend gemachten Anspruchs erteilen muss.
16In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob eine Person geheime Informationen, die sie aufgrund eines Anspruchs auf Auskunft oder Rechnungslegung erhalten hat, ihrerseits geheim halten muss oder nur für bestimmte Zwecke verwenden darf. Die in § 16 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GeschGehG vorgesehenen Maßnahmen ermöglichen auch im Anwendungsbereich von § 145a PatG nicht den umfassenden Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen jeglicher Art, sondern nur den Schutz von Informationen, die in das Verfahren eingeführt worden sind.
172. Ob das Begehren der Nichtzulassungsbeschwerde dahin ausgelegt werden kann, dass der Senat die in zweiter Instanz abgelehnten Geheimnisschutzmaßnahmen als Gericht der Hauptsache selbst anordnen soll, bedarf keiner Entscheidung. Für die Entscheidung über einen solchen Antrag wäre der Senat nicht zuständig.
18Gemäß § 20 Abs. 1 GeschGehG ergehen Anordnungen nach § 16 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GeschGehG durch das Gericht der Hauptsache. Dies ist gemäß § 20 Abs. 6 GeschGehG das Gericht des ersten Rechtszuges oder das Berufungsgericht, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist.
19Eine Anordnung durch das Revisionsgericht kommt danach nicht in Betracht.
20III. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
21Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt kein Grund für die Zulassung der Revision vor.
221. Die Auslegung der Merkmale 3 und 2.3 durch das Berufungsgericht beruht weder auf einem von anerkannten Auslegungsgrundsätzen abweichenden Obersatz noch auf einer Divergenz zur Entscheidung des Senats im Nichtigkeitsverfahren.
23a) Merkmal 3 sieht vor, dass das Spenderteil abnehmbar mit einem hinteren Spenderabschnitt (96) verbunden (in der Verfahrenssprache: detachably joined) ist, um ein Spendergehäuse (97) auszubilden.
24Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts reicht es zur Verwirklichung dieses Merkmals aus, wenn die Verbindung zwischen dem Spenderteil und dem hinteren Spenderabschnitt zumindest so weit gelöst werden kann, dass ein (Nach-)Befüllen des Spenders ermöglicht wird.
25Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde hat das Berufungsgericht diese Beurteilung nicht auf einen von anerkannten Grundsätzen für die Auslegung von Patenten abweichenden Obersatz gestützt.
26aa) Wie die Nichtzulassungsbeschwerde im Ansatz zutreffend darlegt, sind die Grundsätze, nach denen ein Patent auf der Grundlage von Art. 69 Abs. 1 EPÜ und dem Protokoll zur Auslegung dieser Vorschrift (und auf der Grundlage der inhaltsgleichen Regelung in § 14 PatG) auszulegen ist, in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langer Zeit geklärt.
27bb) Diese Grundsätze stehen in allen wesentlichen Punkten in Einklang mit der Rechtsprechung des Einheitlichen Patentgerichts und der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts.
28Das Berufungsgericht des Einheitlichen Patentgerichts hat in einer seiner ersten Entscheidungen zu dieser Frage Grundsätze formuliert, die mit den vom Senat herangezogenen Grundsätzen im Wesentlichen übereinstimmen (EPG, Anordnung vom - UPC_CoA_335/2023, GRUR 2024, 527 Rn. 73 ff. - NanoString Technologies ./. 10x Genomics).
29Die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts haben die Frage, ob entsprechende Grundsätze auch im Erteilungs- und Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt heranzuziehen sind, zum Teil unterschiedlich beurteilt. Die Große Beschwerdekammer hat vor kurzem entschieden, dass es zwar keine klare rechtliche Grundlage für die Auslegung von Patentansprüchen im Zusammenhang mit der Beurteilung des Rechtsbestands gebe, die dafür maßgeblichen Grundsätze aber im Grundsatz denjenigen aus Art. 69 Abs. 1 EPÜ und dem Auslegungsprotokoll entsprächen (EPA, Entscheidung vom - G 1/24, GRUR 2025, 1264).
30cc) Das Berufungsgericht hat keine von der Rechtsprechung des Senats abweichenden Auslegungsgrundsätze herangezogen.
31(1) Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde hat das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht auf den Wortlaut der deutschen Übersetzung des Patentanspruchs gestützt.
32Das Berufungsgericht hat ausdrücklich dargelegt, dass gemäß Art. 70 Abs. 1 EPÜ die Verfahrenssprache maßgeblich ist. In Einklang damit ist es bei seiner Auslegung von der englischen Fassung des Merkmals 3 ausgegangen.
33(2) Der vom Berufungsgericht herangezogene Grundsatz, dass die Beschreibung des Patents zur Auslegung des Anspruchs auch dann heranzuziehen ist, wenn der Wortlaut des Anspruchs eindeutig erscheint, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.
34Dass das Berufungsgericht aus der Beschreibung des Klagepatents andere Schlussfolgerungen gezogen hat als die Beklagte, stellt keinen Grund für die Zulassung der Revision dar.
35Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde lässt die angefochtene Entscheidung auch keine Tendenzen erkennen, die Anlass geben, die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.
36b) Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde weicht die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht von dem Verständnis ab, das dem Nichtigkeitsurteil des Senats zugrunde liegt.
37aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist der Senat bei der Auslegung des Klagepatents auf Merkmal 3 nicht näher eingegangen ( Rn. 11 ff.). Entsprechendes gilt für eine frühere Entscheidung über ein anderes Patent der hiesigen Klägerin, das ebenfalls das Merkmal 3 vorsieht ( Rn. 14).
38Dies deutet darauf hin, dass die Auslegung dieses Merkmals für die Entscheidung über die Nichtigkeitsklagen nicht von Bedeutung war.
39bb) In Bezug auf eine in beiden Verfahren zu beurteilende Entgegenhaltung hat der Senat in der Entscheidung über das andere Patent festgestellt, diese offenbare nicht ausdrücklich, dass die Abdeckung nicht nur schwenkbar, sondern auch abnehmbar ist. Er hat diesem Umstand keine Bedeutung beigemessen, weil die Entgegenhaltung ergänzend ausführt, es komme jede Ausgestaltung in Betracht, die ein Schwenken ermöglicht, und sich daraus hinreichend deutlich ergibt, dass auch Scharniere in Betracht kommen, bei denen eines der verschwenkbaren Teile abgenommen werden kann ( Rn. 59).
40In der Entscheidung über das Klagepatent hat der Senat unter Bezugnahme auf das frühere Urteil dargelegt, die Merkmale 3 und 4 seien durch die in Rede stehende Entgegenhaltung offenbart ( Rn. 51).
41Dem ist allenfalls zu entnehmen, dass der Senat es für möglich angesehen hat, dass sich die Begriffe "abnehmbar" und "verschwenkbar" gegenseitig ausschließen, nicht aber, dass er diese Frage abschließend beantwortet hat.
42Aus den wiedergegebenen Ausführungen ergibt sich, dass die in Rede stehende Frage für die Beurteilung des Rechtsbestandes in beiden Verfahren nicht erheblich war. Dementsprechend sind die beiläufigen Äußerungen des Senats nicht dahin zu verstehen, dass er diese Frage dennoch beantworten wollte.
43c) Merkmal 2.3 sieht vor, dass ein erstes Komponententeil (17) transparent und ein zweites Komponententeil (18) undurchsichtig ist.
44Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts reicht es zur Verwirklichung der Anforderung "transparent" aus, wenn das betreffende Teil in höherem Maße durchscheinend ist, so dass wesentliche optische Merkmale aus dem Inneren des Spendergehäuses wie etwa der Füllstand einer Seife oder der noch vorhandene Vorrat an Papierhandtüchern von außen zumindest schemenhaft zu erkennen sind.
45Auch in diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht auf Obersätze gestützt, die von der Rechtsprechung des Senats abweichen.
46d) Die Auslegung von Merkmal 2.3 durch das Berufungsgericht steht auch nicht in Widerspruch zu den Ausführungen des Senats im Nichtigkeitsverfahren, wonach der in der eingeschränkten Fassung vorgegebene Kunststoff MABS transparent ist ( Rn. 30).
47Der Senat hat die Frage, ob auch ein transluzentes Material als transparent im Sinne von Merkmal 2.3 (dort als Merkmal 2 c bezeichnet) anzusehen ist, ausdrücklich offengelassen ( Rn. 31).
482. Zu Unrecht macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, die Grundsätze für die Auslegung von Patenten seien im Laufe der Zeit "unscharf" geworden.
49Die nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ gebotene Heranziehung der Beschreibung hat zur Folge, dass ein Patentanspruch nicht allein anhand seines Wortlauts ausgelegt werden kann. Dies ist keine zu missbilligende "Unschärfe", sondern eine zwingende Vorgabe des Gesetzes.
50Das von der Nichtzulassungsbeschwerde angeführte Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG führt schon deshalb nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil es im Streitfall nicht um strafrechtliche Sanktionen geht (vgl. , juris Rn. 5). Unabhängig davon ist auch in einem Strafverfahren wegen Patentverletzung nicht allein der Anspruch als maßgebliche Strafnorm anzusehen, sondern der gesamte Inhalt der Patentschrift, der auch in diesem Zusammenhang gemäß Art. 69 Abs. 1 EPÜ heranzuziehen ist.
513. Die abweichende Beurteilung durch das Tribunale Ordinario di Milano, das den italienischen Teil des Klagepatents als unwirksam angesehen und eine Verletzung durch Ausführungsformen mit einem nur verschwenkbaren Spenderteil verneint hat (Urteil Nr. 2284/2025 vom ), vermag ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision zu führen.
52a) Die deutschen Gerichte haben allerdings Entscheidungen, die durch die Instanzen des Europäischen Patentamts oder durch Gerichte anderer Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens ergangen sind und eine im Wesentlichen gleiche Fragestellung betreffen, zu beachten und sich gegebenenfalls mit den Gründen auseinanderzusetzen, die bei der vorangegangenen Entscheidung zu einem abweichenden Ergebnis geführt haben ( Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 Rn. 14 - Walzenformgebungsmaschine).
53Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen diese Pflicht kommt indes schon deshalb nicht in Betracht, weil das in Rede stehende Urteil erst nach dem Berufungsurteil ergangen ist.
54b) Die Divergenz zwischen den beiden Urteilen stellt für sich genommen keinen hinreichenden Grund für die Zulassung der Revision dar.
55Eine Divergenz, die zur Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO führen kann, liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht (vgl. nur , BGHZ 151, 42 = NJW 2002, 2473, juris Rn. 8).
56Das Tribunale Ordinario di Milano ist jedenfalls im Streitfall mit dem Berufungsgericht nicht gleichrangig, weil es als erstinstanzliches Gericht entschieden hat.
57Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob eine unterschiedliche Auslegung von Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens durch ein deutsches und ein ausländisches Gericht überhaupt zur Zulassung der Revision führen kann.
584. Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde ergibt sich aus der Art und Weise, in der das Berufungsgericht die Verwirklichung von Merkmal 2.3 festgestellt hat, ebenfalls kein Grund für die Zulassung der Revision.
59Von einer näheren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO).
605. Der hilfsweise erhobene Einwand, eine Verurteilung zu Auskunft und Rechnungslegung müsse aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mit den Beschränkungen versehen werden, die die Beklagte in zweiter Instanz auf der Grundlage von §§ 16 ff. GeschGehG beantragt hat, vermag ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision zu führen.
61a) Wie die Beschwerdeerwiderung zutreffend darlegt, zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde keinen erst- oder zweitinstanzlichen Tatsachenvortrag der Beklagten auf, aus dem sich die geltend gemachte Unverhältnismäßigkeit ergeben könnte.
62b) Der bloße Umstand, dass es sich bei den aufgrund der Patentverletzung zu erteilenden Informationen um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelt, vermag den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit nicht zu begründen.
63c) Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde bedarf es in diesem Zusammenhang keiner Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union. Die diesbezügliche Rechtslage ist hinreichend klar.
64Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG sieht zwar unter anderem vor, dass Rechtsbehelfe verhältnismäßig sein müssen. Nach Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten aber sicherstellen, dass der Verletzer eines von der Richtlinie erfassten Rechts Auskunft über Lieferanten, Abnehmer, Mengen und Preise gibt. Damit wäre es nicht vereinbar, bereits eine Verurteilung zur Erteilung solcher Auskünfte als unverhältnismäßig anzusehen. Wie die Beschwerdeerwiderung zu Recht darlegt, dient die Richtlinie dem Ziel, ein hohes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten (, GRUR 2023, 799 Rn. 31 - Castorama Polska).
65IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 51 Abs. 1 GKG.
Bacher Hoffmann Kober-Dehm
Rensen von Pückler
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:131025BXZR107.24.1
Fundstelle(n):
NAAAK-03872