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Die Belastung von Dividenden mit Gewerbesteuer im Lichte der Mutter-Tochter-Richtlinie
Anmerkungen zum EuGH-Urteil in den Rs. Banca Mediolanum I bis III und deren Folgen
[i]EuGH, Urteil v. 1.8.2025 - C-92/24 bis C-94/24, NWB YAAAJ-97086 Die Mutter-Tochter-Richtlinie dient der Vermeidung einer Doppelbesteuerung von Dividenden auf Ebene der Muttergesellschaft. Italien hat zur Umsetzung im Rahmen der Körperschaftsteuer die Freistellungsmethode gewählt. Laut bis C-94/24 ( NWB YAAAJ-97086) verstößt die (zusätzliche) Einbeziehung von Dividenden in die Bemessungsgrundlage einer für Banken geltenden besonderen Steuer gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie. Das EuGH-Urteil ist u. E. auf die deutsche Rechtslage übertragbar. Damit dürften nun auch die letzten Zweifel ausgeräumt sein, dass die derzeit geltende Ausgestaltung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs in § 9 Nr. 7 GewStG nicht unionsrechtskonform ist.
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I. Hintergrund
[i]Abweichende Beteiligungsgrenzen im KSt- und GewSt-RechtVon Kapitalgesellschaften bezogene Dividenden sind effektiv zu 95 % von der Körperschaftsteuer befreit. Ausgenommen davon sind Dividenden aus sog. Streubesitz (Beteiligung von weniger als 10 %). Diese Systematik findet sich jedoch nicht in der Gewerbesteuer wieder. Die gewerbesteuerliche Freistellung von Dividenden erfordert eine Mindestbeteiligung zum Beginn des relevanten Erhebungszeitraums von 15 %. Die dagegen bereits vielfach vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken haben nun durch den EuGH erheblichen Rückenwind erhalten. Im Folgenden werden die Hauptaussagen des EuGH in seinem Urteil C-92/24 bis C-94/24 v. ( NWB YAAAJ-97086), welches das italienische Recht betrifft, skizziert und die Auswirkungen auf die derzeit bestehende deutsche Steuerbelastung von aus anderen EU-Mitgliedstaaten bezogenen Dividenden beleuchtet.S. 2729
II. EuGH: Verstoß gegen EU-Mutter-Tochter-Richtlinie durch andere Steuer ( bis 94/24 „Banca Mediolanum“)
1. Sachverhalt
[i]EuGH musste zum sachlichen Anwendungsbereich der MTR Stellung nehmenDem EuGH lag folgender (italienischer) Fall zugrunde: Eine Bank mit steuerrechtlichem Sitz in Italien bezog von ihren Tochtergesellschaften mit Sitz in anderen EU-Mitgliedstaaten Dividenden. Italien wählte – wie Deutschland – zur Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie (nachfolgend: MTR) die Freistellungsmethode. Im Rahmen der italienischen Körperschaftsteuer „IRES“ unterlagen damit 5 % der Dividenden der Körperschaftsteuer. Zusätzlich unterlag die Bank als Finanzintermediär der „IRAP“, deren Steuergegenstand die gewohnheitsmäßige Ausübung einer selbständigen Tätigkeit ist, die (neben anderen) auch auf die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet ist. Dabei wird die IRAP auf den Nettoproduktionswert erhoben, der sich aus der innerhalb der Region ausgeübten Tätigkeit ergibt. Konkret wurden 50 % der von der Bank bezogenen Dividenden in die Bemessungsgrundlage der IRAP einbezogen.
Vor dem Hintergrund der MTR beantragte die Bank (für die Streitjahre 2013 und 2014) bei der italienischen Steuerverwaltung die Erstattung der auf den Dividenden beruhenden Belastung mit der IRAP. Mit diesen Anträgen hatte die Bank bis zum Berufungsgericht keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hingegen folgte der Argumentation und legte dem EuGH ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen vor.
2. Entscheidung des EuGH
[i]Für den EuGH ist unerheblich, dass es sich bei der (zusätzlichen) IRAP nicht um eine KSt handeltDer EuGH sah in seiner Entscheidung v. ( NWB YAAAJ-97086) die Einbeziehung der Dividenden (in Höhe von 50 %) in die Bemessungsgrundlage der IRAP, die zu einer zusätzlichen Steuerbelastung neben der IRES führte, als nicht mit der MTR vereinbar an. Dass es sich bei der IRAP um eine Steuer handelt, die gerade keine Körperschaftsteuer (wie die italienische IRES) ist, war für den EuGH unerheblich. Zu diesem Ergebnis kam der EuGH sowohl unter Heranziehung des Wortlauts, der Systematik als auch des Zwecks der MTR.
So betont der EuGH, dass aus Art. 4 Abs. 1 Buchst. a MTR klar hervorgehe, dass ein das Befreiungssystem nutzender Mitgliedstaat von der Besteuerung der einer EU-Muttergesellschaft von in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften zufließenden Gewinne absehen muss. Unter Verweis auf die C-365/16 ( NWB XAAAK-00182) und v. - C-556/20 ( NWB RAAAK-00184) sei dies auch nicht auf eine bestimmte Steuer beschränkt (Rz. 32 ff. des Urteils). S. 2730
[i]Nichtnennung der IRAP im MTR-Anhang ebenfalls unbeachtlichMit seiner systematischen Auslegung der MTR erteilte der EuGH der Argumentation der italienischen Regierung eine Absage, dass aus der Nichtnennung der IRAP in Anhang I Teil B zu Art. 2 Buchst. a Ziff. iii MTR als Steuerart diese Belastung nicht vom Schutzbereich der MTR umfasst sei. Der EuGH sieht diese Anlage im Zusammenspiel mit Art. 2 MTR nur als Bestimmung des persönlichen und nicht des sachlichen Anwendungsbereichs der MTR. Die genannten einzelstaatlichen Steuerarten dienen laut EuGH nur dem Zweck der Bezeichnung der Gesellschaften der Mitgliedstaaten, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen sollen („einfache“ Nennung von einzelstaatlichen Steuern, denen diese Gesellschaften normalerweise unterliegen). Damit kann laut EuGH auch eine nicht im Anhang genannte Steuer dem sachlichen Schutzbereich der MTR unterliegen (Rz. 36 bis 38 des Urteils).
Auch [i]Jede Steuer, deren BMG Dividenden umfasst ? unabhängig davon, ob sie als KSt klassifiziert ? fällt unter den Schutzbereich der MTRder Sinn und Zweck der MTR, die Doppelbesteuerung der von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne auf Ebene der Muttergesellschaft zu beseitigen, sei nur so zu erreichen. Aus der dabei vertretenen wirtschaftlichen Betrachtung folgt, dass der EuGH das gewählte Befreiungssystem als eine Regelung ansieht, die jede Steuer gleich welcher Art erfasst, deren Bemessungsgrundlage auch nur einen Teil dieser Gewinne im Mitgliedstaat des Sitzes der Muttergesellschaft mit einschließt (vgl. Rz. 39 f. des Urteils).
[i]EuGH fordert keine Vergleichbarkeit mit KStAnders als die Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen v. (s. https://go.nwb.de/wqx93) gibt der EuGH in seinem Urteil keine weiteren Vorgaben hinsichtlich der „zusätzlichen“ Steuer. Die Generalanwältin sah einen Verstoß gegen die MTR dann für gegeben, sofern diese (zusätzliche) Steuer als Körperschaftsteuer oder als eine sonstige, mit einer Körperschaftsteuer vergleichbare Steuer zu betrachten ist. Hinsichtlich der Vergleichbarkeit verwies sie auf den Charakter (konkret der IRAP) und ihren Besteuerungsgegenstand, der aus dem nationalen Recht folge und deren Einordnung dem vorlegenden (italienischen) Gericht obliege.