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BVerwG Urteil v. - 5 C 8.23

Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Förderungsamts bei der Ersatzpflicht der Angehörigen nach § 47a BAföG

Leitsatz

1. Die durch § 46 Abs. 3 BAföG begründete Verpflichtung, die zur Feststellung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen auf den vorgesehenen Formblättern anzugeben (Formblattzwang), bewirkt, dass das Förderungsamt hinsichtlich der in einem Formblatt ausdrücklich und insbesondere beziffert eingeforderten Angaben grundsätzlich keine weitergehende Sichtung von eingereichten Belegen vornehmen muss.

2. Die Mitverschuldensregelung des § 254 Abs. 1 BGB ist auf den Ersatzanspruch nach § 47a BAföG grundsätzlich entsprechend anwendbar.

3. Kommt einem beizufügenden Steuerbescheid aufgrund der Gestaltung eines Formblatts nicht nur eine Nachweis-, sondern auch eine eigenständige Erklärungsfunktion zu, ist das Förderungsamt nach Maßgabe seiner Amtsaufklärungspflicht(§ 20 SGB X) zu dessen umfassender und vollständiger Auswertung verpflichtet.

4. Verletzt das Förderungsamt die ihm danach obliegende Amtsaufklärungspflicht, wird sein entsprechend § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigender Beitrag zur Schadensentstehung auch dann nicht vollständig verdrängt, wenn dem nach § 47a BAföG Ersatzpflichtigen möglicherweise im konkreten Einzelfall durch den Schaden ein Vermögensvorteil infolge ersparter Unterhaltsaufwendungen zugeflossen ist.

Instanzenzug: Sächsisches Oberverwaltungsgericht Az: 5 A 523/22 Urteilvorgehend VG Dresden Az: 1 K 348/19 Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines wegen überhöhter Ausbildungsförderungsleistungen geltend gemachten Ersatzanspruchs nach § 47a BAföG.

2Die Klägerin ist die Mutter einer Studentin, die im Juli 2016 bei dem Beklagten einen Antrag auf Weiterförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz stellte. Dem Antrag war die Kopie eines Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2014 beigefügt, der für die Klägerin und ihren Ehemann ergangen war. In diesem waren insbesondere Einkünfte der Klägerin aus Leibrenten (private Berufsunfähigkeitsversicherung) ausgewiesen. Diese Einkünfte blieben dem Bescheid nach unversteuert. Außerdem reichte die Klägerin dem Beklagten eine von ihr unterzeichnete Einkommenserklärung (Formblatt 3) mit Angaben zu ihren Einkommensverhältnissen im Jahr 2014 nach. Darin waren die Zeilen 73 ff. "Renten (Bescheide bzw. Rentenmitteilungen vollständig in Kopie beifügen)" nicht ausgefüllt. Der Beklagte bewilligte der Tochter der Klägerin für den Zeitraum von Oktober 2016 bis September 2017 monatliche Förderungsleistungen, wobei diese später in der Höhe neu festgesetzt wurden.

3Mit Bescheid vom zog der Beklagte die Klägerin nach § 47a BAföG zum Ersatz für zu Unrecht gewährte Förderungsleistungen in Höhe von 5 460 € zuzüglich aufgelaufener Zinsen von 222,42 € heran. Es bestehe ein Ersatzanspruch, weil im Formblatt 3 die Einkünfte nicht vollständig erklärt worden seien und deshalb eine zu hohe Ausbildungsförderung bewilligt worden sei. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.

4Ihrer gegen die Heranziehung gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht nur hinsichtlich des Zinsanspruchs stattgegeben; wegen der Hauptforderung hat es sie abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin habe im Sinne von § 47a Satz 1 BAföG fahrlässig falsche Angaben gemacht, indem sie ihre private Leibrente in ihrer Einkommenserklärung nicht eingetragen habe. Allerdings sei der Klägerin nur leichte Fahrlässigkeit anzulasten, weil dem Antrag der Einkommensteuerbescheid für 2014 beigefügt gewesen und sie davon ausgegangen sei, dass die in diesem verzeichneten Einkünfte vom Beklagten zur Kenntnis genommen würden. Das Unterlassen der Angaben im Formblatt 3 habe jedenfalls mitursächlich dazu geführt, dass der Tochter der Klägerin zu Unrecht eine höhere Ausbildungsförderung geleistet worden sei. Die Höhe der Überzahlung sei zutreffend berechnet worden. Der Heranziehung der Klägerin zum Schadensersatz stehe ein Mitverschulden des Beklagten analog § 254 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Ein Mitverschulden des Beklagten sei zwar gegeben, weil dieser bei einem Abgleich der Angaben der Klägerin mit dem Einkommensteuerbescheid leicht und ohne besonderen Aufwand hätte feststellen können, dass die privaten Renteneinkünfte nicht eingetragen worden seien. Dem Beklagten sei insoweit aber nur leichte Fahrlässigkeit anzulasten, weil die Klägerin das Formblatt 3 zur Einkommenserklärung ausgefüllt und die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben versichert habe. Für eine Anwendung von § 254 BGB sei dann kein Raum. Es erscheine - bei einem nur geringen Verschulden der Behörde - durch nichts gerechtfertigt, die Angehörigen gänzlich oder auch nur teilweise von dem Schaden der Behörde, der bei Anwendung der Differenzhypothese der Entlastung der Angehörigen von der Unterhaltspflicht entsprechen dürfte, freizustellen. Die ungerechtfertigte Freistellung ginge zu Lasten der Allgemeinheit und beeinträchtige deshalb öffentliche Belange.

5Die Klägerin verfolgt mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision ihr Klagebegehren weiter. Sie ist der Ansicht, das Oberverwaltungsgericht sei bereits in fehlerhafter Rechtsanwendung davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen von § 47a BAföG erfüllt seien. Das Oberverwaltungsgericht meine offensichtlich, nur das Formblatt dürfe zur Annahme unzutreffender Angaben herangezogen werden. Die Behörde müsse aber ihre Feststellungen aus allen vorliegenden Unterlagen schöpfen und dürfe sich gerade nicht nur auf das Formblatt verlassen. Unbeschadet dessen habe das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht die Berücksichtigung eines den Anspruch begrenzenden Mitverschuldens nach § 254 BGB analog verneint. Nicht gefolgt werden könne der Ansicht, bei nur leichter Fahrlässigkeit der Behörde scheide die Begrenzung der Haftung durch ein Mitverschulden aus, weil der zur Leistung Verpflichtete einen Vermögensvorteil erlangt habe.

6Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren und unterstützt seine Rechtsauffassung.

Gründe

7Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, dass dem Beklagten ein Ersatzanspruch gegen die Klägerin nach § 47a Satz 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) zusteht. Seine entscheidungstragende Auffassung, diesem Anspruch könne ein Mitverschulden des Beklagten in entsprechender Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB nicht entgegengehalten werden, weil diese Vorschrift in der hier gegebenen Fallgestaltung nicht anwendbar sei, verletzt allerdings Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da der Sachverhalt geklärt ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

8Nachdem die vom Verwaltungsgericht hinsichtlich der Zinsforderung ausgesprochene Teilaufhebung des angefochtenen Bescheids rechtskräftig geworden ist, ist Gegenstand des Revisionsverfahrens - wie bereits des Berufungsverfahrens - allein die in dem Bescheid bezeichnete Hauptforderung in Höhe von 5 460 €. Diesbezüglich ist die zulässige Anfechtungsklage in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet, weil der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids insoweit rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei sind der rechtlichen Beurteilung die Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes in der zum Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 2016 hinsichtlich der zum elterlichen Einkommen geschuldeten Angaben und im Übrigen in der zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am geltenden Fassung zugrunde zu legen, ohne dass insoweit ein relevanter Unterschied zum nunmehr geltenden Recht besteht. Dem Beklagten steht in deren Anwendung zwar gegen die Klägerin ein Ersatzanspruch nach § 47a Satz 1 BAföG zu (1.). Dieser ist allerdings wegen eines Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB analog auf die Hälfte des geltend gemachten Betrages begrenzt (2.).

91. Nach § 47a Satz 1 BAföG in der im Jahr 2018 geltenden Fassung haben der Ehegatte oder Lebenspartner oder die Eltern des Auszubildenden den Betrag, der nach § 17 Abs. 1 und 2 BAföG für den Auszubildenden als Förderungsbetrag zu Unrecht geleistet worden ist, dem Land zu ersetzen, wenn sie die Leistung von Ausbildungsförderung an den Auszubildenden dadurch herbeigeführt haben, dass sie vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I unterlassen haben.

10Bei diesem Anspruch des Landes handelt es sich nicht um einen Erstattungsanspruch, weil die Verpflichteten als Angehörige des Auszubildenden selbst keine Ausbildungsförderungsleistungen erlangt haben. Vielmehr beinhaltet er einen eigenständigen Schadensersatzanspruch des öffentlichen Rechts, der der Deliktshaftung nach den §§ 823 ff. BGB nahesteht (vgl. 11 C 4.92 - Buchholz 436.36 § 47 a BAföG Nr. 2 S. 5 und vom - 5 C 55.15 - NJW 2017, 1560 Rn. 16). Er knüpft daran an, dass die Erwirkung einer unrechtmäßigen Förderung durch Falschangaben der Angehörigen bei der öffentlichen Hand zu einem Vermögensschaden führt (vgl. 5 B 123.96 - juris Rn. 3). In der Rechtsprechung des Senats ist außerdem geklärt, dass § 47a BAföG eine hinreichende Ermächtigung für den Erlass eines Leistungsbescheids enthält ( 5 C 55.15 - NJW 2017, 1560 Rn. 11).

11a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 47a Satz 1 BAföG sind erfüllt. Die Klägerin hat die Leistung von Ausbildungsförderung an ihre Tochter dadurch herbeigeführt, dass sie vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat.

12aa) Mit dem Tatbestandsmerkmal "falsche oder unvollständige Angaben" nimmt § 47a Satz 1 BAföG in der Sache Bezug auf die in § 47 BAföG getroffene Regelung der Auskunftspflichten Dritter im förderungsrechtlichen Antragsverfahren ( 5 C 55.15 - NJW 2017, 1560 Rn. 11). Nach § 47 Abs. 4 BAföG gilt § 60 SGB I auch für die Eltern des Auszubildenden entsprechend. Demgemäß müssen auch diese im Antragsverfahren insbesondere alle Tatsachen angeben, die für die Leistung erheblich sind (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I), und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorlegen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I). Diese Verpflichtung wurde weiter dadurch konkretisiert, dass nach § 46 Abs. 3 BAföG die zur Feststellung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen auf den vorgesehenen Formblättern anzugeben sind, die die Bundesregierung durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt hat. Diese Formblätter legen den Umfang der durch den Erklärungspflichtigen anzugebenden (leistungserheblichen) Tatsachen und die beizufügenden Nachweise fest, auf deren Grundlage die Feststellung der Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde und der Höhe nach erfolgt (vgl. 5 B 106.86 - Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 9 S. 1). Für den hier in Rede stehenden Zeitraum ist diese Festlegung durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Bestimmung der Formblätter nach § 46 Abs. 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom (GMBl S. 211) getroffen worden.

13Die Verpflichtung zur Angabe der leistungserheblichen Tatsachen auf den Formblättern wird entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dadurch relativiert, dass § 47 Abs. 4 BAföG auch auf § 60 Abs. 2 SGB I verweist, wonach vorgesehene Vordrucke lediglich benutzt werden "sollen". Nach der zuletzt genannten Regelung gilt zwar für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren der Grundsatz, dass der Sozialleistungsträger leistungserhebliche Umstände auch dann berücksichtigen muss, wenn der Antragsteller sie auf andere Weise als auf den Vordrucken mitteilt (Sichert, in: Hauck/​Noftz, SGB I, Stand Dezember 2010, § 60 Rn. 49; Spellbrink, in: Kasseler Kommentar, Stand August 2019, § 60 SGB I Rn. 33; Gutzler, in: Lilge/​Gutzler, SGB I, 5. Aufl. 2019, § 60 Rn. 45). Demgegenüber ist der durch § 46 Abs. 3 BAföG angeordnete Formblattzwang jedoch die speziellere Regelung, die eine zwingende, über eine bloße Ordnungsvorschrift hinausgehende Bestimmung enthält (vgl. 5 B 106.86 - Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 9 S. 1). Sie bewirkt, dass es hinsichtlich der in einem Formblatt ausdrücklich, insbesondere beziffert, eingeforderten Angaben einer weitergehenden Sichtung von eingereichten Belegen durch das Förderungsamt grundsätzlich nicht bedarf (vgl. auch Sieweke, in: jurisPK-SGB, Stand April 2023, § 46 BAföG Rn. 19; Lackner/​Buchmann, in: Ramsauer/​Stallbaum, BAföG, 8. Aufl. 2024, § 46 Rn. 14).

14Diese Auslegung rechtfertigt sich mit Blick auf den Sinn und Zweck der in § 46 Abs. 3 BAföG getroffenen Regelung und der Gesetzessystematik. Der Gesetzgeber hat mit dem schon mit der ursprünglichen Gesetzesfassung von 1971 eingeführten Formblattzwang ersichtlich bezweckt, Angaben zu den leistungserheblichen Tatsachen nicht schon dann ausreichen zu lassen, wenn sie nur in einer für die Bearbeitung ausreichenden Form erfolgen (vgl. BT-Drs. VI/1975 S. 39). Die Förderungsämter sollten den Antrag und die beigefügten Unterlagen also nicht nach relevanten Angaben "durchsuchen" müssen, sondern sich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung über alle für die Förderungsleistung erforderlichen Angaben in der strukturierten Darstellung der Formblätter verlassen können. Zu dieser Abgrenzung ist der Gesetzgeber ausdrücklich im Lichte des später eingeführten § 60 SGB I zurückgekehrt und hat, nachdem zwischenzeitlich § 60 Abs. 2 SGB I auch für Ausbildungsförderungsanträge galt, den Formblattzwang im Jahr 1979 wiedereingeführt (BT-Drs. 8/2467 S. 18). Der Charakter des § 46 Abs. 3 BAföG als über eine bloße Obliegenheit hinausgehende Rechtspflicht wird in systematischer Hinsicht dadurch bestätigt, dass sie nach allgemeiner Auffassung selbständig mittels eines Verwaltungsakts feststellbar und auch vollstreckbar ist (vgl. Ramsauer, in: Ramsauer/​Stallbaum, BAföG, 8. Aufl. 2024, § 47 Rn. 11) und ihre Nichterfüllung nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 BAföG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann. Vor diesem Hintergrund sollen die in den Formblättern angeforderten Belege grundsätzlich nicht die dort ausdrücklich vorgesehenen Angaben inhaltlich ersetzen oder ergänzen, sondern dem Förderungsamt lediglich deren Kontrolle erleichtern. Was im Übrigen zu gelten hätte, wenn das Förderungsamt eine Diskrepanz zwischen den Angaben in den Formblättern und den Inhalten eines Belegs tatsächlich feststellt (vgl. dazu OVG Bautzen, Urteil vom - 1 A 519/13 - SächsVBl 2015, 294 Rn. 23) oder sonst Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit hat, muss hier nicht entschieden werden.

15bb) Daran gemessen hat die Klägerin unvollständige Angaben zu ihren Einkommensverhältnissen gemacht. Hierfür war das Formblatt 3 maßgeblich, in dem auch das Erfordernis der betragsmäßigen Angabe von "Renten" (Zeilen 73 ff.) vorgesehen ist. Damit wird einerseits für das nach dem förderungsrechtlichen Einkommensbegriff relevante Einkommen daran angeknüpft, dass dazu Rentenzahlungen bereits als sonstige Einkünfte gehören, soweit sie steuerpflichtig sind (§ 21 Abs. 1 Satz 1 BAföG, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG). Hierunter fallen grundsätzlich auch Renten aus privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen, die als solche dem steuerrechtlichen Leibrentenbegriff unterfallen und mit dem Ertragsanteil versteuert werden; dies gilt auch dann, wenn sie als bedingte oder abgekürzte Leibrenten einzustufen sind (vgl. Wernsmann/​Neudenberger, in: Kirchhof/​Söhn/​Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Stand Februar 2025, § 22 EStG Rn. B 141, B 144 f.). Andererseits beruht dies auf der Regelung in § 21 Abs. 1 Satz 4 BAföG, nach der Leibrenteneinkünfte, auch soweit sie nicht der Besteuerung unterliegen, im Wege der Fiktion als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gelten. § 21 Abs. 1 Satz 4 BAföG nimmt unter Berücksichtigung des binnensystematischen Kontexts auch für die Fiktion auf den steuerrechtlichen Leibrentenbegriff Bezug und erfasst daher ebenfalls alle Einkünfte aus der steuerrechtlich als Leibrente anzusehenden Berufsunfähigkeitsversicherung. Demgemäß waren, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, in den Zeilen 73 ff. des Formblatts 3 sämtliche Einkünfte aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung anzugeben, gleich ob sie steuerpflichtig sind oder nicht. Da die Klägerin nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im maßgeblichen Jahr 2014 solche Einkünfte hatte, aber diese in den Zeilen 73 ff. nicht eingetragen und Angaben hierzu auch nicht an anderer Stelle auf dem Formblatt 3 (vgl. dazu 5 B 106.86 - Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 9 S. 1) gemacht hat, waren ihre Angaben unvollständig. Dass aus dem eingereichten Einkommensteuerbescheid der Klägerin und ihres Ehemannes für das maßgebliche Jahr 2014 die nicht zu versteuernden Renteneinkünfte hervorgingen, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung.

16cc) Das Handeln der Klägerin war schuldhaft. Dem Charakter des § 47a BAföG als Schadensersatzanspruch folgend, der - wie bereits dargelegt - der Deliktshaftung nach den §§ 823 ff. BGB nahesteht, ist bezüglich des Verschuldensmaßstabs ("vorsätzlich oder fahrlässig") auf § 276 BGB zurückzugreifen. Danach genügt einfache Fahrlässigkeit, die das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage der von ihm für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Tatsachenfeststellungen ohne Verkennung des zugrundeliegenden Rechtsbegriffs und unter Einbeziehung aller maßgeblichen Umstände festgestellt hat.

17dd) Die Klägerin hat hierdurch die Förderungsleistungen im Sinne des § 47a Satz 1 BAföG "herbeigeführt". Der danach erforderliche haftungsbegründende adäquate Ursachenzusammenhang besteht, wenn eine Tatsache nicht nur im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach regelmäßigem Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet ist ( 5 C 55.15 - NJW 2017, 1560 Rn. 16). Im Übrigen genügt eine bloße Mitursächlichkeit (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom - 1 A 519/13 - SächsVBl 2015, 294 Rn. 22; VGH Mannheim, Beschluss vom - 12 S 214/20 - juris Rn. 9 m. w. N.; Steinweg, in: Ramsauer/​Stallbaum, BAföG, 8. Aufl. 2024, § 47a Rn. 14). Hiervon ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Auf der Grundlage seiner bindenden Feststellungen ist nicht zweifelhaft, dass die unvollständigen Angaben im Formblatt 3 adäquat kausal für die Bewilligung von Förderungsleistungen in der konkreten Höhe waren.

18b) Der danach zu Unrecht geleistete und von der Klägerin grundsätzlich zu ersetzende Förderungsbetrag ist in dem angefochtenen Bescheid zutreffend festgesetzt worden. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass der zu ersetzende Vermögensschaden des Förderungsamts sich nach der zivilrechtlichen Differenzhypothese beurteilt. Die dem Auszubildenden im maßgeblichen Zeitraum zugewandte Förderung ist danach um die Ausbildungsförderungsleistung zu mindern, die dieser bei vollständigen Angaben des maßgeblichen Angehörigen über seine Einkommensverhältnisse erhalten hätte ( 5 C 55.15 - NJW 2017, 1560 Rn. 18 ff.). Den in Anwendung dieser Grundsätze berechneten Betrag der Hauptforderung zieht die Klägerin der Höhe nach auch nicht in Zweifel.

192. Der hiernach in dem angefochtenen Bescheid zutreffend festgesetzte Betrag der Hauptforderung ist allerdings wegen eines Mitverschuldens des Beklagten nach § 254 Abs. 1 BGB analog auf die Hälfte begrenzt. Nach dieser Vorschrift hängt die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt hat (§ 254 Abs. 1 BGB). Sie findet auf den Ersatzanspruch nach § 47a Satz 1 BAföG Anwendung (a)) und ihr Tatbestand ist hier erfüllt (b)). Dies verringert den Ersatzanspruch des Beklagten um die Hälfte (c)).

20a) Die grundsätzlich analoge Anwendbarkeit des § 254 Abs. 1 BGB auf den Anspruch nach § 47a BAföG hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend bejaht. Sie ist nach dem Sinn und Zweck der Norm deshalb gerechtfertigt, weil es sich bei diesem um einen Schadensersatzanspruch handelt, der der zivilrechtlichen Deliktshaftung nach den §§ 823 ff. BGB nahesteht, auf welche § 254 BGB anerkanntermaßen anwendbar ist (vgl. Höpfner, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2021, § 254 Rn. 4). Dass der Schadensersatzanspruch nach § 47a BAföG selbst öffentlich-rechtlicher Natur ist, ist unerheblich. Dafür spricht, dass § 254 BGB ohne Weiteres auf den ebenfalls deliktischen, systematisch aber zum Verwaltungsrecht gehörenden Amtshaftungsanspruch anzuwenden ist. Gleiches gilt für die Anwendung auf öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse. Hinzu kommt, dass § 254 Abs. 1 BGB letztlich als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben und damit als allgemeines Prinzip des Schadensrechts zu verstehen ist, das sich auch auf das öffentliche Recht erstreckt (vgl. Höpfner, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2021, § 254 Rn. 27; Ebert, in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 254 Rn. 6, 11 f.).

21Dabei ist die Anwendbarkeit des § 254 Abs. 1 BGB - anders als das Oberverwaltungsgericht angenommen hat - nicht davon abhängig, ob dem nach § 47a BAföG Ersatzpflichtigen im konkreten Einzelfall ein Vermögensvorteil infolge ersparter Unterhaltsaufwendungen durch den Schaden zugeflossen ist und dem Förderungsamt nur eine leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt. Grundsätze des öffentlichen Rechts, insbesondere des Ausbildungsförderungsrechts, gebieten insoweit auch dann keine Abweichung, wenn man die Möglichkeit eines solchen Vermögensvorteils des Schädigers in Rechnung stellt. Zunächst ist schon dem Ausgangspunkt nach zu berücksichtigen, dass der Schadensersatzanspruch nach § 47a BAföG seiner Natur nach nicht auf die Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten und damit auch nicht auf die Abschöpfung von ersparten Unterhaltsaufwendungen gerichtet ist, sondern auf den Ersatz des eingetretenen Schadens (vgl. 11 C 4.92 - Buchholz 436.36 § 47 a BAföG Nr. 2 S. 5). Hieran ändert der Einwand nichts, eine ungerechtfertigte Freistellung des Schädigers gehe zu Lasten der Allgemeinheit und beeinträchtige öffentliche Belange, weil sie die dauerhafte Fehlleitung öffentlicher Mittel begünstige. Denn dem Gesichtspunkt, dass der Schädiger grundsätzlich aus der schädigenden Handlung keinen Vermögensvorteil ziehen soll und deshalb in solchen Fällen ein Mitverschulden des Beschädigten außer Betracht bleiben kann, kann auch im Rahmen der Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB auf der Rechtsfolgenseite unter Ausschluss einer weiteren Abwägung Rechnung getragen werden (vgl. - BeckRS 1962, 31190126 <B.II.4.a>; Höpfner, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2021, § 254 Rn. 125), so dass aus diesem Grunde nicht geboten ist, bereits die Anwendbarkeit der Vorschrift auszuschließen.

22b) Der Tatbestand des § 254 Abs. 1 BGB ist erfüllt. Die Vorschrift knüpft an ein Mitverschulden des Beschädigten bei der Schadensentstehung an. Dieses wiederum setzt eine schuldhafte Sorgfaltsverletzung des Beschädigten voraus, die adäquat kausal für die Herbeiführung des Schadens gewesen sein muss. Eine solche Sorgfaltsverletzung knüpft im Gegensatz zur Bedeutung des Verschuldens in anderen Zusammenhängen nicht notwendig daran an, dass gegen eine Rechtspflicht verstoßen worden ist. Vielmehr liegt allgemein formuliert ein Mitverschulden bei der Schadensentstehung schon dann vor, wenn der Beschädigte diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch im eigenen Interesse aufwendet, um sich vor einem Schaden zu bewahren (vgl. Oetker, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2022, § 254 Rn. 29 f. m. w. N).

23aa) Ein solches Mitverschulden ist hier bereits deshalb anzunehmen, weil der Beklagte nicht nur - wie schon der Sache nach im Widerspruchsbescheid eingeräumt - eine im eigenen Interesse bestehende Obliegenheit zur Schadensverhütung und -minderung verletzt hat, sondern überdies auch eine das Verwaltungsverfahren prägende Rechtspflicht, nämlich die Amtsaufklärungspflicht nach § 20 SGB X. Dies gilt unbeschadet dessen, dass die hier in Rede stehenden Angaben über den Rentenbezug nach § 46 Abs. 3 BAföG auf dem Formblatt 3 zu machen waren.

24Die Verletzung der Pflicht aus § 20 SGB X beruht darauf, dass nach der Gestaltung des Formblatts 3 dem beizufügenden Steuerbescheid nicht nur eine Nachweis- sondern auch eine eigenständige Erklärungsfunktion zukommt. Diese ergibt sich daraus, dass im Fall einer Steuerveranlagung nicht alle steuerpflichtigen Einnahmen und Abzugsbeträge, die nach § 21 BAföG für die Einkommensermittlung von Bedeutung sind, gesondert und betragsmäßig auf dem Formblatt 3 anzugeben, sondern nur dem Steuerbescheid zu entnehmen sind. Dies gilt etwa für Kapitaleinkünfte und andere Einnahmen (vgl. Zeilen 63 ff. Formblatt 3: "Wenn keine Veranlagung zur Einkommensteuer durchgeführt worden ist und auch nicht mehr durchgeführt wird"), aber auch für bestimmte Abzugsbeträge (vgl. Zeile 61 Formblatt 3: "Angaben zur Kirchensteuer, soweit nicht im Einkommensteuerbescheid enthalten"). Das hat zur Folge, dass im Fall einer Steuerveranlagung der nach § 47 Abs. 4 BAföG Auskunftspflichtigen der Steuerbescheid dem Förderungsamt nicht lediglich die Überprüfung der verpflichtenden Angaben ermöglicht, sondern dass dieser von vornherein in Anwendung der Amtsaufklärungspflicht nach § 20 SGB X zur Ermittlung der fördermaßgeblichen Tatsachen umfassend und vollständig auszuwerten ist. Dieser umfassenden Kenntnisnahme- und Auswertungspflicht kann das Förderungsamt sich nicht mit Verweis darauf entziehen, dass einzelne im Steuerbescheid aufgeführte Einkunftsarten etwa nicht umfassend steuerpflichtig sind und deshalb gesondert im Formblatt anzugeben waren. Denn ist das Förderungsamt gehalten, den Steuerbescheid umfassend daraufhin auszuwerten, ob im Formblatt anzugebende fördermaßgebliche Umstände dort aufgeführt sind, und bezieht sich die Pflicht zur Auswertung daher notwendig auf den Steuerbescheid insgesamt, kann es die so gewonnenen Erkenntnisse nicht deshalb partiell ausblenden, weil sie im Formblatt selbst zu machen gewesen wären. Die Amtsermittlungspflicht verpflichtet die Behörde, alle gewonnenen und für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen (§ 20 Abs. 2 SGB X), also in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen (vgl. Siefert, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 20 Rn. 14).

25bb) Die Sorgfaltsverletzung des Beklagten war auch schuldhaft. Diesbezüglich sind die Grundsätze über den Verschuldensmaßstab in § 276 BGB auch im Rahmen des § 254 BGB heranzuziehen (vgl. Oetker, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2022, § 254 Rn. 31, 35 m. w. N). Unter Berücksichtigung dessen hat der Beklagte nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt, weil die Renteneinkünfte unschwer dem Steuerbescheid zu entnehmen waren, also dessen Auswertung nicht vollständig und damit nicht sorgfältig vorgenommen wurde. Auf die vorinstanzliche Einordnung als einfache Fahrlässigkeit kommt es hier nicht an.

26cc) Die Sorgfaltsverletzung des Beklagten war für die Schadensherbeiführung schließlich adäquat kausal. Maßgeblich ist insoweit letztlich, ob die vom Beschädigten nicht eingehaltene Sorgfaltsanforderung ihrem Schutzzweck und der jeweiligen Pflichtenstellung nach darauf abzielt, einen Schaden wie den eingetretenen zu verhindern und insofern den Schädiger zu entlasten (vgl. Oetker, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2022, § 254 Rn. 32 f. m. w. N.), oder ob der Schädiger gerade die ihm allein obliegende Pflicht verletzt hat, Fehler des Beschädigten zu verhindern oder auszugleichen (vgl. IVa ZR 183/84 - NJW-RR 1986, 1348 <1349>; Höpfner, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2021, § 254 Rn. 34).

27Dies zugrunde gelegt greift der Einwand mitwirkenden Verschuldens ein, weil die Verantwortung für die Offenlegung der leistungserheblichen Tatsache der Renteneinkünfte hier nicht aufgrund von § 47 Abs. 4, § 46 Abs. 3 BAföG allein der Klägerin auferlegt war. Vielmehr oblag die Schadensabwendung nach der zu berücksichtigenden gesamten wechselseitigen gesetzlichen Pflichtenstellung der Beteiligten jedenfalls auch dem Beklagten, da dieser aufgrund der aus der Gestaltung der Formblätter folgenden Funktion des Steuerbescheids als Erklärungsmittel alle dort enthaltenen Angaben in Erfüllung der gesetzlichen Amtsermittlungspflicht auszuwerten und zu berücksichtigen hatte. Ob und inwieweit etwas anderes im Fall von in einem Formblatt anzugebenden und dort nicht erklärten Tatsachen gilt, die sich nicht auch unmittelbar dem Steuerbescheid entnehmen lassen, aber anhand sonstiger Belege ermittelbar sind, muss der Senat nicht entscheiden.

28c) Die Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB führt zu einer Verringerung des Ersatzanspruchs des Beklagten um die Hälfte. Die Norm ordnet als Rechtsfolge an, dass sich die Frage, ob überhaupt und bejahendenfalls in welcher Höhe Ersatz zu leisten ist, nach den Umständen richtet und insbesondere davon abhängt, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Daneben ist auch das Maß des jeweiligen Verschuldens im Rahmen einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen (vgl. Oetker, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2022, § 254 Rn. 109 ff., 111 ff., 118 m. w. N.). Das Oberverwaltungsgericht hat zwar eine solche Abwägung nicht vorgenommen. Sie kann aber auch im Revisionsverfahren erfolgen, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hierfür ausreichen (vgl. - NJW 1993, 1191 <1192> m. w. N.). Das ist hier der Fall. Sie führt bei gleichgewichtigen Verursachungsbeiträgen und einem im Wesentlichen gleichen beiderseitigen Verschuldensmaß zu einer Schadenshalbierung.

29aa) Die festgestellten Verursachungsbeiträge beider Beteiligten sind als gleichgewichtig anzusehen, weil davon auszugehen ist, dass das jeweilige Verhalten mit gleicher Wahrscheinlichkeit zum Schadenseintritt beigetragen hat (vgl. zum Maßstab: Oetker, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2022, § 254 Rn. 110 m. w. N.). Denn weder bei vollständigen Angaben im Formblatt 3 durch die Klägerin noch bei einer korrekten Prüfung des Einkommensteuerbescheids durch den Beklagten wäre es zur Bewilligung von überhöhten Förderungsleistungen gekommen. Auch bezüglich des Verschuldensmaßes ist das Oberverwaltungsgericht jeweils in gleicher Weise von einfacher Fahrlässigkeit sowohl auf Seiten der Klägerin wie des Beklagten ausgegangen. Dies ist in Bezug auf das Verschulden des Beklagten im Rahmen der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht deshalb zu korrigieren, weil die Vorinstanz nicht alle festgestellten Umstände in die Wertung einbezogen hat (vgl. - NJW-RR 2000, 397 <397>). Ob solches mit Blick auf den Gesichtspunkt einer Verletzung der Amtsaufklärungspflicht durch den Beklagten anzunehmen wäre, kann offenbleiben. Denn zum einen hat auch das Oberverwaltungsgericht jedenfalls erkannt und berücksichtigt, dass der Beklagte den Fehler der Klägerin anhand des Steuerbescheids "leicht und ohne besonderen Aufwand" habe feststellen können (UA Rn. 47). Zum anderen ist die Schwelle zur groben Fahrlässigkeit, also einer Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße, erkennbar nicht überschritten.

30bb) Ein Ausnahmefall, der dazu führt, dass der Beitrag des Beklagten zur Schadensentstehung wegen einer Bereicherung der Klägerin vollständig verdrängt würde und diese den Schaden insgesamt zu ersetzen hätte, liegt nicht vor. Dabei kann der Senat unentschieden lassen, ob die Annahme des Oberverwaltungsgerichts (UA Rn. 56) zutrifft, dass losgelöst vom Einzelfall dem Elternteil, Ehegatten oder Lebenspartner durch eine überhöhte Gewährung der Ausbildungsförderung regelmäßig ein Vermögensvorteil durch ersparte Unterhaltsaufwendungen entstehe (ebenso - FamRZ 2002, 499 f.; einschränkend allerdings Steinweg, in: Ramsauer/​Stallbaum, BAföG, 8. Aufl. 2024, § 47a Rn. 15).

31Insoweit ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass dem Förderungsamt nicht nur die Verletzung einer im eigenen Interesse bestehenden bloßen Sorgfaltspflicht, sondern überdies die Missachtung einer Rechtspflicht in Gestalt der Amtsaufklärungspflicht nach § 20 SGB X zur Last fällt, die auf die Feststellung des wahren Sachverhalts gerichtet ist und nicht nur Belange der Allgemeinheit im Blick hat (vgl. auch Vogelgesang, in: Hauck/​Noftz, SGB X, 2025, § 20 Rn. 1; Luthe, in: Schlegel/​Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl. 2023, § 20 Rn. 8; Fichte, in: Knickrehm/​Roßbach/​Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Aufl. 2023, § 20 SGB X Rn. 2). Die Amtsaufklärungspflicht ist jedenfalls in dem hier gegebenen Kontext, in dem sie eine materiell richtige Entscheidung gewährleisten will, auch dem Schutz der Beteiligten im Sinne von § 47 Abs. 4 BAföG zu dienen geeignet. Denn ihre Beachtung verhindert im Ergebnis auch deren Inanspruchnahme nach § 47a BAföG. Insofern ist die Amtsaufklärungspflicht ebenso wie spiegelbildlich die Erklärungspflicht des Betroffenen im Verfahren Ausdruck des Grundsatzes, dass die am Rechtsverhältnis Beteiligten gehalten sind, einander vor vermeidbarem Schaden zu bewahren (vgl. Mrozynski, in: Mrozynski, SGB I, 7. Aufl. 2024, § 60 Rn. 1; Sichert, in: Hauck/​Noftz, SGB I, Stand Dezember 2010, § 60 Rn. 8 unter Verweis auf - BSGE 34, 124 <127 f.>). Auf die Beachtung dieser Verpflichtung durch den Beklagten hat die Klägerin auch vertraut, da sie nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gerade davon ausgegangen ist, der Beklagte werde die in dem Einkommensteuerbescheid verzeichneten Einkünfte zur Kenntnis nehmen (UA Rn. 32). Dem Ersatzpflichtigen können zwar grundsätzlich etwaige unverdiente Vorteile durch ersparte Unterhaltsaufwendungen vorgehalten werden. Es entspricht aber dem Charakter des § 254 BGB als einer konkreten gesetzlichen Ausprägung des in § 242 BGB enthaltenen allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. nur - NJW 2010, 927 Rn. 16 m. w. N.), den Schaden dann nicht ohne Abwägung dem Ersatzpflichtigen insgesamt aufzuerlegen, wenn dem Förderungsamt zusätzlich zur Verletzung eigener Interessen im Sachzusammenhang mit der Schadensentstehung auch noch eine Verletzung einer gegenüber dem in Anspruch genommenen Beteiligten im Sinne von § 47 Abs. 4 BAföG bestehenden Rechtspflicht unterlaufen ist.

323. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:270325U5C8.23.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-97710