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Nachträgliche Option zur Vollverschonung im Einspruchsverfahren
Anmerkung zum
Die Übertragung von Betriebsvermögen im Wege von Schenkungen unterliegt unter bestimmten Voraussetzungen einigen steuerlichen Privilegien zum Schutz und zum Erhalt von Unternehmensvermögen. Der Gesetzgeber schaffte unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit zu einer Vollverschonung der Besteuerung von Betriebsvermögen. Neben weiteren Kriterien ist zur Erlangung der Vollverschonung der Unternehmensübertragung ein unwiderruflicher Antrag zu stellen. Dieser Antrag ist mangels gesetzlicher Vorgaben innerhalb der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zu stellen. Demnach findet die Antragsmöglichkeit ihre Schranken in der materiellen Bestandskraft ergangener Steuerbescheide. Da die Antragstellung in der Beratungspraxis mit einigen weitreichenden Risiken verbunden ist, sind Berater angehalten, die Antragstellung zeitlich möglichst weit hinauszuzögern. Der BFH befasst sich im vorliegenden Fall mit der strittigen Gewährung der Optionsverschonung bei bereits partiell eingetretener Bestandskraft im Rahmen der Änderungsgrenzen des § 351 Abs. 1 AO und schafft weitergehende Erleichterungen zur Einlegung entsprechender Anträge.
Die Frist zur Einlegung einer Optionserklärung ist gesetzlich nicht normiert und findet daher ihre Grenzen in den verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Bestandskraft von Steuerbescheiden.
Im Einspruchsverfahren von Änderungsbescheiden ist die Optionsverschonung im Rahmen der Änderungsgrenzen des § 351 Abs. 1 AO zu gewähren.
Die den Änderungsrahmen des § 351 Abs. 1 AO übersteigende Wirkung einer Optionserklärung hat nicht zur Folge, dass die Optionsverschonung vollumfänglich zu versagen ist. Es gilt somit nicht das „Alles-oder-nichts“-Prinzip.
I. Hintergrund
Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht sieht für Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften und bestimmte weitere begünstigte Vermögenswerte steuerliche Verschonungen vor, da andernfalls regelmäßig hohe Steuerlasten aus dem Erwerb von Todes wegen oder der Schenkung unter Lebenden resultieren würden, welche die etwaige Unternehmensfortführung aufgrund des Zusammentreffens eines hohen Liquiditätsbedarfs und eines fehlenden Cashflows aus der Übertragung gefährden könnten.
Neben der bei Vorliegen der Voraussetzungen von Amts wegen zu gewährenden Regelverschonung i. S. des § 13a Abs. 1 ErbStG besteht die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen von der sog. Vollverschonung nach § 13a Abs. 10 ErbStG (ehemals § 13a Abs. 8 ErbStG i. d. F. von 2013) Gebrauch zu machen. Während die Regelverschonung einen reduzierten Verschonungsabschlag mit weniger strengen Behaltens- und Lohnsummenregelungen vorsieht, bietet die optionale Vollverschonung unter tiefergreifenden Voraussetzungen eine vollständige Steuerfreistellung des begünstigten Vermögens. Für den zu stellenden Antrag auf Vollverschonung gibt der Gesetzgeber explizit keine feste Frist vor. Dies führt in der Praxis zu Unsicherheiten hinsichtlich des zulässigen Zeitpunkts der Wahlrechtsausübung. Insbesondere die Unwiderruflichkeit der Wahlrechtsausübung kann dazu führen, dass spätere Korrekturen der erklärten oder bereits festgestellten maßgeblichen Parameter oder das Nichteinhalten von Lohnsummenregelungen und Behaltensfristen zur vollständigen Versagung der Steuerbefreiung des begünstigten Vermögens führen. Sollten die Voraussetzungen der beantragten Vollverschonung nicht vorliegen, ist keine Regelverschonung zu gewähren. In der Beratungspraxis ist das Bestreben folglich hoch, den Antrag möglichst spät zu stellen, damit genügend Erkenntnisse gewonnen werden können, welche zur Risikoabwägung beitragen.
Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des von besonderer Bedeutung. Der BFH hatte darüber zu befinden, ob die Option zur Vollverschonung auch noch im Einspruchsverfahren gegen einen Änderungsbescheid in Korrelation der Änderungsbeschränkungen des § 351 Abs. 1 AO wirksam erklärt werden kann. Der Beitrag analysiert die S. 201Entscheidung des obersten Gerichts im Lichte der bisherigen Rechtsprechung sowie der gesetzlichen Grundlagen und bewertet die Auswirkungen für die steuerliche Beratungspraxis.