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BAG Urteil v. - 4 AZR 141/24

Eingruppierung - Sachbearbeiterin - Zulässigkeit eines Feststellungsantrags - nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit

Instanzenzug: ArbG Rosenheim Az: 4 Ca 522/21 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 7 Sa 404/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin und sich daraus ergebende Differenzentgeltansprüche.

2Die Klägerin ist bei dem beklagten Landkreis (Beklagter) seit dem als Sachbearbeiterin im Jobcenter beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom bestimmt sich ihr Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung einschließlich des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA).

3Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts übt die Klägerin die folgenden Tätigkeiten aus:

4Der Klägerin obliegt die Sachbearbeitung im Bereich der Bildungs- und Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II - mit Ausnahme der Leistungen nach dessen Abs. 7 Satz 2 - vom Zeitpunkt des Antragseingangs oder der formlosen Anzeige eines Bedarfs bis einschließlich der Fertigung eines rechtsmittelfähigen Bescheids. Sie wertet die im Antrag oder der Anzeige enthaltenen Angaben aus und ermittelt den notwendigen Sachverhalt. Für die Leistungsberechtigung der Antragsteller hat sie die Prognoseentscheidung des Leistungssachbearbeiters zugrunde zu legen. Im Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und der Rechtsfolgen hat die Klägerin die Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales sowie sog. fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu berücksichtigen. Bei der Bewilligung von Lernbedarf ist sie an die Beurteilung der Lehrkraft gebunden, ob und ggf. welche Lernförderung geeignet und erforderlich ist. Im Fall eines Widerspruchs gegen einen von ihr erstellten Bescheid hat sie eine fachliche Stellungnahme anzufertigen und den Vorgang sodann an die Widerspruchsstelle des Beklagten abzugeben. Ferner ist die Klägerin für den Widerruf von Bewilligungen und korrespondierende Rückforderungsansprüche zuständig.

5Die Tätigkeit im Rahmen der Koordinierungsstelle für den Landkreis umfasst ausweislich einer von der Klägerin gefertigten Stellenbeschreibung ua. die rechtsübergreifende Beratung zu den Ansprüchen auf Bildungs- und Teilhabeleistungen nach dem SGB XII, dem Bundeskindergeldgesetz und dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie die Anpassung und Ergänzung der zentralen EDV-Angebote auf die örtlichen Gegebenheiten.

6Die Klägerin wurde seit Februar 2014 nach Entgeltgruppe 6 TVöD/VKA vergütet. Mit Schreiben vom beantragte sie unter dem Betreff „Antrag auf Höhergruppierung“ die Höhergruppierung in Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA mit der Begründung, der zeitliche Anteil ihrer selbstständigen Leistungen habe sich in den letzten zwei Jahren deutlich erhöht. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag verlangte sie unter dem Betreff „Antrag auf Überleitung in EGO TVöD 2017“ eine Höhergruppierung in Entgeltgruppe 8 TVöD/VKA zum . Nach dem Änderungsvertrag der Parteien vom ist die Klägerin rückwirkend zum „in die Entgeltgruppe 7 eingruppiert“.

7Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie könne eine Vergütung nach Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA beanspruchen. Die von ihr auszuübende Tätigkeit erfordere nicht nur gründliche und vielseitige Fachkenntnisse, sondern auch selbstständige Leistungen iSd. Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 9a des Teils A Abschnitt I Nr. 3 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Sie habe bei der Sachbearbeitung Ermessensentscheidungen zu treffen und unbestimmte Rechtsbegriffe anzuwenden.

8Die Klägerin hat zuletzt - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

9Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags den Standpunkt eingenommen, die Sachbearbeitung für Bildungs- und Teilhabeleistungen im Vollzug des SGB II, die einen eigenständigen Arbeitsvorgang bilde, erfordere keine selbstständigen Leistungen. Die Klägerin habe keine Ermessensentscheidungen zu treffen. Es gebe auch keine Beurteilungsspielräume hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen. Sie könne insoweit auf die Vollzugshinweise und ihre im Rahmen der Koordinierungsstelle getroffenen Festlegungen zurückgreifen.

10Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlichen Hauptantrag auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 3 und seit dem nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 4 des TVöD/VKA zu bezahlen, abgewiesen und dem hilfsweise gestellten jetzigen Antrag zu 1. stattgegeben. Ferner hat es den Beklagten zur Zahlung von 11.938,47 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt und den Zahlungsantrag im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Gründe

11Die Revision der Klägerin ist bezogen auf den Antrag zu 2. begründet. Insoweit ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

12I. Der Feststellungsantrag ist vom Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden. Er ist allerdings entgegen dessen Ansicht bereits unzulässig. Er ist nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet.

131. Ein Rechtsverhältnis ist die aus einem konkreten Lebenssachverhalt resultierende Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein subjektives Recht enthält oder aus der ein solches Recht entspringen kann. Nur das Rechtsverhältnis selbst kann Gegenstand der Feststellung sein. Diese muss sich nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken, sondern kann auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus dem Rechtsverhältnis oder auf bestimmte Verpflichtungen aus ihm beschränkt sein ( - Rn. 33; - 4 AZR 518/12 - Rn. 13). Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen, wie das „Eingruppiert-Sein“ ( - Rn. 13).

142. Der Antrag ist nach seinem Wortlaut auf die Feststellung, dass die Klägerin in Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA „eingruppiert ist“ und damit nicht auf ein Rechtsverhältnis gerichtet. Eine Auslegung dahin, es handele sich um eine allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, mit der die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts nach einer bestimmten Entgeltgruppe begehrt wird (st. Rspr., etwa  - Rn. 12), ist nicht möglich. Klageanträge sind zwar rechtsschutzgewährend auszulegen (st. Rspr., etwa  - Rn. 15 mwN, BAGE 179, 35). Einer Auslegung als Eingruppierungsfeststellungsantrag steht aber entgegen, dass die Klägerin einen solchen Antrag bereits als Hauptantrag und den noch streitgegenständlichen Feststellungsantrag hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag gestellt hatte.

15II. Bezogen auf den Leistungsantrag ist die Revision der Klägerin begründet.

161. Dem Zahlungsbegehren steht die Abweisung des Eingruppierungsfeststellungsantrags durch das Arbeitsgericht nicht entgegen. Diese Entscheidung ist nicht in Rechtskraft erwachsen. Die Klägerin hat den Antrag, dessen Abweisung sie mit ihrer Anschlussberufung angegriffen hat, in der Berufungsinstanz mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen. Davon gehen auch die Parteien - wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt haben - übereinstimmend aus.

17a) Die Klägerin hat sich mit ihrer innerhalb der antragsgemäß verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist am (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 66 Abs. 1 Satz 3 und Satz 5 ArbGG) eingelegten und ordnungsgemäß begründeten Anschlussberufung auch gegen die Abweisung des Eingruppierungsfeststellungsantrags gewendet.

18aa) Nach § 524 Abs. 3 Satz 2 iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Anschlussberufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen beantragt werden (Anschlussberufungsanträge). Für diese Erklärung bedarf es nicht der Stellung eines als solchen bezeichneten Antrags. Es reicht aus, wenn die Anschlussberufungsbegründung den Schluss auf die Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Begehrens zulässt. Etwaige angekündigte Anträge haben nur vorläufigen Charakter und können bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Rahmen der fristgerecht vorgetragenen Anfechtungsgründe noch geändert werden. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass eine Anschlussberufung im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung gerichtet ist, soweit die Anschlussberufungsklägerin durch sie beschwert ist (vgl. zur Berufungsbegründung  - Rn. 17;  - Rn. 21 ff.).

19bb) Das Arbeitsgericht hat den Eingruppierungsfeststellungsantrag - ebenso wie einen Teil des Zahlungsantrags - mit der Begründung abgewiesen, die Vergütungsansprüche seien teilweise verfallen, da die durch den Höhergruppierungsantrag vom erfolgte Geltendmachung durch den vorbehaltlosen Abschluss des Änderungsvertrags vom verbraucht sei. Dagegen hat die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung geltend gemacht, ein solcher Verbrauch sei nicht eingetreten, da sie ausreichend zu erkennen gegeben habe, an dem Höhergruppierungsantrag festzuhalten, und der Beklagte ihr signalisiert habe, den Höhergruppierungsantrag zu bearbeiten. Damit hat sie auch die Abweisung des Eingruppierungsfeststellungsantrags angegriffen.

20b) In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin den Eingruppierungsfeststellungsantrag mit Einwilligung des Beklagten zurückgenommen.

21aa) Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung nur den Zahlungsantrag gestellt. Diese Prozesserklärung ist rechtsschutzgewährend dahin auszulegen, dass die Klägerin zugleich den Eingruppierungsfeststellungsantrag konkludent zurückgenommen hat (vgl. hierzu  -;  - zu II 2 der Gründe). Eine Beschränkung der Anschlussberufung war erkennbar nicht beabsichtigt. Mit Rechtskraft der Entscheidung über den Eingruppierungsfeststellungsantrag wäre zugleich die Anschlussberufung unbegründet gewesen.

22bb) Der Beklagte hat die nach § 269 Abs. 1 ZPO erforderliche Einwilligung in die teilweise Klagerücknahme konkludent erteilt, indem er sich in der mündlichen Berufungsverhandlung auf die beschränkte Antragstellung eingelassen hat (vgl. (F) - Rn. 20 mwN, BAGE 167, 36).

232. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, die Tätigkeit der Klägerin erfülle nicht die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 9a des Teils A Abschnitt I Nr. 3 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA (Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA), ist nicht frei von Rechtsfehlern.

24a) Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich aufgrund vertraglicher Bezugnahme nach dem TVöD/VKA und dem TVÜ-VKA.

25b) Die Eingruppierung richtet sich nach § 12 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA.

26aa) Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA gelten für die in den TVöD übergeleiteten Beschäftigten sowie für die zwischen dem Inkrafttreten des TVöD/VKA und dem neu eingestellten Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis über den hinaus fortbesteht, ab dem für (Neu-)Eingruppierungen §§ 12, 13 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierung anhand dieser Vorschriften fand jedoch anlässlich der Überleitung in die Entgeltordnung nicht statt (§ 29a Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA). Vielmehr erfolgte die Überleitung zum gemäß § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe. Dies ist nach der Protokollerklärung zu § 29a Abs. 1 TVÜ-VKA diejenige, die nach Anlage 1 oder 3 TVÜ-VKA in der bis zum geltenden Fassung der Vergütungsgruppe des BAT, deren tarifliche Anforderungen die Tätigkeit erfüllte, zugeordnet war ( - Rn. 15; - 4 AZR 289/22 - Rn. 15).

27bb) Für die Beschäftigten der bisherigen Entgeltgruppe 9 TVöD/VKA haben die Tarifvertragsparteien mit § 29c TVÜ-VKA eine besondere Überleitungsregelung geschaffen, da aufgrund der im Interesse einer größeren Differenzierung erfolgten Aufspaltung dieser Entgeltgruppe in drei neue Entgeltgruppen eine Besitzstandswahrung durch die Beibehaltung der bisherigen Eingruppierung nicht möglich war. Die Überleitung erfolgte in Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA (§ 29c Abs. 3 und 4 TVÜ-VKA) oder Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA (§ 29c Abs. 2 TVÜ-VKA); eine Überleitung in Entgeltgruppe 9c TVöD/VKA erforderte demgegenüber einen Antrag nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA (§ 29c Abs. 6 Satz 2 TVÜ-VKA). Damit gelangten die Beschäftigten in die neu geschaffene Entgeltgruppe, die im Kern ihrer bisherigen Eingruppierung entsprach ( - Rn. 16; ausf. - 6 AZR 74/19 - Rn. 22 mwN, BAGE 173, 1).

28cc) Nach diesen Bestimmungen verbleibt es grundsätzlich nach dem bei der zuvor zutreffenden Eingruppierung, im Fall des § 29c Abs. 2 bis 4 TVÜ-VKA in Gestalt der neuen Entgeltgruppen 9a und 9b TVöD/VKA. Ändert sich allerdings zugleich mit Einführung der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA oder danach die Tätigkeit der Beschäftigten, greift die Tarifautomatik mit der Folge, dass die Eingruppierung nach den §§ 12, 13 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA vorzunehmen ist. Bei unveränderter Tätigkeit kommt eine Eingruppierung nach §§ 12, 13 TVöD/VKA in Betracht, wenn sich nach der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA eine höhere Entgeltgruppe als in der Anlage 1 oder 3 TVÜ-VKA vorgesehen ergibt und die Beschäftigte bis zum eine entsprechende Eingruppierung beantragt hat ( - Rn. 17; - 4 AZR 289/22 - Rn. 17).

29dd) Die Tarifautomatik ist durch einen Höhergruppierungsantrag der Klägerin wieder in Gang gesetzt worden. Anders als in ihrem „Antrag auf Höhergruppierung“ hat die Klägerin ihr Begehren im Verlauf des Verfahrens nicht auf eine Änderung ihrer Tätigkeit gestützt.

30(1) Die Klägerin hat mit dem „Antrag auf Überleitung in EGO TVöD 2017“ fristgerecht einen Höhergruppierungsantrag iSd. § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA gestellt. Dieser nimmt - anders als der „Antrag auf Höhergruppierung“ - auf die neue Entgeltordnung Bezug und ist auf die mit einem Höhergruppierungsantrag verbundene rückwirkende Eingruppierung ab dem gerichtet. Das Schreiben lag dem Beklagten spätestens am und damit innerhalb der Frist des § 29b Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA vor.

31(2) Nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA ergibt sich - bei deren Vorliegen - für die Klägerin mit Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA eine höhere Eingruppierung. In Anwendung von § 22 BAT iVm. Teil I der Anlage 1a zum BAT für den Bereich Gemeinden iVm. § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA sowie dessen Anlage 1 in der bis zum geltenden Fassung wäre die Klägerin als Beschäftigte, die - so ihre Auffassung - Tätigkeiten nach Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1b BAT - „Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.“ - ausübt, der Entgeltgruppe 8 TVöD/VKA zugeordnet gewesen. Unschädlich ist, dass sie mit dem „Antrag auf Überleitung in EGO TVöD 2017“ eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 TVöD/VKA begehrt hat. Ob sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA eine höhere Eingruppierung ergibt, bestimmt sich nach den tariflichen Regelungen.

32c) Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht annehmen, die Tätigkeit der Klägerin bestehe aus zwei Arbeitsvorgängen „Sachbearbeitung für Bildungs- und Teilhabeleistungen im Vollzug des SGB II“ und den „Tätigkeiten im Rahmen der Koordinierungsstelle“.

33aa) Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD/VKA ist die Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist dann der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD/VKA).

34bb) Nach § 12 Abs. 2 TVöD/VKA ist Bezugspunkt der tariflichen Bewertung der Arbeitsvorgang. Maßgebend für dessen Bestimmung ist das Arbeitsergebnis. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD/VKA auch Zusammenhangsarbeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben einer Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten ( - Rn. 23; ausf. - 4 AZR 195/20 - Rn. 27 ff., BAGE 172, 130 zu § 12 TV-L).

35cc) Der Begriff des „Arbeitsvorgangs“ ist ein feststehender, abstrakter, von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte ist revisionsrechtlich in vollem Umfang nachprüfbar (st. Rspr., vgl. zB  - Rn. 24).

36dd) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die Abwesenheitsvertretung bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge nicht unberücksichtigt lassen.

37(1) Die nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit iSv. § 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD/VKA ist von der vorübergehend auszuübenden (sh. § 14 TVöD/VKA zur höherwertigen Tätigkeit) abzugrenzen. Entscheidend ist der bei der Übertragung der Tätigkeit zum Ausdruck kommende Wille des Arbeitgebers. Aus ihm muss sich ergeben, ob die Tätigkeit auf Dauer oder nur vorübergehend übertragen werden soll ( - Rn. 58 mwN). Bei der Stellvertretung ist die vorübergehende Übertragung einer Tätigkeit (etwa aus Gründen eines vorübergehenden Vertretungsbedarfs) von der dauerhaft auszuübenden Tätigkeit der Stellvertretung anderer Beschäftigter zu unterscheiden. Maßgebend ist, ob der Arbeitgeber bei der - mit Einverständnis der Arbeitnehmerin - erfolgten Übertragung zum Ausdruck gebracht hat, die Beschäftigte solle nicht nur in dem einzelnen, konkreten Vertretungsfall tätig werden, sondern darüber hinaus auch in weiteren zu erwartenden Vertretungsfällen (st. Rspr., etwa  - Rn. 24 f. mwN).

38(2) Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen getroffen, ob der Klägerin die Tätigkeit als Vertreterin der Teamleiterin auf Dauer oder nur vorübergehend übertragen worden ist. Allein die Bezeichnung „Abwesenheitsvertretung“ lässt nicht auf eine nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit schließen.

39ee) Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen weiterhin nicht dessen Annahme, die Sachbearbeitung für Bildungs- und Teilhabeleistungen im Vollzug des SGB II und die Aufgaben im Rahmen der Koordinierungsstelle bildeten zwei Arbeitsvorgänge.

40(1) Das Landesarbeitsgericht hat nur die von der Klägerin im Bereich der Sachbearbeitung für Bildungs- und Teilhabeleistungen im Vollzug des SGB II auszuübenden Tätigkeiten festgestellt, nicht aber ihre Aufgaben in der Koordinierungsstelle. Soweit es die Stellenbeschreibung vom in Bezug genommen hat, lässt sich dieser nicht entnehmen, ob die darin beschriebenen Tätigkeiten tatsächlich den von der Klägerin auszuübenden Tätigkeiten entsprechen (zu diesem Erfordernis  - Rn. 15). Zudem steht die Annahme, die Sachbearbeitung für Bildungs- und Teilhabeleistungen im Vollzug des SGB II und die Aufgaben im Rahmen der Koordinierungsstelle beträfen inhaltlich „völlig voneinander unterschiedliche Themenbereiche“ im Widerspruch zur Feststellung, die Klägerin greife bei der Sachbearbeitung auf ihre Arbeitsergebnisse aus der Tätigkeit in der Koordinierungsstelle zurück.

41(2) Darüber hinaus fehlt es an den erforderlichen Feststellungen zur Arbeitsorganisation. Allein aus der Feststellung, die Tätigkeitsbereiche fielen zeitlich auseinander, ergibt sich noch nicht, dass die Tätigkeiten von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind.

42III. Das führt hinsichtlich des Zahlungsantrags zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

431. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin für die Zeit von November 2017 bis April 2023 Differenzvergütung zwischen Entgeltgruppe 7 TVöD/VKA und Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA verlangen kann. Es fehlt an den erforderlichen Feststellungen, um die Erfüllung des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals prüfen zu können. Der Inhalt der durch die Klägerin auszuübenden Tätigkeiten ist zwar im Hinblick auf die „Sachbearbeitung für Bildungs- und Teilhabeleistungen im Vollzug des SGB II“ im Grundsatz festgestellt. Hinsichtlich der weiteren Tätigkeiten beschränken sich die Ausführungen aber auf die Angabe „Aufgaben im Rahmen der Koordinierungsstelle für den Landkreis“ und die Wiedergabe der Stellenbeschreibung der Klägerin. Auf dieser Grundlage kann nicht bestimmt werden, ob deren Tätigkeit aus einem oder mehreren Arbeitsvorgängen besteht. Weiterhin kann der Senat auch nicht beurteilen, ob die Bestimmung der Arbeitsvorgänge vorliegend dahinstehen kann, weil unter keinem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsaufgaben eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA in Betracht kommt.

442. Im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht - unter Berücksichtigung des bisherigen und ggf. weiteren Vorbringens der Parteien - Folgendes zu beachten haben:

45a) Das Berufungsgericht wird zur Bestimmung der Arbeitsvorgänge festzustellen haben, welche Aufgaben und Befugnisse mit der Tätigkeit in der Koordinierungsstelle und als Abwesenheitsvertreterin der Teamleiterin verbunden sind und wie die Arbeitsorganisation insgesamt ausgestaltet ist.

46b) Das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA baut auf der Entgeltgruppe 6 Fallgruppen 1 und 2 des Teils A Abschnitt I Nr. 3 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA auf, die ihrerseits die Erfüllung der Anforderungen der Entgeltgruppe 5 Fallgruppen 1 und 2 des Teils A Abschnitt I Nr. 3 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA voraussetzen.

47aa) Bei aufeinander aufbauenden Entgeltgruppen ist zunächst zu prüfen, ob die Anforderungen der Ausgangsfallgruppe erfüllt werden und anschließend, ob die Merkmale der darauf aufbauenden höheren Fallgruppen vorliegen ( - Rn. 46). Daher wird zunächst zu prüfen sein, ob die Tätigkeit in einem Arbeitsvorgang oder mehreren Arbeitsvorgängen, der oder die zeitlich mindestens zur Hälfte der Arbeitszeit anfällt oder anfallen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD/VKA), gründliche und vielseitige Fachkenntnisse voraussetzt. Dies steht nicht bereits aufgrund des Umstands fest, dass die Parteien hiervon übereinstimmend ausgehen. Bei der zutreffenden Eingruppierung handelt es sich um eine Rechtsfrage, über die die Parteien nicht verfügen und die Erfüllung eines Tätigkeitsmerkmals nicht „unstreitig“ stellen können. In einem Rechtsstreit über die zutreffende Eingruppierung ist stets zumindest eine pauschale, summarische Prüfung hinsichtlich der tariflichen Anforderungen durch das Gericht erforderlich (st. Rspr., etwa  - Rn. 32).

48bb) Liegen diese Voraussetzungen vor, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Tätigkeit in dem maßgebenden Arbeitsvorgang oder den maßgebenden Arbeitsvorgängen selbstständige Leistungen (vgl. hierzu  - Rn. 31) erfordert. Dabei ist es ausreichend, wenn diese innerhalb des Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegen ( - Rn. 34 mwN, BAGE 182, 265; ausf. - 4 AZR 195/20 - Rn. 65, BAGE 172, 130 zu § 12 TV-L). Entscheidend ist, dass zu Beginn der Tätigkeit die Fähigkeit, dieser qualitativen Anforderung gerecht zu werden, allgemein bereitgehalten werden muss, weil sie nach der vertraglichen Aufgabenstellung jederzeit, wenn auch in einem nicht vorhersehbaren Umfang, eingesetzt werden muss ( - Rn. 39).

49c) Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA lägen vor, wird es zu berücksichtigen haben, dass sich die Stufenzuordnung aufgrund des Höhergruppierungsantrags nach § 17 Abs. 4 TVöD/VKA in der bis zum geltenden Fassung richtet und daher nicht stufen-, sondern betragsgleich erfolgt.

50d) Die Klägerin hat mit ihrem „Antrag auf Höhergruppierung“ vom etwaige Differenzentgeltansprüche für die Zeit ab November 2017 rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD/VKA geltend gemacht (zu den Maßstäben einer ausreichenden Geltendmachung ausf.  - Rn. 57 ff., BAGE 177, 338; - 4 AZR 354/21 - Rn. 63 ff., BAGE 177, 129). Das Landesarbeitsgericht wird noch zu prüfen haben, ob die Geltendmachung verbraucht und damit im Rechtssinne verwirkt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein reiner Zeitablauf zwischen der ersten und der gerichtlichen Geltendmachung für sich allein für die Annahme der Verwirkung nicht ausreicht. Es bedarf vielmehr besonderer Umstände, aufgrund derer der Beklagte davon ausgegangen ist und ausgehen durfte, die Klägerin halte an ihrem Höhergruppierungsantrag nicht mehr fest (vgl. etwa  -). Solche können im vorbehaltlosen Abschluss eines Arbeitsvertrags zu sehen sein, in dem eine höhere Vergütung vereinbart wird (vgl.  - zu II 3 der Gründe). Etwas anderes gilt dann, wenn die Beschäftigte zum Ausdruck bringt, am Höhergruppierungsantrag festzuhalten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:260225.U.4AZR141.24.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-93906