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BVerwG Beschluss v. - 4 BN 22/24

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 7 D 159/22.NE Urteil

Gründe

1Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

21. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

3Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 4 B 27.19 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4 und vom - 4 BN 6.22 - BRS 90 Nr. 195 S. 1505). Das leistet die Beschwerde nicht.

4a) Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,

ob ein Abwägungsmangel einer unselbständigen Änderungssatzung auch dann im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen ist, wenn die einstimmig beschlossene Änderungssatzung inhaltsgleich auch als selbständige Satzung hätte beschlossen werden können, bzw.

ob die Tatsache, dass beim Erlass einer unselbständigen Änderungssatzung einer bestehenden Sanierungssatzung die zu ändernde Satzung irrig für wirksam gehalten wurde, auch dann von Einfluss auf das Abwägungsergebnis im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB ist, wenn anstelle der einstimmig beschlossenen Änderungssatzung eine inhaltsgleiche selbständige Satzung hätte beschlossen werden können,

haben dem wörtlichen Verständnis nach, soweit sie verallgemeinerungsfähig sind, keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ihre Beantwortung ist nicht entscheidungserheblich. Sie betreffen ein hypothetisches Alternativverhalten des Satzungsgebers, auf das es nicht ankommt. Gegenstand der Normenkontrolle ist die angegriffene 1. Änderungssatzung. Grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zu § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB wirft die Beschwerde nicht auf.

5Selbst wenn man den von der Beschwerde formulierten Fragen bei wohlwollender Auslegung des Beschwerdevorbringens (vgl. Beschwerdebegründung S. 2 f., Schriftsatz vom S. 2) die Rechtsfrage entnimmt, ob die (von der Gemeinde nicht erkannte) Unwirksamkeit einer Sanierungssatzung auch dann die nachfolgende Satzung zur Änderung dieser Sanierungssatzung erfasst, wenn es sich dabei - ungeachtet ihrer Bezeichnung als solcher oder ihrer äußeren Form - um eine eigenständige Neuregelung handelt, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Diese Rechtsfrage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Ihr liegt eine Prämisse zugrunde, die das Oberverwaltungsgericht nicht angenommen hat. Nach der vorinstanzlichen Auslegung der dem Ortsrecht angehörenden Sanierungssatzung steht die 1. Änderungssatzung für das Teilgebiet "Altstadtquartier Büchel" vom in einem Rechtmäßigkeitszusammenhang zur Ursprungssatzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets "Innenstadt" vom in der Fassung des 1. Nachtrags vom . Ausweislich des Abschlussberichts habe der Rat weder eine neue Sanierungssatzung erlassen noch das Gebiet der Sanierungssatzung "Innenstadt" erweitern, sondern diese lediglich ändern wollen und deshalb in § 3 der Änderungssatzung ausdrücklich die unveränderte Fortgeltung der Sanierungssatzung "Innenstadt" in der Gestalt des 1. Nachtrags bestimmt sowie an der Umsetzungsfrist bis zum festgehalten (UA S. 11). Aufgrund dieses Rechtmäßigkeitszusammenhangs wirke sich die Unwirksamkeit der Ursprungssatzung in der Gestalt des 1. Nachtrags auch auf die Abwägung der 1. Änderungssatzung aus. An die Auslegung der 1. Änderungssatzung und damit des nicht revisiblen Landesrechts durch die Vorinstanz ist der Senat gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). Zudem ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die Frage, ob sich die vom Satzungsgeber nicht erkannte Unwirksamkeit einer Satzung notwendig auf nachfolgende Änderungssatzungen erstreckt, davon abhängt, ob und inwieweit die Änderungssatzung nach dem Inhalt ihrer Festsetzungen gegenüber der alten Satzung verselbständigt ist (vgl. 4 BN 11.16 - BauR 2017, 62 = juris Rn. 7 m. w. N). Darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde mit ihrer auf den Einzelfall bezogenen Kritik am Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht auf.

6b) Die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,

welche Anforderungen beim Erlass einer Sanierungssatzung daran zu stellen sind, dass dem Rat der Gemeinde das nach § 136 Abs. 4 Satz 3 BauGB notwendige Abwägungsmaterial vorgelegen hat, bzw. welche Dokumentationspflichten für Eigentümergespräche bestehen, die im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen angeboten und geführt werden,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Im Kern geht es der Beschwerde um die Klärung, ob und welche Anforderungen an die Dokumentation der Eigentümerbeteiligung über die zusammenfassende Darstellung im Abschlussbericht der Vorbereitenden Untersuchung (§ 141 BauGB) hinaus zu stellen sind. Auch diese Frage würde sich, soweit sie sich allgemeingültig beantworten lässt, in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Ihr ist eine Annahme unterlegt, auf die das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung nicht gestützt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht angenommen, dass dem Rat für eine ordnungsgemäße Abwägung eine lückenlose Dokumentation der Eigentümerbeteiligung hätte vorgelegt werden müssen. Es hat vielmehr darauf abgestellt, dass anhand der Verwaltungsvorgänge nicht nachvollziehbar sei, ob der "Abschlussbericht und Begründung der Satzung" vom , der dem Rat als Abwägungsgrundlage vorgelegen hat, die wesentlichen Inhalte der abgegebenen Stellungnahmen der Eigentümer wiedergebe. Abgesehen davon, dass sich dem Verwaltungsvorgang nicht entnehmen lasse, wer die 45 Grundstückseigentümer im Sanierungsgebiet seien und ob diese am Verfahren beteiligt worden seien, bestehe eine Diskrepanz zwischen der im Abschlussbericht genannten Anzahl von Eigentümergesprächen und den im Verwaltungsvorgang protokollierten Gesprächen. Während nach dem Abschlussbericht bis April 2021 mit 21 Eigentümern Gespräche geführt worden seien, enthalte der Verwaltungsvorgang lediglich 13 Gesprächsprotokolle und zwei weitere Stellungnahmen; die bis März 2022 mit sechs Grundstückseigentümern der Antoniusstraße geführten (Zweit-)Gespräche seien im Verwaltungsvorgang nicht dokumentiert (vgl. UA S. 14 f.). Verfahrensrügen hiergegen hat die Beschwerde nicht erhoben (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).

72. Die Revision ist nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

8Nach der genannten Vorschrift ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung (u. a.) des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diese Abweichung setzt einen Widerspruch in einem abstrakten Rechtssatz voraus, also einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes ( 6 B 43.17 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4). In der Beschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die Entscheidung bezeichnet werden, von der das Urteil abweicht. Der Beschwerde obliegt es, aus einer Entscheidung des Divergenzgerichts einen tragenden, abstrakten Rechtssatz zu einer revisiblen Rechtsvorschrift zu benennen und darzulegen, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abweichenden abstrakten Rechtssatz zu derselben Rechtsvorschrift beruht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom - 4 B 9.24 - BauR 2025, 208 <208 f.>).

9Die Beschwerde zeigt eine solche Abweichung des Normenkontrollurteils von dem Urteil des Senats vom - 4 CN 2.10 - (BVerwGE 138, 12 Rn. 22) nicht auf. Die von der Beschwerde (vgl. S. 5) in Bezug genommene Passage des Normenkontrollurteils (vgl. UA S. 13) betrifft einen Mangel im Abwägungsvorgang, der nach den Planerhaltungsvorschriften der §§ 214, 215 BauGB von einem Mangel im Abwägungsergebnis zu unterscheiden ist. Das Oberverwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem angeführten Urteil des Senats angenommen, dass ein Mangel im Abwägungsvorgang auf das Abwägungsergebnis im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB von Einfluss gewesen und damit beachtlich ist, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre. Entgegen der Beschwerde hat der Senat mit dieser Entscheidung die Anforderungen an die Voraussetzungen des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht dahin geändert, dass ein Fehler im Abwägungsvorgang erst dann erheblich ist, wenn eine Fehlerkorrektur schlechterdings nicht zum selben Abwägungsergebnis führen könnte. Diese Aussage im Urteil des Senats vom - 4 CN 2.10 - (BVerwGE 138, 12 Rn. 22) betrifft das Abwägungsergebnis (vgl. 4 CN 1.11 - BVerwGE 145, 231 Rn. 17), das vorliegend nicht Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle war.

103. Ohne Erfolg bleibt auch die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

11Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Danach ist ein Verfahrensverstoß nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5 S. 2 und vom - 7 B 2.21 - juris Rn. 12). Das leistet die Beschwerde nicht. Sie rügt lediglich die aus ihrer Sicht fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht. Dies führt weder auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO noch auf einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (stRspr, vgl. etwa - NVwZ 2005, 204 <205>; BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 26.19 - Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 145 Rn. 41 und vom - 4 B 32.21 - juris Rn. 28).

12Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:150425B4BN22.24.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-93705