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BBK Nr. 9 vom Seite 415

Freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung: Die neue Rolle des VSME

Aktuelle Lage und Handlungsoptionen

Dr. Julia Vollmer und Dr. Christian Metz

Kurz vor dem Jahreswechsel veröffentlichte die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) einen Standard für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung für nicht-börsennotierte kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), den Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed SMEs (VSME). Dieses unverbindliche Rahmenwerk, welches außerhalb des Anwendungsbereichs der bisherigen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) entworfen wurde und an KMU ohne Kapitalmarktorientierung gerichtet ist, erfährt nun im Zuge des sogenannten Omnibus-Verfahrens der EU-Kommission unverhoffte Aufmerksamkeit. Unter dem Stichwort „Value Chain Cap“, so einer der Vorschläge der Kommission zur Anpassung der CSRD, soll zukünftig Unternehmen, die potenziell nicht mehr in den gemäß der Vorschläge deutlich verkleinerten Anwendungsbereich der CSRD fallen, ein „Schutzschild“ für Nachhaltigkeitsinformationsanforderungen geboten werden. Hierzu will die Kommission per delegiertem Rechtsakt einen freiwilligen Berichtsstandard erlassen, der auf dem VSME basieren soll. Nachfolgend werden der VSME der EFRAG in die aktuelle Lage eingeordnet sowie seine Zielsetzungen und Inhalte vorgestellt. Zudem sollen die wesentlichen Unterschiede zwischen dem VSME und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) beleuchtet und ein Ausblick gegeben werden.

Kernaussagen
  • Die Inhalte des aktuellen VSME könnten für viele Unternehmen der zukünftige Berichtsstandard für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung werden. Schlüsselpunkt wird die Marktakzeptanz des Standards sein.

  • Im Vergleich zu den ESRS Set 1 zeichnet sich der VSME inhaltlich insbesondere durch eine Konzentration auf ausgewählte quantitative Datenpunkte sowie methodisch durch das Fehlen des Konzepts der Wesentlichkeitsanalyse aus.

  • Vor dem Hintergrund der regulatorischen Unsicherheit, die durch das Omnibus-Verfahren entstanden ist, kann die Anwendung des VSME für Unternehmen eine „No-regret-Maßnahme“ darstellen. D. h. eine Maßnahme, die unabhängig von zukünftigen Rahmenbedingungen vorteilhafte Wirkung erzielt.

S. 416

I. Freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung

1. Neue Ausgangslage durch das Omnibus-Verfahren

[i]Auftrag zur Entwicklung des VSME im KMU-EntlastungspaketEin wesentlicher Baustein des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums der EU- Kommission aus dem Jahr 2018 war die CSRD. Die Richtlinie trat im Januar 2023 in Kraft und stellte eine umfassende Ausweitung – inhaltlich sowie auf den Anwenderkreis bezogen – der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung dar. Allein in Deutschland wären potenziell über 14.500 Unternehmen, statt bisher 500, betroffen gewesen. Mittelbar hätte die Berichtspflicht auch auf KMU ausgestrahlt, als Teil der jeweiligen Wertschöpfungskette, die von berichtspflichtigen Unternehmen ganzheitlich zu berücksichtigen ist. Auch von Banken und Investoren werden KMU mit immer weitreichenderen, jedoch zumeist nicht standardisierten Informationsanforderungen zu Nachhaltigkeitsaspekten konfrontiert. In diesem Kontext veröffentlichte die EU-Kommission im September 2023 ein KMU-Entlastungspaket, das u. a. vorsah, dass nicht-börsennotierte KMU zeitnah über einen einfachen und standardisierten Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verfügen sollen. Neben der Standardisierung von (freiwillig) zu berichtenden ESG-Informationen sollen so für KMU gleichzeitig bessere Möglichkeiten für den Zugang zu grünen Finanzierungen geschaffen werden. Die EFRAG, als beratendes Gremium der EU-Kommission u. a. im Bereich Nachhaltigkeitsberichterstattung, erarbeitete in der Folge einen freiwilligen Berichtsstandard für KMU.

Am [i]VSME seit Dezember 2024 verfügbar übergab die EFRAG den VSME in finaler Fassung an die EU-Kommission. Aufgrund der Freiwilligkeit der Anwendung sowie der Verortung des Standards außerhalb des CSRD-Geltungsbereichs war nicht vorgesehen, diesen per delegiertem Rechtsakt zu erlassen. So betonte die EFRAG, dass der Standard, welcher lediglich in englischer Sprache veröffentlicht wurde, ab sofort verwendet werden könne.

Am [i]Omnibus-Initiative der EU-Kommissionveröffentlichte die EU-Kommission im Rahmen des in der Zwischenzeit angekündigten Omnibus-Verfahrens zwei erste Pakete mit Vorschlägen zur drastischen Vereinfachung bestehender EU-Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Übergeordnetes Ziel der Initiative ist die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft im internationalen Kontext. Damit stellt das Verfahren eine der fünf Querschnittsmaßnahmen des am von Kommissionspräsidentin von der Leyen vorgestellten EU-Wettbewerbskompass dar. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sollen demnach von reduzierter Komplexität der EU-Anforderungen profitieren.

Teile der [i]Anpassung der CSRD-Größenkriterienvon der Kommission vorgeschlagenen Änderungspakete, über die nun von den Co-Gesetzgebern Europäisches Parlament sowie Rat zu beraten und entscheiden sind, stellen u. a. weitreichende Anpassungen der CSRD dar. Zu nennen ist hier allem S. 417voran die vorgeschlagene Erhöhung der Beschäftigtenzahl auf 1.000 Arbeitnehmer zur Auslösung der Berichtspflicht. Im Falle einer Umsetzung wären ca. 80 % der derzeit und zukünftig CSRD-berichtspflichtigen Unternehmen nicht mehr Teil des Anwenderkreises. Neben einer Verschiebung der Berichtspflicht um zwei Jahre („Stop-the-clock“) für Unternehmen, die ab dem sukzessive berichtspflichtig wären, sollen die geplanten branchenspezifischen ESRS gänzlich entfallen sowie die ESRS Set 1 stark angepasst werden. Zukünftig sollen die Datenpunkte der ESRS demnach stärker quantitativ und deutlich weniger qualitativ geprägt sein.

Unter [i]Value Chain Cap auf Basis des VSMEdem Stichwort „Value Chain Cap“ schlägt die EU-Kommission zudem vor, per delegiertem Rechtsakt einen freiwilligen Berichterstattungsstandard für jene Unternehmen zu erlassen, die nicht (mehr) in den Anwendungsbereich der geänderten CSRD fallen, einschließlich KMU. Das Rahmenwerk soll auf dem von der EFRAG entwickelten VSME basieren und als eine Art Schutzschild dienen, indem über den Standard die Nachhaltigkeitsinformationen eingeschränkt werden, die Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der angepassten CSRD oder Finanzinstitute von nicht CSRD-pflichtigen Unternehmen verlangen können. In der Zwischenzeit und aufgrund der bereits bestehenden Marktnachfrage will die Kommission zunächst eine Empfehlung zur freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung herausgeben, die sich ebenfalls auf den von der EFRAG entwickelten VSME-Standard stützt. Dies soll so schnell wie möglich geschehen.

2. Bisheriger und zukünftiger Anwenderkreis des VSME

[i]Vergrößerter AnwenderkreisDie skizzierten Entwicklungen haben neues Licht auf die Rolle des bereits veröffentlichten VSME-Standards geworfen. War der Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed SMEs im Zuge seiner Veröffentlichung durch die EFRAG an nicht-börsennotierte KMU einschließlich Kleinstunternehmen gerichtet, geschätzt auf 32 Mio. Unternehmen in der EU, so hat sich der potenzielle zukünftige Anwenderkreis weiter vergrößert.

Einleitend verweist der VSME für die Kategorisierung von Größenklassen von KMU auf Art. 3 der Bilanzrichtlinie, in Deutschland umgesetzt durch § 267 HGB. Die größte Gruppe innerhalb der KMU stellen darin mittelgroße Unternehmen dar, die mindestens zwei der drei folgenden Schwellenwerte nicht überschreiten: eine Bilanzsumme von 25 Mio. €, Umsatzerlöse von 50 Mio. € und eine durchschnittliche Arbeitnehmerzahl von 250. Werden die in den bisher veröffentlichten Omnibus-Paketen vorgeschlagenen Änderungen umgesetzt, wird ein auf die ESRS abgestimmter freiwilliger Standard zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zusätzlich auch für börsennotierte KMU sowie für große Unternehmen mit weniger als 1.000 Arbeitnehmern interessant – und im Zuge des Value Chain Caps relevant. Aufgrund der Ankündigung der EU-Kommission für alle Unternehmen außerhalb des neuen CSRD-Anwendungsbereichs zunächst eine rasche Empfehlung zur freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung auszusprechen sowie anschließend (nun doch) einen entsprechenden Standard per delegiertem Rechtsakt zu erlassen – beides jeweils basierend auf dem VSME der EFRAG – tritt der originäre Fokus des VSME auf nicht-kapitalmarktorientierte KMU in den Hintergrund. Zwar ist davon auszugehen, dass der freiwillige Standard der EU-Kommission nicht 1:1 den S. 418VSME abbilden wird, jedoch finden sich aus heutiger Perspektive wenig Argumente für grundlegende Abweichungen.

II. Ziele und Inhalt des VSME

1. Externe Informationsanforderungen und internes Nachhaltigkeitsmanagement

In der im [i]Vier ZieleDezember 2024 veröffentlichten finalen Fassung des VSME werden eingangs vier Aspekte als Zielsetzungen (VSME 1a bis 1d) dargelegt, die mit der Anwendung des Standards erreicht oder zu denen zumindest ein Beitrag geleistet werden soll. Diese lassen sich in eine interne und eine externe Perspektive unterteilen.

Die im [i]Externe InformationsanforderungenKMU-Entlastungspaket der EU-Kommission erwähnten steigenden und größtenteils nicht-standardisierten ESG-Informationsanforderungen an KMU von großen Unternehmen aus ihrer Wertschöpfungskette einerseits und von Finanzinstituten andererseits sind für die Unternehmen mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden. Eine Berichterstattung gemäß VSME soll es KMU ermöglichen, die diversen externen Informationsanforderungen zu Nachhaltigkeitsaspekten standardisiert und somit nach einer Einführungsphase mit geringerem Aufwand bedienen zu können (1a). Die Offenlegung relevanter ESG-Daten soll es KMU zudem erlauben, gegenüber Banken und Investoren ihre Kreditwürdigkeit zu steigern und zinsgünstigere Darlehen zu erhalten (1b). Die Konzeption des VSME war daher vorrangig getrieben durch den Anspruch, ein vom Umfang her angemessenes Set an relevanten ESG-Indikatoren zu erstellen, das einen Großteil jener Informationen abdeckt, die bisher in Form von Fragebögen an KMU adressiert wurden.

Die Marktakzeptanz [i]Entscheidende Rolle der Marktakzeptanz des VSMEdes Standards und seiner Inhalte wird darüber entscheiden, inwiefern die genannten Ziele erreicht werden können. Wenn Unternehmen aus der Lieferkette sowie Banken und Investoren zukünftig auf die bisher für KMU aufwendigen Einzelabfragen verzichten, weil in einem Nachhaltigkeitsbericht gemäß VSME alle für sie relevanten Informationen abgedeckt sind, ergäbe sich für Nutzer und Ersteller der Berichte eine Win-win-Situation. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene neue bzw. erweiterte Funktion eines freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards wird hierbei keine unwesentliche Rolle spielen.

Preis:
€10,00
Nutzungsdauer:
30 Tage

Seiten: 8
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