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BAG Urteil v. - 4 AZR 201/23

Eingruppierung - Terminbearbeiter

Instanzenzug: ArbG Hameln Az: 1 Ca 309/21 E Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 13 Sa 400/22 E Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

2Der Kläger, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di, ist seit dem bei der beklagten Bundesrepublik im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes (MTArb) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.

3Der Kläger absolvierte bei der Beklagten mehrere Lehrgänge, darunter den militärischen Meisterlehrgang in der Fluggerätemechanik mit der Fachrichtung Triebwerk für den Transporthubschrauber CH-53 („ATN 6 FlgGerMech Trw CH-53“) sowie den Lehrgang „SASPF IH-Fachkraft Flight“ zum Datenverarbeitungssystem Standard-Anwendungs-Software-Produkt-Familien (SASPF).

4Die Beklagte beschäftigte den Kläger zunächst als Hubschrauber- und Fluggerätemechaniker sowie als Kraftfahrer. Mit Wirkung zum übertrug sie ihm den Dienstposten eines Materialbuchhalters in der Teileinheit „Arbeitsplanung/Materialsteuerungsgruppe“ bei der luftfahrzeugtechnischen Staffel Nato-Helicopter (NH) 90 (LfzTStff NH90) des Internationalen Hubschrauberausbildungszentrums in B. Die Tätigkeitsdarstellung vom lautet ua.:

5Die Materialsteuerungsgruppe ist für die Ersatzteilversorgung zuständig, wenn das für anstehende Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten benötigte Material nicht im Nachschublager vor Ort ist. Danach hat der Kläger mittels SASPF den Bestand in Materialkontrollzentren, Depots, bundeseigenen Lagern und Werften der Luftwaffe zu prüfen und - soweit erforderlich - auf Grundlage der technischen Vorgaben unter Prüfung der luftrechtlichen Zulassung für das System NH90 Ausweichartikel, Geräte oder gleichwertige Ersatzteile auszuwählen. Ist bei der Beklagten kein geeignetes Material vorhanden, hat er dessen Verfügbarkeit bei Herstellern oder Lieferanten zu prüfen. Dabei hat er Lieferzeiträume zu berücksichtigen und Abgleiche, Abstimmungen sowie Preisermittlungen durchzuführen. Anschließend hat der Kläger den Beschaffungsvorgang mittels SASPF zur Vorlage beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr zur Genehmigung und Freigabe in SASPF sowie zur Erteilung des Auftrags und dessen Abwicklung mit dem Hersteller oder Lieferanten weiterzuleiten. Der Kauf kleinerer Mengen an Verbrauchsmitteln wie Fette, Öle und Dichtmittel wird in der Regel über die dezentrale Beschaffung vor Ort abgewickelt. Hierzu stößt der Kläger den Beschaffungsvorgang an. In beiden Fällen obliegt ihm die Kontrolle der Abläufe mittels SASPF sowie die Durchführung der Wareneingangskontrolle einschließlich der Reklamation.

6Die Beklagte vergütet den Kläger nach Entgeltgruppe 7 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für die Beschäftigten des Bundes (TVöD/Bund). Mit Schreiben vom verlangte er erfolglos seine Höhergruppierung in Entgeltgruppe 9b TVöD/Bund zum .

7Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er erfülle die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum Tarifvertrag über die Entgeltordnung des Bundes (TV EntgO Bund). Er sei Meister mit abgeschlossener aufgabenspezifischer Sonderausbildung und verfüge mit dem Lehrgang „SASPF IH-Fachkraft Flight“ über eine zusätzliche militärische Qualifikation auf dem Gebiet der Materialbeschaffung. Als Terminbearbeiter übe er für das komplexe Gerät NH90 schwierige Koordinationstätigkeiten zwischen Dienststellen, Werkstätten und Industrie- oder Handwerksbetrieben aus, indem er Materialkonten auswerte, Ausweichartikel, Geräte oder gleichwertige Ersatzteile mittels SASPF und Transferorte ermittele, den Beschaffungsprozess anstoße und auf die Einhaltung der Liefertermine hinwirke. Die Koordinierung der rechtzeitigen Warenlieferungen stelle hohe Anforderungen, da er mit mehreren Lieferanten in Kontakt treten und Ausweichprodukte in den Blick nehmen müsse. Auch die Koordinierung der Ersatzteilversorgung zwischen Nachschubgruppe und Verbrauchereinheiten, die Veranlassung und Überwachung der Einlagerung von Versorgungsartikeln sowie die Abstimmung der Ersatzteilversorgung mit den Materialkontrollzentren, Depots, bundeseigenen Lagern und Werften der Luftwaffe gingen über die Aufgaben eines Materialdisponenten hinaus. Er tausche sich regelmäßig mit den Leitern des Bereichs Wartung am Standort B sowie mit Handwerksbetrieben und Industrie über die Verfügbarkeit von Material aus, um künftige Lieferengpässe zu vermeiden. Bei seiner gesamten Tätigkeit handele es sich um einen einheitlichen Arbeitsvorgang.

8Der Kläger hat in der Sache beantragt

9Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags den Standpunkt eingenommen, der Kläger sei nicht als Terminbearbeiter tätig. Er stimme nicht den Arbeitsablauf von Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten ab. Die Gewährleistung der Einhaltung von Fristen führe nicht zur Tätigkeit eines Terminbearbeiters. Der Kläger verfüge zudem nicht über die erforderliche Sonderausbildung iSd. Vorbemerkung zum Abschnitt 2 des Teils IV der Anlage 1 zum TV EntgO Bund.

10Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Gründe

11Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Diese ist zulässig, aber unbegründet.

12I. Die Klage ist zulässig.

131. Bei dem Antrag handelt es sich um eine allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage (vgl. etwa  -Rn. 10 mwN, BAGE 177, 129). Mit dieser macht der Kläger - wie die gebotene Auslegung ergibt - ausschließlich eine Eingruppierung als Terminbearbeiter iSd. Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund geltend. Auf eine Tätigkeit als Betriebsplaner oder -steuerer iSd. Fallgruppe 6b dieser Entgeltgruppe beruft er sich nicht. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen.

142. Der Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es liegt kein Fall einer unzulässigen alternativen Klagehäufung vor (dazu  - Rn. 18 mwN; grdl.  - Rn. 13, BGHZ 189, 56). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass er seine Klage vorrangig auf beiderseitige Tarifgebundenheit und nur hilfsweise auf die vertragliche Inbezugnahme der maßgebenden Tarifbestimmungen stützt.

153. Für den Antrag besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Durch die Entscheidung über den Antrag wird der Streit der Parteien insgesamt bereinigt. Über weitere Vergütungselemente, insbesondere die Stufenzuordnung, besteht kein Dissens (zum anderenfalls bestehenden Erfordernis der Benennung der Stufe im Feststellungsantrag vgl.  - Rn. 15). Ein Feststellungsinteresse ist auch für die zu den Hauptforderungen akzessorischen Zinsforderungen gegeben ( - Rn. 9, BAGE 175, 14; - 4 AZR 355/13 - Rn. 9 mwN).

16II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger ist nicht nach Entgeltgruppe 9b TVöD/Bund zu vergüten und kann daher auch keine Verzinsung von Vergütungsdifferenzen beanspruchen. Für das Arbeitsverhältnis gelten zwar kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit ua. der TVöD/Bund, der TV EntgO Bund und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund). Der Kläger erfüllt jedoch nicht die tariflichen Anforderungen des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals. Aus diesem Grund ist die Klage auch unbegründet, soweit der Kläger sein Begehren auf die vertragliche Bezugnahmeklausel stützt, nach welcher sich das Arbeitsverhältnis der Parteien infolge der Tarifsukzession zum ebenfalls ua. nach den genannten Tarifverträgen bestimmt.

171. Die Eingruppierung des Klägers richtet sich nach §§ 12, 13 TVöD/Bund iVm. dem TV EntgO Bund. Nach § 24 TVÜ-Bund gelten für die in den TVöD/Bund übergeleiteten Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis zum Bund über den hinaus fortbesteht und die am unter den Geltungsbereich des TVöD/Bund fallen, ab diesem Zeitpunkt für Eingruppierungen dessen §§ 12, 13 iVm. dem TV EntgO Bund. Die Überleitung zum erfolgte zwar nach § 25 Abs. 1 TVÜ-Bund grundsätzlich unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit. Die Tätigkeit des Klägers hat sich jedoch mit der Übertragung des Dienstpostens eines Materialbuchhalters in der Teileinheit „Arbeitsplanung/Materialsteuerungsgruppe“ bei der luftfahrzeugtechnischen Staffel NH90 des Internationalen Hubschrauberausbildungszentrums zum geändert.

182. Die maßgebenden Tarifvorschriften lauten:

193. Das Landesarbeitsgericht konnte von einer Bestimmung der für die Eingruppierung des Klägers maßgebenden Arbeitsvorgänge absehen. Es hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass der Kläger bei keinem möglichen Zuschnitt der Arbeitsvorgänge die Anforderungen der beanspruchten Entgeltgruppe erfüllt.

204. Der Kläger übt keine schwierigen Koordinationstätigkeiten zwischen Dienststellen, Werkstätten, Industrie- oder Handwerksbetrieben iSd. Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund aus.

21a) Unter „Koordinationstätigkeiten“ iSd. Tätigkeitsmerkmals fallen nicht jegliche Abstimmungen, sondern nur terminliche Abstimmungen des Arbeitsablaufs zwischen den genannten Stellen. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (zu den Grundsätzen der Tarifauslegung vgl.  - Rn. 35 mwN, BAGE 164, 326).

22aa) Bereits nach dem Tarifwortlaut haben Terminbearbeiter terminliche Abstimmungen des Arbeitsablaufs zwischen den genannten Stellen vorzunehmen.

23(1) Der Tarifvertrag definiert den Begriff „Koordinationstätigkeiten“ nicht. Es ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien die von ihnen verwendeten Begriffe in dem Sinne gebraucht haben, der dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind ( - Rn. 21; - 4 AZR 41/08 - Rn. 21, BAGE 129, 355). Unter „koordinieren“ ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch „Vorgänge o.Ä. aufeinander abstimmen“ zu verstehen (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort: „koordinieren“). Das Erfordernis, die Koordinationstätigkeiten „zwischen“ Dienststellen, Werkstätten, Industrie- oder Handwerksbetrieben auszuüben, lässt erkennen, dass es um die Abstimmung der Arbeitsabläufe von Vorhaben wie etwa der Instandsetzung eines Hubschraubers geht, an denen die genannten Stellen mit Lieferungen, Leistungen oder Beistellungen beteiligt sein können. Die Koordinierung erfolgt - wie sich aus dem Begriff „Terminbearbeiter“ ergibt - mittels Terminen. Ein „Termin“ ist ein bestimmter Zeitpunkt, bis zu dem oder an dem etwas geschehen sein muss (vgl. Duden aaO Stichwort: „Termin“). „Bearbeiten“ bedeutet „prüfen, untersuchen“, aber auch „überarbeiten, verändern“ (vgl. Duden aaO Stichwort: „bearbeiten“). Damit ist nicht nur die erstmalige Abstimmung von Terminen für die Leistungen, Lieferungen und Beistellungen und das Hinwirken auf deren Einhaltung erfasst, sondern auch deren Anpassung im Fall von Störungen des Arbeitsablaufs.

24(2) Diesem Verständnis steht nicht entgegen, dass im Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund - anders als in demjenigen der Entgeltgruppe 8 Fallgruppe 1 dieses Abschnitts - nicht die Formulierung „den Arbeitsablauf … abstimmen und im Arbeitsablauf auftretende Störungen beseitigen“ enthalten ist. Dieser Formulierung kommt dieselbe Bedeutung zu wie „Koordinationstätigkeiten … ausüben“. „Koordinieren“ ist ein Synonym für „Vorgänge o.Ä. aufeinander abstimmen“. Aus der Anknüpfung „als ... Terminbearbeiter“ in Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund und dem Erfordernis, die Koordinationstätigkeiten „zwischen“ den genannten Stellen auszuführen, folgt, dass auch hier - ebenso wie bei Terminbearbeitern der Entgeltgruppe 8 Fallgruppe 1 - die Abstimmung des Arbeitsablaufs zwischen den genannten, an einem Vorhaben beteiligten Stellen gemeint ist. Die Verwendung des Plurals „Koordinationstätigkeiten“ lässt erkennen, dass der Begriff in einem umfassenden Sinn zu verstehen ist und damit neben der erstmaligen Abstimmung des Termins auch dessen Anpassung einschließen soll.

25bb) Der tarifliche Regelungszusammenhang bestätigt dieses Verständnis.

26(1) Für Terminbearbeiter iSd. Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund gilt dasselbe Ausbildungserfordernis wie für Betriebsplaner und Betriebssteuerer iSd. Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6b dieses Abschnitts. Diese Beschäftigten haben nicht programmierbare Arbeitsaufträge unter Berücksichtigung der Kapazität einzuplanen oder zu steuern. Ihnen kommen damit planende oder steuernde Aufgaben hinsichtlich des Arbeitsablaufs zu. Das spricht dafür, dass Terminbearbeiter gleichwertige Tätigkeiten der Arbeitsorganisation in Bezug auf den Arbeitsablauf zu erbringen haben. Entsprechendes gilt für Entgeltgruppe 9c des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund.

27(2) Auch die Abgrenzung zum Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 6 des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund zeigt, dass unter Koordinationstätigkeiten iSv. Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 TV EntgO Bund terminliche Abstimmungen des Arbeitsablaufs zwischen den genannten Stellen zu verstehen sind.

28(a) Die Tarifvertragsparteien haben in dem Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 6 des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund den tariflichen Begriff „Materialdisponent“ konkretisiert. Ein solcher Beschäftigter fordert auftragsbezogenes Material, Gerät oder Leistungsbeistellungen an. Dessen Tätigkeit setzt entsprechend dem Begriff „disponieren“ nur voraus, dass ihnen bei der Anforderung des auftragsbezogenen Materials eine gewisse Verantwortung eingeräumt ist, um die rechtzeitige Erfüllung des Auftrags sicherzustellen (vgl. zur Vorgängerregelung Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 2 Teil III Abschnitt L Unterabschnitt X der Anlage 1a zum BAT  - Rn. 20 f.). Materialdisponenten, denen die Ermittlung oder Auswahl von gleichwertigem Material, Gerät oder gleichwertigen Ersatzteilen und damit eine schwierige Tätigkeit iSd. Protokollerklärung Nr. 7 übertragen ist, sind in Entgeltgruppe 8 Fallgruppe 4 des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund eingruppiert.

29(b) Zu der Anforderung des auftragsbezogenen, dh. für die Aufträge der anderen Teileinheiten erforderlichen Materials, Geräts oder Leistungsbeistellungen, gehört es, die Möglichkeiten der Beschaffung zu prüfen und diese durchzuführen. Dies kann erfordern, die jeweilige Verfügbarkeit bei verschiedenen Dienststellen, Werkstätten, Industrie- oder Handwerksbetrieben zu prüfen, und, sollte das Material nicht in der erforderlichen Menge bei einer der genannten Stellen rechtzeitig verfügbar sein, es bei verschiedenen Stellen zu beschaffen. Die Tätigkeit kann insofern Abstimmungen mit verschiedenen internen und externen Lieferanten erfordern (vgl.  - Rn. 25 ff.). Solche Abstimmungen sind keine Koordinationstätigkeiten iSd. Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund. Sie erfolgen nicht „zwischen“ den genannten Stellen im Hinblick auf einen abzustimmenden Arbeitsablauf. Das gilt auch dann, wenn der Beschäftigte vorgegebene Liefertermine zu berücksichtigen und auf deren Einhaltung hinzuwirken hat. Diese Tätigkeit hält sich im Rahmen der gewissen Verantwortung von Materialdisponenten, die rechtzeitige Erfüllung des Auftrags sicherzustellen.

30b) Die Koordinationstätigkeiten müssen - wie vom Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt - selbst schwierig sein. „Schwierige Tätigkeiten“ iSd. Protokollerklärung Nr. 7 genügen nicht. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut. Das Adjektiv „schwierig“ bezieht sich auf die Koordinationstätigkeit. Zudem enthält das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund keine Verweisung auf die Protokollerklärung Nr. 7. Eine solche ist nur beim Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 8 Fallgruppe 4 des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund „Beschäftigte der Entgeltgruppe 6 mit schwieriger Tätigkeit“, dh. Materialdisponenten mit schwieriger Tätigkeit, vorgesehen. Allein der Umstand, dass sich Koordinationstätigkeiten auf komplexe Geräte beziehen, führt noch nicht zu „schwierigen“ Koordinationstätigkeiten. Anderenfalls käme dem Merkmal „schwierig“ keine eigene Bedeutung zu. Die Tätigkeit muss gemessen an der in Entgeltgruppe 8 Fallgruppe 1 des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund geforderten „Abstimmung“ schwieriger sein. Dies kann darauf beruhen, dass die Tätigkeit aufgrund der höheren Anzahl der beteiligten Stellen einen höheren Aufwand an gedanklicher Arbeit oder andersartig qualifiziertere Fähigkeiten erfordert.

31c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist für die Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals nicht die Abstimmung des Gesamtablaufs bei der Wartung und Instandsetzung von Geräten vorausgesetzt. Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff „Terminbearbeiter“ in Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund unabhängig von dem in der Entgeltgruppe 8 Fallgruppe 1 dieses Abschnitts konkretisiert. Zur Erfüllung dieses Tätigkeitsmerkmals ist es nicht erforderlich, dass die Koordinationstätigkeiten zwischen Zubringer- und Hauptwerkstätten oder zwischen allen genannten Stellen ausgeübt werden, wie es in der Entgeltgruppe 8 Fallgruppe 1 des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund vorgesehen ist. Ausreichend ist vielmehr eine Koordinationstätigkeit zwischen zwei der genannten Stellen, und damit etwa auch solche zwischen Dienststellen und Handwerksbetrieben. Anders als im Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 8 Fallgruppe 1 des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund wird nicht die Konjunktion „und“, sondern „oder“ verwendet.

32d) Danach übt der Kläger keine Koordinationstätigkeiten zwischen den genannten Stellen iSd. Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund aus. Davon ist das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht ausgegangen.

33aa) Soweit der Kläger aus den täglichen Besprechungen (sogenannter Leistungsdialog 3) Aufträge zur Beschaffung entgegennimmt, den aus SASPF vorgeschlagenen Bestand an verschiedenen Stellen ermittelt und ggf. Ausweichartikel auswählt oder die Lieferung durch Hersteller prüft sowie bei der Auswahl Abgleiche, Abstimmungen mit verschiedenen Lieferanten, Preisermittlungen durchzuführt und Lieferzeiträume zu beachten hat, stimmt er nicht den Arbeitsablauf zwischen Dienststellen, Werkstätten, Industrie- oder Handwerksbetrieben zeitlich ab. Er ermittelt lediglich die Möglichkeiten der Beschaffung auftragsbezogenen Materials bei verschiedenen Lieferanten unter Berücksichtigung vorgegebener Termine. Die Ermittlung von Ausweichartikeln stellt keine Koordinationstätigkeit dar. Die Beachtung von Lieferzeiträumen geht nicht über die Verantwortung eines Materialdisponenten hinaus, die rechtzeitige Erfüllung des Auftrags sicherzustellen.

34bb) Eine terminliche Abstimmung eines Arbeitsablaufs zwischen den genannten Stellen ist auch nicht mit der selbstständigen Einleitung des Beschaffungsvorgangs mittels SASPF oder - im Fall kleinerer Mengen an Verbrauchsmaterialien - über die dezentrale Beschaffung verbunden. Dies gehört vielmehr zum Aufgabenbereich eines Materialdisponenten (vgl.  - Rn. 32). Gleiches gilt für die Überwachung der Abläufe und die Einhaltung der Verfahren mittels SASPF, die Wareneingangskontrolle, Reklamationen und die Beschaffung von Ersatzware.

35cc) Der Kläger beruft sich ohne Erfolg auf die unter Nr. 3 sowie unter Nr. 6.2 und Nr. 6.3 der Tätigkeitsdarstellung aufgeführten Tätigkeiten. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger diese Tätigkeiten tatsächlich auszuüben hat (vgl. zu diesem Erfordernis  - Rn. 15). Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu der von ihm auszuübenden Tätigkeit hat der Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen, so dass sie nach § 559 Abs. 2 ZPO für den Senat bindend sind.

36Im Übrigen lässt die Tätigkeitsbeschreibung auch keine Koordinationstätigkeit iSd. Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund erkennen. Soweit es darin unter Nr. 3 heißt, der Kläger berate den Leiter Arbeitsplanung im Bereich der planbaren und nicht planbaren Instandsetzung, Engpassmanagement und Ausphasung von Luftfahrzeugen und Luftfahrzeug-Gerät, ergibt sich keine terminliche Abstimmung des Arbeitsablaufs zwischen den genannten Stellen. Den unter Nr. 6.2 und Nr. 6.3 aufgeführten Tätigkeiten lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass der Kläger den Arbeitsablauf zwischen den im Tätigkeitsmerkmal aufgeführten Stellen abstimmt. Die Steuerung und Überwachung der dezentralen Beschaffung von Versorgungsartikeln gehört zu den Tätigkeiten eines Materialdisponenten. Durch die von ihm veranlasste Einlagerung von Versorgungsartikeln und deren Ausgabe koordiniert er keinen Arbeitsablauf eines Vorhabens zwischen den genannten Stellen. Gleiches gilt für eine Koordinierung der Ersatzteilversorgung mit den Materialkontrollzentren, Depots, bundeseigenen Lagern und Werften der Luftwaffe. Das betrifft - wie sich aus Nr. 3 der Tätigkeitsdarstellung ergibt - die Steuerung des Materialflusses, nicht aber die zeitliche Abstimmung des Arbeitsablaufs eines Vorhabens zwischen den daran beteiligten Stellen.

37III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO rechtsfehlerhaft, soweit über einen Anspruch des Klägers auf Vergütung nach Entgeltgruppe 8 TVöD/Bund entschieden wurde.

381. Der Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch dann, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat ( - Rn. 12 mwN).

392. Macht ein Arbeitnehmer mit einer Klage eine Vergütung nach einer bestimmten Entgeltgruppe geltend und verlangt er nicht zugleich hilfsweise Vergütung nach einer anderen, niedrigeren Entgeltgruppe, ist der Anspruch auf Entgelt nach der niedrigeren Entgeltgruppe grundsätzlich nicht vom Klageantrag umfasst. Etwas anderes gilt, wenn es sich bei den Entgeltgruppen um echte Aufbaufallgruppen handelt, die Begründetheit des Anspruchs nach der höheren Entgeltgruppe also denknotwendig die Erfüllung der Anforderungen der niedrigeren Entgeltgruppe voraussetzt. In einem solchen Fall ist der Anspruch auf Vergütung nach der niedrigeren Entgeltgruppe - als „Minus“ - in demjenigen der höheren Entgeltgruppe enthalten ( - Rn. 38; - 4 AZR 41/08 - Rn. 35, BAGE 129, 355).

403. Der Kläger hat seine Klage nur auf das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 6a des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund gestützt. Hierbei handelt es sich nicht um eine echte Aufbaufallgruppe zur Entgeltgruppe 8 Fallgruppe 1 dieses Abschnitts, bei der die Begründetheit des Anspruchs nach der höheren Entgeltgruppe denknotwendig die Erfüllung der Anforderungen der niedrigeren Entgeltgruppe voraussetzt. Zur Erfüllung dieses Tätigkeitsmerkmals ist es nicht erforderlich, dass die Koordinationstätigkeiten zwischen Zubringer- und Hauptwerkstätten ausgeübt werden, wie es in der Entgeltgruppe 8 Fallgruppe 1 des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund vorgesehen ist (Rn. 31).

414. Das Landesarbeitsgericht hat dennoch über einen Anspruch nach Entgeltgruppe 8 Fallgruppe 1 des Teils IV Abschnitt 2 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund entschieden. Insoweit ist das klageabweisende Urteil - ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte - zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft zu verhindern (vgl.  - Rn. 20, BAGE 165, 100).

42IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:111224.U.4AZR201.23.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-88087