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BAG Urteil v. - 9 AZR 13/24

Arbeitnehmerüberlassung - Konzernprivileg

Leitsatz

Das Rechtsfolgensystem der §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 AÜG ist nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG auf die Überlassung zwischen Konzernunternehmen iSd. § 18 AktG nicht anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt worden ist (sog. Konzernprivileg). Die Konjunktion "und" beschreibt ein alternatives Verhältnis der Merkmale Einstellung und Beschäftigung. Das Konzernprivileg ist danach bereits ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt "oder" beschäftigt wird. Die zwingenden Vorgaben des AÜG können nicht dadurch umgangen werden, dass der Arbeitsvertrag nach der Einstellung geändert und der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung als Leiharbeitnehmer beschäftigt wird.

Instanzenzug: Az: 13 Ca 281/20 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 5 Sa 180/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen wegen verdeckter Arbeitnehmerüberlassung kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen und die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu beschäftigen.

2Der Kläger war vom bis zum bei der Firma S GmbH als Sitzefertiger angestellt. Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit verrichtete er auf dem Werksgelände der Beklagten in H. Die genauen Umstände, unter denen der Kläger seine Arbeitsleistung erbrachte, sind zwischen den Parteien umstritten.

3Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen der Automobilindustrie. Die Beklagte und die S GmbH waren während der Beschäftigungsdauer des Klägers konzernverbundene Unternehmen.

4Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien sei ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, weil er bei der Beklagten im Rahmen einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt worden sei. Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der S GmbH sei nicht dienst- oder werkvertraglicher Natur gewesen, sondern als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren. Der Kläger hat behauptet, auf dem Gelände der Beklagten in einen von dieser organisierten Arbeitsprozess eingegliedert gewesen zu sein und seine Weisungen von deren Mitarbeitern erhalten zu haben.

5Der Kläger hat zuletzt beantragt

6Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass keine Arbeitnehmerüberlassung vorliege. Dazu hat sie vorgetragen, die S GmbH habe aufgrund vertraglicher Vereinbarung auf dem Werksgelände in einem abgegrenzten Arbeitsbereich mit eigenem Personal Autositze hergestellt, die anschließend in die von ihr hergestellten Fahrzeuge eingebaut worden seien. Zu einer „Durchmischung“ von Personal aus den getrennt geführten Betrieben beider Unternehmen sei es dabei nicht gekommen. Zudem hat sich die Beklagte darauf berufen, dass die Rechtsfolgen aus § 10 Abs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG nicht zugunsten des Klägers eintreten könnten, weil diese Bestimmungen aufgrund des sog. Konzernprivilegs des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG vorliegend nicht anwendbar seien.

7Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist dem Kläger am zugestellt worden. Dieser hat dagegen am beim Bundesarbeitsgericht Revision eingelegt. Aufgrund einer technischen Störung des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (EGVP) vom 10. bis um 09:00 Uhr war der Empfang über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften der Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland sowie den Bundesgerichten und den Registergerichten in Baden-Württemberg nicht möglich. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers versuchte am zwischen 23:37 Uhr und 23:58 Uhr insgesamt fünfmal vergeblich, die Revisionsbegründung per beA von seinem häuslichen Arbeitsplatz aus einzureichen. Das Sendeprotokoll wies aus: „Die Nachricht konnte nicht an den Intermediär des Empfängers übermittelt werden.“ Der Klägervertreter verfügte an seinem häuslichen Arbeitsplatz über kein Faxgerät. Er hat die Revisionsbegründung deshalb am eingereicht und am Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

8Die zulässige Revision des Klägers ist begründet.

9A. Die Revision ist zulässig. Zwar hat der Kläger die fristgerecht eingelegte Revision nicht binnen der gesetzlich bestimmten Frist begründet; ihm war jedoch diesbezüglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

10I. Der Kläger hat die zweimonatige Frist für die Begründung der Revision (§ 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) versäumt. Aufgrund der Zustellung des Berufungsurteils am an den Kläger lief die Notfrist für die Begründung der Revision am ab (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Revisionsbegründung ist am - und damit verspätet - beim Bundesarbeitsgericht eingegangen.

11II. Dem Kläger war auf seinen Antrag wegen Versäumung der Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 ZPO).

121. Nach § 233 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die ohne ihr Verschulden oder ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) verhindert war, die Frist zur Einlegung und/oder zur Begründung der Revision einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

13a) Die Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist muss innerhalb eines Monats (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) beantragt werden. Die Antragsfrist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Tag, an welchem das Hindernis behoben ist. Die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

14b) Eine Partei ist ohne ihr Verschulden verhindert, eine der in § 233 ZPO genannten Fristen einzuhalten, wenn der Säumige diejenige Sorgfalt aufgewendet hat, die von ihm verständigerweise erwartet werden konnte. Dabei ist auf die Person des Säumigen und die gesamten Umstände abzustellen. Hinsichtlich der Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten bedeutet dies, dass ein Verschulden entsprechend § 276 BGB zu verneinen ist, wenn er die von einem Rechtsanwalt üblicherweise zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher nicht erst dann zu gewähren, wenn der Prozessbevollmächtigte trotz Aufwendung der äußersten nach Sachlage erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt die Frist versäumt hat. Für die Annahme eines Verschuldens genügt es nicht, eine lediglich objektiv mögliche Sorgfalt zu beschreiben, durch die der Fehler hätte verhindert werden können. Die Beachtung dieser Sorgfalt muss im Einzelfall auch zumutbar sein, dh. noch den nach der konkreten Sachlage zu stellenden Erwartungen entsprechen ( - Rn. 24 mwN). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör, das in Art. 103 Abs. 1 GG garantiert ist, in einem funktionellen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie steht. Die Gerichte dürfen durch ihre Auslegung und Anwendung des Prozessrechts den Beteiligten den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. Daher dürfen die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, nicht überspannt werden ( - Rn. 22 mwN).

152. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung sind erfüllt.

16a) Der Prozessbevollmächtigte des Klägers war aufgrund einer vorübergehenden technischen Störung ohne sein Verschulden außerstande, die Revisionsbegründung am - dem letzten Tag der Revisionsbegründungsfrist - per beA beim Bundesarbeitsgericht einzureichen.

17aa) Er hat die Übermittlung per beA, zu der er nach § 46g Satz 1 ArbGG verpflichtet war, so rechtzeitig eingeleitet, dass die Revisionsbegründung fristgerecht beim Bundesarbeitsgericht hätte eingehen können. Aufgrund einer Störung des EGVP konnten am jedoch ganztägig keine Schriftsätze über das beA beim Bundesarbeitsgericht eingereicht werden. In der Folge hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vergeblich weitere Übermittlungsversuche unternommen.

18bb) Es ist es ihm nicht anzulasten, am keine Ersatzeinreichung nach § 46g Satz 3 ArbGG vorgenommen zu haben (vgl. zum Unterlassen einer möglichen und zumutbaren Ersatzeinreichung  - Rn. 27;  - Rn. 6;  - Rn. 19). Diese wäre in der vorliegenden Situation zwar zulässig gewesen (vgl.  - Rn. 15 ff.). Nach dem letzten vergeblichen Übermittlungsversuch um 23:58 Uhr per beA verblieb dem Klägervertreter - unabhängig davon, ob es ihm grundsätzlich obliegt, noch ein Faxgerät für etwaig notwendig werdende Ersatzeinreichungen vorzuhalten - aber nicht mehr ausreichend Zeit, um die elfseitige Revisionsbegründungsschrift noch fristgerecht per Telefax an das Bundesarbeitsgericht zu übermitteln. Im Übrigen neigt der Senat zu der Auffassung, dass Rechtsanwälte nach der verpflichtenden Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs kein Faxgerät zum Zwecke der Übersendung von Schriftsätzen an das Gericht vorhalten müssen. Seit dem sind Rechtsanwälte zur Übermittlung eines elektronischen Dokuments verpflichtet; eine Einreichung als Schriftstück oder Telefax ist seither grundsätzlich nicht mehr wirksam. Da der elektronische Rechtsverkehr die bisherigen Übermittlungswege ersetzen soll, kann nicht verlangt werden, Letztere weiterhin zu gewährleisten.

19b) Der Kläger hat die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO gewahrt. Er hat die Revisionsbegründung am und den Wiedereinsetzungsantrag einschließlich Glaubhaftmachung am und damit binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses, der mit Behebung der EGVP-Störung am um 09:00 Uhr eintrat, beim Bundesarbeitsgericht elektronisch eingereicht.

20B. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts mit der gegebenen Begründung nicht zurückweisen. Der Senat kann auf Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilen, ob die Klage begründet ist. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

21I. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

221. Ein Arbeitnehmer kann mit der allgemeinen Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf Grundlage der Vorschriften des AÜG geltend machen ( - Rn. 36, BAGE 178, 75).

232. Der Feststellungsantrag genügt nach gebotener Auslegung den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antrag bezeichnet die Arbeitsvertragsparteien und den Beschäftigungsbeginn. Die Art der Arbeitsleistung sowie deren zeitlicher Umfang ergeben sich aus der Klagebegründung, die bei der Antragsauslegung heranzuziehen ist (vgl.  - Rn. 18). Danach bezieht sich der Klageantrag auf eine Tätigkeit als Sitzefertiger in Vollzeit. Der Kläger beruft sich auf die Rechtsfolge aus § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Die Arbeitsbedingungen des kraft Gesetzes begründeten Arbeitsverhältnisses ergeben sich ua. aus § 10 Abs. 1 Satz 3 und 4 AÜG. Die essentialia negotii des Inhalts des erstrebten Arbeitsverhältnisses ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag (vgl. dazu  - Rn. 41 mwN) sowie aus den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und den Haustarifverträgen der Beklagten.

24II. Das Landesarbeitsgericht durfte den Feststellungsantrag nicht mit der gegebenen Begründung abweisen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien sei bereits deshalb nicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG zustande gekommen, weil diese Normen aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG (sog. Konzernprivileg) keine Anwendung fänden, hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

251. Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer kommt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer aus einem der in § 9 Abs. 1 AÜG aufgeführten Gründe unwirksam ist und der Arbeitnehmer keine Festhaltenserklärung abgibt. Der Unwirksamkeitsgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG ist erfüllt, wenn die Arbeitnehmerüberlassung entgegen § 1 Abs. 1 Satz 5 und 6 AÜG nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist. Die Erfüllung der Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten setzt einen formwirksamen Überlassungsvertrag im Zeitpunkt des Überlassungsbeginns voraus ( - Rn. 16).

262. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG ist das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - mit Ausnahme einiger hier nicht in Betracht kommender Bestimmungen - nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen iSv. § 18 AktG, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Bei einer Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen des sog. Konzernprivilegs sollen somit die Rechtsfolgen des § 10 Abs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG nicht eintreten.

273. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwischen den Parteien sei kein Arbeitsverhältnis nach § 10 Abs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG begründet worden. Es hat offengelassen, ob der Kläger im Rahmen seiner Beschäftigung in den Betrieb der Beklagten eingliedert und gegenüber Arbeitnehmern der Beklagten weisungsunterworfen war. Selbst wenn dies der Fall gewesen sei, könne sich die Beklagte auf das Konzernprivileg des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG berufen, so dass die Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes keine Anwendung fänden. Die Vorschrift sei ihrem eindeutigen Wortverständnis nach nur dann unanwendbar, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und auch nicht zu diesem Zweck beschäftigt worden sei. Vorliegend fehle es bereits daran, dass der Kläger bei der S GmbH zum Zweck der Überlassung eingestellt worden sei. Das Konzernprivileg in der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung gelte unabhängig davon, ob es mit Unionsrecht im Einklang stehe.

284. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet das Konzernprivileg des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG auch dann keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt, wohl aber zum Zweck der Überlassung beschäftigt wird. Das ergibt sich aus einer insbesondere dem Sinn und Zweck der Vorschrift und dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprechenden Auslegung der Vorschrift, der das Wortverständnis nicht entgegensteht.

29a) Zwar spricht der Wortlaut der Bestimmung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG („eingestellt und beschäftigt“) auf den ersten Blick dafür, dass das Konzernprivileg nur dann nicht zur Anwendung gelangt, wenn sowohl die Einstellung als auch die Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgt. Entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zwingt die Verwendung der Konjunktion „und“ jedoch nicht zu der Annahme, dass das Konzernprivileg nur dann ausgeschlossen ist, wenn beide Merkmale kumulativ vorliegen. Die Konjunktion „und“ kann auch eine Aufzählung oder Aneinanderreihung ausdrücken (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Bd. 9 S. 4090). Sie bedingt nicht immer und zwingend ein kumulatives Verständnis (vgl.  - Rn. 28).

30b) Sinn und Zweck und Systematik des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG sowie der erklärte Wille des Gesetzgebers bedingen es, das Wort „und“ als „und/oder“ auszulegen.

31aa) Nach dem Referentenentwurf vom sollte das Konzernprivileg zunächst ausdrücklich die konzerninterne Überlassung von Arbeitnehmern erfassen, die „nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt“ wurden. Für den Ausschluss des Konzernprivilegs kam es dem Wortlaut nach nur darauf an, dass der innerhalb des Konzerns überlassene Arbeitnehmer von vornherein zum Zweck der Überlassung eingestellt worden ist.

32bb) Der Gesetzgeber hat den Wortlaut des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG sodann im weiteren Gesetzgebungsverfahren um die Wörter „und beschäftigt“ ergänzt. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass das Konzernprivileg nicht nur bei einer Überlassung von Arbeitnehmern innerhalb des Konzerns ausgeschlossen ist, die von vornherein „zum Zweck der Beschäftigung eingestellt“ worden sind, sondern auch dann, wenn sie zwar nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt wurden, sich ihr späterer Einsatz in einem Konzernunternehmen jedoch als Beschäftigung „zum Zweck der Überlassung“ erweist. Innerhalb des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG ist somit zwischen einer im Grundsatz zulässigen Einstellung mit späterer Überlassung und einer unzulässigen Einstellung bzw. Beschäftigung zum Zweck der Überlassung zu unterscheiden (vgl. näher Rn. 34 ff.). Die Ergänzung des negativen Tatbestandsmerkmals im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom untermauert den Willen des Gesetzgebers, das Konzernprivileg auch bei einer zu Überlassungszwecken dienenden Beschäftigung auszuschließen. Dadurch sollte explizit sichergestellt werden, dass es nicht allein auf den bei Abschluss des Arbeitsvertrags festgelegten Leistungsinhalt ankommt, sondern auch darauf, dass der Arbeitnehmer später nicht zum Zwecke der Überlassung beschäftigt wird (BT-Drs. 17/4804 S. 8). Die negative Tatbestandsvoraussetzung des Konzernprivilegs soll nicht dadurch umgangen werden können, dass der Arbeitsvertrag nach der Einstellung geändert und der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung als Leiharbeitnehmer beschäftigt wird (zutr.  - zu D II 2 b der Gründe; Schüren/Hamann/Hamann 6. Aufl. AÜG § 1 Rn. 615; Lembke BB 2012, 2497, 2499; HK-AÜG/Ulrici 1. Aufl. AÜG § 1 Rn. 161; BeckOK ArbR/Kock Stand AÜG § 1 Rn. 222; aA Happ/Krämer BB 2023, 2164, 2166). Dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung ist bei der fachgerichtlichen Auslegung Rechnung zu tragen (vgl.  - Rn 87). Der Anwendung des Konzernprivilegs steht es somit entgegen, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt oder beschäftigt wird.

33c) Diesem Auslegungsergebnis entspricht es, dass nach der Systematik des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes regelmäßig nicht die vertragliche, sondern die tatsächliche Überlassung die beabsichtigten Rechtsfolgen auslöst. Der Anwendungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ist unabhängig davon eröffnet, ob der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung an Dritte eingestellt worden ist. Dadurch soll die praktische Wirksamkeit des durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vermittelten Schutzes gewährleistet werden. Eine den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes unterfallende Überlassung liegt nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG vor, wenn der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt. Der Grundsatz der Gleichstellung in § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG knüpft ebenso an die „Zeit der Überlassung“ an wie § 9 Abs. 1 Nr. 1, 1a und 1b AÜG, der voraussetzt, dass der Arbeitnehmer einem Dritten zur Arbeitsleistung tatsächlich überlassen wird (vgl. zu § 9 Nr. 1 AÜG aF  - Rn. 42). Diese Systematik legt es nahe, dass das Konzernprivileg auch im Falle einer „Umwidmung“ eines Arbeitsverhältnisses durch eine rein tatsächliche Beschäftigung zum Zweck der Überlassung ausgeschlossen sein soll.

34d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verbleibt § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG bei diesem „alternativen“ Verständnis der Norm ein eigener Anwendungsbereich. Nicht jede Einstellung, in deren Zusammenhang eine Überlassung an ein Konzernunternehmen gestattet ist, erfolgt ohne Weiteres „zum Zweck der Überlassung“. Ebensowenig schließt jede weisungsgebundene Beschäftigung bei gleichzeitiger Eingliederung in ein konzernverbundenes Unternehmen das Konzernprivileg aus. Die zulässige Einstellung mit der Möglichkeit einer Überlassung an ein anderes Konzernunternehmen ist daher von den Voraussetzungen einer unzulässigen Einstellung oder Beschäftigung zum Zweck der Überlassung abzugrenzen.

35aa) Nach dem gesetzlichen Leitbild darf auch eine Überlassung von Arbeitnehmern im Konzern nicht auf Dauer angelegt sein. Der Schutzzweck des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ist nur dann gewahrt, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung „normalerweise“ gegenüber seinem Vertragsarbeitgeber erbringt und lediglich „anlassbezogen“ einer anderen Konzerngesellschaft zur Arbeitsleistung überlassen wird. Die Absicht und grundsätzliche Möglichkeit einer vertragsgemäßen Beschäftigung muss weiterhin gegeben sein. Daran fehlt es, wenn der Vertragsarbeitgeber für den Arbeitnehmer in seiner Betriebsstruktur auf Dauer keine Beschäftigungsmöglichkeit vorsieht (vgl.  - Rn. 28).

36bb) Das Vorliegen einer Einstellung und/oder Beschäftigung zum Zweck der Überlassung ist anhand des Arbeitsvertrags oder einer Gesamtbetrachtung der Umstände der Beschäftigung festzustellen.

37(1) Eine Einstellung zum Zweck der Überlassung liegt vor, wenn der Arbeitsvertrag als Leiharbeitsvertrag bezeichnet oder ausgestaltet ist ( - Rn. 81, BAGE 178, 75; vgl. auch  - Rn. 16, BAGE 146, 384). Entsprechendes gilt, wenn der Vertragsarbeitgeber bereits bei Einstellung das erkennbare Ziel verfolgt, den Arbeitnehmer regelmäßig als Leiharbeitnehmer einzusetzen. Dieses Verständnis entspricht der gesetzgeberischen Intention, die Konzernleihe nicht für die Arbeitnehmerüberlassung durch Personalführungsgesellschaften zu privilegieren, deren Zweck die Einstellung und Überlassung von Personal ist (vgl. BT-Drs. 17/4804 S. 8).

38(2) Dagegen schließt eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Konzernversetzungsklausel das Konzernprivileg nicht per se aus. Verpflichtet sich der Arbeitnehmer, seine Arbeit auch in anderen Konzernunternehmen zu verrichten, wird er dadurch nicht ohne Weiteres „zum Zweck der Überlassung“ eingestellt. Die Konzernversetzungsklausel soll Arbeitgebern lediglich die rechtliche Möglichkeit einer konzernweiten Versetzung einräumen (Schüren/Hamann/Hamann 6. Aufl. AÜG § 1 Rn. 624; HK-AÜG/Ulrici 1. Aufl. § 1 Rn. 163; aA Oberthür ArbRB 2011, 146, 147; Sandmann/Marschall/Schneider Erg.Lfg. 81 AÜG Art. 1 § 1 Rn. 130). Sie dokumentiert nicht, dass und wie der Arbeitgeber von ihr Gebrauch machen möchte. Umfasst aber der Unternehmenszweck des Vertragsarbeitgebers auch die Überlassung von Arbeitnehmern an Dritte und soll das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers diesen Zweck dadurch fördern, dass er auch unter dem Weisungsrecht Dritter tätig wird, liegt typischerweise eine Einstellung zum Zweck der Überlassung vor (NK-ArbR/Ulrici 2. Aufl. AÜG § 1 Rn. 106). Für eine Einstellung zum Zweck der Überlassung spricht auch, wenn der Arbeitnehmer direkt nach der Einstellung an ein Konzernunternehmen verliehen wird, ohne dass für ihn bei seinem Vertragsarbeitgeber eine Beschäftigungsmöglichkeit vorgesehen ist.

39(3) Ein Indiz, dass der Arbeitnehmer zum Zweck der Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt werden soll, ist auch dann gegeben, wenn er regelmäßig oder für einen außergewöhnlich langen Zeitraum an Dritte innerhalb oder außerhalb des Konzerns überlassen wird. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich insbesondere nach dem Unternehmenszweck des Vertragsarbeitgebers, der Dauer und Häufigkeit der Überlassung(-en), aber auch nach Häufigkeit und Dauer der Unterbrechungen sowie dem Anlass der Überlassung.

40(a) Verfügt das überlassende Konzernunternehmen über keine eigene Betriebsorganisation, innerhalb derer es den Arbeitnehmer mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit beschäftigen kann, wird dort eine regelmäßige Beschäftigung nicht möglich sein. Dies spricht dafür, dass der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt und/oder beschäftigt werden soll.

41(b) Eine Beschäftigung zum Zweck der Überlassung kann nicht bereits bei jeder tatsächlichen Überlassung vorliegen, da die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG anderenfalls keinen Anwendungsbereich hätte. Des Weiteren zeigt ein Vergleich mit § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG, dass die Voraussetzung „zum Zweck der Überlassung“ erst jenseits einer bloß „gelegentlichen“ Überlassung erfüllt ist (vgl. Schüren/Hamann/Hamann 6. Aufl. AÜG § 1 Rn. 617; BeckOK ArbR/Kock Stand AÜG § 1 Rn. 222). § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG schließt ua. das Rechtsfolgensystem des § 10 Abs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG aus, wenn die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Dabei muss der Anwendungsbereich des Tatbestandsmerkmals „zum Zweck der Überlassung“ so weitreichend sein, dass er durch die weitere Einschränkung „gelegentlich“ noch wirksam begrenzt werden kann. Hätten beide Begriffe die identische Bedeutung, wäre eines der Tatbestandsmerkmale überflüssig. Auch das Konzernprivileg des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG hätte keinen eigenständigen Anwendungsbereich, wenn die gelegentliche Überlassung auch das Merkmal „zum Zweck der Überlassung“ erfüllte und jede über die gelegentliche Überlassung hinausgehende Intensität ausgeschlossen wäre. Denn dann würden die nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG zulässigen Fälle auch unter § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG fallen. Dadurch würde das vom Gesetzgeber mit dem Konzernprivileg verfolgte Ziel der Flexibilisierung der Konzernleihe beeinträchtigt, weil an das Merkmal „gelegentlich“ aufgrund des Ausnahmecharakters der Norm seinerseits strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl.  - Rn. 33; sowie die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/4804 S. 8).

42(c) Bei der Bewertung der Überlassungsdauer ist ein Rückgriff auf feste Zeitgrenzen ausgeschlossen. Es wäre ein Zirkelschluss, auf die in § 1 Abs. 1b AÜG geregelte Überlassungshöchstdauer zurückzugreifen, die aufgrund des Konzernprivilegs grundsätzlich gerade nicht zur Anwendung kommen soll. Ein Indiz für eine Beschäftigung zum Zweck der Überlassung, die das Konzernprivileg ausschließt, liegt vor, wenn die konzerninterne Überlassung auf Dauer oder für einen unbestimmten Zeitraum erfolgt bzw. erfolgen soll. In einem solchen Fall kann in der Regel nicht mehr davon ausgegangen werden, dass für den Arbeitnehmer eine Beschäftigung bei seinem Vertragsarbeitgeber vorgesehen ist. Bei einer langfristigen Überlassung findet in der Regel eine Verlagerung des Schwerpunkts des Arbeitsverhältnisses statt. Diese äußert sich darin, dass der überlassene Arbeitnehmer einerseits dem Betrieb des Verleihers entfremdet und andererseits immer fester in die Betriebs- und Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert wird. Eine länger andauernde Überlassung kann andererseits unschädlich sein, wenn ihr ein sie rechtfertigender Anlass zugrunde liegt (vgl.  - zu I 3 b cc der Gründe, BAGE 65, 43; Schüren/Hamann/Hamann 6. Aufl. AÜG § 1 Rn. 621; HWK/Höpfner 11. Aufl. AÜG § 1 Rn. 84). Entscheidend sind stets die Gesamtumstände.

43(d) Besondere Bedeutung kommt dem Anlass der Überlassung zu. Liegt der Konzernleihe ein besonderer Anlass zugrunde, insbesondere ein solcher, der im Interesse des Arbeitnehmers liegt (zB Trainee, Vertretung; Einweisung, Schulung des überlassenen Arbeitnehmers, vgl. Hamann AuR 2024, 227, 230 f.), oder sind im fremden Konzernunternehmen besondere Aufgaben wahrzunehmen (zB Aufbauhilfe, Schulung von Mitarbeitern des anderen Unternehmens), spricht dies indiziell gegen eine Beschäftigung zum Zweck der Überlassung (vgl. Schüren/Hamann/Hamann 6. Aufl. AÜG § 1 Rn. 621). Davon ist auch auszugehen, wenn der Grund für die Überlassung einem der in § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG aufgezählten Befristungsgründe zuzuordnen ist (Schüren/Hamann/Hamann 6. Aufl. AÜG § 1 Rn. 621; Ulber-J. Ulber 6. Aufl. § 1 Rn. 485; zum früheren Merkmal „vorübergehend“  - zu I 3 b cc der Gründe, BAGE 65, 43). Dient die Überlassung demgegenüber der Erledigung regelmäßig beim entleihenden Konzernunternehmen anfallender Aufgaben und liegt auch beim Vertragsarbeitgeber kein besonderer Grund für die Abgabe des überlassenen Arbeitnehmers vor, spricht dies für eine Beschäftigung zum Zwecke der Überlassung.

44III. Die Begründetheit der Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). Auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob zwischen den Parteien seit dem bzw. ein Arbeitsverhältnis besteht.

451. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu prüfen haben, ob der Kläger bei der Beklagten als Erfüllungsgehilfe der S GmbH im Rahmen eines Werkvertrags eingesetzt oder dieser als Leiharbeitnehmer überlassen worden ist (vgl. dazu im Einzelnen die st. Rspr., zB  - Rn. 14 mwN).

46a) Ob die Kooperation zwischen der Beklagten und der S GmbH als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren ist, ergibt sich aus dem Inhalt ihrer Rechtsbeziehung, der sowohl auf Grundlage der ausdrücklichen Vereinbarungen als auch unter Berücksichtigung der praktischen Durchführung des Vertrags zu bestimmen ist. Soweit der Kläger behauptet hat, zwischen beiden Unternehmen sei Arbeitnehmerüberlassung vereinbart gewesen, und die Vorlage der vertraglichen Vereinbarung verlangt hat, wird das Landesarbeitsgericht unter Zugrundelegung der Grundsätze der sekundären Darlegungslast zu beurteilen haben, ob es der Beklagten obliegt, die vertraglichen Vereinbarungen in den Prozess einzuführen (vgl.  - Rn. 21 f.).

47b) Bei seiner Beurteilung wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis von der projektbezogenen werkvertraglichen Anweisung iSd. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zu unterscheiden ist. Die werkvertragliche Anweisung ist sachbezogen und ergebnisorientiert. Sie ist gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt. Das arbeitsrechtliche Weisungsrecht ist demgegenüber personenbezogen und ablauforientiert. Es beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise des Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts sind (vgl.  - Rn. 16). Soweit sich der Kläger darauf berufen hat, im Zusammenhang mit der Nachbesserung fehlerhafter Sitze - arbeitsrechtliche - Weisungen durch Mitarbeiter bzw. ein elektronisches System der Beklagten erhalten zu haben, ist die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis von der Überprüfung der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung durch den Vertragspartner abzugrenzen. Im Rahmen der Abnahme überprüft der Gläubiger, ob das überlassene Werk mangelfrei erstellt wurde, und kann gegenüber einem Arbeitnehmer des Werknehmers als dessen Repräsentanten Nacherfüllung verlangen. Zudem kann der Gläubiger Arbeitnehmern des Werknehmers bei der Werkerstellung bestimmte allgemeine Anweisungen erteilen. Hierbei handelt es sich nicht um arbeitsrechtliche Weisungen, wenn der Werknehmer seinem Arbeitnehmer die genauen und individuellen Weisungen erteilt, die er für die Erstellung des geschuldeten Werks für erforderlich hält (vgl.  - [Martin Meat] Rn. 40). Das Landesarbeitsgericht wird die dazu erforderlichen Tatsachen, ob der Kläger in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert war und deren - arbeitsrechtlichen - Weisungen unterlag, festzustellen, zu gewichten und in einer Gesamtbetrachtung nachvollziehbar abzuwägen haben.

482. Gelangte das Landesarbeitsgericht zu der Feststellung, dass der Kläger nicht bei der Beklagten als Erfüllungsgehilfe der S GmbH im Rahmen eines Werkvertrags eingesetzt, sondern von dieser der Beklagten als Leiharbeitnehmer überlassen worden wäre, käme es darauf an, ob sich der Kläger auf den Ausschluss des Konzernprivilegs berufen könnte. Dazu müsste er von der S GmbH zum Zweck der Überlassung eingestellt und/oder beschäftigt worden sein. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass es indiziell für den Ausschluss des Konzernprivilegs iSv. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG sprechen würde, wenn die Behauptung des Klägers zuträfe, nach Begründung seines Arbeitsverhältnisses mit der S GmbH über mehrere Jahre durchgehend bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer zum Einsatz gekommen zu sein.

493. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands kann vorliegend offenbleiben, ob das Konzernprivileg des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG im Einklang mit dem Unionsrecht steht (verneinend: Schüren/Hamann/Hamann 6. Aufl. AÜG § 1 Rn. 634; Preis/Sagan/Sansone EuArbR 3. Aufl. Rn. 18.38; Wank RdA 2017, 100, 103; vgl. auch Lembke DB 2011, 414, 416; bejahend unter Bezugnahme auf  - [Alb Fils Kliniken] Rn. 44: Happ/Krämer BB 2023, 2164, 2165; Lembke NZA 2024, 153, 160; Oberthür ArbRB 2023, 246, 247; Straube/Fischer DB 2023, 2564, 2567; ähnlich bereits BT-Drs. 17/4804 S. 8; Forst ZESAR 2011, 316, 317, 320; Sturm Die Privilegierung von Konzernen gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG 2020 S. 96 ff.; Willemsen/Mehrens NZA 2015, 897, 899) und welche Auswirkungen eine Unionsrechtswidrigkeit auf die Rechtsfolgenanordnung in § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG hätte. Sollte sich der Vortrag des Klägers als zutreffend erweisen, dass er seit Beginn seiner Anstellung bei der S GmbH bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer eingesetzt worden ist, läge zumindest eine Beschäftigung zum Zweck der Überlassung vor. In diesem Fall wäre das negative Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG erfüllt. Das Konzernprivileg würde unabhängig von seiner Unionsrechtskonformität nicht eingreifen. Dies hätte zur Folge, dass die Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ohne Einschränkung anwendbar wären. Ergäben die weiteren Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts demgegenüber, dass die vertraglichen Beziehungen zwischen der S GmbH und der Beklagten - auch in Bezug auf den Kläger - tatsächlich als Werkvertrag durchgeführt worden sind, läge bereits keine Arbeitnehmerüberlassung vor. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und damit auch das Rechtsfolgensystem des § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG kämen unabhängig vom Konzernprivileg nicht zur Anwendung.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:121124.U.9AZR13.24.0

Fundstelle(n):
DStR 2025 S. 599 Nr. 11
DStR 2025 S. 599 Nr. 11
XAAAJ-87738