Verfahrensrecht | Ohne Beauftragung mit der Erstellung der Steuererklärung keine Verlängerung der Erklärungsabgabefrist nach § 149 Abs. 3 AO (FG)
Die Beauftragung nach § 149 Abs. 3 AO knüpft nicht nur an die Bevollmächtigung (§ 80 AO) im Außenverhältnis, sondern bereits sprachlich an eine Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB, § 611 BGB) zwischen dem erfassten Personenkreis und dem Steuerpflichtigen an (; Revision zugelassen).
Hintergrund: Bei der Vorschrift des § 152 Abs. 1 Satz 1 AO handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, wonach gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden kann. Hiervon abweichend ist gemäß § 152 Abs. 2 Nr. 1 AO in der seit dem geltenden Fassung zwingend im Wege einer gebundenen Entscheidung ein Verspätungszuschlag festzusetzen, wenn eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht, nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres oder nicht binnen 14 Monaten nach dem Besteuerungszeitraum eingereicht wird und keine Rückausnahme nach § 152 Abs. 3 AO eingreift. Nach § 152 Abs. 3 AO gilt § 152 Abs. 2 AO nur dann nicht, wenn die Finanzbehörde die Frist für die Abgabe der Steuererklärung nach § 109 AO verlängert hat oder diese Frist rückwirkend verlängert (Nr. 1), wenn die Steuer auf 0 EUR oder auf einen negativen Betrag festgesetzt wird (Nr. 2), wenn die festgesetzte Steuer die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge nicht übersteigt (Nr. 3) oder bei hier offenkundig nicht einschlägigen besonderen Steueranmeldungen (Nr. 4).
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine vermögensverwaltende GmbH, deren Gesellschafter Eheleute sind. Der Ehemann ist als Rechtsanwalt tätig. In der Vergangenheit wurde die GmbH steuerlich durch eine Steuerberaterin vertreten. Im Streitjahr teilte die Klägerin dem Finanzamt mit, dass die Steuerberaterin nicht mehr für diese tätig sei. Die Klägerin übermittelte ihre Steuererklärungen zur Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer für 2021 elektronisch an das Finanzamt. Hierbei wurden keine Angaben zu einer weiteren Bevollmächtigung bzw. Hilfeleistung in Steuersachen gemacht. Im Rahmen der Veranlagung setzte das Finanzamt bei allen drei Steuerarten Verspätungszuschläge mit der Begründung fest, dass die Steuererklärungen nach Ablauf der Erklärungsfrist am eingegangen seien.
Die hiergegen gerichtete Klage ist teilweise begründet:
Es ist nicht wie für eine verlängerte Erklärungsabgabefrist im Sinne des § 149 Abs. 3 AO erforderlich eine Person im Sinne des § 3 StBerG und § 4 StBerG mit der Erstellung der Steuererklärungen beauftragt worden, wenn Angehörige der steuerberatenden Berufe in eigenen Angelegenheiten aktiv werden bzw. für den zusammenveranlagten Ehegatten oder wenn von einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft ein Rechtsanwalt nicht mit der Erstellung der Steuererklärungen, sondern lediglich als Gesellschafter und Ehemann der Geschäftsführerin beauftragt worden ist. Die Beauftragung nach § 149 Abs. 3 AO knüpft nicht nur an die Bevollmächtigung (§ 80 AO) im Außenverhältnis, sondern bereits sprachlich an eine Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB, § 611 BGB) zwischen dem erfassten Personenkreis (hier: Rechtsanwalt) und dem Steuerpflichtigen an.
Die Festsetzung des Verspätungszuschlags für die Körperschaftsteuer ist im vorliegenden Fall rechtmäßig. Die Körperschaftsteuererklärung wurde nicht binnen 14 Monaten nach dem Besteuerungszeitraum eingereicht, weswegen ein Verspätungszuschlag gemäß § 152 Abs. 2 Nr. 1 AO festzusetzen ist. Zudem liegt keine Ausnahme im Sinne des § 152 Abs. 3 AO vor. Denn die Verlängerung der Abgabefristen für Steuer- bzw. Feststellungserklärungen durch Art. 97 § 36 EGAO im Rahmen der Corona-Pandemie ist nicht wie eine behördliche Fristverlängerung im Sinne des § 109 AO zu behandeln, sodass insoweit bei der Festsetzung von Verspätungszuschlägen § 152 Abs. 3 Nr. 1 AO nicht eingreift (a.A. , EFG 2024 S. 540).
Die Festsetzung der Verspätungszuschläge für die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer ist begründet, da der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 € festgesetzt und bei der Umsatzsteuer ein Guthaben festgestellt wurde (Ausnahme des § 152 Abs. 3 Nr. 2 AO greift).
Das Finanzamt hätte die Festsetzung eines Verspätungszuschlags gemäß § 152 Abs. 1 AO dem Ermessen nach ausüben können. In der Einspruchsentscheidung des Finanzamtes wurde allerdings nicht erkannt, dass eine Rückausnahme des § 152 Abs. 3 Nr. 2 AO vorliegt und folglich keine Ermessensentscheidung ausgeübt. Hat die Finanzbehörde bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags rechtsirrtümlich das Vorliegen einer Rückausnahme nach § 152 Abs. 3 AO nicht erkannt und deswegen sein Ermessen nach § 152 Abs. 1 AO nicht ausgeübt, so ist die Festsetzung infolge des Ermessensausfalls rechtswidrig und aufzuheben.
Das Gericht hat die Revision zugelassen, weil der Fall Anlass für Klärung gibt, nämlich ob und wann eine Beauftragung nach § 149 Abs. 3 AO vorliegt, wann die Finanzbehörde davon in Kenntnis zu setzen ist bzw. generell ob im Fall vermögensverwaltender Kapitalgesellschaften, die durch eine Familie (hier Ehegatten) beherrscht wird, das Beraterprivileg zur Anwendung kommen kann. Zudem weicht das vorliegende Urteil des FG Berlin-Brandenburg von der Entscheidung des FG Schleswig-Holstein ab, zu der ein Revisionsverfahren anhängig ist (VI R 2/24).
Quelle: ; NWB Datenbank (lb)
Fundstelle(n):
XAAAJ-83331