Instanzenzug: LG Aachen Az: 110 KLs 7/21
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Betruges in 30 Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, von der es zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung drei Monate für vollstreckt erklärt hat. Daneben hat es Einziehungsentscheidungen getroffen, u.a. die Einziehung von Taterträgen bzw. des Wertes von Taterträgen in Höhe von insgesamt 392.991,08 Euro.
2Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Diese führen auf die Sachrüge zur Einstellung des Verfahrens, soweit die Angeklagten wegen Betruges in 30 Fällen verurteilt worden sind. Soweit die Einziehung der in der Entscheidungsformel näher bezeichneten Gegenstände angeordnet worden ist, hebt der Senat die Einziehung auf und lässt sie entfallen. Bestand hat hingegen die Anordnung der Einziehung von Taterträgen bzw. des Wertes von Taterträgen; insoweit ist das Rechtsmittel unbegründet.
I.
3Das Landgericht hat – soweit hier von Belang – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4Spätestens Anfang 2012 kamen die einkommenslosen Angeklagten überein, sich eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von einigem Umfang und Gewicht dadurch zu erschließen, dass sie im arbeitsteiligen Zusammenwirken über die von der A. GmbH betriebene Internetplattform „www. “ Kredite von Privatanlegern generieren wollten, ohne ihrer Rückzahlungsverpflichtung nachzukommen. In dem Tatzeitraum von November 2012 bis November 2013 vermittelte die A. GmbH auf dieser Plattform Darlehen von höchstens 25.000 Euro, die von mehreren als Darlehensgeber auftretenden Anlegern einem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellt wurden (sog. Crowdlending). Nach dem von der A. GmbH praktizierten Geschäftsmodell kam der Darlehensvertrag nicht unmittelbar zwischen dem privaten Anleger und dem Darlehensnehmer zustande, sondern zwischen letzterem und einer mit dem Plattformbetreiber kooperierenden sog. Fronting Bank, hier der W. GmbH. Die Anleger, die das Risiko des Totalausfalls trugen, erwarben anteilig in Höhe ihrer jeweiligen, mindestens 50 Euro betragenden Beteiligung im Wege des Forderungskaufs einen Darlehensrückzahlungsanspruch.
5In Umsetzung ihres Tatplans begannen die Angeklagten im Jahr 2012 damit, unter Verwendung von Falschpersonalien und unter Vorspiegelung ihrer nicht vorhandenen Rückzahlungsbereitschaft als Darlehensnehmer sog. Kreditprojekte auf der Internetplattform der A. GmbH einzustellen. Zugleich eröffneten sie – ebenfalls mittels entsprechender Falschpersonalien und gefälschter Nachweise über die Durchführung eines Post-Ident-Verfahrens – bei verschiedenen Banken Girokonten, auf die die späteren Kreditsummen überwiesen wurden. Im Zeitraum vom bis zum schlossen die Angeklagten auf diese Weise in 30 Fällen Darlehensverträge, wodurch sie insgesamt 392.991,08 Euro erlangten.
II.
61. Die erhobenen Formalrügen bleiben aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
72. Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils führt hinsichtlich der Verurteilung der Angeklagten wegen Betruges in 30 Fällen gemäß § 206a Abs. 1, § 354 Abs. 1 StPO zur Einstellung des Verfahrens.
8a) Der Verfolgung der angeklagten Taten steht das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung entgegen (§ 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 StGB).
9Zwar wurde die für die Verfolgungsverjährung maßgebliche Verjährungsfrist von fünf Jahren (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), die jeweils mit der Erlangung des letzten von der Tat umfassten Vorteils zu laufen begann (§ 78a Satz 2 StGB; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 415/03, wistra 2004, 228, Rn. 3 und vom – 4 StR 76/15, BGHR StGB § 78a Satz 1 Betrug 4), rechtzeitig durch die Anklageerhebung am gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB unterbrochen. Die Eröffnung des Hauptverfahrens als nächste zur Unterbrechung geeignete Handlung (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StGB) erfolgte indes erst am . Zu diesem Zeitpunkt war in Ermangelung weiterer Unterbrechungshandlungen bereits Verjährung eingetreten, denn die fünfjährige Verjährungsfrist endete mit dem Ablauf des Tages, der nach seiner Bezeichnung dem Anfangstag vorangeht (vgl. , StV 2011, 483), mithin am .
10b) Das Urteil des Landgerichts ist daher im Schuld- und Strafausspruch aufzuheben (§ 349 Abs. 4 StPO) und das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1, § 354 Abs. 1 StPO einzustellen (vgl. , NStZ 2018, 155, 156).
113. Soweit sich die Revisionen auch gegen die Einziehungsentscheidungen richten, sind sie überwiegend unbegründet. Im Umfang der in der Entscheidungsformel näher bezeichneten Gegenstände hat die angeordnete Einziehung keinen Bestand. Hinsichtlich der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 372.077,53 Euro sowie von Taterträgen in Höhe von insgesamt 20.913,55 Euro hingegen liegen die Voraussetzungen des § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB – hier in Verbindung mit Art. 316h Satz 1 EGStGB – vor.
12a) Die nach § 73a Abs. 1 StGB erfolgte Anordnung der Einziehung betreffend das Bargeld in Höhe von 1.050 Euro sowie des auf dem Privatgirokonto mit der Nummer ( bank GmbH, Kontoinhaber: D. ) befindlichen Restguthabens hat keinen Bestand. Gleiches gilt für die auf § 74 Abs. 1 StGB gestützte Einziehung des Mobiltelefons, der Notebooks, der Speichermedien, des Stempels, des Umschlags mit Notizen, der Namenszettel und der 19 Bankkarten. Bei Verjährung der zugrundeliegenden Taten ist gemäß § 76a Abs. 2 StGB nur die selbständige Anordnung der Einziehung von Taterträgen und des Wertes von Taterträgen unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b und § 73c StGB und eine Sicherungseinziehung sowie die Einziehung von Schriften und deren Unbrauchbarmachung unter den Voraussetzungen der §§ 74b, 74d StGB zulässig. Eine selbständige (erweiterte) Einziehung sowie die Einziehung von Tatmitteln scheidet dagegen nach der Sonderregelung des § 76a Abs. 2 StGB aus (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 72 f.).
13b) Die auf §§ 73, 73c StGB gestützte Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 372.077,53 Euro hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Angesichts der Verjährung der zugrundeliegenden Straftaten kommt zwar eine Einziehung nach §§ 73, 73c StGB nicht mehr in Betracht. Nach den Urteilsfeststellungen liegen die Voraussetzungen hierfür im Übrigen jedoch vor, so dass insoweit eine selbständige Einziehung nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB zu erfolgen hat. Da die Anordnung der selbständigen Einziehung von Taterträgen nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB zwingend vorgeschrieben ist (vgl. , NJW 2024, 1202 Rn. 23, 29), hat die Einziehungsentscheidung insoweit Bestand.
14Gleiches gilt für die nach § 73 Abs. 1 und 2 StGB erfolgte Einziehung der jeweiligen Restguthaben in Höhe von insgesamt 20.913,55 Euro auf den Privatgirokonten mit der Nr. ( bank AG, Kontoinhaber: B. ), mit der Nr. ( bank AG, Kontoinhaber: F. ) und mit der Nr. ( bank AG, Kontoinhaber: Be. ).
15aa) Nach § 76a Abs. 2 StGB ist die selbständige Einziehung des durch oder für eine verjährte Straftat erlangten Ertrages oder dessen Wertes unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b, 73c StGB auch dann zulässig, wenn – wie hier – die Verfolgung der Straftat verjährt ist. Dass vorliegend die Einstellung des Verfahrens wegen der bereits vor Beginn der Hauptverhandlung eingetretenen Verfolgungsverjährung durch die Strafkammer unterblieben ist, steht dem nicht entgegen. Denn die Einziehung der durch eine verjährte Straftat erlangten Taterträge sowie des Wertes der Taterträge nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB kann auch im subjektiven Verfahren angeordnet werden; eines Übergangs in das objektive Verfahren gemäß §§ 435 ff. StPO bedarf es insoweit nicht (s. im Einzelnen , NJW 2024, 1202 Rn. 29 ff.).
16bb) Im Übrigen entsprechen die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie der jeweiligen auf den Konten befindlichen Restguthaben sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach den Vorschriften der §§ 73 ff. StGB (vgl. zur revisionsrechtlichen Kontrolle der Annahme der verjährten Erwerbstaten als Voraussetzung der selbständigen Tatertragseinziehung , wistra 2024, 337, Rn. 42 ff. und vom – 3 StR 474/19, Rn. 8 ff.).
17Die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Urteilsfeststellungen tragen die von der Strafkammer angenommene Begehung der 30 Betrugstaten. Von dem durch diese Taten erzielten Erlös in Höhe von insgesamt 392.991,08 Euro, der nach den Urteilsgründen beiden Angeklagten zufloss, sind nur eingezogene Restguthaben auf drei Privatkonten in Höhe von insgesamt 20.913,55 Euro gegenständlich vorhanden, so dass sich auch die Bestimmung des einzuziehenden Wertes von Taterträgen in Höhe von 372.077,53 Euro als rechtsfehlerfrei erweist (vgl. , NJW 2024, 1439 ff. Rn. 51 ff).
184. Die Kosten und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last, soweit das Verfahren eingestellt worden ist (§ 467 Abs. 1 StPO). Es besteht insoweit kein Anlass, nach der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO (vgl. , NJW 2017, 2459) von der Auferlegung der notwendigen Auslagen der Angeklagten auf die Staatskasse abzusehen, da die Strafverfolgung zum Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens bereits verjährt war (vgl. , NJW 2017, 2459; , StV 2024, 78, 79).
19Im Übrigen tragen die Angeklagten jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels angesichts des zur Einziehung nur geringen Teilerfolgs selbst (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
205. Ein Entschädigungsanspruch gegen die Staatskasse wegen erlittener Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 2 Abs. 1 StrEG) besteht nicht.
21a) Der Senat ist nach § 8 StrEG für den Ausspruch über die Entschädigung der Angeklagten zuständig, weil er die das Verfahren abschließende Entscheidung getroffen hat; weitere, vom Tatrichter zu treffende Feststellungen sind nicht mehr erforderlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 453/16, Rn. 19; vom – 5 StR 14/21, NStZ-RR 2021, 217, und vom – 2 StR 229/21, NStZ-RR 2023, 56, 57).
22b) Eine Entschädigung kommt nicht in Betracht, weil diese nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen ist (vgl. zur Heranziehung der Vorschrift BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 396/79, BGHSt 29, 168, 171; vom – 4 StR 434/98, BGHR StrEG § 5 Abs. 2 Satz 1 Fahrlässigkeit, grobe 6, und vom – 2 StR 229/21, NStZ-RR 2023, 56). Die Angeklagten haben durch ihre – nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen rechtswidrig und schuldhaft begangenen – Betrugstaten die Strafverfolgungsmaßnahmen verursacht. Eine der Versagung des Entschädigungsanspruchs entgegenstehende Unterbrechung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs, etwa durch eine rechtsfehlerhafte Sachbehandlung seitens der Strafverfolgungsbehörden (vgl. , BGHR StrEG § 5 Abs 2 Satz 1 Ursächlichkeit 2; Beschluss vom – 4 StR 434/98, aaO), liegt nicht vor.
Menges Appl Zeng
Grube Schmidt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:280824B2STR405.23.0
Fundstelle(n):
UAAAJ-81806