Online-Nachricht - Donnerstag, 07.11.2024

Kindergeld | Ausschlussfrist bei Wanderarbeitnehmern aus anderen EU-Mitgliedstaaten (BFH)

Stellt ein Wanderarbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen für einen Kindergeldanspruch im Inland erfüllt, seinen Antrag auf Kindergeld bei der inländischen Familienkasse erst nach Ablauf der in § 66 Abs. 3 EStG a.F. vorgesehenen sechsmonatigen Ausschlussfrist, kann die Ausschlussfrist auch durch einen nach dem Prinzip der europaweiten Antragsgleichstellung (Art. 81 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) zu berücksichtigenden, im Ausland gestellten Antrag gewahrt werden (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gem. § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes v. (BGBl I 2017, 1682) - EStG a.F. - wird das Kindergeld nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag (vgl. § 67 EStG) auf Kindergeld eingegangen ist.

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Festsetzung von Differenzkindergeld für den Zeitraum August 2018 bis Oktober 2018: Der Kläger ist rumänischer Staatsangehöriger und Vater von drei Kindern. Seine Ehefrau, die Mutter der Kinder, erhielt im Streitzeitraum je Kind rumänische Kindergeldleistungen. Die Ehefrau und die Kinder lebten in Rumänien.

In der Zeit vom bis zum war der Kläger in Deutschland nichtselbständig beschäftigt. Am stellte er bei der Familienkasse einen Antrag auf Kindergeld für alle drei Kinder. Mit Bescheid vom lehnte die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab, weil die Festsetzung für einen längeren Zeitraum als die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen sei, gemäß § 66 Abs. 3 EStG a.F ausgeschlossen sei. Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein und bestritt die Verfassungsmäßigkeit der angewandten Vorschrift.

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (FG der ersten Instanz: ):

  • § 66 Abs. 3 EStG a.F. beschränkt die rückwirkende Festsetzung von Kindergeld, da sie dem Festsetzungsverfahren und nicht dem Erhebungsverfahren zuzuordnen ist (, BStBl II 2020, 704, Rz 18 ff. und , BStBl II 2020, 707, Rz 15 f.).

  • Die Vorschrift, die die Festsetzung von Differenzkindergeld im Streitzeitraum ausschließt, verstößt nicht gegen EU-Recht.

  • Der Senat erachtet die Unionsrechtslage angesichts der vorliegenden EuGH-Rechtsprechung für eindeutig, so dass keine Vorlagepflicht an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht (vgl. 283/81 "CILFIT").

  • Stellt ein Wanderarbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen für einen Kindergeldanspruch im Inland erfüllt, seinen Antrag auf Kindergeld bei der inländischen Familienkasse erst nach Ablauf der in § 66 Abs. 3 EStG a.F. vorgesehenen sechsmonatigen Ausschlussfrist, kann die Ausschlussfrist auch durch einen nach dem Prinzip der europaweiten Antragsgleichstellung (Art. 81 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates v. zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) zu berücksichtigenden, im Ausland gestellten Antrag gewahrt werden.

  • Eine Antragsgleichstellung erfolgt jedoch nicht, wenn der Antrag im Wohnmitgliedstaat zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem noch kein Auslandsbezug vorlag ( "Chief Appeals Officer u.a.").

  • Liegt ein Auslandsbezug vor und teilt der Antragsteller den grenzüberschreitenden Sachverhalt weder den entsprechenden Behörden im Wohnmitgliedstaat noch im Tätigkeitsstaat mit, stellt allein der Umstand, dass der Wanderarbeitnehmer wiederkehrende Leistungen erhalten hat, keinen Antrag dar ( "Chief Appeals Officer u.a." sowie "Familienkasse Sachsen").

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
OAAAJ-78455