Verjährung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs - Aufschlussgerät
Leitsatz
Aufschlussgerät
1. Ein auf § 242 BGB gestützter akzessorischer Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung verjährt nicht vor dem Hauptanspruch, dessen Durchsetzung er dient (Bestätigung von , NJW 2017, 2755 Rn. 8 ff.; Urteil vom - III ZR 136/18, NJW 2021, 765 Rn. 55).
2. Dies gilt auch dann, wenn der Hauptanspruch rechtskräftig festgestellt ist und deshalb gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB einer Verjährungsfrist von dreißig Jahren unterliegt.
3. Bei zusammengesetzten Vorrichtungen, von denen nur ein Teil patentiert ist, erstreckt sich der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zur Durchsetzung des Anspruchs auf Schadensersatz grundsätzlich auch auf die mit der Gesamtvorrichtung erzielten Umsätze und Gewinne (Weiterführung von , GRUR 1995, 578, 579 - Steuereinrichtung II).
Gesetze: § 139 Abs 2 PatG, § 195 BGB, § 197 Abs 1 Nr 3 BGB, § 242 BGB, § 249 BGB, § 259 BGB, § 852 BGB
Instanzenzug: Az: 6 U 2022/22vorgehend LG München I Az: 21 O 7664/20 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Folgen einer Patentverletzung.
2Der Kläger ist Inhaber des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 455 175 (Klagepatents), das am angemeldet worden ist und eine Vorrichtung zur Feuchtigkeits- und Ascheanalyse betrifft. Der Hinweis auf die Erteilung des Schutzrechts ist am veröffentlicht worden.
3Die Beklagte vertreibt Aufschlussgeräte für die Analyse pulverförmiger Stoffe unter der Bezeichnung "HAG-System for oxidic sample fusion" (im Folgenden: HAG-Systeme). In diese Geräte können thermogravimetrische Analysatoren (TGA) integriert werden.
4Im September 2005 beauftragte das Unternehmen I. die Beklagte mit der Lieferung von HAG-Systemen, mit denen TGA-Einheiten zur Bestimmung des Glühverlusts verbunden werden sollten. Hierzu hatte I. zunächst beim Klä-ger vier TGA-Einheiten bestellt. Nach Meinungsverschiedenheiten nahm I. von dieser Bestellung Abstand und erwarb stattdessen TGA-Einheiten von der E. GmbH (E. ). Diese lieferte in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt 22 TGA-Einheiten auf das Gelände der Beklagten. Die Rechnungsstellung für diese Geräte erfolgte an I. . Die Beklagte integrierte die TGA-Einheiten in ihre HAG-Systeme und ließ diese nach Australien verschiffen, wo sie von I. veräußert wurden.
5Der Kläger hat wegen dieses Geschehens zunächst E. und später die Beklagte erfolgreich wegen Patentverletzung in Anspruch genommen. Das Landgericht München I hat mit Urteil vom (21 O 24226/15, K14) festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz allen Schadens verpflichtet ist, der dem Kläger durch das Inverkehrbringen von TGA-Einheiten entstanden ist, und sie dazu verurteilt, über den Vertrieb von TGA-Einheiten Auskunft zu geben und Rechnung zu legen. Dieses Urteil ist rechtskräftig.
6In der Folge hat die Beklagte Auskünfte über die von E. bezogenen TGA-Einheiten erteilt. Eine Auskunft über die von ihr veräußerten HAG-Systeme lehnte sie ab.
7Mit seiner am eingereichten Klage hat der Kläger die Beklagte sinngemäß auf Auskunft bezüglich HAG-Systemen mit patentgemäßen TGA-Einheiten (Klageantrag zu I.1.a) und bezüglich einer anderen Ausführungsform (Klageantrag zu I.1.b) und auf Rechnungslegung (Klageantrag zu I.2) in Anspruch genommen und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte allen Schaden zu ersetzen hat, der ihm aus den angegriffenen Handlungen entstanden ist (Klageantrag zu II).
8Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die begehrte Feststellung ausgesprochen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
9Mit seiner (nur) insoweit vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag zu I.1.a und den darauf bezogenen Teil des Klageantrags I.2 weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Gründe
10Die zulässige Revision ist begründet und führt im Umfang der Anfechtung zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
11I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:
12Dem Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen der in Antrag I.1.a bezeichneten Handlungen stehe die Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess entgegen. Die dort getroffene Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz allen Schadens verpflichtet ist, der durch Anbieten, Inverkehrbringen, Gebrauchen, Einführen oder Besitzen von patentgemäßen TGA-Einheiten entstanden ist und noch entstehen wird, umfasse auch solche Schäden, die der Kläger gegebenenfalls als Verletzergewinn aus dem Verkauf von Peripheriegeräten geltend machen könne.
13Die Klage auf Auskunft und Rechnungslegung bezüglich HAG-Systemen mit TGA-Einheiten, wie sie in den Jahren 2011 und 2012 von E. geliefert worden sind, sei hingegen zulässig. Das Urteil aus dem Vorprozess beziehe sich nur auf Auskünfte über die TGA-Einheiten, nicht jedoch über die HAG-Systeme.
14Die Klage sei insoweit jedoch unbegründet, da die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreife. Der akzessorische, auf § 242 und § 259 BGB gestützte Auskunftsanspruch unterliege einer eigenständigen Verjährung nach § 195 und § 199 BGB. Im Streitfall sei der Anspruch mit den Verletzungshandlungen in den Jahren 2011 und 2012 entstanden. Wie sich aus der am eingereichten Klageschrift in dem Rechtsstreit gegen E. ergebe, habe der Kläger spätestens zu diesem Zeitpunkt Kenntnis davon gehabt, dass TGA-Einheiten der E. an die Beklagte geliefert, von dieser in HAG-Systeme eingebaut und mit diesen in Verkehr gebracht worden seien. Damit habe die Verjährungsfrist spätestens am zu laufen begonnen. Hierbei sei unerheblich, ob der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch der zehnjährigen Verjährung nach § 852 Satz 1 BGB unterliege. Diese Verjährungsfrist gelte nur für den Anspruch auf Schadensersatz, nicht aber für den Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung. Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Auffassung vertreten werde, ein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB könne grundsätzlich nicht vor dem Hauptanspruch verjähren, dem er diene, könne dem nicht gefolgt werden.
15II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
161. Der Anspruch des Klägers auf Auskunft und Rechnungslegung bezüglich HAG-Systemen ist nicht verjährt.
17a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Informationen nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete sie ohne unbillig belastet zu sein zu geben vermag (vgl. nur , NJW 2018, 2629 Rn. 23). Bei Patentverletzungen ist der Auskunftspflichtige grundsätzlich auch zur Rechnungslegung im Sinne von § 259 BGB verpflichtet (vgl. nur , BGHZ 221, 342 = GRUR 2019, 496 Rn. 12 - Spannungsversorgungsvorrichtung).
18Dieser akzessorische Anspruch ist seinem Umfang nach auf die zur Durchsetzung des Hauptanspruchs erforderlichen Informationen begrenzt. Dabei ist anerkannt, dass die Rechnungslegung, ihrem Zweck entsprechend, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sämtliche Angaben umfassen muss, die der Verletzte braucht, um sich für eine der ihm offenstehenden Möglichkeiten zur Schadensberechnung zu entscheiden, die Schadenshöhe oder den Umfang der Bereicherung konkret zu ermitteln und darüber hinaus die Richtigkeit der Rechnungslegung nachzuprüfen (, BGHZ 239, 21 = GRUR 2024, 273 Rn. 74 - Polsterumarbeitungsmaschine).
19b) Die ältere Rechtsprechung hat zum Teil den Standpunkt eingenommen, ein solcher akzessorischer Anspruch unterliege keiner eigenen Verjährung (, GRUR 1972, 558 (560) - Teerspritzmaschine; , WM 1992, 1437, juris Rn. 30).
20Durch die neuere Rechtsprechung ist hingegen geklärt, dass ein auf § 242 BGB gestützter akzessorischer Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung grundsätzlich selbständig und unabhängig vom Hauptanspruch verjährt (, NJW 2017, 2755 Rn. 8; Urteil vom - I ZR 145/11, GRUR 2012, 1248 Rn. 22 - Fluch der Karibik). Dieser Auffassung tritt der Senat bei.
21Maßgeblich ist grundsätzlich die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB, die gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (, GRUR 2012, 1248 Rn. 22 - Fluch der Karibik).
22c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann ein auf § 242 BGB gestützter akzessorischer Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung trotz der gesonderten Verjährung aber nicht vor dem Hauptanspruch verjähren, dessen Durchsetzung er dient.
23aa) Der Bundesgerichtshof hat auch auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung, derzufolge der akzessorische Anspruch aus § 242 BGB einer selbständigen Verjährung unterliegt, mehrfach entschieden, dass der Anspruch dennoch nicht vor dem Hauptanspruch verjährt, dessen Durchsetzung er dient (, NJW 2017, 2755 Rn. 8 ff.; Urteil vom - III ZR 136/18, NJW 2021, 765 Rn. 55).
24In der Literatur hat dies zum Teil Zustimmung gefunden (Grothe in MünchKomm.BGB, 9. Aufl. 2021, § 195 BGB Rn. 42; Herrler in Staudinger BGB, 2019, Anhang zu § 217 BGB Rn. 8; Toussaint in Großkommentar UWG, 3. Aufl. 2020, § 11 UWG Rn. 29 f.; zum Patentrecht Kaess in Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. 2020, § 140b PatG Rn. 79; Kamlah/Haedicke in Haedicke/Timmann Handbuch des Patentrechts, 2. Aufl. 2020, § 14 Rn. 405; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 16. Aufl. 2024, E Rn. 903; Voß in Schulte PatG, 11. Aufl. 2022, § 141 Rn. 11), zum Teil aber auch Ablehnung erfahren (Piekenbrock in Großkommentar BGB, Stand , § 195 BGB Rn. 44, 46; Ulrici, NJW 2018, 2001, 2004 f.).
25bb) Für ausdrücklich im Gesetz vorgesehene Auskunftsansprüche hat der Bundesgerichtshof unterschiedlich entschieden.
26Die Verjährung der gegenseitigen Ansprüche von Ehegatten auf Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt zur Trennung und über das für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgebliche Vermögen gemäß § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB beginnt aus Gründen des Schuldnerschutzes, des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit erst mit der Verjährung des (in der Regel später entstehenden) Anspruchs auf Zahlung von Zugewinnausgleich, zu dessen Berechnung sie dienen sollen (, NJW 2018, 950 Rn. 17 ff.). Die Verjährung wird zudem durch die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung von Zugewinnausgleich gehemmt (aaO Rn. 27 f.).
27Der Anspruch eines Auftraggebers gegen den Auftragnehmer auf Auskunft über den Stand des Geschäfts gemäß § 666 Fall 2 BGB kann nicht vor Beendigung des Auftrags verjähren, weil er eine Dauerpflicht betrifft und weil ansonsten ein Widerspruch zu § 666 Fall 3 BGB bestünde (, BGHZ 192, 1 = NJW 2012, 917 Rn. 15). Ob der Auskunftsanspruch vor einem Anspruch auf Herausgabe des Erlangten gemäß § 667 BGB verjährt, dessen Durchsetzung er dient, hat der Bundesgerichtshof bislang nicht entschieden.
28Der Anspruch eines Mieters gegen den Vermieter auf Auskunft über die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete maßgeblichen Tatsachen aus § 556g Abs. 3 BGB kann vor dem Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete gemäß § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB verjähren, dessen Durchsetzung er dient. Dieser Auskunftsanspruch unterscheidet sich von Auskunftsansprüchen gemäß § 242 und § 1379 BGB maßgeblich dadurch, dass der Mieter nicht erst auf der Grundlage der Auskunft zur Verfolgung und Durchsetzung des Zahlungsanspruchs gegen den Vermieter in die Lage versetzt wird (, NJW 2024, 208 Rn. 18 ff.; VIII ZR 125/22 Rn. 20 ff.).
29Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs gemäß § 87c Abs. 2 HGB kann ebenfalls vor dem Anspruch auf Zahlung der sich aus dem Auszug ergebenden Provision verjähren. Ein solcher Auskunftsanspruch entsteht, wenn der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die diesem zustehende Provision erteilt hat. Die Verjährung beginnt deshalb grundsätzlich mit dem Ende des Jahres, in dem die Abrechnung dem Handelsvertreter zugegangen ist (, WM 2018, 1856 Rn. 14 ff.).
30cc) Vor diesem Hintergrund tritt der Senat der vom Bundesgerichtshof auch auf Grundlage der neueren Rechtsprechung vertretenen Auffassung bei, dass ein auf § 242 BGB gestützter akzessorischer Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung nicht vor dem Anspruch verjähren kann, dessen Durchsetzung er dient.
31(1) Die aufgezeigte Rechtsprechung zu akzessorischen Ansprüchen aus § 242 BGB beruht auf der Erwägung, dass es mit den dem Verjährungsrecht zugrunde liegenden Gedanken des Schuldnerschutzes, des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit in Widerspruch stünde, wenn ein Hilfsanspruch auf Auskunft vor dem Hauptanspruch verjähren könnte.
32Kern des zwischen den Beteiligten bestehenden Streits ist in solchen Fällen regelmäßig der Hauptanspruch. Der Streit über diesen würde durch die Verjährung nur des Hilfsanspruchs nicht gelöst. Die Lösung des eigentlichen Streits würde vielmehr regelmäßig erschwert, weil dem Gläubiger ein Mittel aus der Hand genommen würde, das zur Klärung des Hauptanspruchs beitragen kann. Das durch die Verjährung geschützte Interesse des Schuldners, nicht wegen länger zurückliegender Vorgänge in Anspruch genommen zu werden, vermag dasjenige des Gläubigers in der Regel nicht zu überwiegen, solange der Hauptanspruch noch nicht verjährt ist (, NJW 2017, 2755 Rn. 9-11).
33Angesichts all dessen erschiene es auch mit dem Zweck eines auf § 242 BGB gestützten akzessorischen Anspruchs auf Auskunft und Rechnungslegung nicht vereinbar, wenn er verjähren könnte, obwohl der Anspruch, dessen Durchsetzung er dient, noch nicht verjährt ist.
34Der Grundsatz, dass auch solche Ansprüche grundsätzlich einer eigenständigen Verjährung unterliegen, ist deshalb dahin einzuschränken, dass der akzessorische Anspruch je nach Einzelfall später verjähren kann als der Hauptanspruch, nicht aber früher.
35(2) Die oben aufgeführte Rechtsprechung zu Ansprüchen aus § 556g Abs. 3 BGB und § 87c Abs. 2 HGB spricht nicht gegen, sondern für dieses Ergebnis.
36Wie der Bundesgerichtshof in den oben zitierten Entscheidungen bereits ausgesprochen hat, weist der Anspruch aus § 556g Abs. 3 BGB eine Besonderheit auf, weil Auskunfts- und Rückzahlungsanspruch des Mieters nicht in einer Weise miteinander verknüpft sind, dass die Durchsetzung des Rückzahlungsanspruchs ohne die Möglichkeit einer vorherigen oder zeitgleichen Geltendmachung des Auskunftsanspruchs gefährdet, erschwert oder sogar unmöglich wäre (, NJW 2024, 208 Rn. 20; VIII ZR 125/22 Rn. 23).
37Für den Anspruch aus § 87c Abs. 2 HGB gilt ähnliches, weil der Handelsvertreter durch die Erteilung der Abrechnung in die Lage versetzt wird, seinen Provisionsanspruch jedenfalls in der Höhe durchzusetzen, die sich aus der Abrechnung ergibt. Zudem hat der Unternehmer ein anerkennenswertes Interesse daran, dass Zweifel an seiner Abrechnung nur während eines überschaubaren Zeitraums geltend gemacht werden können (zu dem insoweit maßgeblichen Aspekt des Rechtsfriedens , WM 2018, 1856 Rn. 22).
38dd) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung gilt der Grundsatz, dass ein auf § 242 BGB gestützter akzessorischer Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung nicht vor dem Hauptanspruch verjährt, auch dann, wenn der Hauptanspruch rechtskräftig festgestellt ist und deshalb gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB einer Verjährungsfrist von dreißig Jahren unterliegt.
39(1) Gerade in dieser Konstellation entspricht es den Geboten des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit, dass der Gläubiger hinreichende Mittel zur Hand hat, um seinen Hauptanspruch durchzusetzen.
40Der Schuldner wird dadurch nicht in unangemessener Weise belastet. Er muss aufgrund des rechtskräftigen Urteils ohnehin damit rechnen, dass er über Jahrzehnte hinweg in Anspruch genommen werden kann.
41Vor einer unverhältnismäßigen Inanspruchnahme ist der Schuldner in solchen Konstellationen schon durch das Rechtsinstitut der Verwirkung hinreichend geschützt.
42(2) Dies gilt auch dann, wenn der Gläubiger Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung bereits zusammen mit dem Hauptanspruch gerichtlich geltend gemacht hat.
43Wie der Streitfall zeigt, ist nicht auszuschließen, dass erst im weiteren Verlauf zu Tage tritt, dass die ursprünglich begehrten Informationen nicht ausreichen, um den Hauptanspruch durchzusetzen. In einer solchen Situation kann der Gläubiger nicht schlechter gestellt werden, als wenn er von der Geltendmachung von Auskunftsansprüchen zunächst abgesehen hätte.
442. Im Streitfall sind die Klageansprüche mithin schon deshalb nicht verjährt, weil der Zahlungsanspruch, dessen Durchsetzung sie dienen, durch das Urteil vom rechtskräftig festgestellt ist.
45a) Wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend dargelegt hat, dienen die Klageansprüche der Berechnung des Schadens, der dem Kläger durch das Inverkehrbringen von das Klagepatent verletzenden TGA-Einheiten entstanden ist.
46Dieser Anspruch ist im vorangegangenen Rechtsstreit rechtskräftig festgestellt worden.
47b) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob die Zahlungsansprüche, deren Durchsetzung die Klageansprüche dienen, ursprünglich der zehnjährigen Verjährung nach § 852 BGB unterlegen haben.
48Nach der Rechtsprechung des Senats entsteht der in § 852 BGB geregelte Anspruch auf Restschadensersatz zusammen mit dem Anspruch auf Ersatz des vollen Schadens (, NJW 2024, 1344 Rn. 31). Der verjährte Deliktsanspruch bleibt als solcher bestehen und wird nur in seinem durchsetzbaren Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung Erlangte beschränkt (, BGHZ 221, 342 = GRUR 2019, 496 Rn. 19 - Spannungsversorgungsvorrichtung).
49Folglich ist auch der in § 852 BGB geregelte Anspruch von der rechtskräftigen Feststellung der Pflicht zum Schadensersatz umfasst.
50III. Das Berufungsurteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
51Entgegen der vom Berufungsgericht insoweit geäußerten Zweifel erstreckt sich der Anspruch des Klägers auf Auskunft und Rechnungslegung auch auf HAG-Systeme, die eine patentgemäße TGA-Einheit umfassen.
52Die Beklagte ist insoweit schon deshalb zu Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet, weil das Herstellen und Inverkehrbringen von HAG-Systemen mit integrierter TGA-Einheit eine Patentverletzung darstellt.
531. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte unstreitig die von E. an sie gelieferten TGA-Einheiten in HAG-Systeme integriert und diese Systeme anschließend verschifft.
54Da die TGA-Einheiten unstreitig alle Merkmale des Klagepatents erfüllen, stellt das Inverkehrbringen dieser Einheiten eine Patentverletzung dar. Dasselbe gilt für das Inverkehrbringen der HAG-Systeme, in die die TGA-Einheiten integriert worden sind.
55Aufgrund der Integration einer TGA-Einheit verwirklichen die HAG-Systeme als Gesamtvorrichtung ebenfalls alle Merkmale des Klagepatents. Das Inverkehrbringen solcher Systeme gehört damit ebenfalls zu den Handlungen, die gemäß § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG dem Berechtigten vorbehalten sind.
562. Ob als Ausgangspunkt für die Schadensberechnung auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr oder des Verletzergewinns der gesamte Umsatz bzw. Gewinn aus der Herstellung und dem Inverkehrbringen der HAG-Systeme heranzuziehen ist oder nur derjenige Anteil des Umsatzes bzw. Gewinns, der auf die darin integrierten TGA-Einheiten entfällt, bedarf im gegenwärtigen Verfahrensstadium keiner Klärung.
57a) Bei zusammengesetzten Vorrichtungen, von denen nur ein Teil patentiert ist, ist die sachgerechte Bezugsgröße unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Dabei kann es namentlich eine Rolle spielen, ob die Gesamtvorrichtung üblicherweise als Ganzes geliefert wird und ob sie durch den geschützten Teil insgesamt eine Wertsteigerung erfährt (, GRUR 1995, 578, 579 - Steuereinrichtung II).
58Da eine mögliche Wertsteigerung durch die Integration des geschützten Teils von Bedeutung ist, kann die Frage der sachgerechten Bezugsgröße in der Regel erst dann beurteilt werden, wenn Informationen über die mit der Gesamtvorrichtung erzielten Umsätze und Gewinne vorliegen. Deshalb ist der Schuldner grundsätzlich verpflichtet, auch hierüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen.
59b) Dies steht in Einklang mit dem Grundsatz, dass ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung nicht mit der Erwägung abgelehnt werden darf, der Gläubiger werde auch nach Auskunftserteilung einen ersatzfähigen Schaden nicht darlegen können (dazu , GRUR 2007, 532 Rn. 15 - Meistbegünstigungsvereinbarung).
60In Einklang mit diesem Grundsatz bejaht der Senat einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung in Bezug auf Zusatzgeschäfte schon dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass die damit erzielten Umsätze und Gewinne für die Höhe des Schadensersatzanspruches von Bedeutung sind. Soweit es um Gewinne aus Zusatzgeschäften geht, besteht ein Anspruch auf Auskunft deshalb in Bezug auf alle Geschäfte, die es aufgrund ihres Inhalts, aufgrund der Umstände, unter denen sie geschlossen worden sind, oder aufgrund sonstiger Anhaltspunkte als nicht fernliegend erscheinen lassen, dass sie in Ursachenzusammenhang mit einer rechtswidrigen Benutzungshandlung stehen (, BGHZ 239, 21 = GRUR 2024, 273 Rn. 73, 75 - Polsterumarbeitungsmaschine).
61Wie bereits oben dargelegt wurde, kann in der im Streitfall zu beurteilenden Konstellation die Möglichkeit, dass eine angemessene Lizenzgebühr oder der herauszugebende Verletzergewinn anhand der Umsätze bzw. Gewinne mit der Gesamtvorrichtung zu berechnen ist, in der Regel erst dann ausgeschlossen werden, wenn Informationen über diese Umsätze und Gewinne vorliegen. Deshalb ist der Schuldner grundsätzlich auch insoweit zur Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet.
62c) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich, dass im Streitfall nicht die Beklagte, sondern E. die TGA-Einheiten erworben und an den Abnehmer veräußert hat.
63Die Schadensersatzpflicht der Beklagten ergibt sich nicht aus dem Abschluss eines Vertrags über die TGA-Einheiten. Sie knüpft vielmehr daran an, dass die Beklagte TGA-Einheiten als integralen Bestandteil der HAG-Systeme in den Verkehr gebracht hat. Deshalb schuldet sie Auskunft und Rechnungslegung sowohl in Bezug auf die TGA-Einheiten als auch in Bezug auf die diese enthaltenden HAG-Systeme.
643. Entgegen der in den Vorinstanzen geäußerten Auffassung der Beklagten ist durch die Vergleichsvereinbarung zwischen dem Kläger und E. keine Erschöpfung eingetreten.
65Der Ausgleich des durch eine Verletzungshandlung entstandenen Schadens führt nicht dazu, dass unerlaubte Handlungen anderer Personen nachträglich legitimiert werden (, BGHZ 239, 77 = GRUR 2024, 127 Rn. 37 ff. - Erntegut; , BGHZ 181, 98 = GRUR 2009, 856 Rn. 64 - Tripp-Trapp Stuhl).
66Etwas anderes ergibt sich im Streitfall entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus der Klausel, gemäß der sämtliche Ansprüche des Klägers gegen E. und einen namentlich benannten Dritten bezüglich des Klagepatents erledigt sind. Ansprüche gegen die Beklagte sind von dieser Vereinbarung nicht erfasst.
67IV. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
681. Auf der Grundlage des für die rechtliche Prüfung maßgeblichen Sachverhalts steht dem Kläger der Anspruch auf Auskunft- und Rechnungslegung in dem in der Revisionsinstanz noch geltend gemachten Umfang zu.
692. Eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die derzeit in der Berufungsinstanz anhängige Nichtigkeitsklage erscheint nicht angemessen, weil die Schadensersatzpflicht der Beklagten rechtskräftig festgestellt ist und die Durchsetzung dieser Ansprüche durch Geltendmachung von Ansprüchen auf Auskunft und Rechnungslegung erfahrungsgemäß mit fortschreitender Zeit immer schwieriger wird.
70V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
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ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:081024UXZR145.23.0
Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 3777 Nr. 52
NJW 2024 S. 3780 Nr. 52
EAAAJ-78399