BGH Urteil v. - X ZR 83/20

Unerlaubte Handlung: Beginn der Verjährungsfrist des Anspruchs auf Restschadensersatz

Leitsatz

Die zehnjährige Verjährungsfrist des § 852 Satz 2 BGB beginnt mit der Entstehung des ursprünglichen Schadensersatzanspruchs, nicht erst mit dessen Verjährung.

Gesetze: § 195 BGB, § 199 Abs 1 BGB, § 818 BGB, § 852 S 2 BGB

Instanzenzug: Az: 27 U 1271/20vorgehend LG Augsburg Az: 95 O 23/19

Tatbestand

1Der Kläger begehrt die Rückabwicklung einer Schenkung.

2Der Kläger und der Vater der Beklagten waren zu gleichen Teilen Erben ihrer am verstorbenen Mutter (nachfolgend: Erblasserin). Der Vater der Beklagten hat seinen Erbteil an diese übertragen.

3Die Erblasserin war Kommanditistin der R.          KG und Gesellschafterin der L.     GmbH                . In einem von einem Notar in H.    beurkundeten, für beide Seiten durch einen vollmachtlosen Vertreter geschlossenen Vertrag vom wurden die Schenkung und die Abtretung dieser Gesellschaftsanteile an die Beklagte unter Vorbehalt eines Nießbrauchs zugunsten der Erblasserin vereinbart.

4Am erhielt der Notar in H.    eine am von einem Notar in München beurkundete Genehmigungserklärung. In einem an die Erblasserin und die Beklagte gerichteten Schreiben vom teilte der Notar in H.    mit, die Übertragung der GmbH-Geschäftsanteile und die Übertragung des Kommanditanteils seien rechtswirksam geworden. Mit diesem Schreiben erhielt die Erblasserin eine am ausgestellte Gebührenrechnung über einen hälftigen Gebührenanteil des Notars in München. Die Erblasserin bezahlte diesen Betrag am .

5Der Kläger macht geltend, die Erblasserin habe sich geweigert, den Schenkungsvertrag am in München zu genehmigen. Nur die Beklagte habe in Anwesenheit des Notars die Genehmigungserklärung unterzeichnet. Auch später sei eine Genehmigung durch die Erblasserin nie erfolgt. Die Unterschrift der Erblasserin sei nachträglich, ohne Notar, hinzugefügt worden.

6Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse, sinngemäß beantragt, die Beklagte zur Übertragung der Gesellschaftsanteile an die Erbengemeinschaft zu verurteilen. Hilfsweise hat er die Feststellung begehrt, dass die Schenkung und die Anteilsabtretungen unwirksam sind und dass die Beklagte zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet ist.

7Das Landgericht hat die Klage insoweit wegen Verjährung abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

8Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein zweitinstanzliches Begehren weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

9Die zulässige Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

10I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

11Das Landgericht habe die Klageansprüche zu Recht als verjährt angesehen.

12Die für einen Beginn der regelmäßigen Verjährung nach § 199 Abs. 1 BGB erforderlichen Voraussetzungen hätten Ende 2013 vorgelegen. Der Verjährungsbeginn setze grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen voraus. Im Streitfall habe der Kläger in einer von ihm selbst verfassten Strafanzeige vom einen Sachverhalt dargelegt, den er auch seiner Klagebegründung zugrunde lege. Dies reiche aus. Auf die Beweisbarkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen komme es nicht an. Unabhängig davon sei ein Mehrwert eines im Jahr 2015 erfolgten Besuchs des Klägers bei dem Notar in H.    nicht erkennbar.

13II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

141. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB im Streitfall mit Ablauf des Jahres 2013 begonnen hat, weil der Kläger spätestens im Dezember 2013 die gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis hatte.

15a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Anspruch der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB unterliegt.

16Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, wirft der Kläger der Beklagten ein Verhalten vor, das jedenfalls die Tatbestandsmerkmale von § 826 BGB erfüllt und deshalb einen Anspruch auf Schadensersatz begründet. Für einen solchen Anspruch gilt die Verjährungsfrist des § 195 BGB.

17b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die für den Beginn der Verjährung erforderliche Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei Ansprüchen auf Schadensersatz vorhanden, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (vgl. nur , GRUR 2017, 890 Rn. 40 - Sektionaltor II).

18Dabei ist weder notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Es muss dem Geschädigten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen (, NJW 2021, 918 Rn. 8).

19c) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist die Würdigung des Berufungsgerichts, dass die in der Strafanzeige vom dokumentierten Kenntnisse des Klägers ausreichend waren, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

20aa) Bei strafrechtlich relevanten Sachverhalten kann aus dem Umstand, dass eine Strafanzeige erstattet worden ist, allerdings nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass der Anzeigeerstatter alle für die Geltendmachung eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs erforderlichen Kenntnisse hat. Je nach der Art des Schuldvorwurfs und der Komplexität des Falles können selbst Umstände, die zur Erhebung der Anklage und zur Eröffnung des Strafverfahrens führen, nicht ausreichend sein (, NJW-RR 2005, 69, juris Rn. 11).

21Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung indes zutreffend nicht allein auf den Umstand gestützt, dass der Kläger eine Strafanzeige erstattet hat, sondern auf die in dieser Anzeige dokumentierten Kenntnisse. Seine Würdigung, dass diese Kenntnisse eine Schadensersatzklage bereits damals zumutbar erscheinen ließen, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

22bb) Entgegen der Auffassung der Revision brauchte das Berufungsgericht aus dem Umstand, dass sich der Kläger in der Folgezeit um eine weitere Aufklärung des Sachverhalts bemüht hat, nicht die Schlussfolgerung zu ziehen, dass er im Dezember 2013 noch nicht über die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis verfügte.

23Wie bereits oben dargelegt wurde, reicht eine bestimmte Mindestkenntnis aus, um den Lauf der Verjährung in Gang zu setzen. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Angesichts dessen ist unerheblich, ob es zusätzliche Erkenntnisquellen gab, die der Kläger im Dezember 2013 noch nicht ausgeschöpft hatte und die geeignet waren, die Erfolgsaussicht einer Schadensersatzklage weiter zu steigern.

242. Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, dass dem Geschädigten nach § 852 BGB unter bestimmten Voraussetzungen auch nach Eintritt der Verjährung ein Anspruch auf Restschadensersatz zusteht.

25a) Wenn in einem Rechtsstreit die Verjährungseinrede gegen einen deliktischen Schadensersatzanspruch erhoben wird, muss das Gericht von sich aus prüfen, ob ein Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB gegeben ist (, NJW 2016, 1083 Rn. 31).

26b) Gemäß § 852 Satz 1 BGB bleibt der Ersatzpflichtige auch nach Verjährung des Schadensersatzanspruchs zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.

27Im Streitfall kann der Kläger einen ihm zustehenden Anspruch auf Übertragung der Gesellschaftsanteile mithin auch nach Ablauf der Verjährungsfrist aus § 195 und § 199 BGB geltend machen, soweit die Beklagte noch bereichert ist.

28c) Der Anspruch auf Restschadensersatz verjährt gemäß § 852 Satz 2 BGB in zehn Jahren von seiner Entstehung an, spätestens aber dreißig Jahre nach Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis.

29Entgegen einer in Literatur und Rechtsprechung vereinzelt vertretenen Auffassung (Seifert, WuW 2017, 474, 481 f. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung) beginnt die Zehnjahresfrist mit der Entstehung des ursprünglichen Schadensersatzanspruchs, nicht erst mit dessen Verjährung (ebenso BeckOGK/Eichelberger, , BGB § 852 Rn. 21 und 35; Staudinger/Vieweg/Lorz, BGB, 2023, § 852 Rn. 21).

30aa) Dafür spricht der Wortlaut des Gesetzes.

31Nach dem Wortlaut von § 852 Satz 2 BGB ("Dieser Anspruch") ist die Entstehung des in § 852 Satz 1 BGB vorgesehenen Anspruchs auf Restschadensersatz maßgeblich. Nach dem Wortlaut von § 852 Satz 1 BGB entsteht dieser Anspruch zusammen mit dem Anspruch auf Ersatz des vollen Schadens, denn der Ersatzpflichtige ist "auch" nach Eintritt der Verjährung zur Herausgabe verpflichtet.

32bb) Für dieses Ergebnis spricht ferner die Gesetzessystematik.

33Nach § 199 Abs. 3 BGB verjähren Schadensersatzansprüche der im Streitfall geltend gemachten Art unabhängig von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in dreißig Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

34§ 852 Satz 2 BGB knüpft an diese Fristen an und führt im Ergebnis dazu, dass Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Geltendmachung innerhalb dieser Fristen nicht entgegenstehen, soweit der Schädiger noch auf Kosten des Geschädigten bereichert ist.

35cc) Diese Regelung entspricht ferner der Vorstellung des Gesetzgebers.

36Nach den Materialien zu § 852 Satz 2 BGB kann der Berechtigte nach dieser Regelung den Anspruch auf Restschadensersatz noch maximal sieben Jahre nach Ablauf der regelmäßigen Verjährung geltend machen (BT-Drucks. 14/6040 S. 270). Dieses Ergebnis setzt voraus, dass die Zehnjahresfrist bereits mit Entstehung des Anspruchs auf vollständigen Schadensersatz beginnt.

37dd) Der Umstand, dass der Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB vor Verjährung des Anspruchs auf vollen Ersatz des Schadens nicht "gebraucht" wird (so Seifert, WuW 2017, 474, 482), führt vor diesem Hintergrund nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

38Das Gesetz knüpft den Beginn der Verjährung nicht an den Zeitpunkt, zu dem der Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB seine praktische Wirkung entfaltet, sondern an den Zeitpunkt seiner Entstehung.

39d) Auf der Grundlage der in den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dem Kläger danach noch ein Anspruch auf Übertragung der Gesellschaftsanteile zusteht.

40aa) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagte noch Inhaberin der Gesellschaftsanteile ist.

41Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist deshalb zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass die Beklagte die Anteile weiterhin hält.

42bb) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilt werden, wann der geltend gemachte Ersatzanspruch gegebenenfalls entstanden ist.

43(1) Ein Schadensersatzanspruch entsteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich einheitlich auch für die erst in Zukunft entstehenden, adäquat verursachten, zurechenbaren und voraussehbaren Nachteile, sobald irgendein Teilschaden entstanden ist und gerichtlich geltend gemacht werden kann (vgl. etwa , NJW 2022, 3347 Rn. 28).

44(2) Wie die Revisionserwiderung im Ausgangspunkt zu Recht geltend macht, hat im Streitfall gegebenenfalls bereits ein der Erblasserin entstandener Schaden zur Entstehung des geltend gemachten Anspruchs geführt.

45Der Kläger macht Ansprüche der Erbengemeinschaft geltend. Diese ist gemäß § 1922 Abs. 1 BGB Rechtsnachfolgerin der Erblasserin. Wenn die Verjährung des Anspruchs bereits zu Lebzeiten der Erblasserin begonnen hat, sind mithin auch die Erben daran gebunden.

46(3) Der Eintritt eines Schadens zu Lebzeiten der Erblasserin kann nicht deshalb verneint werden, weil der Übertragungsvertrag einen lebenslänglichen Nießbrauch vorsieht.

47Dieser Nießbrauch beließ der Erblasserin zwar die Möglichkeit, die mit der Gesellschafterstellung verbundenen finanziellen Vorteile in Anspruch zu nehmen. Die Übertragung unter Vorbehalt des Nießbrauchs begründete jedoch unter bestimmten Voraussetzungen die Gefahr, dass die Erblasserin an eigenen Verfügungen über die Gesellschaftsanteile gehindert war.

48Diese Gefahr ist zwar nicht ohne weiteres mit einem ersatzfähigen Schaden gleichzusetzen. Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung kann jedoch zu bejahen sein, wenn zusätzliche Umstände hinzutreten, die die Möglichkeit zu Verfügungen über die Gesellschaftsanteile im praktischen Ergebnis zunichtemachen.

49(4) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist bei Anlegung dieses Maßstabs ein relevanter Schaden nicht schon mit der Mitteilung des Notars vom über die Rechtswirksamkeit der Übertragung der Gesellschaftsanteile entstanden.

50Anhand der getroffenen Feststellungen ist nicht erkennbar, dass diese an die Erblasserin und die Beklagte gerichtete Information die Möglichkeit der Erblasserin zu einer anderweitigen Verfügung über die Gesellschaftsanteile in wesentlichem Umfang beeinträchtigt hat.

51Wenn der Vortrag des Klägers zutrifft, war die Erklärung über die Übertragung der Gesellschaftsanteile unwirksam. Die Erblasserin behielt damit aus rechtlicher Sicht die Möglichkeit zu einer anderweitigen Verfügung. Eine tatsächliche Beeinträchtigung war allenfalls zu befürchten, wenn der als Erwerber in Betracht kommende Dritte die Mitteilung des Notars kannte. Hierzu ist nichts festgestellt.

52(5) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist mit der Bezahlung der Notarrechnung für die Beurkundung der Genehmigung ebenfalls noch kein relevanter Schaden entstanden.

53Nach dem für die revisionsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Vortrag des Klägers hat die Beklagte der Erblasserin dadurch in sittenwidriger Weise Schaden zugefügt, dass sie durch Verwendung einer nicht von der Erblasserin stammenden Urkunde den Anschein erweckt hat, sie sei Inhaberin der beiden in Rede stehenden Gesellschaftsanteile.

54Diese Handlung kann nicht für die genannte Zahlung durch die Erblasserin ursächlich gewesen sein. Wenn die Erblasserin, wie vom Kläger geltend gemacht, eine Genehmigung des Vertrags verweigert hat, war ihr bewusst, dass sie keine Gebühr für die Beurkundung einer solchen Erklärung schuldet.

55(6) Ob der Eintrag der Beklagten als Kommanditistin im Handelsregister, der nach den Feststellungen des Landgerichts am erfolgt ist, zu einem Schaden geführt hat, kann mangels näherer Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

56Es spricht zwar viel dafür, dass die Beklagte mit dieser Registerposition einen Vorteil erlangt hat, der das Vermögen der Erblasserin nicht nur gefährdet, sondern bereits geschädigt hat. Ob eine solche Schädigung eingetreten ist, hängt indes davon ab, wie wahrscheinlich es war, dass die Beklagte von dieser Registerposition im Verhältnis zu Dritten Gebrauch macht. Hierzu fehlt es an Feststellungen.

57(7) Bezüglich des GmbH-Anteils könnte ein vergleichbarer Schaden durch die Anmeldung der Beklagten als neue Gesellschafterin gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG a.F. (in der bis zum geltenden Fassung) eingetreten sein.

58Feststellungen dazu, ob und wann eine solche Anmeldung erfolgt ist und wie wahrscheinlich es war, dass die Beklagte von der dadurch erlangten formalen Position gegenüber Dritten Gebrauch macht, sind nicht getroffen.

59III. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

601. Wie bereits oben dargelegt wurde, kann die Frage der Verjährung auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

612. Vor einer erneuten Entscheidung über die Frage der Verjährung wird das Berufungsgericht dem Kläger Gelegenheit geben müssen, zur Wirksamkeit der beurkundeten Anteilsübertragungen Stellung zu nehmen und gegebenenfalls sachdienliche Anträge zu stellen.

62Wenn die Beklagte dem am beurkundeten Vertrag nicht zugestimmt hat, ist nicht nur die Schenkungsabrede unwirksam, sondern auch die Übertragung der Anteile. Eine unwirksame Übertragung von Gesellschaftsanteilen kann zwar nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam zu behandeln sein. Von diesem Grundsatz gelten aber Ausnahmen, wenn die Übertragung auf einer arglistigen Täuschung beruht (, NJW 1990, 1915, juris Rn. 21). Für den Fall, dass ein Gesellschafterwechsel aufgrund einer gefälschten Übertragungserklärung zum Handelsregister bzw. zur Gesellschafterliste angemeldet worden ist, kann kaum etwas Anderes gelten.

63Sollte das Übertragungsgeschäft im Verhältnis zwischen den Parteien danach als unwirksam anzusehen sein, wäre ein sachdienlicher Antrag nicht auf die Übertragung der Anteile zu richten, sondern auf die Übertragung der formellen Registerposition bzw. die Mitwirkung bei einer Anmeldung nach § 16 GmbHG.

643. Sollte das Berufungsgericht erneut zu der Beurteilung gelangen, dass Ansprüche auf Übertragung einer materiellen oder formellen Position verjährt sind, folgt daraus nicht ohne weiteres die Unbegründetheit aller hilfsweise gestellten Feststellungsanträge.

65a) Die beantragte Feststellung, dass die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet ist, kann allerdings nur ergehen, wenn der geltend gemachte Ersatzanspruch noch nicht verjährt ist.

66b) Etwas Anderes gilt hingegen für den Antrag auf Feststellung, dass die am beurkundeten Rechtsgeschäfte unwirksam sind.

67Dieser Feststellungsantrag betrifft keinen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch, sondern die beurkundeten Rechtsgeschäfte an sich. Er unterliegt deshalb nicht der Verjährung.

68c) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist dieser Antrag statthaft. Wie bereits ausgeführt wurde, ist er auf die Feststellung des Nichtbestehens von Rechtsverhältnissen gerichtet.

69d) Ein hinreichendes Interesse an dieser Feststellung könnte allenfalls dann zu verneinen sein, wenn der Kläger eine antragsgemäße Entscheidung nicht dazu einsetzen könnte, Ansprüche aus den Gesellschaftsbeteiligungen geltend zu machen. Auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands kann indes nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger auch dann, wenn Mitwirkungsansprüche gegen die Beklagte verjährt sind, unter Vorlage der rechtskräftigen Feststellung, dass die Übertragung unwirksam war, Rechte gegenüber den Gesellschaften ausüben kann.

704. Alle diese Fragen stellen sich nicht, wenn das Berufungsgericht sich nach Erhebung und Würdigung aller angebotenen Beweise nicht davon zu überzeugen vermag, dass die behauptete Unterschriftsfälschung stattgefunden hat.

715. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Fälschung vorliegt, wird es ergänzend zu beachten haben, dass eine Genehmigung gemäß § 182 Abs. 2 BGB keiner besonderen Form bedurfte.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:281123UXZR83.20.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-60319