BGH Beschluss v. - 4 StR 135/24

Instanzenzug: LG Zweibrücken Az: 6 KLs 4142 Js 4414/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen in drei Fällen, Handeltreibens mit „jeweils“ Munition in zwei Fällen, in einem Fall weiterhin mit einer Schusswaffe, jeweils in Tateinheit mit Überlassen von Munition, in einem Fall auch einer Schusswaffe an einen Nichtberechtigten, und wegen Handeltreibens mit Schusswaffen und Munition in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Überlassen einer Schusswaffe und Munition an einen Nichtberechtigten sowie Erwerb einer halbautomatischen Kurzwaffe, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 15.900 € angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zu der – in Teilen klarstellenden – Berichtigung des Schuldspruchs und dem Wegfall einer Einzelstrafe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Das Landgericht hat – soweit von Relevanz – folgende Feststellungen getroffen:

3Der Angeklagte handelte seit dem Jahr 2018 aus den Räumlichkeiten der von ihm betriebenen Pizzeria in R.                                 heraus mit Waffen. Einer seiner Abnehmer wurde Vertrauensperson des Polizeipräsidiums Westpfalz. Seit April 2020 wurden daraufhin die Aktivitäten des Angeklagten observiert und ein verdeckter Ermittler des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz eingesetzt, um zum Schein Waffen vom Angeklagten zu erwerben.

4Im Zeitraum von April 2020 bis Januar 2022 veräußerte der Angeklagte der Vertrauensperson und/oder dem verdeckten Ermittler zu sieben Gelegenheiten aus den Räumlichkeiten seiner Pizzeria heraus Waffen bzw. Munition. Diese hatte er jeweils kurz zuvor in der Absicht erworben, sie gewinnbringend weiterzuveräußern.

5Am verkaufte und übergab der Angeklagte der Vertrauensperson ein Sturmgewehr M16 nebst 1.600 Schuss Munition Kaliber .223 REM zum Preis von 2.500 € (Fall II.1 der Urteilsgründe). Am veräußerte er eine vollautomatische Maschinenpistole Ceska Skorpion mit 97 Schuss Munition Kaliber 7.65 zum Preis von 1.900 € an die Vertrauensperson und den verdeckten Ermittler (Fall II.2 der Urteilsgründe). Am übergab er ihnen 250 Schuss Munition des Kalibers 7.65, für die ein Kaufpreis von 120 € vereinbart worden war (Fall II.3 der Urteilsgründe). Ein Jahr später, am , verkaufte der Angeklagte dem verdeckten Ermittler eine halbautomatische Pistole SIG Sauer, Kaliber 9 mm, mit 50 Schuss Munition dieses Kalibers sowie eine halbautomatische Pistole „Deutsche Werke Aktiengesellschaft Berlin“, Kaliber 7.65 mm, mit 30 Schuss Munition für einen Gesamtpreis von 2.600 €. Das Geschäft wurde am abgewickelt (Fall II.4 der Urteilsgründe). Am bot der Angeklagte dem verdeckten Ermittler einen Revolver Smith & Wesson sowie 50 Schuss Munition Kaliber .38 und 50 Schuss Munition des Kalibers .357 Magnum zum Preis von 2.000 € an. Der Kauf wurde am vollzogen (Fall II.5 der Urteilsgründe).

6Am wurden der Angeklagte und der verdeckte Ermittler über eine halbautomatische Pistole Beretta, Kaliber .22, eine halbautomatische Pistole Walther, Kaliber 7.65, eine halbautomatische Pistole Landmann, Kaliber .22, eine Signalpistole Kaliber 25.5 mm mit neun Signalpatronen, 200 Patronen Kaliber .22 LR und 57 Patronen Kaliber 7.65 und einen Schlagring zum Gesamtkaufpreis von 2.800 € handelseinig. Der Angeklagte bewahrte die Waffen und die Munition in einem Kellerraum seiner Pizzeria auf. Am holte der verdeckte Ermittler diese vereinbarungsgemäß von dort ab und verbrachte sie gegen Zahlung des Kaufpreises in sein Fahrzeug (Fall II.6 der Urteilsgründe). Im selben Kellerraum lagerte der Angeklagte zugleich ein vollautomatisches Sturmgewehr FAMAS, das er dem verdeckten Ermittler bei dieser Gelegenheit zum Kauf anbot. Der verdeckte Ermittler nahm das Angebot an und leistete noch vor Ort eine Anzahlung von 500 €. Am wurde unter anderem die Übergabe des Sturmgewehrs FAMAS gegen Zahlung eines weiteren Teilbetrags von 3.600 € vollzogen (Fall II.7 der Urteilsgründe).

II.

7Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zu einer Änderung und Klarstellung des Schuldspruchs sowie zum Wegfall der Einzelstrafe im Fall II.6 der Urteilsgründe. Im Übrigen ist es erfolglos.

81. Die Verfahrensbeanstandungen des Angeklagten haben aus den zu­treffenden Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.

92. Der Schuldspruch hält in mehrfacher Hinsicht revisionsrechtlicher Über­prüfung nicht stand.

10a) In den Fällen II.1, II.2 und II.7 der Urteilsgründe tritt die tenorierte Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffG) im Wege der formellen Subsidiarität hinter dem festgestellten und belegten Erwerb im Sinne des § 22a Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 KrWaffG zurück.

11Diese Tatbestandsvariante ist schon ausweislich ihres Wortlauts „sonst die tatsächliche Gewalt ausübt“ als Auffangtatbestand ausgestaltet, der neben den spezielleren Formen des Umgangs mit Kriegswaffen in § 22a KrWaffG keine eigenständige Bedeutung mehr zukommt (vgl. Rn. 15; Beschluss vom – 4 StR 335/14 Rn. 2; Beschluss vom – 2 StR 173/09 Rn. 4; Lampe/Lutz in: Erbs/Kohlhaas, 252. EL, § 22a KrWaffG Rn. 9 f.; Steindorf/B. Heinrich, 11. Aufl., § 22a KrWaffG Rn. 44; NK-WSS/Ahlbrecht, 2. Aufl., § 22a KrWaffG Rn. 22; Heinrich in: Momsen/Grützner, WirtschaftsStrafR-HdB, 2. Aufl., § 39 Kriegswaffenkontrollrecht Rn. 62; siehe auch die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 8/1614, S. 14).

12b) Indem der Angeklagte die vollautomatischen Sturmgewehre M16 und FAMAS und die Maschinenpistole Ceska Skorpion der Vertrauensperson (Fall II.1 der Urteilsgründe) respektive dem verdeckten Ermittler (Fälle II.2 und II.7 der Urteilsgründe) aushändigte, hat er sich zugleich des versuchten Überlassens der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen im Sinne des § 22a Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 KrWaffG, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Wenngleich er seinen – vermeintlichen – Geschäftspartnern faktisch die tatsächliche Gewalt über die tatgegenständlichen Waffen und Patronen eingeräumt und sie ihnen dem Wortsinn nach überlassen hat (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl., Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 Rn. 173), war ein vollendetes „Überlassen“ – wie von der Strafkammer angenommen – aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Denn das Tatbestandsmerkmal unterliegt in der vorliegenden Konstellation der Weitergabe an eine Vertrauensperson oder einen verdeckten Ermittler einer teleologischen Reduktion.

13Das Kriegswaffenkontrollgesetz verfolgt den Zweck, die Herstellung, den Verkehr und den Handel mit Kriegswaffen und bestimmten Teilen dieser Waffen durch das Erfordernis einer Genehmigung unter staatliche Überwachung zu stellen (vgl. BT-Drucks. 3/1589, S. 12; , NStZ-RR 2019, 388, 389 mwN; s. auch  1 C 1.77, BVerwGE 61, 24, 31 f.) und dadurch einen nicht kontrollierten Verkehr mit diesen Waffen zu unterbinden (vgl. MüKo-StGB/Heinrich, 4. Aufl., Rn. 3 vor § 1 KrWaffG mwN). Übergibt der Täter eine Waffe oder Munition an einen Abnehmer, der – vom Täter unerkannt – Vertrauensperson der Polizei oder verdeckter Ermittler ist, wird keine diesen Gesetzeszweck konterkarierende Gefährdungslage geschaffen oder aufrechterhalten; die „überlassenen“ Kriegswaffen werden – wenngleich dem Täter unbewusst – gerade in staatliche Kontrolle überführt.

14Diese Interessenlage und die jeweiligen gesetzlichen Schutzgüter sind mit der Fallgestaltung eines zum Schein vollzogenen Waffengeschäfts im Anwen­dungsbereich des Waffengesetzes mit einer Vertrauensperson oder einem verdeckten Ermittler vergleichbar. Auch dort wird das – identisch verstandene – Tatbestandsmerkmal des „Überlassens“ u.a. in § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG teleologisch reduziert. Das durch das Waffengesetz geschützte Rechtsgut, namentlich, dass im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung keine von der Vorschrift erfassten Waffen an unberechtigte Personen überlassen werden sollen, wird durch ein Scheingeschäft mit einer Vertrauensperson oder einem verdeckten Ermittler nicht beeinträchtigt (vgl. Rn. 4; Beschluss vom – 1 StR 737/08, NStZ 2010, 456, 457; siehe auch Beschluss vom – 3 StR 520/18 Rn. 3 f.; Beschluss vom – 4 StR 341/13 Rn. 7; Beschluss vom – 5 StR 80/00, NStZ-RR 2000, 266; Urteil vom – 1 StR 119/97, BGHSt 43, 110 [jeweils zur Hehlerei]; Gade, WaffG, 3. Aufl., § 52 Rn. 58). Es ist sachgerecht, diese Wertung auf § 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffG zu übertragen.

15Die Strafbarkeit des daraus erwachsenden untauglichen Versuchs folgt allgemeinen Grundsätzen; §§ 12 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB (vgl. , NStZ 2008, 158).

16c) Auch der Schuldspruch im Fall II.6 der Urteilsgründe ist nicht in jeder Hinsicht frei von Rechtsfehlern.

17aa) Die Strafkammer hat übersehen, dass der Erwerb, das Verwahren im Kellerraum und die Veräußerung des Schlagrings durch den Angeklagten an den verdeckten Ermittler den Tatbestand des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.2 zu § 2 Abs. 2 – 4 WaffG erfüllen. Die Feststellungen belegen die Umgangsformen des Erwerbs, Besitzes und Handeltreibens. Der Umstand, dass es sich um ein Scheingeschäft mit einem verdeckten Ermittler der Polizei gehandelt hat, steht einer Strafbarkeit wegen Handeltreibens mit einem verbotenen Gegenstand nicht entgegen. Auch im Waffenrecht ist das Handeltreiben kein Erfolgs-, sondern ein Unternehmensdelikt. Danach ist es für die Tatvollendung unerheblich, ob der Täter das erstrebte Geschäft faktisch durchführen kann oder dieses im Ergebnis gerade vereitelt werden soll (vgl. Rn. 6; zum BtMG grundlegend , NJW 2005, 3790; st. Rspr.). Hingegen ist die Tatbestandsvariante des Überlassens im Sinne des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG an den verdeckten Ermittler in der vorliegenden Fallgestaltung aus den oben genannten Gründen nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Novem­ber 2010 – 1 StR 574/10 Rn. 4) und der Versuch eines solchen Vergehens gemäß § 52 Abs. 3 WaffG nicht strafbar.

18Die festgestellten Formen des Umgangs mit dem Schlagring stehen angesichts des darin zum Ausdruck kommenden, jeweils eigenständigen Unrechtsgehalts im Verhältnis der Tateinheit zueinander (zu Waffenhandel und Besitz vgl. Rn. 3, NStZ-RR 2014, 291; MüKo-StGB/Heinrich, 4. Aufl., § 52 WaffG Rn. 153; in Bezug auf Erwerb und Besitz vgl. , BGHR WaffG § 53 Abs. 3 Konkurrenzen 2; Urteil vom – 2 StR 692/79, NJW 1980, 1475 f.; insoweit a.A. MüKo-StGB/Heinrich, 4. Aufl., § 52 WaffG Rn. 157).

19bb) Demgegenüber hat die Staatsanwaltschaft Zweibrücken bereits vor Anklage­erhebung gemäß § 154a Abs. 1 StPO in Bezug auf die drei verfahrens­gegenständlichen halbautomatischen Kurzwaffen (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Var. 2, 3 WaffG) die Umgangsformen des Besitzes und Führens von der Strafverfolgung ausgenommen. Dem trägt der Schuldspruch (ausschließlich) wegen Erwerbs halbautomatischer Kurzwaffen Rechnung und ist folglich insoweit nicht zu beanstanden.

20cc) Die waffenrechtlichen Delikte wegen Umgangs mit Waffen und mit verbotenen Gegenständen (Schlagring) stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit (vgl. Rn. 8; Beschluss vom – 2 StR 409/11 Rn. 2; Steindorf/B. Heinrich, Waffenrecht, 11. Aufl., § 52 WaffG Rn. 90 f. mwN).

21d) Zudem hält die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle II.6 und II.7 der Urteilsgründe als zwei materiell-rechtlich selbstständige Taten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Es liegt nur eine Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. Das gleichzeitige Ausüben der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen hat – auch bei nur abschnittsweiser Überschneidung der Besitzzeiträume – zur Folge, dass die verschiedenartigen Verstöße gegen das Waffengesetz zur Tateinheit verklammert werden (vgl. Rn. 8; Beschluss vom – 3 StR 120/23 Rn. 11; Beschluss vom – 5 StR 578/19, NStZ 2020, 359 Rn. 3; Beschluss vom – 4 StR 71/14 Rn. 3; Beschluss vom – 4 StR 258/12, NStZ-RR 2013, 321, 322; Beschluss vom – 4 StR 302/12 Rn. 5). So liegt der Fall hier. Am war der Angeklagte zeitgleich im Besitz der im Fall II.6 der Urteilsgründe veräußerten Waffen und des im Fall II.7 der Urteilsgründe erworbenen Sturmgewehrs FAMAS.

22Die Verstöße gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz stehen ihrerseits in Tateinheit zueinander (vgl. Rn.11; Beschluss vom – 1 StR 574/10 Rn. 10; Beschluss vom – 2 StR 597/96; Steindorf/B. Heinrich, Waffenrecht, 11. Aufl., § 52 WaffG Rn. 91).

23e) Aus den vorgenannten Erwägungen ändert der Senat in analoger An­wendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich ab. Neben einer sprachlichen Bereinigung ist in den Fällen II.1, II.2 und II.7 der Urteilsgründe der auf Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffG) lautende Schuldspruch jeweils durch eine Verurteilung wegen Erwerbs der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen in Tateinheit mit versuchtem Überlassen der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen (§ 22a Abs. 1 Nr. 2 Var. 1, Var. 2 KrWaffG i.V.m. §§ 22, 23 Abs. 1, § 52 StGB) zu ersetzen. Aus Gründen der Klarstellung des begangenen Unrechts sind beide Umgangsformen im Schuldspruch deutlich zu machen. Im Fall II.6 der Urteilsgründe ist in Bezug auf den Schlagring zusätzlich auf die tateinheitliche Erfüllung des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG zu erkennen und das Konkurrenzverhältnis in den Fällen II.6 und II.7 der Urteilsgründe von Tatmehrheit in Tateinheit zu ändern.

24Einer den Inhalt der Feststellungen widerspiegelnden Schuldspruchänderung steht, auch wenn sie auf die alleinige Revision des Angeklagten und zu seinem Nachteil erfolgt, nicht das Verschlechterungsverbot des § 358 StPO entgegen. Das Rechtsmittelgericht hat im Rahmen seiner Kognitionspflicht grundsätzlich den Schuldspruch zu erlassen, der dem materiellen Recht entspricht. Das Verschlechterungsverbot schützt den Angeklagten nur davor, dass das Urteil in Art und Höhe der Strafe zu seinem Nachteil geändert wird. Eine Verschärfung im Schuldspruch muss er dagegen mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf nehmen (vgl. , BGHSt 37, 5, 8 f.; s. auch Rn. 24; Beschluss vom – 6 StR 644/21 Rn. 11; Beschluss vom  – 4 StR 519/19 Rn. 7; Beschluss vom – 3 StR 482/19 Rn. 5; Beschluss vom – 2 StR 173/09 Rn. 5; je mwN). Eine Beschwer des allein revidierenden Angeklagten durch den unrichtigen Schuldspruch setzt eine Schuldspruchänderung nicht voraus (in diesem Sinne aber Meyer-Goßner/Schmitt, 67. Aufl., § 354 Rn. 17; Franke in: Löwe-Rosenberg, 26. Aufl., § 354 Rn. 23). § 265 Abs. 1 StPO steht auch der Schuldspruchänderung in diesem Umfang nicht entgegen, weil sich der – überwiegend geständige – Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

25f) Hinsichtlich der Fälle II.3 bis II.6 der Urteilsgründe ist überdies aufgrund eines offensichtlichen Redaktionsversehens der Urteilstenor missverständlich formuliert. Der Schuldspruch ist deshalb in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahingehend klarstellend zu berichtigen, dass der Angeklagte im Fall II.3 der Urteilsgründe des Erwerbs von Munition zur Überlassung an einen Nichtberechtigten und bezüglich der Fälle II.4, II.5 und II.6 der Urteilsgründe des Erwerbs von Schusswaffen und Munition zur Überlassung an einen Nichtberechtigten schuldig ist.

26Die Strafkammer hat die rechtsfehlerfrei festgestellten, dem Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG unterfallenden Erwerbshandlungen von Waffen bzw. Munition in Weiterveräußerungsabsicht im Schuldspruch jeweils als „Überlassen […] an einen Nichtberechtigten“ tenoriert. Das Überlassen erlaubnispflichtiger Schusswaffen oder Munition ist im Grundsatz durch § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG strafbewehrt; der Tatbestand war in der Konstellation eines Scheingeschäfts mit einem verdeckten Ermittler indes nicht erfüllt (siehe oben; vgl. Rn. 4 mwN). Das Vorliegen eines offensichtlichen Fassungsversehens ergibt sich daraus, dass in der auf den Schuldspruch folgenden Liste der angewendeten Vorschriften (§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO) nur § 52 Abs. 1 Nr. 2a WaffG, nicht aber § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG angeführt ist. Auch in der Begründung des Strafausspruchs hat die Kammer ausschließlich die Strafrahmen der § 52 Abs. 1 und Abs. 6 WaffG erörtert; eine sonst zu erwartende Befassung mit dem Strafrahmen des § 52 Abs. 3 WaffG ist unterblieben. Nicht zuletzt wäre die gesonderte Feststellung jedes Erwerbsvorgangs in Weiterveräußerungsabsicht überflüssig gewesen, hätte die Strafkammer die Verurteilung des Angeklagten nicht hierauf stützen wollen. Mit der Berichtigung des Schuldspruchs ist danach zweifelsfrei keine sachliche Änderung der Urteilsformel verbunden (vgl. Rn. 3; Beschluss vom – 3 StR 408/11 Rn. 4; Beschluss vom – 4 StR 362/04, NStZ-RR 2005, 79; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 354 Rn. 20).

27Eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO bedurfte es nicht, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Insbesondere lautete auch der Anklagesatz, den der Senat für die Frage nach einem offensichtlichen Redaktionsversehen zu berücksichtigen hatte (vgl. Rn. 2; Beschluss vom – 4 StR 362/04) auf eine Strafbarkeit jeweils nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG. Zudem sah sich der Angeklagte im Hauptverfahren mit keinen veränderten rechtlichen Gesichtspunkten oder anderslautenden Hinweisen konfrontiert (vgl. Franke in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 354 Rn. 21 mwN). Dies hätte auch unter dem Aspekt ferngelegen, dass die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlussverfügung auf die Straflosigkeit des Überlassens von Waffen an Vertrauensperson und verdeckten Ermittler ausdrücklich hingewiesen hatte.

283. Die veränderte konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle II.6 und II.7 der Urteilsgründe als eine materiell-rechtliche Tat im Sinne des § 52 StGB zieht die Aufhebung der im Fall II.6 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten nach sich. Die Gesamtstrafe von zwei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe bleibt hiervon unberührt. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht allein aufgrund einer abweichenden Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses eine mildere Gesamtstrafe verhängt hätte, zumal der Unrechts- und Schuldgehalt der festgestellten Taten durch eine bloße Änderung der Konkurrenzen nicht berührt wird (vgl. , NStZ 2020, 359 Rn. 6; siehe auch Beschluss vom – 5 StR 581/23 Rn. 10).

294. Im Übrigen hat das Rechtsmittel keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.

305. Angesichts des geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140824B4STR135.24.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-77743