BGH Beschluss v. - 3 StR 120/23

Instanzenzug: Az: 24 KLs 11/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten schuldig gesprochen

– „des vorsätzlichen Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Munition ohne Erlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz von Munition ohne Erlaubnis, ... mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und ... mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“,

– „des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte ... (und) mit Körperverletzung sowie“

– „der vorsätzlichen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen in Tateinheit mit vorsätzlichem verbotswidrigem Besitz von Schusswaffen und wesentlichen Waffenteilen, nämlich Maschinenpistolen mit Läufen, Verschlüssen, Gehäusen und Magazinen zum Verschießen von Patronenmunition, ... mit vorsätzlichem Besitz ohne Erlaubnis halbautomatischer Kurzwaffen und wesentlicher Waffenbestandteile zum Verschießen von Patronenmunition, ... mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Schusswaffen ohne Erlaubnis, ... mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Munition ohne Erlaubnis und ... mit vorsätzlichem Besitz eines unerlaubten Gegenstandes (Stahlrute)“.

2Es hat ihn deswegen mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten belegt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und ein Verfahrenshindernis geltend macht, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

31. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4Der Angeklagte befuhr in seinem Wohnort mit dem PKW öffentliche Straßen, obwohl ihm, wie er wusste, die Fahrerlaubnis zuvor bestandskräftig entzogen worden war. Dabei wurde er von Polizeibeamten beobachtet. Sie hatten sich in den Ort begeben, um den Angeklagten aufgrund eines Vollstreckungshaftbefehls festzunehmen. Er versuchte, sich der polizeilichen Kontrolle zu entziehen, indem er mit überhöhter Geschwindigkeit durch das Ortsgebiet fuhr; dabei missachtete er Anhalte- und Sonderzeichen der Beamten. In einem Fach, das in die Rücklehne des Beifahrersitzes seines PKW integriert war, hatte der Angeklagte, der über keine waffenrechtlichen Erlaubnisse verfügte, eine mit scharfen Patronen geladene halbautomatische Pistole und ein zusätzliches gefülltes Magazin deponiert; in einer seiner Hosentaschen befand sich ein weiteres. Auf dem Armaturenbrett des Fahrzeugs war deutlich von außen sichtbar die Figur eines Reichsadlers mit Hakenkreuz angebracht („Tat Nr. 1“).

5Nachdem der Angeklagte schließlich angehalten hatte, folgte er nicht der Aufforderung der Polizeibeamten, die Fahrertür zu öffnen und den PKW zu verlassen. Vielmehr hielt er sich am Lenkrad fest und trat, als sie ihn zum Aussteigen veranlassen wollten, in ihre Richtung. Er traf zwei Beamte jeweils am Oberschenkel, woraufhin sie kurzzeitig Schmerzen erlitten. Erst unter Androhung des Einsatzes eines Elektroimpulsgerätes verließ er das Fahrzeug. Anschließend wurden der PKW, die Pistole, die Magazine und die Munition sichergestellt („Tat Nr. 2“).

6In seinem Wohnhaus, seiner Werkstatt und auf seinem Grundstück nebst Nebengelass bewahrte der Angeklagte zu dieser Zeit mehr als 70 verbotene oder erlaubnispflichtige Schusswaffen, wesentliche Schusswaffenteile verschiedener Art und über 5.300 Schuss Munition auf, darunter zwei in der Kriegswaffenliste angeführte Gewehrpatronen mit Leuchtspur für ein vollautomatisches Sturmgewehr, ferner eine Stahlrute. Die Gegenstände wurden bei zwei nachfolgenden Durchsuchungen sichergestellt („Tat Nr. 3“).

72. Das Landgericht hat diese Feststellungen dahin beurteilt, dass der Angeklagte drei materiellrechtlich selbständige Taten begangen habe. Dabei hat es den Schuldspruch der Sache nach auf die folgenden vom Angeklagten vorsätzlich begangenen Delikte gestützt, wobei es innerhalb einer jeden Tat Idealkonkurrenz angenommen hat:

– hinsichtlich der „Tat Nr. 1“ auf § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG (Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe), § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b WaffG (Besitz von Munition), § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) und § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG (Fahren ohne Fahrerlaubnis);

– hinsichtlich der „Tat Nr. 2“ auf § 114 Abs. 1 StGB (tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte) und § 113 Abs. 1 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) - jeweils bei Erfüllung des Regelbeispiels des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Alternative 1 (i.V.m. § 114 Abs. 2) StGB (Bei-sich-Führen einer Waffe) - sowie § 223 Abs. 1 StGB (Körperverletzung);

– hinsichtlich der „Tat Nr. 3“ auf § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG (Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen), § 51 Abs. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.1 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG (Besitz vollautomatischer Schusswaffen), § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG (Besitz halbautomatischer Kurzwaffen), § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG (Besitz von Schusswaffen), § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b WaffG (Besitz von Munition) und § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG (Besitz eines verbotenen Gegenstandes [Stahlrute]).

II.

8Die Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs dahin, dass zwischen sämtlichen vom Landgericht angenommenen Delikten Tateinheit besteht, zu dessen Neufassung und zur Änderung des Strafausspruchs dahin, dass er zu der (Einzel-)Freiheitsstrafe verurteilt wird, welche die Strafkammer als Gesamtstrafe für tat- und schuldangemessen erachtet hat. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel erfolglos.

91. Der Schuldspruch hält der auf die Sachrüge veranlassten Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht das rechtsfehlerfrei festgestellte Geschehen als drei materiellrechtlich selbständige Taten beurteilt hat; vielmehr liegt nur eine Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. Demgegenüber haben sich, wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen dargelegt hat, einige der Strafkammer unterlaufene Ungenauigkeiten bei der waffenstrafrechtlichen Einstufung der zahlreichen urteilsgegenständlichen Asservate nicht auf den Schuldspruch ausgewirkt, wie er auf der Grundlage ihrer im Übrigen zutreffenden rechtlichen Würdigung zu fassen ist.

10a) Die Delikte, die der Angeklagte in den mit „Tat Nr. 1“ und „Tat Nr. 3“ bezeichneten Sachverhaltsausschnitten beging, stehen aufgrund der gleichzeitigen Verwirklichung der waffenrechtlichen Straftatbestände im Verhältnis der Idealkonkurrenz zueinander.

11Tateinheitlicher Besitz verschiedener Waffen und/oder Munition liegt auch dann vor, wenn sie sich an mehreren Orten, etwa in unterschiedlichen Waffendepots, befinden und der Täter zugleich die tatsächliche Gewalt über sie ausübt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 473/14, NStZ-RR 2015, 188; vom - 5 StR 578/19, NStZ 2020, 359). Zwischen dem Besitz und dem Führen liegt ebenfalls Tateinheit vor, wenn der Täter von mehreren Waffen, die er besitzt, lediglich einen Teil mit sich führt (s. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 22/90, BGHR WaffG § 53 Abs. 3a Konkurrenzen 2; vom - 4 StR 290/00, NStZ 2001, 101; MüKoStGB/Heinrich, 4. Aufl., § 52 WaffG Rn. 165). So liegt es hier. Denn die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die halbautomatische Kurzwaffe und die Munition im PKW sowie über die weiteren dem Waffengesetz (und dem Kriegswaffenkontrollgesetz) unterliegenden Gegenstände im Wohnhaus, in der Werkstatt und auf dem Grundstück fallen zeitlich zusammen (zum Konkurrenzverhältnis des Führens von Schusswaffen zum Fahren ohne Fahrerlaubnis und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 613/88, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 15; vom - 3 StR 585/94, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 25; LK/Rissing-van Saan, StGB, 13. Aufl., § 52 Rn. 26 f.).

12b) Zu diesen Delikten stehen diejenigen, die der Angeklagte in dem mit „Tat Nr. 2“ bezeichneten Sachverhaltsausschnitt beging, ebenfalls im Verhältnis der Tateinheit. Denn der Angeklagte leistete den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und verübte den tätlichen Angriff auf sie unter Verwirklichung des Regelbeispiels des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Alternative 1 (i.V.m. § 114 Abs. 2) StGB, indem er die halbautomatische Pistole bei sich führte; hierdurch verwirklichte er noch immer den Tatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Deshalb liegt insoweit, da Regelbeispiele Tatbestandsmerkmalen ähnlich sind (s. , BGHSt 33, 370, 374; NK-StGB/Streng, 6. Aufl., § 46 Rn. 14), eine Teilidentität der Ausführungshandlungen vor (vgl. für das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 519/10, NStZ-RR 2011, 111; vom - 1 StR 228/17, NStZ-RR 2018, 203); der Angeklagte übte die Gewalt gegenüber den Polizeibeamten mithin nicht nur gelegentlich der Dauerdelikte aus (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 235/00, NStZ 2000, 641; vom - AK 35 u. 36/17, juris Rn. 37).

132. Der Schuldspruch ist daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zu ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der im Wesentlichen geständige Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung des Tatgeschehens nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Dabei fasst der Senat den Schuldspruch nach folgenden Maßgaben neu:

14a) Es empfiehlt sich, die im Vergleich zu den anderen verwirklichten Tatbeständen schwersten Delikte - wie nunmehr geschehen (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG und § 51 Abs. 1 WaffG) - an den Beginn des Schuldspruchs zu stellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 459/06, juris Rn. 9; vom - 3 StR 464/21, juris Rn. 4).

15b) Da das Waffenrecht für die Vielzahl der Strafvorschriften gesetzliche Überschriften, die nach § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO zur rechtlichen Bezeichnung der Tat in der Urteilsformel verwendet werden sollen, nicht bereithält, ist nach allgemeinen Regeln für jeden erfüllten Straftatbestand mit Blick auf dessen Wortlaut eine knappe, anschauliche und verständliche Bezeichnung zu wählen (vgl. , juris Rn. 9). Der Schuldspruch ist von allem freizuhalten, was nicht unmittelbar der Erfüllung seiner Aufgabe dient (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 30. Aufl., Rn. 27 f., 42; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 260 Rn. 31, 71 mwN). So kann für eine charakterisierende Beschreibung von Verstößen gegen § 51 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG auf den Zusatz „zum Verschießen von Patronenmunition“ verzichtet werden. Auch müssen die wesentlichen Teile von Schusswaffen in der Entscheidungsformel nicht gesondert angeführt werden, weil sie ihnen nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 zu § 1 Abs. 4 WaffG gleichstehen.

16Ebenso wenig bedarf es der Kennzeichnung von Delikten nach dem Waffengesetz und dem Kriegswaffenkontrollgesetz als „unerlaubt“ (s. , wistra 2014, 446 Rn. 35; Beschluss vom - 1 StR 266/22, juris Rn. 7). Zwar unterscheidet sich das Waffengesetz in der Regelungstechnik vom Betäubungsmittelgesetz (vgl. , NStZ-RR 2023, 51, 52): Es stellt über den - dem Betäubungsmittelrecht entsprechenden (§ 3 BtMG) - „unerlaubten“ Umgang mit erlaubnispflichtigen Waffen (§ 2 Abs. 2 WaffG) hinaus insbesondere den Umgang mit „verbotenen“ Waffen (§ 2 Abs. 3 WaffG) unter Strafe (s. etwa einerseits § 51 Abs. 1 WaffG, andererseits § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG). Ähnliches gilt für das Kriegswaffenkontrollgesetz (s. auf der einen Seite §§ 19, 20, 20a KrWaffKG, auf der anderen § 22a KrWaffKG). Gleichwohl ist es im Hinblick auf die Funktion des Tenors nicht geboten, diesen Unterschied dort kenntlich zu machen; für die sachgerechte Bezeichnung der jeweiligen Gesetzesverletzung ist dies nicht erforderlich.

17c) Der Umstand, dass die Tat vorsätzlich begangen wurde, braucht regelmäßig nicht in den Schuldspruch aufgenommen zu werden. Es bedarf nur der besonderen Kennzeichnung der Fahrlässigkeit. Denn nach § 15 StGB ist lediglich vorsätzliches Handeln strafbar, fahrlässiges dagegen allein dann, wenn es ausdrücklich mit Strafe bedroht ist. Dementsprechend ist bei den gesetzlichen Überschriften des Strafgesetzbuchs (vgl. § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO) nur die fahrlässige Begehungsform erwähnt, so namentlich im Fall der „Körperverletzung“ und der „fahrlässige(n) Körperverletzung“ (s. , BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Tatbezeichnung 7; Urteile vom - 1 StR 90/14, juris Rn. 16; vom - 3 StR 314/13, wistra 2014, 446 Rn. 35).

18d) Mit Blick auf die Klarheit und Verständlichkeit des Schuldspruchs ist es entbehrlich, gleichartige Tateinheit in die Entscheidungsformel aufzunehmen (s. , BGHSt 65, 286 Rn. 84 mwN).

193. Die vom Landgericht verhängte Gesamtfreiheitsstrafe hat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO als Einzelstrafe Bestand. Denn durch die abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung des Verhaltens des Angeklagten wird der Unrechts- und Schuldgehalt regelmäßig - wie auch hier - nicht berührt (vgl. , juris Rn. 14 f.; BeckOK StPO/Wiedner, 47. Ed., § 354 Rn. 82 mwN). Es ist deshalb auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses auf eine geringere Einzelstrafe als die festgesetzte Gesamtstrafe erkannt hätte. Die ihr unterlaufenen Ungenauigkeiten bei der waffenstrafrechtlichen Einstufung haben sich im Hinblick auf den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat insgesamt betrachtet jedenfalls nicht zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt.

204. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils anhand der Revisionsrechtfertigung keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben; das geltend gemachte Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs liegt nicht vor, wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargetan hat (vgl. ferner LK/Rissing-van Saan, StGB, 13. Aufl., Vor § 52 Rn. 68 mwN).

215. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:130623B3STR120.23.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-45531