BGH Beschluss v. - VIII ZR 234/23

Leitsatz

Zur Höhe der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer im Falle der Klage des Mieters auf Zustimmung des Vermieters zum Einbau eines Treppenlifts und eines behindertengerechten Bades.

Gesetze: § 554a aF BGB, § 544 Abs 2 Nr 1 ZPO

Instanzenzug: LG München I Az: 14 S 15469/20vorgehend Az: 421 C 23698/12

Gründe

I.

1Die Kläger sind seit dem Jahr 1992 Mieter einer im 1. Stock gelegenen Vierzimmerwohnung in München. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war ein Bad bei Einzug der Kläger nicht vorhanden, sondern wurde von ihnen im gleichen Jahr auf eigene Kosten ausgebaut.

2Das Ende des 19. Jahrhunderts in offener Bauweise errichtete, nicht unter Denkmalschutz stehende Anwesen verfügt über Keller, Souterrain, Erdgeschoss und drei Obergeschosse. Die gewendelte Treppe ist ebenso alt und besteht aus einer Holzkonstruktion. Ein Aufzug ist in dem Anwesen nicht vorhanden.

3Mit der vorliegenden, im Jahr 2012 erhobenen Klage haben die Kläger von den Beklagten als Vermieter unter anderem die Zustimmung zum Einbau eines Treppenlifts sowie zu einem barrierefreien Umbau des Bades für ihren seit einem Sportunfall im Jahre 2011 ab dem vierten Halswirbel abwärts querschnittsgelähmten, im Jahr 1994 geborenen Sohn, der sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen kann, begehrt.

4Das Amtsgericht hat der Klage insoweit - gestützt auf gemäß § 554a BGB in der bis zum geltenden Fassung - im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagten verurteilt, den von den Klägern beantragten Baumaßnahmen zuzustimmen sowie - unter Androhung eines Ordnungsgeldes beziehungsweise einer Ordnungshaft - den Betrieb des Treppenlifts zu dulden und bauliche Veränderungen zu unterlassen, die seinen Einbau behindern oder undurchführbar machen. Die gegen das Urteil gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Mit der hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde machen die Beklagten unter anderem eine über 20.000 € liegende Beschwer geltend.

II.

5Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer die in § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgegebene Wertgrenze von mehr als 20.000 € nicht erreicht.

61. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses Interesse ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO zu ermitteln. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 369/19, juris Rn. 8; vom - VIII ZR 255/20, NJW 2022, 194 Rn. 15; vom - VIII ZR 38/21, NZM 2022, 370 Rn. 9; jeweils mwN).

7Um dem Revisionsgericht diese Prüfung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VIII ZR 277/17, NJW 2019, 1531 Rn. 16 [noch zu § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO aF]; vom - V ZR 156/20, juris Rn. 4; vom - VIII ZR 38/21, aaO; vom - VIII ZR 99/21, NJW-RR 2022, 782 Rn. 15; jeweils mwN).

82. Diesen Anforderungen wird die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt danach - wie die Beschwerdeerwiderung zu Recht rügt - den Betrag von 20.000 € nicht (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

9a) Die Beschwer eines Vermieters einer Wohnung, der zur Duldung eines vom Mieter vorgenommenen oder noch vorzunehmenden Ein- oder Umbaus in oder an den vermieteten Räumlichkeiten verurteilt wird, richtet sich grundsätzlich nach dem Wertverlust, den sein Anwesen durch die (bauliche) Maßnahme erleidet (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 31/05, NJW 2006, 2639 Rn. 8; vom - VIII ZB 66/18, NJW 2019, 2468 Rn. 11). Die - vorliegend in Rede stehende - Verurteilung zur Erteilung der Zustimmung zu einer baulichen Maßnahme des Mieters entspricht hinsichtlich der Beschwer im Grundsatz derjenigen einer Verurteilung zur Duldung der baulichen Maßnahme.

10b) Einen entsprechenden Wertverlust des Anwesens, der die Grenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überschreitet, haben die Beklagten weder dargelegt noch gemäß § 294 ZPO glaubhaft gemacht.

11aa) Dies gilt zunächst für den Einbau und den dessen Ziel bildenden Betrieb des Treppenlifts.

12(1) Die Nichtzulassungsbeschwerde verweist hinsichtlich einer durch den Einbau des Treppenlifts bedingten Minderung des Marktwertes der Immobilie zunächst auf die Feststellung des Berufungsgerichts, wonach der Lift eine geringfügige optische Beeinträchtigung darstelle, die maßgeblich durch das kühle Material und die Farbe des Lifts bestimmt werde. Dieser könne durchaus als Fremdkörper in dem 100 Jahre alten Treppenhaus wahrgenommen werden. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sei "eine" - von den Beklagten behauptete - Minderung des Marktwerts durch den Lifteinbau durchaus möglich.

13Hierdurch sind jedoch weder das Vorliegen einer zu erwartenden Wertminderung an sich noch deren Bezifferung hinreichend dargelegt. Allein der weitergehende Verweis der Nichtzulassungsbeschwerde auf Instanzvortrag der Beklagten, durch den Einbau des Lifts werde das weitgehend original erhaltene historische Treppenhaus erheblich beeinträchtigt und der Wert des Gesamtanwesens "erheblich sinken", genügt in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht (vgl. , NJW­RR 2015, 383 Rn. 5). Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich vielmehr um ein Treppenhaus, das "keinen besonderen kunsthistorischen Eindruck vermittelt".

14(2) Ebenso verhält es sich im Hinblick auf die von der Nichtzulassungsbeschwerde unter Verweis auf Feststellungen des Berufungsgerichts in den Blick genommenen, durch den Betrieb des Treppenlifts - welcher Ziel des Einbaus ist und zu dessen Duldung die Beklagten verurteilt worden sind - entstehenden Geräuschemission von 70 dB. Eine Beeinträchtigung des Werts der Immobilie ergibt sich hieraus nicht ohne weiteres, zumal der Lift nicht dauerhaft, sondern nur zu bestimmten Gelegenheiten und für eine begrenzte Zeit in Betrieb wäre; erst recht fehlt es an Anhaltspunkten für eine Bezifferung der geltend gemachten Wertminderung.

15(3) Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine mit dem Einbau des Treppenlifts einhergehende eingeschränkte Nutzung des Anwesens verweist, legt sie auch damit eine Beschwer nicht ausreichend dar.

16Zwar wird der Einbau des Treppenlifts zu einer Verengung des Treppenhauses führen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wird jedoch die erforderliche Mindestlaufbreite der Treppe von 100 cm durch die Treppenliftkonstruktion - auch in der Parkposition - an keiner Stelle unterschritten und die Nutzung des Handlaufs wird nicht beeinträchtigt. Angesichts dessen ist eine Wertminderung des Anwesens - sowie bejahendenfalls deren Umfang - für den Senat nicht ersichtlich.

17Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang auch der - zudem ohne Glaubhaftmachung erfolgte - Hinweis der Nichtzulassungsbeschwerde auf von den Beklagten getätigte Investitionen in Höhe von circa 500.000 € für einen Umbau der im Souterrain befindlichen Gewerberäume einschließlich der hierfür nach ihrem Vortrag "erforderlichen" Erstellung eines Lagerraums, der nur direkt seitlich der Treppe neben dem Zugang zu den Gewerberäumen geschaffen werden "solle und könne" und den geplanten Einbau des Treppenlifts "unmöglich" mache. Bei diesen Umbaumaßnahmen mag es sich um ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse der Beklagten handeln. Inwiefern dieses durch die Verurteilung zur Zustimmung zum Einbau des Treppenlifts beeinträchtigt ist, legen die Beklagten jedoch nicht hinreichend dar.

18(4) Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde zur Darlegung der mit dem Einbau des Treppenlifts einhergehenden Wertminderung auf den - nur geringen - prozentualen Anteil der erforderlichen Mindestbeschwer von (über) 20.000 € gegenüber dem Wert des Grundbesitzes in Höhe von 14.465.725 € beziehungsweise 16.600.000 € abstellt, genügt auch dies nicht zur Darlegung einer Wertminderung. Die bloße Angabe des Verhältnisses der nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen (Mindest-)Beschwer zum Wert der Immobilie, welches maßgeblich von letzterem abhängig ist, sagt nichts darüber aus, ob und in welcher Höhe mit der Vornahme der begehrten Maßnahme eine Minderung des Verkehrswertes einhergeht.

19(5) Nach alledem kommt ein Einfluss des Einbaus und des Betriebs des Treppenlifts auf den Gebäudewert allenfalls hinsichtlich der mit diesen einhergehenden Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz in Betracht. Insoweit kann der zu erwartende Aufwand für eine vom Mieter bei Ende des Mietvertrags geschuldete Beseitigung der baulichen Maßnahme (vgl. , BGHZ 96, 141, 144; vom - XII ZR 140/95, NJW-RR 1997, 1216 unter 1 b; vom - XII ZR 101/97, NZM 1999, 478 unter 3 [jeweils zu § 556 BGB aF]; vom - VIII ZR 152/05, NJW 2006, 2115 Rn. 18) mittelbar von Bedeutung sein, wenn man bei einer mit der Umbaumaßnahme verbundenen Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz die auf die Wiederherstellung des Gebäudes entfallenden Kosten als Anhaltspunkt für eine Wertminderung betrachtet (vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZB 31/05, NJW 2006, 2639 Rn. 8). Der zu erwartende Kostenaufwand für den Rückbau des Treppenlifts beträgt unter Zugrundelegung der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffenen sachverständigen Ausführungen unter Berücksichtigung einer Kostensteigerung von rund 30 % lediglich rund 3.000 €. Diesen Betrag legt der Senat insoweit als Beschwer für die Zustimmung zum Einbau und die Verpflichtung zur Duldung des Betriebs des Treppenlifts zugrunde.

20bb) Dem Vortrag der Nichtzulassungsbeschwerde lässt sich eine die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO übersteigende Beschwer auch nicht unter Einbeziehung des behindertengerechten Umbaus des Badezimmers entnehmen.

21(1) Eine durch das Vorhandensein eines behindertengerechten Badezimmers sich ergebende Wertminderung der streitgegenständlichen Immobilie legt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht dar. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts verfügte die Wohnung bei Einzug der Kläger nicht über ein Badezimmer, dieses wurde erst durch die Kläger 1992 ausgebaut. Sowohl im Vergleich zu einem vollständig fehlenden als auch im Vergleich zu einem nunmehr über dreißig Jahre alten Badezimmer begründet das Vorhandensein eines neuen, barrierefreien Badezimmers offensichtlich keine Minderung des Wertes der Immobilie.

22(2) Nichts anderes ergibt sich aus dem Verweis der Nichtzulassungsbeschwerde darauf, dass der Umbau eine Entfernung der derzeit vorhandenen Badewanne bedinge und darüber hinaus - so die nicht näher ausgeführte und zudem im Widerspruch zu den im Verfahren getroffenen sachverständigen Feststellungen stehende Behauptung der Beklagten - den Einbau einer solchen zukünftig unmöglich mache. Mit dem - zudem nicht glaubhaft gemachten - Vortrag, bei Vermietungen in der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass Mieter Wert auf das Vorhandensein einer Badewanne legten, scheint die Nichtzulassungsbeschwerde auf mit dem Fehlen einer Badewanne einhergehende Einbußen bei den künftig zu erzielenden Mieteinnahmen abstellen zu wollen. Solche werden jedoch nicht hinreichend und beziffert dargelegt.

23(3) Insofern verbleibt es auch hier allenfalls bei den mittelbar für die Bewertung der mit einer Umbaumaßnahme verbundenen Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz heranzuziehenden Rückbaukosten. Diese sind auf der Grundlage der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen sachverständigen Feststellungen unter Berücksichtigung einer Kostensteigerung von rund 30 % auf rund 9.400 € zu beziffern. Der bloße Verweis der Nichtzulassungsbeschwerde auf nicht glaubhaft gemachten pauschalen Instanzvortrag der Beklagten, die Rückbaukosten beliefen sich auf 20.000 €, genügt zur Darlegung höherer Kosten in diesem Zusammenhang nicht. Insofern legt der Senat für die Duldung des behindertengerechten Umbaus des Bades vorliegend eine Beschwer von 9.400 € zu Grunde.

24cc) Auch soweit die Beklagten zur Unterlassung der Vornahme baulicher Änderungen, die den Einbau des Lifts behindern oder undurchführbar machen, verurteilt worden sind, ist eine weitergehende Beschwer weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Maßgebend für die Beschwer des zu einer Unterlassung verurteilten Beklagten ist nicht etwa das im Falle einer Zuwiderhandlung festzusetzende Ordnungsgeld (vgl. , NJW-RR 2009, 549 Rn. 4), sondern die Nachteile, die ihm aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - III ZR 40/06, juris Rn. 5; vom - IX ZR 107/08, aaO Rn. 3). Solche Nachteile zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf. Sofern den Beklagten damit die Schaffung eines Lagerraums für die im Souterrain befindlichen Gewerberäume verwehrt sein sollte, ist ein damit einhergehender bezifferbarer Nachteil - wie bereits unter 2 b aa (3) ausgeführt - weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

253. Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Übrigen auch nicht begründet, da die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat nach § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO ab.

264. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Bünger                  Kosziol              Dr. Schmidt

              Dr. Matussek           Dr. Böhm

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:240924BVIIIZR234.23.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-77648