Vergütung für Umkleide-, Wege- und Körperreinigungszeiten
Leitsatz
Körperreinigungszeiten gehören zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann.
Gesetze: § 611a Abs 2 BGB, § 357 Abs 1 ZPO, § 287 Abs 2 ZPO, § 287 Abs 1 S 1 ZPO, § 287 Abs 1 S 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 9 Ca 5217/20 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 7 Sa 275/22 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über Vergütung für Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten.
2Der Kläger arbeitet seit Februar 2008 als vollzeitbeschäftigter Containermechaniker bei der Beklagten. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags vom finden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern in ihrer jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, insbesondere der Manteltarifvertrag für diese Beschäftigten idF vom - gültig ab - (MTV). Ferner existiert eine Gesamtbetriebsvereinbarung „Allgemeine Arbeitsordnung“ vom (GBV). Nach deren Nr. 5 richtet sich die Dauer der Arbeitszeit nach den gesetzlichen, tariflichen und einzelvertraglichen Bestimmungen sowie Betriebsvereinbarungen und die Mitarbeiter müssen sich zum jeweils festgelegten Arbeitsbeginn in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz befinden. Zudem besteht eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der betrieblichen Arbeitszeiten vom (BV). Unter Nr. 5 Abs. 7 BV ist bestimmt, dass die tägliche Arbeitszeit mit Abschluss der jeweils zugeteilten Arbeit oder der entsprechenden Anweisung des Vorgesetzten endet.
3Ein Arbeitstag des Klägers gestaltet sich wie folgt: Nach Betreten des Betriebsgeländes begibt er sich zu dem Gebäude, in welchem sich der Umkleideraum mit den Duschen, das Zeiterfassungsterminal und sein Arbeitsplatz befinden. Im ersten Stock zieht er die von der Beklagten gestellte Arbeitskleidung an und verstaut seine private Kleidung im Spind. Danach geht er die Treppe ins Erdgeschoss hinunter, wo sich wenige Meter entfernt das Zeiterfassungsterminal befindet. Dort loggt sich der Kläger ein und gibt weisungsgemäß die von der Beklagten bestimmte Uhrzeit des Schichtbeginns ein. Danach begibt er sich an seinen 30 bis 40 Meter entfernten Arbeitsplatz und nimmt seine eigentliche Tätigkeit auf, die nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das „In-Ordnung-Bringen“ von Containern, die auf Wechselbrücken geladen werden, umfasst. Dazu gehört - wenn erforderlich - das Abschleifen rostiger und schadhafter Stellen und eine entsprechende Nachlackierung. Bei solchen Arbeiten kann der Kläger von der Beklagten gestellte Handschuhe, Schutzbrille und Atemmaske tragen. Nach der Arbeit begibt er sich zurück zum Umkleideraum und wäscht oder duscht sich. Die verunreinigte Arbeitskleidung lässt er auf Anweisung der Beklagten im Betrieb zur Reinigung. Danach begibt er sich zum Zeiterfassungsterminal und gibt weisungsgemäß die von der Beklagten bestimmte Uhrzeit des Endes der Schicht ein. Dann verlässt er den Betrieb.
4Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst für den Zeitraum von Januar 2017 bis August 2020 die Zahlung von Vergütung für Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten iHv.18.242,56 Euro brutto geltend gemacht. Nach mehrfacher Klageerweiterung hat er vorinstanzlich zuletzt die Zahlung von Vergütung für Januar 2017 bis April 2022 iHv. 25.554,45 Euro brutto - ausgehend von zusätzlich zu vergütender Arbeitszeit von arbeitstäglich 55 Minuten - und die Feststellung der entsprechenden Vergütungsverpflichtung der Beklagten für die Zukunft verlangt.
5Der Kläger hat - soweit für die Revision unter Berücksichtigung bereits rechtskräftig abgewiesener Teilforderungen noch von Bedeutung - zuletzt sinngemäß beantragt,
6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die vom Kläger geltend gemachten Zeiten seien keine vergütungspflichtige Arbeitszeit und im Übrigen überzogen. Die Auslegung des MTV ergebe, dass Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten nicht zu der zu vergütenden Arbeitszeit gehörten. Die GBV und die BV zeigten, dass die Arbeitszeit erst am Arbeitsplatz beginne und dort auch ende. Eine Vergütungspflicht lasse sich nicht aus § 611a Abs. 2 BGB ableiten. Das Duschen sei weder angewiesen noch aus Gründen des Gesundheitsschutzes erforderlich.
7Das Arbeitsgericht hat der Klage für 359 Arbeitstage im Zeitraum von Juni 2020 bis April 2022 ausgehend von arbeitstäglich 20 Minuten vergütungspflichtiger Umkleide- und Körperreinigungszeiten iHv. 2.262,23 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte ausgehend von arbeitstäglich 21 Minuten vergütungspflichtiger Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten verurteilt, an den Kläger für denselben Zeitraum 2.387,70 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Zudem hat es festgestellt, „dass die anfallenden Umkleide- und Duschzeiten sowie die Wege vom Umkleideraum zur Arbeitsstätte des Klägers und zurück Arbeitszeit sind und als solche dem Kläger durch die Beklagte zu bezahlen sind“. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der gesamten Klage, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.
Gründe
8Die zulässige Revision der Beklagten ist überwiegend begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Klage, soweit der Kläger für den Zeitraum von Juni 2020 bis April 2022 für 359 Arbeitstage noch die Zahlung von Vergütung für Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten im Umfang von arbeitstäglich 21 Minuten verlangt sowie die Feststellung begehrt, dass die anfallenden Umkleide- und Duschzeiten durch die Beklagte zu vergütende Arbeitszeit sind, nicht stattgegeben werden. Dies führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Revision ist aber unbegründet, soweit sich die Beklagte gegen die Feststellung wendet, dass die Wegezeit vom Umkleideraum zur Arbeitsstätte des Klägers und zurück vergütungspflichtige Arbeitszeit ist.
9I. Die Revision ist im eingelegten Umfang statthaft. Entgegen der Ansicht des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Revision nicht lediglich hinsichtlich der Vergütungspflicht von Waschzeiten dem Grunde nach und hinsichtlich der Auslegung des streitgegenständlichen MTV zu einem etwaigen Ausschluss der Vergütungspflicht zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr in Ziffer VI. des Tenors des Berufungsurteils die Revision unbeschränkt zugelassen. Die Ausführungen unter V der Urteilsgründe enthalten - anders als der Kläger meint - keine Einschränkung der Revisionszulassung, sondern lediglich deren Begründung. Im Übrigen wäre eine derartige Beschränkung der im Tenor uneingeschränkt zugelassenen Revision in den Urteilsgründen unwirksam ( - Rn. 12 mwN).
10II. Die Revision ist nicht bereits teilweise wegen der Unzulässigkeit der Berufung begründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger auch hinsichtlich der Vergütung der Wegezeit vom Umkleideraum zu seinem Arbeitsplatz und zurück die Berufung im ausreichenden Umfang begründet. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
111. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach der Berufungseinlegung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Das gilt auch, wenn das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat ( - Rn. 13; - 5 AZR 291/20 - Rn. 16). Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben ( - Rn. 13).
122. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers auch, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage hinsichtlich der Vergütung der Wegezeit vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz und zurück richtet. Der Kläger hat insoweit geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts beginne die Arbeitszeit nicht erst mit der Anwesenheit am konkreten Arbeitsplatz, sondern mit dem Betreten des Firmengeländes, weil die Beklagte im Arbeitsvertrag nur generalisierend das Werksgelände als Arbeitsort bezeichnet habe. Deshalb sei der Weg vom Werkstor bis zum Arbeitsplatz als Wegezeit Arbeitszeit. Diese Begründung schließt auch den Weg vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz ein. Angesichts der knappen Erwägungen des Arbeitsgerichts war eine weitergehende Begründung nicht erforderlich.
13III. Die Revision der Beklagten ist bereits mangels Bestimmtheit der Klage begründet, soweit der Kläger im Rahmen der Klageanträge zu 2. bis zu 4. die Zahlung von Differenzbeträgen für die Zeit von Oktober 2020 bis Februar 2021 für 97 Tage aufgrund einer Erhöhung des Stundelohns ab Oktober 2020 geltend macht.
141. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben der Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO in einer Klage verfolgten Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die sog. Gesamtklage zusammensetzt ( - Rn. 12; - 5 AZR 593/12 - Rn. 18, BAGE 149, 169).
152. Diesen Grundsätzen genügt die Klage nicht, soweit der Kläger im Rahmen der Klageanträge zu 2. bis zu 4. die Zahlung von Differenzbeträgen für die Zeit von Oktober 2020 bis Februar 2021 für 97 Tage aufgrund der Erhöhung des Stundenlohns von 18,68 Euro brutto auf 19,02 Euro brutto ab Oktober 2020 geltend macht (Klageerweiterung vom , Klageantrag zu 5. nach der Darstellung im Tatbestand des Berufungsurteils auf S. 6). Die Parteien haben im ersten Rechtszug unstreitig gestellt, dass der Kläger im September und Oktober 2020 insgesamt an 20 Tagen, im November und Dezember 2020 insgesamt an 38 Tagen und im Januar und Februar 2021 an insgesamt 34 Tagen gearbeitet hat. Dies ergibt insgesamt 92 Arbeitstage für die Zeit von September 2020 bis Februar 2021, während der Kläger für seine Berechnung in der Klageerweiterung vom 97 Arbeitstage für die Zeit von Oktober 2020 bis Februar 2021 zugrunde legt. Wie sich die vom Kläger dort behaupteten 97 Arbeitstage auf diesen Zeitraum verteilen sollen, erschließt sich aus seinem Vortrag nicht.
16IV. Die Revision ist im Weiteren begründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von Vergütung für Umkleide- und Körperreinigungszeiten verurteilt hat. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dem Kläger seien für jeden Arbeitstag im Zeitraum von Juni 2020 bis April 2022 diese Zeiten in einem Umfang von 21 Minuten zu vergüten. Für eine entsprechende Veranschlagung von Umkleide- und Körperreinigungszeiten fehlt es an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die ein Vorgehen nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 ZPO ermöglichen. Zudem erfolgte die Schätzung dieser Zeiten nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat zum Teil sachfremde Erwägungen und nicht bewiesene Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt. Nicht zu beanstanden ist demgegenüber die Schätzung des Berufungsgerichts, soweit sie sich auf die Wegezeit vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz des Klägers und zurück bezieht. Insoweit ist die Revision der Beklagten unbegründet.
171. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass eine Vergütung für Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten gemäß § 611a Abs. 2 BGB dem Grunde nach in Betracht kommt.
18a) Die innerbetrieblichen Umkleidezeiten sind vergütungspflichtige Arbeitszeit iSv. § 611a Abs. 2 BGB.
19aa) Zu der im Dienste eines anderen erbrachten Arbeitsleistung iSv. § 611a Abs. 1 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung aller Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ im Sinne dieser Bestimmungen ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (st. Rspr., vgl. nur - Rn. 14).
20bb) Um vergütungspflichtige Arbeitszeit handelt es sich regelmäßig bei dem An- und Ablegen einer vom Arbeitgeber vorgeschriebenen und nur im Betrieb zu tragenden Dienstkleidung. Das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers beruhen auf der entsprechenden Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung. Das Umkleiden ist in diesem Fall ausschließlich fremdnützig. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit (vgl. - Rn. 19; - 6 AZR 207/20 - Rn. 31).
21cc) Nach diesen Grundsätzen ist die erforderliche Zeit für das An- und Ablegen der von der Beklagten dem Kläger zur Verfügung gestellten Dienstkleidung vergütungspflichtige Arbeitszeit. Die Beklagte stellt den Containermechanikern Schutzkleidung zur Verfügung, die diese bei der Arbeit tragen und nach der Arbeit zur Reinigung wieder abgeben müssen. Dazu muss der Kläger vor der Arbeitsaufnahme den Umkleideraum aufsuchen, sich die dort bereitgestellte Arbeitskleidung nehmen und anziehen und danach seinen Arbeitsplatz aufsuchen. Am Ende des Arbeitstags muss der Kläger wiederum den Umkleideraum aufsuchen, die Arbeitskleidung ausziehen und diese zur Reinigung abgeben. Dieses Umkleiden ist ausschließlich fremdnützig und die dafür erforderlichen Zeiten sind von der Beklagten zu vergüten.
22b) Die Wegezeit des Klägers vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz und zurück ist Teil der von der Beklagten geschuldeten vergütungspflichtigen Arbeitszeit (dazu - Rn. 13, BAGE 160, 167; - 5 AZR 168/16 - Rn. 12, BAGE 157, 116). Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Arbeitskleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Klägers - auch zum Aufsuchen des Umkleideraums - beruhen auf der Anweisung der Beklagten zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Der Kläger hat nicht die Möglichkeit, die Arbeitskleidung am Arbeitsplatz an- und abzulegen, sondern muss dafür den räumlich getrennten Umkleideraum aufsuchen. Der Weg, den der Kläger vom Umkleideraum zu seinem Arbeitsplatz und zurück zurücklegt, ist daher ausschließlich fremdnützig.
23c) Gemäß § 611a Abs. 2 BGB können auch Körperreinigungszeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit sein.
24aa) Ob es sich bei Körperreinigungszeiten um vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611a Abs. 2 BGB handelt, ist höchstrichterlich bislang nicht entschieden. Zwar hatte der Senat bereits in dem der Entscheidung vom (- 5 AZR 122/99 - BAGE 96, 54) zugrunde liegenden Fall eines „Fahrers/Müllwerkers“ angenommen, dass neben dem Umkleiden das „Waschen“ nach Tätigkeitsende als fremdnützig und als „Arbeit“ anzusehen ist, mangels Vergütungserwartung nach § 612 Abs. 1 BGB hat er aber eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers verneint (vgl. - zu IV 4 der Gründe, aaO). Diese Rechtsprechung hat der Senat im Jahr 2012 für Umkleidezeiten ausdrücklich aufgegeben und entschieden, dass auch das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb zu den iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Diensten“ gehöre (vgl. - Rn. 28, BAGE 143, 107).
25bb) Die Vergütungspflicht von Körperreinigungszeiten bedarf einer differenzierten Beurteilung. Auszugehen ist von den von der Rechtsprechung zu Umkleidezeiten entwickelten allgemeinen Kriterien (vgl. dazu - Rn. 22; - 1 ABR 76/13 - Rn. 25, BAGE 153, 225). Körperreinigungszeiten sind danach als Arbeitszeit anzusehen, wenn sie mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängen und deshalb ausschließlich der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dienen (vgl. - zu IV 3 d der Gründe, BAGE 96, 54).
26(1) Von einem unmittelbaren Zusammenhang mit der eigentlichen Arbeitsleistung ist zunächst auszugehen, wenn die Körperreinigung durch den Arbeitgeber ausdrücklich angeordnet wird oder wenn zwingende arbeitsschutzrechtliche Hygienevorschriften eine solche verlangen, weil der Arbeitnehmer beispielsweise bei der Arbeit mit gesundheitsgefährdenden Stoffen oder verunreinigten Gegenständen in Berührung kommt (vgl. - zu IV 3 d der Gründe, BAGE 96, 45; Fink Anm. NZA-RR 2024, 10, 17; Franzen NZA 2016, 136, 139; MHdB ArbR/Koberski 5. Aufl. Bd. 2 § 182 Rn. 19).
27(2) Körperreinigungszeiten gehören aber auch dann zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause - sei es durch Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs oder durch Nutzung eines eigenen Fahrzeugs - ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann (vgl. - zu IV 3 d der Gründe, BAGE 96, 45). Dabei wird regelmäßig nach Art und Umfang der ausgeübten Tätigkeit sowie der getragenen Arbeitskleidung, dem mit der Arbeitsleistung verbundenen Ausmaß der Verschmutzung und der sich daraus ergebenden erforderlichen Art und Dauer der Körperreinigung zu differenzieren sein. Die Ganzkörperreinigung (Duschen) gehört nur dann zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sie mit der eigentlichen Tätigkeit und der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Das ist er Fall, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung ohne anschließendes Duschen bei wertender Betrachtung nicht möglich erscheint und der gesamte Vorgang - arbeiten und duschen - deshalb fremdnützig ist. Nicht jede im Verlauf eines Arbeitstags auftretende Verschmutzung oder Verunreinigung „erfordert“ damit ein Duschen in dem hier maßgeblichen Sinn, das in unmittelbarem Zusammenhang mit den vom Arbeitgeber zugewiesenen Tätigkeiten steht. Das Waschen, das erforderlich ist, um die übliche Verunreinigung, Schweiß- und Körpergeruchsbildung des Tages zu beseitigen, dient der Befriedigung privater Bedürfnisse; es ist nicht ausschließlich fremdnützig und damit nicht vergütungspflichtig (vgl. Fink Anm. NZA-RR 2024, 10, 17; Franzen NZA 2016, 136, 139; Giese BB 2015, 2432).
28(3) Für die Abgrenzung und Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls können öffentlich-rechtliche und arbeitsschutzrechtliche Vorschriften, wie zB der Anhang der Arbeitsstättenverordnung (Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten nach § 3 Abs. 1 ArbStättV) und die den Anhang konkretisierenden Technischen Regeln für Arbeitsstätten (vgl. dazu - Rn. 25, BAGE 159, 360) Orientierungshilfen bieten. So dürften Duschzeiten vergütungspflichtig sein, wenn der Arbeitnehmer sehr stark schmutzende Tätigkeiten oder Arbeiten mit stark geruchsbelästigenden Stoffen ausübt, er bei seiner Tätigkeit eine körpergroßflächige persönliche Schutzausrüstung trägt oder er Tätigkeiten unter besonderen klimatischen Bedingungen oder bei Nässe verrichtet (vgl. Abschnitt 6 - Waschräume Nr. 6.1 Abs. 1 Kategorie C der Technischen Regeln für Arbeitsstätten Sanitärräume ASR A4.1). Unter diesen Voraussetzungen wird das Duschen als Arbeitszeit anzusehen sein, weil die Verschmutzung unmittelbar mit der Arbeitsleistung zusammenhängt, die ohne anschließende Ganzkörperreinigung nicht erbracht werden kann. In diesen Fällen ist es dem Arbeitnehmer nämlich wegen der eingetretenen Verschmutzung in der Regel unzumutbar, sich ungeduscht in der Öffentlichkeit zu bewegen oder in seinen PKW zu steigen. Im Hinblick auf das Duschen anders zu beurteilen sein dürften im Einzelfall die Kategorien der stark (nicht „sehr stark“) schmutzenden und der nur mäßig schmutzenden Tätigkeiten (vgl. Abschnitt 6 - Waschräume Nr. 6.1 Abs. 1 Kategorie B und A der Technischen Regeln für Arbeitsstätten Sanitärräume ASR A4.1). Hier wird regelmäßig das Waschen der verschmutzten Körperteile ausreichen. Die hierfür erforderliche Zeit ist unter denselben Voraussetzungen vergütungspflichtig wie die Duschzeit.
29(4) Aufgrund der Vielzahl der Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen ist - soweit eine generelle, zB tarifvertragliche Regelung nicht existiert (dazu - Rn. 25) - jeweils im Rahmen einer Prüfung des konkreten Einzelfalls durch das Tatsachengericht zu entscheiden, welche Art der Körperreinigung erforderlich ist und mit der eigentlichen Tätigkeit und der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Maßstab ist dabei nicht das subjektive Empfinden des einzelnen Arbeitnehmers, sondern die objektivierte Sicht eines verständigen Arbeitnehmers.
302. Die Vergütungspflicht für Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten ist im vorliegenden Fall - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat - nicht durch den MTV, die GBV oder die BV ausgeschlossen.
31a) Die Einordnung der Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten als Teil der im Dienste eines anderen erbrachten Arbeitsleistung iSv. § 611a Abs. 2 BGB schließt individual- oder kollektivrechtliche Regelungen nicht aus, nach denen die dafür vom Arbeitnehmer aufgewendete Zeit anders zu vergüten ist als die „eigentliche“ Tätigkeit (zu Waschzeiten vgl. - Rn. 25; zu Fahrtzeiten von Servicetechnikern vgl. - Rn. 18, BAGE 170, 172; zu Reisezeiten bei Auslandsentsendung vgl. - Rn. 18, BAGE 164, 57).
32b) Weder die bei der Beklagten geltende GBV noch die BV schließen eine Vergütungspflicht der vom Kläger behaupteten Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten aus.
33aa) Nr. 5 Abs. 3 GBV, wonach die Mitarbeiter sich zum jeweils festgelegten Arbeitsbeginn in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz befinden müssen, trifft schon seinem Wortlaut nach keine Regelung zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Hierfür spricht in systematischer Hinsicht auch, dass die Regelung an Nr. 5 Abs. 1 und 2 GBV anknüpft, wonach sich die Dauer der Arbeitszeit nach den gesetzlichen, tariflichen und einzelvertraglichen Bestimmungen sowie den Betriebsvereinbarungen richtet und Beginn und Ende der Arbeitszeit im Einvernehmen mit dem Betriebsrat geregelt werden. Dieser Zusammenhang verdeutlicht, dass die Parteien der GBV allein arbeitszeitrechtliche Fragen geregelt haben und nicht die Vergütung der Arbeitszeit. Denn der Betriebsrat hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG nur über die Lage und die vorübergehende Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit mitzubestimmen, nicht aber über deren Vergütung. Aus Nr. 6 Abs. 3 GBV ergibt sich kein anderes Verständnis. Diese Bestimmung regelt hinsichtlich der Wasch- und Umkleideräume nur, wann diese aufgesucht werden sollen. Etwaige Vergütungsfragen werden hiervon nicht erfasst. Auch aus der Lage der Zeiten, in denen die Wasch- und Umkleideräume gemäß Nr. 6 Abs. 3 GBV aufgesucht werden sollen, lässt sich nichts anderes entnehmen. Denn einerseits sollen zB die Waschräume während der Pausen, mithin zu grundsätzlich nicht vergütungspflichtigen Zeiten (vgl. hierzu - Rn. 12 mwN, BAGE 169, 126), andererseits zum Ende der Arbeitszeit, mithin zu ggf. zu vergütenden Zeiten, aufgesucht werden. Ausgehend hiervon gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die GBV die Vergütungspflicht für zur Arbeitsleistung zu rechnenden Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten ausschließt.
34bb) Dieses Ergebnis gilt auch unter Berücksichtigung von Nr. 5 Abs. 7 BV. Danach endet die tägliche Arbeitszeit mit Abschluss der jeweils zugeteilten Arbeit oder der entsprechenden Anweisung des Vorgesetzten. Auch insoweit lassen sich dem Wortlaut der Regelung keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die streitgegenständlichen Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten von der Vergütungspflicht ausgenommen sein sollen.
35c) Einer Betriebsvereinbarung, durch die die tarifvertraglich zu vergütende Arbeitszeit verkürzt würde, stünde zudem die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG entgegen.
36aa) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt (st. Rspr., zB - Rn. 20, BAGE 170, 172; - 1 AZR 64/18 - Rn. 13; zust. Hoffmann/Köllmann NZA 2020, 914 ff.; Salamon Anm. AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 62). Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn diese in einem nach seinem räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich einschlägigen Tarifvertrag enthalten ist und der Betrieb in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt ( - Rn. 32 mwN). Auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers kommt es nicht an (vgl. - Rn. 17, BAGE 161, 305). Ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG liegt nicht erst dann vor, wenn ein Tarifvertrag insgesamt zum Inhalt einer Betriebsvereinbarung gemacht wird. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG soll vielmehr verhindern, dass auch einzelne Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend - und sei es inhaltsgleich - in Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Die Vorschrift soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisten. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang bei der Regelung von Arbeitsbedingungen ein (vgl. - Rn. 17, aaO). Ein Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG führt zur Unwirksamkeit der entsprechenden Regelung in der Betriebsvereinbarung ( - Rn. 20, aaO; - 1 ABR 75/16 - Rn. 29, BAGE 162, 379; zust. Hoffmann/Köllmann NZA 2020, 914, 916; Salamon aaO unter V 2).
37bb) Die als Arbeitsleistung zu behandelnden etwaigen Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten des Klägers sind nach den Regelungen des einschlägigen Tarifvertrags vergütungspflichtig. Der MTV lässt ergänzende Regelungen durch Betriebsvereinbarungen nicht zu.
38(1) Der MTV ist nach seinem Geltungsbereich auf die Beklagte anwendbar. Nach § 1 MTV gilt er räumlich für das „Land“ Bayern und fachlich ua. für Betriebe, die das produzierende und/oder verarbeitende Gewerbe, den Handel sowie privat- und öffentlich-rechtliche Auftraggeber bei der Verwirklichung ihrer Zielsetzung insbesondere durch Dienstleistungen im Bereich Transport-, Spedition- und/oder (Kontrakt-)Logistik unterstützen. Die Beklagte, deren Betrieb sich im Freistaat Bayern befindet, ist ein international tätiger Logistikdienstleister. Auf ihre Tarifgebundenheit kommt es nicht an.
39(2) In dem MTV heißt es ua.:
40Für den noch streitgegenständlichen Zeitraum sind der Lohntarifvertrag Nr. 34 vom gültig ab und der Lohntarifvertrag Nr. 35 vom gültig ab für die gewerblichen Arbeitnehmer des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern maßgeblich. Unter § 2 Abschnitt I Nr. 9 Buchst. a des jeweiligen Lohntarifvertrags (LTV) ist geregelt, dass der tarifliche Stundenlohn einer Lohngruppe - ausgenommen Tabelle V Güterfern- und Umzugsverkehr im Fernbereich - sich aus 1/167 des tariflichen Monatslohns errechnet.
41(3) Wortlaut und Gesamtzusammenhang der tarifvertraglichen Regelungen bringen hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der MTV und der LTV die Vergütung von Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer abschließend regeln. Die Zeiten, die ein Mitarbeiter für das Umkleiden im Betrieb und für erforderliche Wege zwischen dem Umkleideraum und seinem Arbeitsplatz und zurück sowie für die erforderliche Körperreinigung (dazu oben Rn. 17 ff.) benötigt, sind der entgeltpflichtigen Arbeitszeit zuzurechnen und mit der tariflichen Grundvergütung zu vergüten.
42Ausgehend von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden gemäß § 8 Nr. 1 MTV errechnet sich nach den Allgemeinen Regelungen in § 2 Abschnitt I Nr. 9 Buchst. a LTV der tarifliche Stundenlohn aus 1/167 des tariflichen Monatslohns, dessen konkrete Höhe im LTV geregelt ist. Sonderformen der Arbeit haben die Tarifvertragsparteien spezifischen Vergütungsregelungen unterworfen. Das betrifft etwa die in § 11 MTV vorgesehene Vergütung für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertags- sowie Schichtarbeit. § 8a MTV sieht zudem spezifische Regelungen für die Arbeitszeit und die Vergütung von Kraftfahrern vor. Die Regelungen für Kraftfahrer sind auf diese Personengruppe beschränkt und - entgegen der Auffassung der Beklagten - mangels aussagekräftiger Anhaltspunkte für einen entsprechenden Regelungswillen der Tarifvertragsparteien nicht auf andere Arbeitnehmer übertragbar. § 13 MTV regelt nicht die Vergütung von Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten, sondern verpflichtet den Arbeitgeber allein, die durch Unfallverhütungsvorschriften oder sonstige Bestimmungen vorgeschriebene Schutzkleidung unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Gesamtschau dieser Bestimmungen belegt, dass der Tarifvertrag die Arbeitszeit und das für geleistete Arbeit zu zahlende Arbeitsentgelt im MTV und LTV umfassend und abschließend regelt. Sonderregelungen für die Vergütung von innerbetrieblichen Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten sieht er nicht vor. Der MTV enthält auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien solche Sonderregelungen durch Betriebsvereinbarungen zugelassen haben. Etwaige Regelungen in der GBV oder der BV wären daher wegen eines Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG nichtig.
433. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob das Landesarbeitsgericht dem Kläger rechtsfehlerfrei die ausgeurteilte Vergütung für Umkleide- und Körperreinigungszeiten zugesprochen hat. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Schätzung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
44a) Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass vergütungspflichtige Umkleide- und Körperreinigungszeiten angefallen sind, vom Arbeitgeber veranlasst wurden und im geltend gemachten Umfang erforderlich waren (vgl. zu Wege- und Umkleidezeiten - Rn. 22; - 5 AZR 382/16 - Rn. 27 f. mwN, BAGE 160, 167). Zu diesem Vortrag wird der Arbeitnehmer regelmäßig in der Lage sein, denn diese Tatsachen sind Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung. Der Arbeitgeber hat sich hierzu nach § 138 Abs. 2 ZPO zu erklären und auf den Vortrag des Arbeitnehmers substantiiert zu erwidern. Hierzu kann er je nach den konkreten tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelnen beispielsweise vortragen, weshalb solche Zeiten nicht angefallen sind, dass er diese nicht veranlasst hat oder weshalb diese nicht im behaupteten Umfang erforderlich waren (vgl. insoweit die Darlegungs- und Beweislast bei der Vergütung von Überstunden - Rn. 18 mwN, BAGE 178, 25).
45b) Steht fest, dass Umkleide- und Körperreinigungszeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, kann aber der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, hat das Gericht die erforderlichen Umkleide- und Körperreinigungszeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO zu schätzen (vgl. zu Umkleide- und Wegezeiten - Rn. 28 mwN, BAGE 160, 167).
46aa) Die Vorschrift erlaubt auch die Schätzung des Umfangs von Erfüllungsansprüchen, wenn zwischen den Parteien die Höhe der Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände entweder mit Schwierigkeiten, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen, verbunden oder unmöglich ist. Die für eine Schätzung unabdingbaren Anknüpfungstatsachen muss derjenige, der den Erfüllungsanspruch geltend macht, darlegen und beweisen ( - Rn. 34, BAGE 174, 329). Zur Ermittlung der Zeitspanne ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen, denn der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht frei selbst bestimmen, sondern muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. „Erforderlich“ ist nur die Zeit, die der einzelne Arbeitnehmer für das Umkleiden und Reinigen im Rahmen der objektiven Gegebenheiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigt. Bei Ermittlung der erforderlichen Zeit gilt es, die Variablen des Umkleidevorgangs, ua. in Bezug auf die Privatkleidung je nach Jahreszeit, zu berücksichtigen (vgl. - Rn. 22 mwN). Das Tatsachengericht muss hiervon ausgehend unter Würdigung aller Umstände entscheiden, ob nach seiner Überzeugung Umkleide- und Körperreinigungszeiten entstanden sind und in welchem Umfang sie erforderlich waren. Es hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen, ob und inwieweit Beweis zu erheben ist oder auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts nach § 287 Abs. 2 ZPO die Schätzung möglich und geboten ist (vgl. zu Umkleide- und Wegezeiten - Rn. 24).
47bb) Eine vom Tatsachengericht gemäß § 287 Abs. 2 ZPO nach freier Überzeugung vorgenommene Schätzung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Es ist nur zu überprüfen, ob das Tatsachengericht wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige oder unbewiesene Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hat und damit die Schätzung mangels konkreter Anhaltspunkte völlig „in der Luft hängt“, also willkürlich ist ( - Rn. 53, BAGE 175, 193; - Rn. 49, BGHZ 211, 146, jeweils mwN).
48c) Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil bezüglich der Umkleidezeiten nicht stand.
49aa) Die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu der vom Kläger anzulegenden Arbeitskleidung sind bereits widersprüchlich. Während es auf S. 4 des Berufungsurteils ausführt, der Kläger hole vor Beginn seiner Arbeit im ersten Stock in der Umkleide seine Arbeitskleidung bestehend aus „Sicherheitsschuhen, Latzhose, T-Shirt und langärmeliger Jacke“, geht es auf S. 13 des Berufungsurteils davon aus, dass die vom Arbeitgeber gestellte Arbeitskleidung insbesondere „Sicherheitsschuhe S3, Latzhose, Hemd, T-Shirt, Pullover, Jacke sowie Winterjacke“ umfasst. Es bleibt daher unklar, ob die von der Beklagten zur Vergütung gestellte Arbeitskleidung lediglich aus Sicherheitsschuhen, Latzhose, T-Shirt und langärmeliger Jacke besteht oder ob der Kläger - etwa im Winter - zusätzlich Hemd, Pullover und Winterjacke trägt. Für den Selbstversuch des Vorsitzenden und die Schätzung der Kammer hat es die auf S. 4 des Berufungsurteils genannten und von der Beklagten mitgebrachten Bekleidungsstücke einschließlich der Sicherheitsschuhe berücksichtigt.
50bb) Unbeschadet dieses Mangels liegen dem Selbstversuch des Vorsitzenden und der Schätzung der Kammer aber auch weitere unrichtige bzw. unbewiesene Anknüpfungstatsachen zugrunde, was die Revision zu Recht rügt.
51(1) Bei Beachtung des modifizierten subjektiven Maßstabs (oben Rn. 46) hat der Arbeitnehmer zur Erforderlichkeit der Umkleidezeit darzulegen, welche Kleidungsstücke er - ggf. differenzierend nach kühlen und warmen Tagen - an- und abzulegen hat und wie viel Zeit er jeweils für den Umkleidevorgang benötigt. Hat er einen entsprechenden Vortrag geleistet, muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast auf den Vortrag des Arbeitnehmers substantiiert erwidern. Liegt ein ausreichendes Bestreiten nicht vor, ist der Vortrag des Arbeitnehmers als zugestanden anzusehen (§ 138 Abs. 3 ZPO), anderenfalls hat das Tatsachengericht auf Antrag der beweisbelasteten Partei Beweis zu erheben. Den Parteien stehen hierbei die allgemeinen Beweismittel, einschließlich des Beweises durch Augenschein nach § 371 ZPO oder durch Vernehmung von Zeugen nach § 373 ZPO zur Verfügung. Ist danach Beweis angeboten, handelt das Gericht ermessensfehlerhaft, wenn es anstatt zunächst den angebotenen Beweis zu erheben, unmittelbar eine Schätzung vornimmt. Der Schätzung nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO unterliegt im Anschluss an eine Beweisaufnahme insbesondere, ob und inwieweit unterschiedliche Privat- und Arbeitskleidung und sonstige Gegebenheiten zu unterschiedlichen Zeiten führen können, die ggf. die Annahme einer - geschätzten - arbeitstäglichen Durchschnittszeit rechtfertigen.
52(2) Dass die im Selbstversuch des Kammervorsitzenden ermittelte Zeit diesen Anforderungen entspricht, hat das Berufungsgericht nicht belegt. Der Vorsitzende hat im Selbstversuch seine Kleidung, die er am Sitzungstag trug, abgelegt und später wieder angezogen. Wie die Revision zu Recht rügt, hat das Landesarbeitsgericht aber nicht festgestellt, dass der Kläger ähnliche Kleidungsstücke wie der Kammervorsitzende in der Berufungsverhandlung - insbesondere Jackett, Unterhemd und Oberhemd - bei Arbeitsbeginn und -ende ab- und anlegt.
53(3) Neben diesen unzureichend festgestellten Anknüpfungstatsachen bestehen gegen die erfolgte Schätzung im Selbstversuch aber auch grundsätzliche Bedenken, weil sie - wie die Revision zutreffend rügt - nicht parteiöffentlich (§ 357 Abs. 1 ZPO) erfolgte und die Parteien damit keine Gelegenheit hatten, den Selbstversuch zu beobachten und zu den Ausgangsbedingungen Stellung zu nehmen. Mit Blick auf die privaten Kleidungsstücke, die der Vorsitzende dem Selbstversuch zugrunde gelegt hat, ist nicht ausgeschlossen, dass die Anwesenheit der Beklagten zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, weshalb das Berufungsurteil auf diesem Mangel beruht (dazu - zu II 3 a der Gründe).
54(4) Das Landesarbeitsgericht hat im Rahmen der Schätzung der Umkleidezeiten schließlich sachfremde Erwägungen angestellt und unbewiesene Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt. So hat es pauschal und damit rechtsfehlerhaft auf ein „Überwiegen der kühlen Monate in Bayern“ abgestellt. Das Berufungsgericht hat aber weder ausgeführt, was es unter „kühlen Monaten“ versteht, noch dargelegt, welche konkreten Folgen sich hieraus ergeben. Auch diese Anknüpfungstatsache „hängt“ mithin „in der Luft“. Das rügt die Revision ebenso zu Recht wie die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger nach einem ganzen Arbeitstag erschöpft sei und deshalb vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende die gleiche Umkleidezeit zu berücksichtigen sei. Dies ist nicht frei von Widersprüchen, weil bei dieser Argumentation die Umkleidezeit am Morgen in ausgeruhtem Zustand kürzer sein müsste.
55d) Auch bezüglich der Körperreinigungszeiten hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
56aa) Die Revision rügt zu Recht, dass das Landesarbeitsgericht zur Schätzung der Körperreinigungszeiten des Klägers die in der Alten- und Krankenpflege geltenden Zeitanteile herangezogen hat. Hierbei handelt es sich um eine unsachliche Anknüpfungstatsache, weil die Körperreinigung in der Alten- und Krankenpflege durch Dritte an gebrechlichen Personen erfolgt. Eine Vergleichbarkeit mit dem Waschen oder Duschen nach der Arbeit besteht nicht und kann auch nicht durch Vermutungen zu einem unterschiedlichen Grad der Verschmutzung hergestellt werden. Unsachlich ist des Weiteren die Annahme des Berufungsgerichts, dass die auf der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Arbeitskleidung vorhandenen Farbspritzer auch die Körperreinigungszeit des Klägers beeinflussen. Diese Erwägung beruht auf nicht bewiesenen Anknüpfungstatsachen. Ebenso wenig ist schlüssig begründet, warum das Landesarbeitsgericht von der Notwendigkeit der Reinigung der Fingernägel ausgegangen ist, obwohl es festgestellt hat, dass dem Kläger bei Schleif- und Lackierarbeiten von der Beklagten Handschuhe zur Verfügung gestellt werden. Weiterhin sind die vom Landesarbeitsgericht zur Kompensation geringerer Waschzeiten herangezogenen „Wartezeiten“ des Klägers wegen „Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie“ nicht hinreichend konkret festgestellt worden. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht zur Begründung seiner Schätzung ohne bestehende Anknüpfungstatsachen auf die Regelung von Waschzeiten in dem der Senatsentscheidung vom (- 5 AZR 110/21 -) zugrunde liegenden Manteltarifvertrag zwischen der Volkswagen AG und der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt vom idF vom abgestellt. Es ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die von den jeweiligen Beschäftigten ausgeübten Tätigkeiten überhaupt vergleichbar sind und dass die im Rahmen der Tarifautonomie vereinbarten Zeiten auf andere Arbeitsverhältnisse übertragen werden können. All dies hat die Beklagte zu Recht gerügt.
57bb) Das Landesarbeitsgericht hat des Weiteren keine konkreten Feststellungen zur Intensität der Verschmutzung des Klägers bei der Erbringung der Arbeitsleistung an einzelnen Arbeitstagen getroffen. Dies war indes erforderlich, um feststellen zu können, ob die jeweilige Körperreinigung überhaupt ausschließlich fremdnützig war.
58(1) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht nicht ausreichend und widerspruchsfrei festgestellt hat, dass und an welchen Tagen der Kläger auf Veranlassung der Beklagten welche Tätigkeiten ausgeführt hat, welche Arbeits- oder zusätzliche Schutzkleidung er dabei getragen hat und in welchem Umfang diese Tätigkeiten zu einer Verschmutzung geführt haben, die eine Reinigung des Körpers - sei es durch Duschen oder nur durch Waschen der Hände, Arme und des Oberkörpers - nach den oben dargestellten Grundsätzen erforderlich macht. Die hierfür maßgeblichen Tatsachen sind zwischen den Parteien streitig geblieben.
59(2) Hiervon ausgehend entbehrt die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger erledige an der überwiegenden Zahl seiner Arbeitstage auf Weisung der Beklagten Arbeiten, die mit einer erheblichen Verschmutzung seines Körpers einhergehen, soweit dieser nicht durch Bekleidung abgedeckt sei, gesicherten Anknüpfungstatsachen. Der arbeitstägliche Grad der Verschmutzung ergibt sich auch nicht aus den vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Fotos eines Kollegen des Klägers. Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe nicht festgestellt, bei welchen Tätigkeiten die dort gezeigten Verschmutzungen aufgetreten seien und in welchem Umfang der Kläger solche Tätigkeiten aus
geführt habe. Ohne diese Feststellungen kann weder der Umfang noch die Dauer der erforderlichen Körperreinigungszeiten geschätzt werden.
60cc) Soweit die Beklagte darüber hinaus die Verletzung des Verfahrens durch das Landesarbeitsgericht rügt, liegen keine begründeten Verfahrensrügen vor. Der Senat hat die Rügen geprüft und sieht gemäß § 564 Satz 1 ZPO von einer weiteren Begründung ab.
614. Das Landesarbeitsgericht hat die Wegezeit vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz des Klägers und zurück ohne Rechtsfehler geschätzt. Insoweit ist die Revision unbegründet. Die Voraussetzungen einer Schätzung für die Wegezeit lagen vor, nachdem die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht unstreitig gestellt hatten, dass der Weg vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz des Klägers etwa 40 Meter beträgt. Der Kläger benötigt für den Weg vom Umkleideraum zu seiner Arbeitsstätte und zurück nach der Schätzung des Landesarbeitsgerichts insgesamt eine Minute. Insoweit greift die Revision das Berufungsurteil auch nicht an.
62V. Die Revision ist begründet, soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 12. die Feststellung begehrt, dass die anfallenden Umkleide- und Duschzeiten Arbeitszeit und als solche dem Kläger durch die Beklagte zu bezahlen sind. Der Antrag ist bereits unzulässig. Soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 13. noch die Feststellung begehrt, dass die Wegezeit vom Umkleideraum zur Arbeitsstätte des Klägers und zurück vergütungspflichtige Arbeitszeit ist, ist die Klage zulässig und begründet. Die Revision der Beklagten ist insoweit unbegründet.
631. Die Feststellungsanträge des Klägers sind zunächst auszulegen.
64a) Für die Auslegung von Klageanträgen gelten die für Willenserklärungen maßgeblichen Auslegungsregeln, §§ 133, 157 BGB. Die Gerichte sind gehalten, Klageanträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird. Im Zweifel ist gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. - Rn. 15; - 5 AZR 245/17 - Rn. 17).
65b) Unter Beachtung dieser Grundsätze begehrt der Kläger mit dem Feststellungsantrag zu 12. nicht nur die Vergütung für „Duschzeiten“, sondern für sämtliche Zeiten der Reinigung seines Körpers, die durch die Erbringung der geschuldeten Tätigkeit als Containermechaniker nach Beendigung der Tätigkeit anfallen. Er hat bereits in der Klagebegründung ausdrücklich Zeiten für das Reinigen und das Duschen geltend gemacht. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts umfasst die Reinigung des Klägers das Waschen und/oder das Duschen. Das Berufungsgericht hat den Begriff der „Duschzeiten“ in den Entscheidungsgründen synonym für alle Körperreinigungszeiten des Klägers im Betrieb der Beklagten verwendet. Zudem ergibt die Auslegung, dass lediglich die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlichen Zeiten von den Feststellungsanträgen zu 12. und zu 13. erfasst sein sollen. Der Kläger möchte festgestellt wissen, dass die Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten - soweit vom Landesarbeitsgericht anerkannt - vergütungspflichtige Arbeitszeit sind, um einen zukünftigen Rechtsstreit zu diesen Fragen zu vermeiden.
662. Auch in dieser von der Interessenlage des Klägers geleiteten Auslegung mangelt es an der notwendigen Bestimmtheit des Antrags zu 12. und an dem erforderlichen Feststellungsinteresse.
67a) Die allgemeinen und besonderen prozessualen Voraussetzungen eines Feststellungsantrags sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Auch ein Feststellungsantrag muss gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt sein. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt (näher - Rn. 65 mwN). Bei ungenügender Bestimmtheit eines Feststellungsantrags ist er als unzulässig abzuweisen.
68b) Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags weiter ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Es handelt sich um eine auch noch im Revisionsverfahren zu prüfende Prozessvoraussetzung. Sie stellt sicher, dass die Gerichte das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses tatsächlich klären können und nicht im Sinne einer gutachterlichen Tätigkeit über bloße Meinungsverschiedenheiten der Betroffenen befinden (vgl. - Rn. 12; - 1 AZR 361/16 - Rn. 9). Demzufolge muss die erstrebte Feststellung geeignet sein, den zwischen den Parteien bestehenden Streit zu beenden und die Rechtsunsicherheit über die Rechtsstellung der klagenden Partei zu beseitigen sowie anderenfalls ggf. erforderliche Leistungsklagen entbehrlich zu machen (vgl. - Rn. 9).
69c) Ein Feststellungsinteresse ist jedoch ausnahmsweise entbehrlich, wenn es sich bei dem Antrag um eine zulässige Zwischenfeststellungsklage iSd. § 256 Abs. 2 ZPO handelt. Mit der Zwischenfeststellungsklage wird ein Element aus der Gesamtentscheidung, das geeignet ist, über den konkreten Einzelfall hinaus Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen, verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Das für eine solche Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt aber nur dann vor, wenn das inzidenter ohnehin zu klärende streitige Rechtsverhältnis noch über den gegenwärtigen Prozess hinaus zwischen den Parteien Bedeutung hat oder jedenfalls gewinnen kann. Diese Vorgreiflichkeit macht das für die Feststellungsklage an sich erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich. Werden mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien mit Rechtskraftwirkung erschöpfend geregelt, ist bzw. wird die Zwischenfeststellungsklage unzulässig ( - Rn. 53 mwN; vgl. auch - Rn. 19). Die Vorgreiflichkeit muss im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (noch) vorliegen (vgl. - Rn. 13; - 10 AZR 507/18 - Rn. 46). Die Hauptklage muss mit anderen Worten noch rechtshängig und über sie muss in der Sache zu entscheiden sein ( - Rn. 18).
70d) Nach diesen Grundsätzen ist der Klageantrag zu 12. weder als Feststellungsantrag noch als Zwischenfeststellungsantrag zulässig.
71aa) Der Feststellungsantrag zu 12. ist bereits zu unbestimmt, weil mit der Formulierung „dass die anfallenden Umkleide- und Duschzeiten des Klägers Arbeitszeiten sind“ keine Klarheit darüber erzielt wird, in welchem Umfang die Beklagte zur Vergütung von Umkleide- und Körperreinigungszeiten des Klägers verpflichtet ist. Die eigentliche Streitfrage kann so nicht mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden.
72bb) Darüber hinaus fehlt es auch am erforderlichen Feststellungsinteresse. Zwar steht nach der Prüfung des Zahlungsantrags fest, dass der Kläger gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Vergütung der Umkleidezeiten hat und dass der Vergütungsanspruch für die Umkleide- und etwaig anfallenden fremdnützigen Körperreinigungszeiten gemäß § 611a Abs. 2 BGB auch nicht durch den MTV, die GBV oder die BV ausgeschlossen ist. Diese Feststellung ist jedoch - angesichts des weiteren Streits der Parteien darüber, ob bzw. in welchem Umfang Körperreinigungs- und Umkleidezeiten anfallen - nicht geeignet, die Rechtsunsicherheit über die Rechtsstellung der klagenden Partei zu beseitigen.
73cc) Das Feststellungsinteresse ist nicht ausnahmsweise nach § 256 Abs. 2 ZPO entbehrlich. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts konnte über die mit der Hauptklage verfolgten Zahlungsanträge nicht entschieden werden (vgl. Rn. 43 ff.). Damit steht nicht fest, ob das inzidenter zu klärende streitige Rechtsverhältnis noch über den gegenwärtigen Prozess hinaus zwischen den Parteien Bedeutung hat oder jedenfalls gewinnen kann.
743. Der Klageantrag zu 13. ist demgegenüber als Zwischenfeststellungsantrag nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig, soweit er für die Revision noch von Belang die Feststellung umfasst, dass die vom Kläger unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigte Zeit von einer Minute für den Weg vom Umkleideraum zu seiner Arbeitsstätte und zurück vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellt. Der Umfang der beantragten Feststellung ist damit hinreichend bestimmt. Der Antrag ist insoweit auch begründet. Die Beklagte ist - wie ausgeführt (Rn. 61) - gemäß § 611a Abs. 2 BGB verpflichtet, dem Kläger die Zeit für den Weg vom Umkleideraum zur Arbeitsstätte und zurück im Umfang von einer Minute zu vergüten. Der Hilfsantrag zu 15. ist demzufolge nicht zur Entscheidung angefallen.
75VI. Aufgrund der Stattgabe der Revision hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 12. fällt der erstmals in der Berufungsinstanz hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit diesem Antrag gestellte Antrag zu 14. zur Entscheidung an. Der Hilfsantrag zu 14. ist unzulässig. Der Zulässigkeit steht zwar nicht entgegen, dass der Kläger diesen Hilfsantrag erstmals in der Berufungsinstanz angebracht hat, denn insoweit liegt eine nach § 533 Nr. 2, § 525 Satz 1, §§ 260, 263 ZPO sachdienliche Klageänderung vor. Der Antrag ist aber aus den bereits zu dem Antrag zu 12. dargestellten Gründen (vgl. Rn. 66 ff.) weder als Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO noch als Zwischenfeststellungsantrag nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
76VII. Aufgrund des Unterliegens mit dem Hilfsantrag zu 14. fällt auch der erstmals in der Berufungsinstanz für den Fall des Unterliegens mit diesem Antrag gestellte Antrag zu 16. zur Entscheidung an. Der wiederum auf die Feststellung von Umkleide- und Körperreinigungszeiten gerichtete Antrag ist unzulässig. Auf die Ausführungen zum Hilfsantrag zu 14. wird verwiesen (vgl. Rn. 75).
77VIII. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich - soweit die Revision begründet ist - nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil hierfür erforderliche Feststellungen fehlen. Sie ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
781. Im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht - nachdem es den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen und zur Stellungnahme gegeben hat - die für eine Schätzung der Umkleide- und fremdnützigen Körperreinigungszeiten notwendigen Tatsachen unter Beachtung der Vorgaben aus dem Revisionsurteil festzustellen und dabei ggf. die angebotenen Beweise zu erheben haben.
792. Bei der Prüfung der Zahlungsanträge wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass das Berufungsurteil rechtskräftig ist, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von Vergütung im zeitlichen Umfang von einer Minute je Arbeitstag für den Weg von der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück verurteilt hat (oben Rn. 61). Der Senat hat davon abgesehen, dies im Tenor gesondert auszuurteilen, weil bezüglich der Differenzbeträge für die Lohnerhöhung die Zahl der Arbeitstage für die Zeit von Oktober 2020 bis Februar 2021 nicht feststeht (sh. Rn. 15) und deshalb die Vergütungshöhe für die Wegezeiten nicht abschließend berechnet werden kann. Nachdem die Parteien dies ebenso wie die Vorinstanzen übersehen haben, gebietet es das Gebot eines fairen Verfahrens, dem Kläger im fortgesetzten Berufungsverfahren die Möglichkeit zu eröffnen, seinen Sachantrag den Zulässigkeitsbedenken des erkennenden Gerichts anzupassen (dazu - Rn. 29).
803. Hinsichtlich der Zinsen wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass diese aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB folgen. Prozesszinsen stehen dem Kläger allerdings nach § 187 Abs. 1 BGB erst ab dem auf die Zustellung der Klage folgenden Tag zu ( - Rn. 69, BAGE 177, 45; - 5 AZR 538/17 - Rn. 40). Dies wäre auch hinsichtlich der unter Ziffer II.9, II.10 und II.11 des Tenors des Berufungsurteils zugesprochenen Zinsen zu beachten. Die diesbezüglichen Klageerweiterungen wurden der Beklagten erst am (Vergütung für November bis Dezember 2021), am (Vergütung für Januar bis Februar 2022) und am (Vergütung für März bis April 2022) zugestellt, so dass Zinsen jeweils erst ab dem , ab dem und ab dem zuzusprechen wären.
81IX. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:230424.U.5AZR212.23.0
Fundstelle(n):
BB 2024 S. 2035 Nr. 36
DB 2024 S. 2501 Nr. 40
DStR-Aktuell 2024 S. 10 Nr. 36
DStR-Aktuell 2024 S. 12 Nr. 36
NJW 2024 S. 10 Nr. 36
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2024 S. 2976
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2024 S. 2976
ZIP 2024 S. 5 Nr. 34
BAAAJ-73277