Online-Nachricht - Dienstag, 23.07.2024

Grundsteuer | U.a. Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts bei der Bewertung des Grundvermögens (gleich lautende Erlasse)

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben im Hinblick auf die und zum Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts bei der Bewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer nach dem Bundesmodell ab und zur Aussetzung der Vollziehung von Bescheiden über die Feststellung des Grundsteuerwerts Stellung genommen ().

Hintergrund: Mit , BStBl. II S. XXX und , BStBl. II S. XXX hat der BFH in zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden gemeinen Wert ihres Grundstücks nachzuweisen (s. hierzu Bodden, NWB 25/2024 S. 1692 sowie unsere Online-Nachricht v. 13.6.2024 mit Anmerkung Loose).

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt u.a. Folgendes:

I. Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts

Für den Fall, dass die Grundsteuerwertermittlung nach dem Gesetzeswortlaut gegen das Übermaßverbot verstößt, ist eine verfassungskonforme Auslegung der angewendeten Bewertungsvorschriften vorzunehmen.

Das Übermaßverbot kann insbesondere dann verletzt sein, wenn sich der nach den §§ 218 ff. BewG festgestellte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt dies regelmäßig voraus, dass der vom Finanzamt festgestellte Grundsteuerwert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt (BFH-Beschlüsse vom - II B 78/23 (AdV) und II B 79/23 (AdV)).

Zur verfassungskonformen Anwendung der Bewertungsvorschriften zur Feststellung von Grundsteuerwerten ist daher ein für die gesamte wirtschaftliche Einheit nachgewiesener niedrigerer gemeiner Wert anzusetzen, wenn der nach den §§ 218 ff. BewG ermittelte Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse vom Hauptfeststellungszeitpunkt (§ 227 BewG) um mindestens 40 % übersteigt.

Den Steuerpflichtigen trifft die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert und nicht eine bloße Darlegungslast.

Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten in entsprechender Anwendung des § 198 Abs. 1 Satz 2 BewG grundsätzlich die auf Grund des BauGB erlassenen Vorschriften.

Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann in entsprechender Anwendung des § 198 Abs. 2 BewG regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des BauGB oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen.

Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann darüber hinaus in entsprechender Anwendung des § 198 Abs. 3 BewG ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Haupfeststellungszeitpunkt zustande gekommener Kaufpreis über den zu bewertenden Grundbesitz dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse der wirtschaftlichen Einheit gegenüber den Verhältnissen am Hauptfeststellungszeitpunkt unverändert sind.

Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts von erbbaurechtsbelasteten Grundstücken gelten die obigen Grundsätze entsprechend. In diesen Fällen ist für das Erbbaurecht und das Erbbaugrundstück ein Gesamtwert zu ermitteln, der zu ermitteln wäre, wenn die Belastung mit dem Erbbaurecht nicht bestünde. In Fällen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ein Gesamtwert für den Grund und Boden sowie für das Gebäude zu ermitteln.

Die o.g. Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

In Fällen, in denen

  • der Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 % übersteigt,

  • der Grundsteuerwert bestandskräftig festgestellt wurde und

  • die Feststellung nicht mehr nach den Korrekturvorschriften der AO änderbar ist,

ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung (§ 222 Abs. 3 BewG) vorliegen. Bei Durchführung der fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung ist die Wertfortschreibungsgrenze (§ 222 Abs. 1 BewG) zu beachten.

II. Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) von Bescheiden über die Feststellung des Grundsteuerwerts

Im Hinblick auf die Beschlüsse des und II B 79/23 (AdV) ist ab sofort Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung von Bescheiden über die Feststellung des Grundsteuerwerts zu entsprechen, wenn und soweit schlüssig dargelegt wird, dass der Grundsteuerwert den Verkehrswert um mindestens 40 % übersteigt.

Bei der Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist die Vorlage eines Verkehrswertgutachtens noch nicht erforderlich. Substantiierten Angaben des Steuerpflichtigen zur Höhe des Verkehrswerts ist zu folgen. Es bestehen keine Bedenken, als Ergebnis der summarischen Prüfung vorbehaltlich anderweitiger Erkenntnisse 50 % des Grundsteuerwerts von der Vollziehung auszusetzen.

Die Aussetzung der Vollziehung soll angemessen befristet und der Steuerpflichtige zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts (z.B. durch Vorlage eines Gutachtens) innerhalb dieser Frist aufgefordert werden. Infolge der Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuerwertbescheides ist auch die Vollziehung des hierauf beruhenden Grundsteuermessbescheides (ggf. anteilig) auszusetzen ( § 361 Abs. 3 Satz 1 AO ). Dies gilt unabhängig davon, ob auch gegen diesen Grundsteuermessbescheid ein Einspruch mit Antrag auf Aussetzung der Vollziehung anhängig ist. Die betroffenen Kommunen sind auf geeignete Art und Weise über die Aussetzung zu unterrichten.

Hinweis.

Den Volltext der koordinierten Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder finden Sie unter der NWB DAAAJ-71211.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
RAAAJ-71630