BGH Beschluss v. - 5 StR 83/24

Instanzenzug: Az: 7 KLs 7/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und bestimmt, dass aufgrund rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung sieben Monate der Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von insgesamt 4.800 Euro angeordnet. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts beschlossen der Angeklagte und der nicht revidierende frühere Mitangeklagte in der Zeit vor November 2013, Marihuana im Kilogrammbereich aus B.     nach Finnland zu transportieren und dieses dort gewinnbringend zu veräußern. Der Nichtrevident verfügte über die notwendigen Kontakte zu Lieferanten und Abnehmern. Der Angeklagte organisierte den Transport der Handelsmengen sowohl für das gemeinsame Geschäft mit dem Nichtrevidenten als auch – gegen Entgelt – für Handelsgeschäfte anderer Personen. Bei der Durchführung band er die ihm bekannte Zeugin A.    ein.

3In diesem Rahmen übergab der Angeklagte am der Zeugin insgesamt 14 von 15 bestellten Kilogramm Marihuana für den Transport nach Finnland, wobei 9 Kilogramm mit einem Wirkstoffgehalt von 3 % THC für den gemeinschaftlichen Handel mit dem Nichtrevidenten bestimmt waren. Bei weiteren 5 Kilogramm mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % THC handelte es sich um eine Handelsmenge, deren Transport der Angeklagte für einen gesondert Verfolgten abwickelte, wofür er eine Entlohnung von mindestens 1.500 Euro erhielt. Das vom Angeklagten und dem Nichtrevidenten verkaufte Marihuana hatte eine schlechte Qualität, so dass die Käufer die Rückgabe veranlassten (Fall II.1).

4Ende Januar 2014 beschaffte der Nichtrevident mindestens 4 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 13 % THC, welches er und der Angeklagte an Abnehmer aus Finnland veräußerten. Am übergab der Angeklagte einen Koffer mit insgesamt 9,7 Kilogramm und einem Wirkstoffgehalt von 13 % THC an die Zeugin zum Transport nach Finnland. Hiervon stammten 6 Kilogramm von einem unbekannten Betäubungsmittelhändler, für den der Angeklagte den Transport gegen ein Entgelt von mindestens 1.800 Euro organisierte. Bei der Ankunft in Finnland am wurde die Zeugin festgenommen und das Marihuana sichergestellt (Fall II.2).

5Bereits vor diesen Taten, nämlich am , war die Zeugin in Absprache mit dem Angeklagten nach Finnland gereist und führte dabei mindestens 5 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % THC mit sich, dessen Transport der Angeklagte gegen ein Entgelt in Höhe von mindestens 1.500 Euro für einen gesondert Verfolgten veranlasst hatte (Fall II.3).

62. Im Fall II.3 kann der Schuldspruch keinen Bestand haben. Der Verfolgung der Tat steht wegen Eintritts der absoluten Verfolgungsverjährung ein Verfahrenshindernis entgegen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB).

7a) Diese Beihilfetat bezog sich ausschließlich auf Marihuana und damit Cannabis. Der Senat hat deshalb gemäß § 2 Abs. 3 StGB die seit dem geltende Strafvorschrift des § 34 KCanG (BGBl. I 2024 Nr. 109) als milderes Recht zur Anwendung zu bringen, welche gegenüber dem vom Landgericht der Bemessung der Strafe zugrunde gelegten § 29a Abs. 1 BtMG einen geringeren Strafrahmen vorsieht (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 136/24; vom – 5 StR 153/24).

8b) aa) Die an die gesetzliche Strafandrohung anknüpfende Verjährungsfrist des § 78 StGB richtet sich nach dem gemäß § 2 Abs. 3 StGB anzuwendenden Recht (vgl. , NJW 1965, 52; Beschluss vom – 2 StR 122/05, BGHSt 50, 138, 139 ff.). Angesichts des in § 34 Abs. 1 KCanG bestimmten Höchstmaßes der Strafe (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren) beträgt die Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Der für besonders schwere Fälle in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG vorgesehene erhöhte Strafrahmen ist gemäß § 78 Abs. 4 StGB ohne Bedeutung.

9bb) Zum Zeitpunkt des Erlasses des erstinstanzlichen Urteils am war die absolute Verjährungsfrist abgelaufen.

10Die Frist beträgt gemäß § 78c Abs. 3 Satz 2, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB, § 34 Abs. 1 KCanG zehn Jahre. Sie begann am zu laufen und endete am (zur Berechnung der Verjährungsfrist vgl. ). Die absolute Verjährung war damit vor Eintritt der durch Erlass des erstinstanzlichen Urteils am gesetzlich bestimmten Ablaufhemmung gemäß § 78b Abs. 3 iVm § 78c Abs. 3 Satz 3 StGB eingetreten. Etwaige Unterbrechungshandlungen haben insoweit keine Bedeutung (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB).

11c) Der Senat stellt deshalb das Verfahren hinsichtlich Tat II.3 ein (§ 206a StPO).

123. Der Schuldspruch in den Fällen II.1 und II.2 bedarf der Änderung, da der Angeklagte nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden ist, sich sein Handeltreiben und die Beihilfehandlungen dazu aber ausschließlich auf Marihuana und damit Cannabis bezogen.

13a) Die festgestellten Handlungen erfüllen die Tatbestände des Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB.

14b) Die Verfolgung dieser Taten ist nicht verjährt.

15aa) Nach den getroffenen Feststellungen wurden die Tathandlungen im Fall II.1 am und im Fall II.2 am beendet. Die Verjährungsfrist war gemäß § 78a Satz 1 StGB im Fall II.1 spätestens am und im Fall II.2 am in Lauf gesetzt worden und endete am im ersten Fall und am im zweiten Fall.

16Innerhalb dieser Frist wurde sie letztmalig gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB durch Anklageerhebung am unterbrochen. Die Verjährungsfrist endete danach am . Die nächste Unterbrechungshandlung gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 7 StGB lag in der Eröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluss vom . Der Erlass des Eröffnungsbeschusses hatte gemäß § 78c Abs. 5 StGB unterbrechende Wirkung, obwohl zu diesem Zeitpunkt die fünfjährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen war.

17(1) Die genannte Vorschrift bestimmt, dass dann, wenn ein Gesetz, das bei der Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert wird und sich hierdurch die Frist der Verjährung verkürzt, Unterbrechungshandlungen, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorgenommen worden sind, wirksam bleiben, auch wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen wäre.

18(2) Der Angeklagte hatte vor Inkrafttreten des KCanG den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verwirklicht, der eine Freiheitsstrafe im Höchstmaß von 15 Jahren androht (§ 38 Abs. 2 StGB). Zum Zeitpunkt der Unterbrechungshandlung galt die für diese Tat bestimmte Verjährungsfrist von 20 Jahren ge- mäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB, die bei Erlass des Eröffnungsbeschlusses am noch nicht abgelaufen war. Mit der Unterbrechungshandlung begann eine neue Verjährungsfrist zu laufen. Das KCanG trat erst danach in Kraft.

19(3) Bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils am ist das Ende der nunmehr geltenden kürzeren Verjährungsfrist (§ 34 Abs. 1 KCanG iVm § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) nicht eingetreten; seitdem ruht die Verjährung gemäß § 78b Abs. 3 StGB bis zur Rechtskraft des Urteils.

20bb) Die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren (§ 78c Abs. 3 Satz 2, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB, § 34 Abs. 1 KCanG) begann mit Beendigung der Taten zu laufen. Das Fristende war bei Erlass des Eröffnungsbeschlusses und auch vor Eintritt der Ablaufhemmung durch Erlass des erstinstanzlichen Urteils am noch nicht erreicht (§ 78b Abs. 3 iVm § 78c Abs. 3 Satz 3 StGB).

21c) In den Fällen II.1 und II.2 hat der Senat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO geändert. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der wegen Überschreitens der nicht geringen Menge (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24; vom – 5 StR 153/24; Urteil vom – 5 StR 516/23) jeweils erfüllte besonders schwere Fall gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG ist, da es sich nur um ein Regelbeispiel handelt, nicht zu tenorieren.

22d) Aufgrund des nunmehr anzuwendenden milderen Strafrahmens nach § 34 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 4 KCanG (vgl. zur nicht geringen Menge ) können die verhängten Einzelstrafen nicht bestehen bleiben; dies – und die Einstellung des Verfahrens im Fall II.3 – zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die Feststellungen bleiben davon unberührt; sie können um neue, ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

234. Eine Erstreckung auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten nach § 357 StPO findet nicht statt, weil die Aufhebung nicht auf einer „Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes“, sondern auf einer nachträglichen Rechtsänderung beruht (, BGHSt 20, 77; Beschluss vom – 5 StR 535/02).

245. Die Einziehungsentscheidung kann bestehen bleiben. Das gilt auch, soweit das Verfahren im Fall II.3 wegen des Verfahrenshindernisses der Verfolgungsverjährung eingestellt worden ist. Zwar ist diese Tat nicht mehr Gegenstand des Strafverfahrens, so dass eine Entscheidung nicht auf § 73 Abs. 1, § 73c StGB gestützt werden kann. Jedoch ist die Einziehung des Wertes des durch die Tat Erlangten nach § 76a Abs. 2 Satz 1, § 73 Abs. 1, § 73c StGB anzuordnen. Das Gericht kann die selbständige Einziehung des durch oder für eine verjährte Straftat erlangten Ertrages oder dessen Wertes nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB im subjektiven Verfahren mit dem Urteil anordnen, durch das es das Verfahren hinsichtlich dieser Tat einstellt; in einem solchen Fall bedarf es nicht des Übergangs in das objektive Verfahren gemäß §§ 435 f. StPO (vgl. , BGHSt 67, 295). Im Fall der Einstellung des Verfahrens durch das Revisionsgericht kann jedenfalls dann nichts Anderes gelten, wenn wie hier die Einziehung im subjektiven Verfahren zwingend anzuordnen gewesen wäre (vgl. ; BeckOK StGB/Heuchemer, 60. Ed., § 76a Rn. 13; MüKo-StGB/Joecks/Meisner, 4. Aufl., § 76a Rn. 18). Das ist bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c StGB der Fall (vgl. ).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:230424B5STR83.24.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-70735