NWB Nr. 26 vom Seite 1745

(Neu)Berechnung des Schonvermögens

Dr. Stephan Geserich | Richter am BFH, München

Mit spitzem Bleistift rechnen

Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a EStG ist u. a., dass die unterhaltene Person – jenseits eines angemessenen Hausgrundstücks i. S. von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, das unberücksichtigt bleibt, – kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt (§ 33a Abs. 1 Satz 4 EStG). Als geringfügig wird in der Regel ein Vermögen bis zu einem gemeinen Wert (Verkehrswert) von 15.500 € angesehen (, BStBl 2003 II S. 655; und v.  - VI R 35/09, BStBl 2011 II S. 267). An dieser von den Finanzbehörden seit 1975 angewandten Wertgrenze (s. R 33a.1 Abs. 2 Satz 3 EStR) hat der (NWB PAAAJ-69293) festgehalten und trotz kritischer Stimmen in der Literatur von deren Anpassung an die Geldentwertung abgesehen. Diese fortzuschreiben ist auch nicht die Aufgabe der Rechtsprechung, selbst wenn sich die ursprüngliche Großzügigkeit des Steuerstaats im Verwaltungshandeln hier und jetzt nicht (mehr) wiederfindet. Da der Wertgrenze für das sog. Schonvermögen jedenfalls nach Auffassung der Finanzbehörden „Fallbeilwirkung“ zukommt (der BFH hat sich hierzu nicht geäußert und auch nicht äußern müssen), gilt es den Wert des Vermögens mit „spitzem Bleistift“ zu ermitteln. Hierfür gibt die Entscheidung v.  - VI R 21/21 „Hilfestellung“. Zum einen ist der Wert des Vermögens danach unabhängig von der Anlageart nach dem gemeinen Wert/Verkehrswert des Vermögens zu bestimmen. Zum anderen sind Unterhaltsleistungen – ausweislich der Urteilsgründe – nicht in die Berechnung des Vermögens i. S. des § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG einzubeziehen. Denn es handelt sich hierbei um die notwendigen Mittel zur Deckung des Lebensbedarfs (z. B. Staudinger/Klinkhammer, BGB, 17. Aufl. 2022, § 1602 Rz. 7). Sie sind zum Verbrauch bestimmt und nicht zur Vermögensbildung vorgesehen. Sie lassen folglich die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers nicht entfallen, sondern sind ihr geschuldet. Dies gilt auch für solche Unterhaltszahlungen, die vom Unterhaltsempfänger bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums bzw. bis zum unterjährigen Ende der gesetzlichen Unterhaltspflicht angespart und noch nicht verbraucht werden. Gesetzliche Unterhaltszahlungen, die dazu gedacht sind, eine zivilrechtlich unterhaltsberechtigte Person dazu zu befähigen, die Kosten ihres Lebensunterhalts zu bestreiten, können vor diesem Hintergrund nicht bereits im Zeitpunkt des Zuflusses dem (abzugsschädlichen) Vermögen i. S. des § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG zugeordnet werden. Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Unterhaltsleistungen regelmäßig nicht monatsgetreu, sondern im Jahresverlauf schwankend verbraucht werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Unterhaltszahlung für Januar als regelmäßig wiederkehrende Einnahme nach § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG als in diesem Monat zugeflossen gilt (und nach § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG vom Unterhaltsleistenden als Aufwand abzusetzen ist), auch wenn sie bereits Ende Dezember des Vorjahres geleistet wurde. Denn laufender Kindesunterhalt ist nach § 1612 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB durch Entrichtung einer Geldrente monatlich im Voraus zu leisten.

Stephan Geserich

Fundstelle(n):
NWB 2024 Seite 1745
FAAAJ-69334