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Das Warenlager im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen
Erweiterung des Betriebsstättenbegriffs im Kontext des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017
Die Besteuerung grenzüberschreitender Lagertätigkeiten stellte den Rechtsanwender im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen bislang kaum vor Herausforderungen. Lagertätigkeiten waren vom Betriebsstättenbegriff ausgenommen. Der Bedeutungswandel vom Lager als pauschale Hilfseinrichtung zu einer zentralen Wertschöpfungsfunktion vieler global agierender Konzerne führte zu einem Umschwenken in der Abkommenspolitik. E-Commerce-Konzerne wurden im Rahmen des BEPS-Projekts ins Visier genommen. Das Ergebnis ist die Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 auf Hilfs- und Nebentätigkeiten sowie die Implementierung einer sog. Anti-Fragmentierungsregelung. Der Steuerpflichtige steht vor Herausforderungen, die zukünftigen Abkommensanpassungen zu identifizieren und Rechtsunsicherheiten zu bewältigen. Der Aufsatz untersucht die neuen Regelungen, betroffene DBA und Konstellationen von Unternehmen mit Lagerbetriebsstätten. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegründung dem Grunde nach.
Die Abkommenspraxis, Lagertätigkeiten vom Betriebsstättenbegriff auszunehmen, wird aufgebrochen. Für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des Art. 5 Abs. 4 Buchst. a OECD-MA 2017 muss eine differenzierte Prüfung zusätzlicher Voraussetzungen erfolgen. Neben der Per se-Ausnahme des OECD-Musterabkommens 2014 werden zwei Konzepte in die DBA implementiert:
Die DBA mit den Niederlanden und Österreich enthalten für die Anwendung der Betriebsstättenausnahme die Zusatzvoraussetzung, dass die Tätigkeiten vorbereitender Art sind oder Hilfstätigkeiten darstellen. Der Wertschöpfungsbeitrag der Lagerhaltung ist hierbei u. a. entscheidend. Besonders Handelsunternehmen mit hochautomatisierten Warenlagern tragen ein erhöhtes Betriebsstättenrisiko. Es ist davon auszugehen, dass, u. a. mit erstmaliger Anwendung des MLI, weitere DBA um diese Regelung ergänzt werden.
Die DBA mit Großbritannien, Australien, Irland und Litauen enthalten die sog. Anti-Fragmentierungsregel, die die künstliche Vermeidung von Betriebsstätten verhindern soll. Hier erfolgt eine Zusammenfassung verschiedener Aktivitäten innerhalb verbundener Unternehmen in einem Vertragsstaat. Praktisch relevant dürften im Besonderen Konstellationen sein, in denen Unternehmen eigene Lager zur Belieferung der ausländischen Tochtervertriebsgesellschaft im anderen Staat betreiben.S. 437