BSG Beschluss v. - B 7 AS 57/23 B

Gründe

1Die allein von dem Kläger, nicht aber von seiner am Berufungsverfahren ebenfalls beteiligten Mutter eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Als Zulassungsgrund wird weder eine grundsätzliche Bedeutung noch ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).

21. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

3Die Beschwerde wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Streitbefangen sind Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Beschwerde formuliert - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - schon keine einzige aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl zu den Anforderungen - juris RdNr 3 mwN). Zudem zeigt die für mehrere Verfahren nahezu gleichlautend verfasste Beschwerdebegründung nicht auf, für welchen Zeitraum gerade in diesem Verfahren welche konkreten Leistungen vom Kläger geltend gemacht werden. Der Senat ist deshalb mangels Eingrenzung des Streitgegenstands nicht in der Lage, Klärungsfähigkeit und Entscheidungserheblichkeit bestimmter Rechtsfragen für das vorliegende Verfahren zu beurteilen.

42. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits - SozR 1500 § 160a Nr 14; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160a RdNr 16 mwN).

5Auch diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger macht geltend, das LSG habe kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt. Insbesondere habe es keine korrekten Hinweise erteilt, keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu den aus Sicht des LSG entscheidungserheblichen Fragen eingeräumt und auch den umfangreichen klägerischen Vortrag in diesem und anderen Verfahren nicht gewürdigt. Auch wenn das Gericht nicht gehalten ist, sich in den Gründen der Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen, ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (stRspr; vgl nur BVerfG <Kammer> vom - 2 BvR 2139/21 - juris RdNr 14 f, auch zum Folgenden; BVerfG <Kammer> vom - 2 BvR 1114/23 - juris RdNr 35). Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG bzw § 62 SGG allerdings nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl nur BVerfG <Kammer> vom - 1 BvR 2933/13 - juris RdNr 12 f mwN). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nur anzunehmen, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falls ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekommen ist. Besondere Umstände liegen etwa vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war. Solche besonderen Umstände werden nicht aufgezeigt. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich vielmehr, dass sich das LSG in seinen Entscheidungsgründen umfassend mit dem klägerischen Vorbringen auseinandergesetzt hat.

6Es besteht zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auch keine allgemeine Pflicht des Gerichts, Hinweise zu seiner Rechtsauffassung zu erteilen, denn diese würde eine tatsächliche und rechtliche Würdigung voraussetzen, die sich regelmäßig erst aufgrund einer abschließenden Beratung ergeben kann (stRspr; vgl etwa - BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 34 f mwN). Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt deshalb erst vor, wenn das Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (stRspr; vgl etwa - NJW 2017, 3218 ff, 3219; - BSGE 118, 239 = SozR 4-3300 § 23 Nr 7, RdNr 37; - juris RdNr 9; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 62 RdNr 8b). Ein hierauf gestützter Verfahrensmangel ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt (vgl zu den Anforderungen etwa - juris RdNr 9). Dem wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht. Sie legt nicht nachvollziehbar dar, warum trotz der vom Kläger angeführten zahlreichen Stellungnahmen, einem langen Erörterungstermin, rechtlichen Hinweisen noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung und einer mündlichen Verhandlung, in der der Kläger anwaltlich vertreten war, die Begründung durch das LSG überraschend gewesen sein könnte.

7Der von der Beschwerde ferner geltend gemachte Aufklärungsmangel (§ 103 SGG) ist ebenfalls nicht anforderungsgerecht aufgezeigt. Es wird nicht dargelegt, dass sich das LSG ausgehend von seiner Rechtsauffassung hätte gedrängt fühlen müssen, prozessordnungsgemäß gestellten Beweisanträgen nachzugehen. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass mit der Beschwerdeschrift weder konkrete Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, benannt werden, noch welches Ergebnis die Beweisaufnahme erbringen könnte, das auch nach der Rechtsauffassung des LSG für dessen Entscheidung von Bedeutung gewesen wäre.

8Soweit der Kläger in Auseinandersetzung mit einzelnen Begründungselementen des LSG geltend macht, diese seien unrichtig, übersieht er, dass eine möglicherweise unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen vermag (stRspr; vgl nur - juris RdNr 6 mwN; - juris RdNr 3).

9Von einer weiteren Begründung der Entscheidung sieht der Senat ab, da diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:140324BB7AS5723B0

Fundstelle(n):
AAAAJ-65387