BGH Beschluss v. - 3 StR 429/23

Instanzenzug: LG Mönchengladbach Az: 21 KLs 12/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

32. Hingegen hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe keinen Bestand (§ 349 Abs. 4 StPO). Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:

„III. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Zugrunde zu legen ist insoweit die Vorschrift des am in Kraft getretenen § 64 StGB in der Fassung vom (BGBl. 2023 I S. 2), die strengere Anforderungen an die Annahme sowohl eines Hangs als auch eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen diesem und einer Anlasstat sowie an die Erfolgsprognose stellt (vgl. zur Intention der Gesetzesänderung auch BR-Drucks. 687/22, S. 78 ff.). Die Neufassung ist mangels einer die Maßregelanordnung erfassenden Übergangsvorschrift gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO im vorliegenden Fall anwendbar (vgl. , BeckRS 2023, 32021).

Diesen Anforderungen, die das Landgericht zum Zeitpunkt seiner Urteilsfassung noch nicht zu beachten hatte, werden die Erwägungen zu der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht gerecht.

Zwar dürften die Voraussetzungen eines Hangs i.S.v. § 64 StGB n.F. noch ausreichend aus den Urteilsfeststellungen hervorgehen, problematisch erscheint aber schon, ob die Taten auf den Hang zurückgehen. Nach neuem Recht genügt eine Mitursächlichkeit des Hangs für die Tatbegehung nicht mehr; vielmehr muss die rechtswidrige Tat nunmehr überwiegend auf den Hang zurückgehen. Dies soll der Fall sein, wenn er mehr als andere Umstände für die Begehung der Anlasstaten ausschlaggebend war; beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen muss der Hang die anderen Ursachen quantitativ überwiegen (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 69). Hier standen die Taten im engeren kausalen Zusammenhang sowohl mit der Drogen- als auch mit der Spielsucht des Angeklagten (UA S. 10). Er befand sich in einer Spirale, die mit einem hohen psychischen Drang einherging, Drogen zu konsumieren und seine Spielsucht fortzusetzen (UA S. 19). Diese Darlegungen lassen offen, ob die Taten überwiegend auf die Drogenabhängigkeit oder auf die Spielsucht zurückgehen.

Schließlich genügt auch die Erfolgsprognose des Landgerichts nicht den strengeren Anforderungen der gesetzlichen Neufassung. Nach § 64 StGB n.F. muss das Erreichen des Behandlungsziels aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten sein. Zu erwarten ist ein Therapieerfolg, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für einen Therapieerfolg gegeben ist (BT-Drucks. 20/5913, S. 69). Seine Überzeugung hat das Gericht in den Urteilsgründen darzulegen. Erforderlich ist insoweit eine richterliche Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstiger maßgebenden Umstände. Jedenfalls in Fällen, in denen sich dies nicht angesichts der Feststellungen von selbst versteht, hat das Gericht näher darzulegen, welche konkret zu benennenden Anhaltspunkte vorliegen, dass es innerhalb des nach § 64 Satz 2 StGB maßgeblichen Zeitraums nicht mehr zur Begehung hangbedingter, erheblicher rechtswidriger Taten kommen wird (BT-Drucks. 20/5913, S. 69).

Hier hat das Landgericht im Wesentlichen darauf abgestellt, dass sich der Angeklagte mit den Auswirkungen seiner Suchtproblematik auf seine Lebensführung kritisch auseinandergesetzt habe und über eine uneingeschränkte Krankheitseinsicht verfüge (UA S. 20). Dies genügt den Anforderungen an die Gesamtwürdigung nicht. Zunächst hätte sich das Landgericht damit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte bereits aufgrund des Urteils des Landgerichts Mönchengladbach vom in einer Entziehungsanstalt untergebracht war (Aussetzung des Rests der Freiheitsstrafe am ), er aber Ende 2022 mit dem exzessiven Konsum von Amphetaminen und Kokain wieder begann (UA S. 4). Auch zwei vorherige Versuche, seinen Drogenkonsum aufzugeben, misslangen (UA S. 3). Die Sachverständige hat zwar die Krankheitseinsicht des Angeklagten bestätigt, jedoch im Hinblick auf die Erfolgsaussicht kritisch gesehen, dass der Angeklagte auf die in der früheren Unterbringung erlernten Verarbeitungsmöglichkeiten nicht zurückgegriffen habe, schnell externalisiere und deshalb mit Schwierigkeiten während der Behandlung zu rechnen sei (UA S. 10). Eine erfolgreiche Behandlung des Angeklagten sei aber ‚eher wahrscheinlich‘. Angesichts dieser prognoseungünstigen Umstände wäre hier näher zu begründen gewesen, warum hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen Therapieerfolg vorliegen und eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für einen Therapieerfolg besteht. Allein die vom Angeklagten geäußerte Therapiebereitschaft genügt insoweit nicht.

Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Aufhebung unterliegt auch die mit der Maßregel untrennbar zusammenhängende Entscheidung über den Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe. Insoweit wird die geänderte Fassung des § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB zu beachten sein (vgl. ).“

4Dem schließt sich der Senat an.

53. Die dem Maßregelausspruch zugehörigen Feststellungen sind aufzuheben, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:060324B3STR429.23.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-64273