BSG Beschluss v. - B 7 AS 186/23 BH

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - fehlende Klärungsbedürftigkeit - Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Kosten für eine Hausratversicherung - Verfahrensmangel - Verbindung von Verfahren nach § 113 Abs 1 SGG - Zurückweisung eines Befangenheitsantrags zu Beginn der mündlichen Verhandlung unter Beteiligung des abgelehnten Richters - Recht auf den gesetzlichen Richter)

Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 113 Abs 1 SGG, § 172 Abs 2 SGG, § 177 SGG, § 202 S 1 SGG, § 557 Abs 2 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 22 Abs 1 S 1 SGB 2

Instanzenzug: Az: S 40 AS 1215/21 Gerichtsbescheidvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 15 AS 164/22 Urteil

Gründe

1Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen kann nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers, auch aus dem Schriftsatz vom , keiner mit Erfolg im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden.

2Der Frage, ob das Jobcenter Kosten für eine Hausratversicherung zu übernehmen hat, zu deren Abschluss der Kläger mietvertraglich verpflichtet war, kommt vor dem Hintergrund der Entscheidung des - SozR 4-4200 § 22 Nr 116) keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Das BSG hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass zum grundsicherungsrechtlichen Unterkunftsbedarf auch solche Zahlungsverpflichtungen gehören können, die ein Mieter aufgrund wirksamer mietvertraglicher Vereinbarung gegenüber Dritten einzugehen hat, soweit ein hinreichend enger sachlicher Zusammenhang zur Anmietung der Wohnung vorhanden ist und die Aufwendungen nicht dem Grunde nach bereits im Regelbedarf enthalten sind. Den engen sachlichen Bezug zur Anmietung der Wohnung hat das LSG vorliegend deshalb verneint, weil nach Maßgabe seiner Feststellungen die vom Kläger abgeschlossene Hausratversicherung keine Schäden an vom Vermieter in die Wohnung eingebrachten Sachen umfasst. Deshalb dürften sich auch Fragen einer ggf nur anteiligen Übernahmemöglichkeit entsprechender Kosten nicht stellen (BSG aaO RdNr 24). Gleiches gilt hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit entsprechender mietvertraglicher Klauseln, die sich von vornherein nur auf Verträge mit Bezug zur Mietsache beziehen können. Soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe in der Sache falsch entschieden, weil es die genannte Entscheidung des BSG missachtet bzw falsch ausgelegt habe, vermag dieser Vortrag eine grundsätzliche Bedeutung und die Zulassung der Revision nicht zu begründen. Denn Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (stRspr; vgl nur - SozR 1500 § 160a Nr 7).

3Da das LSG seine Entscheidung auf die des ) gestützt hat, verspricht auch eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg.

4Anders als der Kläger meint, werden auch Verfahrensrügen nicht mit Erfolg geltend gemacht werden können. Solche ergeben sich nicht aus der Entscheidung des LSG, die vom Kläger geführten Verfahren zu verbinden. Die Entscheidung über eine Verfahrensverbindung nach § 113 Abs 1 SGG ist einer Überprüfung durch das BSG grundsätzlich entzogen (vgl § 172 Abs 2 SGG). Sie kann allenfalls dann einen Verfahrensmangel darstellen, wenn sie willkürlich, ohne sachlich vernünftigen Grund beschlossen wurde oder wenn ein Beteiligter hierdurch in der Wahrung seiner Rechte beeinträchtigt worden ist (vgl B 7a AL 162/05 B - juris; - juris). Ansatzpunkte hierfür sind nicht erkennbar.

5Auch liegt kein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) in der Ablehnung des klägerischen Befangenheitsantrags zu Beginn der mündlichen Verhandlung des LSG und der Entscheidung unter Beteiligung des abgelehnten Richters. Nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen der Beurteilung des Revisionsgerichts grundsätzlich dann nicht, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind (§ 177 SGG), was bei Beschlüssen des LSG, durch die ein Ablehnungsgesuch zurückgewiesen wird, gegeben ist. Daher kann die Zurückweisung grundsätzlich auch nicht als Verfahrensmangel des angefochtenen Urteils mit Erfolg geltend gemacht werden ( - juris RdNr 5; vgl - juris RdNr 6; - juris RdNr 16). Die Bindung des Revisionsgerichts fehlt nur dann, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, oder wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat. Solche Gesichtspunkte sind vorliegend nicht zu erkennen. Das LSG hat, nachdem der Kläger eine schriftliche Erklärung abgegeben hatte, in der er den Vorsitzenden Richter ablehnte, die Sitzung unterbrochen und der abgelehnte Richter hat eine dienstliche Stellungnahme abgegeben, die dem Kläger zur Kenntnis gegeben worden ist. Sodann hat das Gericht ohne den abgelehnten Richter über den Befangenheitsantrag entschieden und diesen zurückgewiesen. Danach ist der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung wieder zur Verhandlung zusammengetreten.

6Das LSG war auch nach dem Inhalt des Schreibens des Klägers vom nicht gehalten, den für den anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, denn einen iS des § 202 SGG iVm § 227 Abs 1 ZPO erheblichen Grund für die Verlegung hat der Kläger darin nicht geäußert.

7Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

8Die vom Kläger ohne zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf hat das LSG den Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu verwerfen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2023:311023BB7AS18623BH0

Fundstelle(n):
LAAAJ-61173