BSG Beschluss v. - B 9 BL 1/21 B

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - unterlassene Verfahrensverbindung - grundsätzlich kein revisibler Verfahrensfehler - Ausnahme bei Willkür oder Beeinträchtigung von Verfahrensrechten - Darlegungsanforderungen

Gesetze: § 113 Abs 1 SGG, § 172 Abs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG

Instanzenzug: Az: S 25 BL 9/16 Urteilvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 9 BL 2/19 Urteil

Gründe

1I. Die Klägerin wendet sich in der Hauptsache gegen die Entziehung des Nachteilsausgleichs für Gehörlose nach dem Sächsischen Landesblindengeldgesetz (LBlindG).

2Mit Urteil vom hat das LSG - anders als zuvor das ) - die Entziehung des Nachteilsausgleichs für Gehörlose nach dem LBlindG gegenüber der Klägerin als rechtmäßig bewertet, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs 4 LBlindG wegen einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse iS von § 48 SGB X nicht mehr vorlägen. Es bestehe kein Grad der Behinderung (GdB) von 100 allein wegen der Taubheit und der mit der Taubheit einhergehenden schweren Störung des Spracherwerbs mehr (Hinweis auf das Urteil des LSG vom selben Tag zum Az L 9 SB 18/19).

3Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser am zugestellten Entscheidung hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit einem am eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Beschwerde zum BSG eingelegt und diese mit Schriftsatz vom (eingegangen am ) begründet. Die Entscheidung des LSG leide unter Verfahrensmängeln. Denn es habe das SG-Urteil im hiesigen Verfahren mit der Begründung aufgehoben, dass aufgrund der Aufhebung des Urteils des SG im Berufungsverfahren über die Herabsetzung des GdB von 100 auf 80 (L 9 SB 18/19) die Voraussetzungen für die Gewährung des Nachteilsausgleichs für Gehörlose nicht mehr vorlägen. Diese Entscheidung des LSG sei aber nur im Kontext mit der Entscheidung über den GdB der Klägerin im Parallelverfahren möglich gewesen. Gemäß § 113 Abs 1 SGG hätte insofern eine Verbindung der beiden Verfahren erfolgen müssen.

4II. 1. Die Beschwerde der Klägerin ist bereits unzulässig, weil diese nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten nach der am erfolgten Zustellung des Urteils begründet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 1 SGG). Die Beschwerde ist beim BSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils des LSG einzulegen (§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG), vorliegend somit bis zum . Dies ist mit dem am beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag auch erfolgt. Die Beschwerdebegründungsfrist lief deshalb am (Montag) ab (§ 64 Abs 3 SGG), sodass die am mit Schriftsatz vom beim BSG eingegangene Begründung verfristet war. Ein Antrag nach § 160a Abs 2 Satz 2 SGG auf Verlängerung der Begründungsfrist hat die Klägerin im hiesigen Verfahren nicht gestellt.

52. Ungeachtet des Ablaufs der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde genügt die von der Klägerin vorgelegte Begründung aber auch nicht den gesetzlichen Anforderungen. Denn sie hat einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Insofern kann es auch dahingestellt bleiben, ob der Klägerin wegen der Versäumung eines fristgerechten Antrags auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist nach § 160a Abs 2 Satz 2 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs 1 SGG) und damit eine Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren ist.

6Die Klägerin beanstandet, das LSG hätte dieses Verfahren nach § 113 Abs 1 SGG mit dem (Parallel-)Verfahren gegen die Herabsetzung des GdB von 100 auf 80 (L 9 SB 18/19) verbinden müssen, um ihr wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewähren. Indes ist die Entscheidung über eine Verfahrensverbindung nach § 113 Abs 1 SGG einer Überprüfung durch das BSG grundsätzlich entzogen (vgl § 172 Abs 2 SGG). Das Unterlassen einer Verbindung begründet zudem regelmäßig auch keinen Verfahrensmangel, auf dem die Sachentscheidung beruhen kann (vgl - juris RdNr 13; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 113 RdNr 3). Sie kann allenfalls dann mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden, wenn diese Mängel rügt, die als Folge der unterlassenden Verbindung dem angefochtenen Urteil selbst anhaften (vgl 8 B 32.10 - juris RdNr 19; Leopold in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl 2021, § 113 RdNr 37, jeweils mwN). Dies mag dann der Fall sein, wenn sie willkürlich nicht erfolgt ist, ohne sachlich vernünftigen Grund nicht beschlossen wurde oder wenn ein Beteiligter hierdurch in der Wahrung seiner Rechte beeinträchtigt worden ist (vgl B 7a AL 162/05 B - juris RdNr 6). Solche Mängel zeigt die Klägerin aber nicht auf. Vielmehr räumt sie selbst ein, dass das hier angefochtene Urteil des LSG "in sich schlüssig" sei. Dass die Verbindung der beiden Rechtsstreitigkeiten vom LSG willkürlich nicht erfolgt oder die Klägerin ohne ihre Verbindung in der Wahrung ihrer Rechte beeinträchtigt worden sei, trägt sie ebenfalls nicht substantiiert vor. Die Klägerin behauptet nicht, dass sie durch die nicht erfolgte Verbindung der beiden Rechtsstreitigkeiten ihre prozessualen Rechte nicht habe wahrnehmen können. Vielmehr hat sie gegen beide LSG-Entscheidungen Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG einlegen können und auch eingelegt.

7Soweit die Klägerin darüber hinaus rügt, dass das angefochtene Urteil trotz seiner Schlüssigkeit "i.E. fehlerhaft" sei, weil es "auf der falschen Entscheidung im Parallelverfahren" beruhe, wendet sie sich gegen die Rechtsanwendung des LSG in ihrem Einzelfall und greift damit die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung an. Hierauf kann jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl stRspr; zB BH - juris RdNr 10; - juris RdNr 14, jeweils mwN).

8Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

93. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).

104. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.Kaltenstein                                            Röhl                                                                  Othmer

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2022:130122BB9BL121B0

Fundstelle(n):
UAAAI-57723