BGH Beschluss v. - 4 StR 17/24

Instanzenzug: Az: 35 KLs 2/23

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls, „vorsätzlicher“ Körperverletzung und Nötigung unter Einbeziehung der rechtskräftigen Geldstrafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat das Landgericht ausgesprochen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwei Monate der Strafe als bereits vollstreckt gelten. Die auf die nicht ausgeführte Formalrüge und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

32. Der Rechtsfolgenausspruch kann insgesamt nicht bestehen bleiben.

4a) Der Strafausspruch weist einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf, denn der Gesamtfreiheitsstrafe liegen über die einbezogene Geldstrafe hinaus keine Einzelstrafen zugrunde. Deren Festsetzung für die abgeurteilten Taten hat die Strafkammer unterlassen. Damit beruht die Gesamtstrafe rechtsfehlerhaft nicht auf einem eigenständigen Zumessungsakt des Tatgerichts nach Maßgabe von § 54 Abs. 1 bis 3 StGB (vgl. hierzu Rn. 9; Beschluss vom – 4 StR 585/17 Rn. 4).

5b) Die Kompensationsentscheidung des Landgerichts erweist sich unter den hier gegebenen Umständen ebenfalls als rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat allein den Verfahrensablauf seit der Anklage vom in den Blick genommen, die jedoch nur die Tat vom betrifft. Nicht bedacht hat es hingegen, dass Anklage wegen des weiteren Tatgeschehens vom bereits unter dem erhoben worden war.

6c) Der gesamte Rechtsfolgenausspruch beruht jedenfalls nicht ausschließbar auf den aufgezeigten Rechtsfehlern (§ 337 StPO). Die Festsetzung der Einzelstrafen, der das Verschlechterungsverbot nicht entgegensteht (vgl. Rn. 2; Beschluss vom – 2 StR 606/97 Rn. 4), hat wie die erneute Bemessung der Gesamtstrafe sowie einer Kompensation durch das neue Tatgericht zu erfolgen. Der Senat hebt auch die dem Rechtsfolgenausspruch zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um widerspruchsfreie neue Feststellungen insbesondere zu den für die Gesamtstrafenbildung relevanten Vorverurteilungen und zum Verfahrensablauf zu ermöglichen.

73. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

8Das neue Tatgericht wird bei der Prüfung der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB u. a. die Tatzeitpunkte und den Vollstreckungsstand der rechtskräftigen Vorverurteilungen der Angeklagten in den Blick zu nehmen haben. Beide Umstände sind – soweit relevant – jeweils auch in den Urteilsgründen mitzuteilen, um dem Revisionsgericht die sachlich-rechtliche Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. nur Rn. 5; Beschluss vom – 3 StR 386/17 Rn. 5).

9Für die neue Gesamtstrafenbildung ist der Vollstreckungsstand der rechtskräftigen Strafen zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils () maßgebend (vgl. etwa Rn. 4). Auf diesem Hintergrund wird das neue Tatgericht auch zu prüfen haben, ob dem Strafbefehl vom – der nach den bisherigen Feststellungen bei noch nicht erfolgter Vollstreckung seit dem rechtskräftig ist – eine Zäsurwirkung zukommt (vgl. näher Rn. 3; Beschluss vom – 4 StR 518/19 Rn. 3 mwN). Dies hängt von der dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmenden Tatzeit in dieser Sache ab. Auch im Fall einer von der Ausgangsentscheidung abweichenden Gesamtstrafenbildung ist zudem das Augenmerk auf das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu richten; es hat im Falle einer fehlerhaften nachträglichen Gesamtstrafenbildung zur Folge, dass der Angeklagten ein hierdurch erlangter Vorteil auf ihr Rechtsmittel hin nicht mehr genommen werden darf (vgl. Rn. 5 mwN). Wären nunmehr etwa infolge der in dem angefochtenen Urteil festgestellten Vorverurteilungen mehrere Gesamtfreiheitsstrafen zu bilden, dürfte daher deren Summe – unter Beibehaltung einer Strafaussetzung zur Bewährung – die Höhe der im ersten Rechtsgang verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren nicht übersteigen (vgl. hierzu Rn. 6; Beschluss vom – 5 StR 156/91 Rn. 3).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140224B4STR17.24.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-61134