BGH Beschluss v. - 4 StR 321/22

Ausspruch über Gesamtfreiheitsstrafe bei Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus Vorverurteilung

Gesetze: § 55 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Essen Az: 27 KLs 1/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, von der es zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer einen Monat als vollstreckt erklärt hat. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt einen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe hat keinen Bestand.

3a) Ist die neu abzuurteilende Tat zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach der Regelung des § 55 Abs. 1 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus der Strafe für die neu abzuurteilende Tat und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 3; Beschluss vom – 4 StR 25/19 Rn. 11; jew. mwN). Einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB steht in diesem Fall die von der ersten Vorverurteilung ausgehende Zäsurwirkung entgegen. Diese entfiele nur, wenn die der ersten Vorverurteilung zugrundeliegende Strafe bereits vor der zweiten Vorverurteilung – etwa infolge vollständiger Vollstreckung der Strafe – erledigt wäre (vgl. , BGHR StPO § 460 Anwendung 1). Ist dies nicht der Fall, so kommt der zweiten Vorverurteilung, wenn die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. Rn. 5). Dies gilt unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet wurde oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann (vgl. Rn. 3 mwN).

4b) Eine nach diesen Maßgaben rechtsfehlerfreie Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

5Das Landgericht hat Taten des Angeklagten vom und abgeurteilt und in die Gesamtfreiheitsstrafe die mit Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom verhängte Bewährungsstrafe einbezogen, der eine Diebstahlstat vom zugrunde liegt. Die Urteilsgründe teilen jedoch den Vollstreckungsstand der in den Jahren 2018 und 2019 gegen den Angeklagten festgesetzten Geldstrafen und insbesondere der am nachträglich gebildeten Gesamtgeldstrafe nicht mit. Der Senat vermag daher nicht zu überprüfen, ob einer der früheren Vorverurteilungen eine Zäsurwirkung beizumessen ist. Eine solche stünde der Einbeziehung der rechtskräftigen Bewährungsstrafe in die hier verhängte Gesamtfreiheitsstrafe entgegen, sollte beim Erlass des Strafbefehls am eine Gesamtstrafenlage mit einer damals nicht erledigten Geldstrafe oder mit den Einzelstrafen aus der noch unerledigten Gesamtgeldstrafe bestanden haben.

62. Der Senat macht von § 354 Abs. 1b StPO Gebrauch, der die Möglichkeit eröffnet, das Tatgericht auf eine Entscheidung im Beschlusswege nach §§ 460, 462 StPO zu verweisen (vgl. Rn. 7; Beschluss vom – 4 StR 494/17 Rn. 6). Diesem Beschlussverfahren bleibt auch die abschließende Kostenentscheidung vorbehalten. Von der Teilaufhebung unberührt ist die Entscheidung der Strafkammer über die Kompensation wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:270922B4STR321.22.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-24099