BGH Beschluss v. - VIa ZR 91/22

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 13 U 94/21vorgehend LG Osnabrück Az: 6 O 3554/20

Gründe

I.

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Der Kläger kaufte zu einem Teil finanziert über ein Darlehen am von einem Händler einen gebrauchten Škoda Octavia, der mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 288 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Die Abgasrückführung erfolgt in Abhängigkeit von der Temperatur (Thermofenster). Zwischen den Parteien ist streitig, ob in den Motor eine Prüfstanderkennung mit Folgen für die Abgasrückführung in Form einer Fahrkurvenerkennung implementiert ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) untersuchte Motoren der Baureihe EA 288, veranlasste aber keinen Rückruf des vom Kläger erworbenen Kraftfahrzeugs.

3Der Kläger hat von der Beklagten in den Vorinstanzen erfolglos im Wesentlichen verlangt, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Begehren weiter.

II.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - wie folgt begründet:

5Ein Anspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB sei nicht gegeben. Der Kläger müsse im Rahmen der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung im Sinne des § 826 BGB durch die Beklagte darlegen. Der Vortrag des Klägers zur Sittenwidrigkeit wegen eines in dem Fahrzeug verbauten Thermofensters und einer Prüfstandserkennung/Fahrkurvenerkennung sei angesichts des Umstands, dass das KBA Motoren der Baureihe EA 288 seit 2016 intensiv untersucht habe, seitdem sowohl von dem Vorhandensein des Thermofensters als auch der Fahrkurvenerkennung wisse und dennoch wegen der fehlenden Grenzwertkausalität das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtung verneine, unbeachtlich, weil "ins Blaue hinein" gehalten. Selbst bei objektiver Rechtswidrigkeit der eingesetzten Funktionen habe die Beklagte bei Inverkehrbringen des Fahrzeugs im Jahre 2017 eine sittenwidrige Schädigung des Klägers nicht billigend in Kauf genommen. Im Übrigen sei auch aufgrund der durch das KBA erteilten unbeschränkt gültigen EG-Typgenehmigung ein verwerfliches Verhalten der Beklagten im hier zu entscheidenden Fall nicht anzunehmen. Der EG-Typgenehmigung komme Tatbestandswirkung zu. Einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV hat das Berufungsgericht nicht geprüft.

III.

6Die Revision wird durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen sein, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

71. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg vom (8 U 68/20, juris) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Ein Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO besteht indessen nicht. Die Rechtssache hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (, juris Rn. 3; Beschluss vom - VIa ZR 334/21, juris Rn. 12) weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom ist durch Urteil des VII. Zivilsenats vom (VII ZR 412/21, juris) aufgehoben worden.

82. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

9a) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu einer Haftung der Beklagten nach §§ 826, 31 BGB halten im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

10aa) Das Berufungsgericht hat zwar rechtsfehlerhaft eine Haftung der Beklagten wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung des Klägers gemäß § 826 BGB unter Hinweis auf die Tatbestandswirkung der EG-Typgenehmigung verneint. Die Tatbestandswirkung einer EG-Typgenehmigung kann einem Anspruch des Klägers auf Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB nicht entgegengehalten werden ( VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 10 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).

11bb) Selbständig tragend und zutreffend hat das Berufungsgericht jedoch eine Haftung der Beklagten nach §§ 826, 31 BGB zusätzlich mit dem Hinweis verneint, es fehle an prozessual beachtlichem Vortrag des Klägers zu seiner sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung.

12Soweit das Berufungsgericht den Einbau eines Thermofensters im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. dazu , WM 2023, 1839 Rn. 12; Beschluss vom - VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 13, 16 ff.) nicht als Anknüpfungspunkt einer Haftung der Beklagten nach §§ 826, 31 BGB gewählt hat, erhebt die Revision keine Einwände.

13Doch auch im Hinblick auf die Fahrkurvenerkennung, deren Implementierung revisionsrechtlich zu unterstellen ist, hat das Berufungsgericht mit Recht einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB verneint. Es ist auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellung, das KBA habe Motoren der Baureihe EA 288 untersucht und die Fahrkurvenerkennung nicht beanstandet, zu der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Würdigung gelangt, dass es an einer Täuschung der Genehmigungsbehörde im Rahmen des EG-Typgenehmigungsverfahrens fehle (vgl. , juris Rn. 9).

14Soweit die Revision mit einer Verfahrensrüge beanstandet, das Berufungsgericht habe klägerischen Vortrag zur Prüfstandsbezogenheit der Fahrkurvenerkennung übergangen, übersieht sie, dass das Berufungsgericht unterstellt hat, dass durch die Fahrkurvenerkennung die "Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems" aktiviert, verändert, verzögert oder deaktiviert werde, "wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert" werde (Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007), aber aufgrund einer Auskunft des KBA - bei der Subsumtion unter §§ 826, 31 BGB rechtsfehlerfrei (vgl. näher VIa ZR 621/22, juris Rn. 10 mwN) - davon ausgegangen ist, die Fahrkurvenerkennung sei nicht grenzwertkausal. Dass der Kläger dazu abweichend vorgetragen und Beweis angeboten habe, zeigt die Revision nicht auf. Im Übrigen wird von einer Begründung gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

15b) Eine Haftung der Beklagten als bloßer Motorherstellerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV kommt auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung ( VIa ZR 1119/22, WM 2023, 1530 Rn. 20 f.) in dem hier zur Entscheidung gestellten Fall nicht in Betracht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:041223BVIAZR91.22.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-60579