Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 1 KLs 99/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen schweren Raubes und zweier Fälle des versuchten schweren Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit versuchtem schweren Bandendiebstahl, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt, von der vier Monate als bereits vollstreckt gelten. Es hat die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 58 € gegen den Angeklagten sowie verschiedener Gegenstände angeordnet. Der Mitangeklagte A. ist wegen Beihilfe zum schweren Raub und zweier Fälle der Beihilfe zum versuchten schweren Wohnungseinbruchdiebstahl und zum versuchten schweren Bandendiebstahl sowie in einem der Fälle zur Bedrohung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen einigte sich der Angeklagte R. mit dem Mitangeklagten A. und zwei anderen, künftig eine noch unbestimmte Anzahl von Einbruchdiebstählen in private Wohnhäuser zu begehen. Der Angeklagte verfügte als einziger über eine Fahrerlaubnis, fungierte als Fahrer und schlug zwei ihm anderweitig bereits bekannte Gebäude als Tatobjekte vor. Die beiden gesondert Verfolgten führten die - teils nicht vollendeten - Einbruchdiebstähle aus und wurden in ihrer Entschlossenheit durch den die Fahrten begleitenden Mitangeklagten bestärkt.
31. Am fuhr der Angeklagte die anderen drei zu einem Wohnhaus. Die beiden gesondert Verfolgten hebelten die Eingangstür mit einem Brecheisen auf und betraten das Haus. Einer von ihnen bedrohte die Bewohnerin mit einer mitgeführten Schreckschusspistole, während der andere das Haus durchsuchte und schließlich rund 2.300 € Bargeld, eine Stange Zigaretten und Weiteres mitnahm. Der Angeklagte erhielt von der Beute jedenfalls 50 € und eine Schachtel Zigaretten im Wert von 8 € (unter II. 1. der Urteilsgründe).
42. Am fuhr der Angeklagte mit den drei Weiteren und noch einer Person zu einem anderen Wohnhaus. Drei gesondert Verfolgte begaben sich dorthin, und einer hebelte mit einem Brecheisen ein Wohnzimmerfenster auf. Als die durch den Lärm alarmierte Hausbewohnerin hinzukam, sagte einer der Männer zu ihr: „Hau ab, oder ich bringe dich um.“ Nachdem ihr Lebensgefährte unterstützend herbeigeeilt war, sprühte sie Pfefferspray in Richtung der Täter, die sodann flüchteten (unter II. 2. der Urteilsgründe).
53. Am wollte die Vierergruppe erneut eine Tat begehen. Der Angeklagte fuhr sie zu einem Einfamilienhaus. Die beiden gesondert Verfolgten kletterten über den 2,2 Meter hohen Metallzaun auf das Grundstück, gingen zur Terrassentür und schauten ins Haus. Da der Bewohner sie bemerkt hatte, verständigte er die Polizei. Als die Eindringlinge die sich rasch nähernden Polizeiwagen bemerkten, flüchteten sie (unter II. 3. der Urteilsgründe).
6II. Die umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge führt zu einer Änderung des Schuldspruchs in Bezug auf die Tat unter II. 2. der Urteilsgründe - auch hinsichtlich des Mitangeklagten -, der Ergänzung der Einziehung des Wertes von Taterträgen um eine gesamtschuldnerische Haftung und der Aufhebung des gesamten den Angeklagten betreffenden Strafausspruchs. Im Übrigen hat sich kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
71. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen werden durch die Beweiswürdigung belegt. Diese tragen den Schuldspruch mit Ausnahme der tateinheitlichen Verurteilung wegen Bedrohung, der hier die versuchte Nötigung vorgeht.
8a) Bei dem Geschehen unter II. 2. der Urteilsgründe verwirklichten der Täter und der mittäterschaftlich handelnde Angeklagte den Tatbestand der versuchten Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 bis 3, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB durch die Bedrohung der Bewohnerin mit dem Tode, um sie - letztlich erfolglos - dazu zu bringen, sich zurückzuziehen. Hinter die versuchte Nötigung tritt jedenfalls die Bedrohung nach § 241 Abs. 1 StGB in der bis zum geltenden Fassung zurück (s. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 477/89, BGHR StGB § 240 Abs. 3 Konkurrenzen 2; vom - 3 StR 282/17, juris Rn. 1; vom - 3 StR 161/22, juris Rn. 4 mwN; vgl. zur neuen Rechtslage , BGHR StGB § 241 Abs. 2 Konkurrenzen 1). In Tateinheit zu der versuchten Nötigung treten der versuchte schwere Einbruchdiebstahl und der versuchte schwere Bandendiebstahl hinzu (§ 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 4, § 244a Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, § 52 StGB; zum Verhältnis zwischen schwerem Wohnungseinbruch- und Bandendiebstahl s. etwa , NStZ-RR 2022, 108 mwN).
9Der Senat ändert den Schuldspruch, auch in Bezug auf den Mitangeklagten (§ 357 StPO), entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte bei einem Hinweis nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
10b) Nach den getroffenen Feststellungen unter II. 3. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte insoweit wegen versuchten schweren Einbruchdiebstahls in Tateinheit mit versuchtem schweren Bandendiebstahl strafbar gemacht. Entgegen der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Wertung ist ein unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB gegeben.
11aa) Ein unmittelbares Ansetzen liegt nicht erst dann vor, wenn der Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands verwirklicht. In den Bereich des Versuchs einbezogen ist ein für sich gesehen noch nicht tatbestandsmäßiges Handeln, soweit es nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals räumlich und zeitlich unmittelbar vorgelagert ist oder nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Ein wesentliches Abgrenzungskriterium ist das aus der Sicht des Täters erreichte Maß konkreter Gefährdung des geschützten Rechtsguts. Die Dichte des Tatplans kann für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium ebenfalls Bedeutung gewinnen. So sind Handlungen, die keinen tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden, nicht als der Annahme unmittelbaren Ansetzens entgegenstehende Zwischenakte anzusehen (s. , BGHR StGB § 22 Ansetzen 38 Rn. 8 f. mwN; vgl. zum Versuchsbeginn bei § 244a StGB , NStZ 2015, 207 f.; Hoven/Hahn, NStZ 2021, 588; Murmann, NStZ 2022, 201). Mittäter treten einheitlich in das Versuchsstadium ein, sobald auch nur einer von ihnen zu der tatbestandlichen Ausführungshandlung ansetzt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 268/89, BGHSt 36, 249, 250; vom - 4 StR 223/21, juris Rn. 15).
12bb) Hieran gemessen ist den Feststellungen ein unmittelbares Ansetzen zu entnehmen. Nach der Vorstellung der Täter wollten sie in das Einfamilienhaus einbrechen, nachdem sie dazu den umgebenden Zaun überklettert und die Terrassentür erreicht hatten. Es ging ihnen nicht etwa darum, zunächst das Haus näher auszukundschaften, ob es ein lohnenswertes Objekt darstellt, sondern sie hatten sich nach einigem Umherfahren bereits entschlossen, das Gebäude anzugehen und daraus Sachen zu entwenden. Das noch erforderliche Aufbrechen der Tür stellte hier demnach keinen eigenständigen Zwischenakt dar, sondern stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wegnahme von Gegenständen, die sich nach der Planung sofort anschließen sollte. Angesichts des beabsichtigten fortlaufenden Geschehens war zu diesem Zeitpunkt das geschützte Rechtsgut bereits gefährdet. Hierfür ist letztlich nicht entscheidend, ob stets bereits beim Übersteigen eines Gartenzauns, dem - wie hier - eine gewahrsamssichernde Funktion zukommt, ein unmittelbares Ansetzen anzunehmen ist, wenn der Täter in der Absicht handelt, in ein dahinterliegendes Haus einzubrechen (vgl. dazu , BGHSt 65, 15 Rn. 8 mwN).
13Dass die gesondert Verfolgten beim Herantreten an die Terrassentür keine Brecheisen („Kuhfüße“) mit sich führten, sondern lediglich einen Schraubendreher, steht einem unmittelbaren Ansetzen nicht entgegen. So ergibt sich aus den Feststellungen, dass die Täter das Werkzeug bei sich hatten, um gewaltsam in das Haus einzudringen. Mithin gingen sie ersichtlich davon aus, die Tür mittels des Schraubendrehers öffnen zu können. Dass ihr Vorhaben möglicherweise hätte scheitern können, ist dem Versuch immanent und ändert nichts an der aus ihrer Perspektive direkt bevorstehenden Tatbestandsverwirklichung.
142. Der Angeklagte haftet hinsichtlich der angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) als Gesamtschuldner, da er einen Teil der von zwei Mittätern erbeuteten Gegenstände ausgehändigt erhielt und somit weitere Tatbeteiligte Mitverfügungsgewalt über die Beute erlangt hatten. Um eine doppelte Inanspruchnahme zu vermeiden, ist die gesamtschuldnerische Haftung in der Entscheidungsformel zu kennzeichnen; der individuellen Benennung des anderen Gesamtschuldners bedarf es dabei nicht (s. etwa , wistra 2021, 238 Rn. 2). Der Senat holt dies entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nach.
153. Der den Angeklagten betreffende Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand, weil sich die Urteilsgründe nicht zu einer möglichen Strafmilderung nach § 46b StGB verhalten, obschon dazu Anlass bestanden hat.
16Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung die Zeugenaussagen zweier Mittäter besonders kritisch hinterfragt, da diese darüber verärgert gewesen seien, „dass der Angeklagte R. damals zur Polizei gegangen ist und eine insbesondere auch sie beide belastende Aussage gemacht hat“. Bei der Strafzumessung hat es allgemein strafmildernd berücksichtigt, dass sich der Angeklagte „bereits gegenüber der Polizei teilweise geständig gezeigt und dabei seine Mittäter belastet hat“.
17Demnach liegt es nahe, dass die Voraussetzungen des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StGB, § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. j StPO gegeben sind. Das Landgericht hätte daher eine - zusätzliche - Strafrahmenverschiebung nach § 46b Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 StGB in den Blick nehmen müssen. Eine solche scheidet nicht von vornherein aus dem Grund aus, dass der Angeklagte sich nicht umfassend im Sinne der getroffenen Feststellungen geständig eingelassen hat. Dies kann lediglich in die dem Tatgericht vorbehaltene Ermessensausübung einbezogen werden (s. etwa , wistra 2022, 511 Rn. 20 mwN). Letztlich ist nicht auszuschließen, dass sich die etwaige Annahme einer Aufklärungshilfe auf jede Einzelstrafe für die als Bandenmitglied in einer laufenden Serie begangenen Taten (vgl. zum erforderlichen Zusammenhang BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 141/20, NStZ 2021, 285 Rn. 5; vom - 5 StR 332/23, juris Rn. 8 mwN) sowie auf die Gesamtstrafe ausgewirkt hätte.
184. Die getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie durch die Gesetzesverletzung nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Zu dem Aufklärungsbeitrag des Angeklagten vor der Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn (§ 46b Abs. 3 StGB) sind ergänzende Feststellungen möglich und geboten.
195. Die Aufhebung des Strafausspruchs lässt die Kompensationsentscheidung unberührt, die keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 138/20, juris Rn. 8; vom - 3 StR 214/15, StraFo 2015, 481, 482).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:121223B3STR422.23.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-58825