BAG Urteil v. - 9 AZR 39/23

Tarifvertragsauslegung - Urlaubstarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen im Deutschlandfunk - Berechnung Urlaubsvergütung - Wiederholungsvergütung

Gesetze: § 1 BUrlG, § 2 S 2 BUrlG, § 3 BUrlG, § 9 TVG, § 1 TVG

Instanzenzug: Az: 1 Ca 3376/21 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 4 Sa 71/22 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten im Rahmen einer Verbandsklage darüber, wie das tarifliche Urlaubsentgelt für arbeitnehmerähnliche Personen bei der Beklagten zu berechnen ist.

2Die Beklagte ist eine gemeinnützige Körperschaft des öffentlichen Rechts und veranstaltet drei nationale Rundfunkprogramme mit den Schwerpunkten Information, Bildung und Kultur. Die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. (im Folgenden: die klagenden Gewerkschaften) sind die bei der Beklagten vertretenen Gewerkschaften.

3Die Beklagte beauftragt regelmäßig freiberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Grundlage von Werkverträgen mit der Erstellung von Programmbeiträgen, die dem Geltungsbereich des zwischen den Parteien geschlossenen Tarifvertrags für arbeitnehmerähnliche Personen im Deutschlandfunk vom idF vom 10. Februar/ (TVaäP) unterfallen. Im TVaäP heißt es auszugsweise:

4Der zwischen den Parteien geschlossene Urlaubstarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen im Deutschlandfunk vom in der Fassung vom (TV Urlaub) bestimmt ua.:

5An den Programmbeiträgen der beauftragten freiberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwirbt die Beklagte Nutzungsrechte, die ihr eine umfassende Nutzung und Verwertung erlauben. Für die nochmalige Ausstrahlung von Produktionen zahlt die Beklagte Wiederholungsvergütungen. Die Einzelheiten sind in dem zwischen den Parteien vereinbarten Tarifvertrag über die Urheberrechte arbeitnehmerähnlicher Personen im Deutschlandradio vom idF vom (UrhTV) geregelt. Dieser bestimmt ua.:

6Bis einschließlich 2017 berücksichtigte die Beklagte Wiederholungsvergütungen bei der Berechnung der Urlaubsvergütung für arbeitnehmerähnliche Personen. Mit Rundschreiben an ihre freiberuflichen Mitarbeiter vom kündigte sie im Zusammenhang mit einem Systemwechsel bei der Honorarabrechnung an, „Wiederholungshonorare“ künftig nicht mehr in die Berechnung tariflicher Sozialleistungen einzubeziehen, da diese in steuerrechtlicher Hinsicht nicht zu den Honoraren gehörten, sondern als Lizenzen abzurechnen seien.

7Die klagenden Gewerkschaften haben die Auffassung vertreten, Wiederholungshonorare, die sich erheblich auf die Gesamteinkünfte arbeitnehmerähnlicher Personen auswirkten, seien als „Summe der Entgelte“ gemäß Nr. 3.1 TV Urlaub in die Berechnung des Urlaubsentgelts einzubeziehen. Dies entspreche dem Sinn und Zweck der Tarifnorm, arbeitnehmerähnlichen Person, die aufgrund ihrer Tätigkeit für die Beklagte wirtschaftlich abhängig und sozial schutzbedürftig seien, eine soziale Absicherung einzuräumen. Bestätigt werde dieses Verständnis durch die jahrzehntelang gelebte Praxis.

8Die klagenden Gewerkschaften beantragen

9Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass Wiederholungsvergütungen und Erlösbeteiligungen, die für urheberrechtliche Verwertungszwecke gezahlt würden, bei der Berechnung des Urlaubsentgelts nicht zu berücksichtigen seien. Für die Berechnung seien nur (Erst-)Honorare maßgeblich, die für die werkvertraglich geschuldete Herstellung sendefähiger und verwertbarer Produkte gezahlt würden. Dieses Verständnis ergebe sich auch aus der Bezugnahme des TV Urlaub auf das Bundesurlaubsgesetz, nach dessen § 11 nur Vergütungsbestandteile einzubeziehen seien, mit denen die erbrachten Dienste gemäß § 611 BGB vergütet würden.

10Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Gründe

11Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Verbandsklage zu Recht stattgegeben. Es hat zutreffend erkannt, dass Wiederholungsvergütungen iSv. Nr. 16.2.2 UrhTV („Wiederholungshonorare“) als Teil der „Summe der Entgelte“ in die Berechnung des Urlaubsentgelts einfließen. Dies ergibt die Auslegung des Nr. 3.1 Satz 3 TV Urlaub.

12I. Die Klage ist als Verbandsklage iSv. § 9 TVG zulässig.

131. Nach § 9 TVG haben rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrags ergangen sind, im Verhältnis der tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten verbindliche Wirkung. Dies gilt unabhängig davon, ob man die Verbindlichkeit auf eine subjektive Rechtskrafterstreckung zurückführt oder unmittelbar als materiell-rechtlich normative Wirkung gleich derjenigen der Tarifnorm selbst ansieht. Damit dient die Vorschrift dem Zweck, die normative Wirkung des Tarifvertrags durch eine einheitliche Auslegung von Tarifbestimmungen zu unterstützen (vgl.  - Rn. 28 mwN, BAGE 141, 188).

142. Die Möglichkeit des § 9 TVG, im Wege der Verbandsklage einen Rechtsstreit über die Feststellung eines klärungsfähigen und klärungsbedürftigen abstrakten Rechtsverhältnisses zu führen (vgl. dazu näher  - Rn. 18, BAGE 123, 213), begründet keine eigenständige, von der Zivilprozessordnung nicht vorgesehene Klageart. Vielmehr spezifiziert die Vorschrift die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO für einen zwischen den Tarifvertragsparteien über Bestand oder Inhalt des von ihnen geschlossenen Tarifvertrags geführten Prozess (vgl.  - Rn. 27, BAGE 141, 188). Aus dieser Funktion einer Feststellungsklage nach Maßgabe des § 9 TVG ergeben sich konkrete Anforderungen an den entsprechenden Klageantrag.

15a) Ist die Auslegung einer Tarifnorm Gegenstand der Verbandsklage, sind im Antrag der maßgebende Tarifvertrag, die in Rede stehende Tarifnorm sowie die umstrittenen Tarifbegriffe zu benennen. Sodann ist der von der klagenden Tarifvertragspartei als zutreffend angesehene Auslegungsschritt zu formulieren. Die zwischen den Parteien - mit der in § 9 TVG geregelten weiterreichenden Bindungswirkung - zu entscheidende Rechtsfrage hat die Verbindung eines abstrakten Tarifbegriffs mit einem - notwendig weniger abstrakten - ausgelegten Tarifbegriff zum Gegenstand. Auch letzterer muss jedoch abstrakt sein und darf sich nicht auf ein konkretes Rechtsverhältnis beziehen. Das Gericht darf keine Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter die auslegungsbedürftige Tarifnorm vornehmen müssen, um den Rechtsstreit zu entscheiden ( - Rn. 30, BAGE 141, 188).

16b) Die erweiterte Bindungswirkung eines sog. Verbandsklageurteils nach § 9 TVG ist auf den Tenor der Entscheidung begrenzt; die Urteilsgründe entfalten keine Bindungswirkung. Demgemäß ist die von der klagenden Tarifvertragspartei gewählte Formulierung von maßgebender Bedeutung für die Bestimmung des Streitgegenstands und die Reichweite der streitigen und zu klärenden Rechtsfrage. Eine Auslegung des Antrags darf nicht dazu führen, dass über eine andere als die von der klagenden Partei gestellte Rechtsfrage mit erweiterter Bindungswirkung entschieden wird ( - Rn. 31, BAGE 141, 188).

173. Der vorliegende Klageantrag wird diesen Anforderungen gerecht. Die klagenden Gewerkschaften begehren in ihrer Funktion als Tarifvertragsparteien die Feststellung, dass Wiederholungsvergütungen iSv. Nr. 16 UrhTV in die „Summe der Entgelte“ iSv. Nr. 3.1 TV Urlaub einzubeziehen und damit bei der Berechnung des Urlaubsentgelts arbeitnehmerähnlicher Personen zu berücksichtigen sind. Sie haben in dem Klageantrag den maßgebenden Tarifvertrag, die in Rede stehende Tarifnorm und die umstrittenen Tarifbegriffe benannt. Dass dabei statt des in Nr. 16 UrhTV verwendeten Begriffs der „Wiederholungsvergütungen“ das Wort „Wiederholungshonorare“ angeführt wird, ist unschädlich. Es besteht kein Zweifel daran, dass mit „Wiederholungshonorare“ die besondere Vergütungsregelung für den Hörfunk in Nr. 16.2.2 UrhTV gemeint ist, und damit nicht die Gefahr, dass über eine andere als die von den klagenden Gewerkschaften gestellte Rechtsfrage mit erweiterter Bindungswirkung entschieden wird. Die zur Feststellung gestellte Auslegung ist schließlich auch abstrakt formuliert und beschränkt sich nicht auf einen konkreten Einzelfall.

18II. Die Klage ist begründet. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Tarifauslegung, der zufolge die nach Nr. 16.2.2 UrhTV zu zahlenden Wiederholungsvergütungen bei der Berechnung des Urlaubsentgelts nach Nr. 3.1 TV Urlaub zu berücksichtigen sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Begriff „Summe der Entgelte“ umfasst auch Wiederholungsvergütungen.

191. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags, die in der Revisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbar ist, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. zu den Grundsätzen der Tarifauslegung die st. Rspr., zB  - Rn. 20; - 4 AZR 365/20 - Rn. 21 mwN).

202. Danach haben die Tarifvertragsparteien das Urlaubsentgelt für arbeitnehmerähnliche Personen eigenständig und umfassend in der Weise geregelt, dass „die Summe der Entgelte“ iSv. Nr. 3.1 TV Urlaub die Gegenleistungen umfasst, die die Beklagte für die vertraglich geschuldeten Leistungen der arbeitnehmerähnlichen Personen zu gewähren hat. Einzubeziehen sind sämtliche Einkünfte im Bezugszeitraum aus dem vertraglichen Austauschverhältnis. Hierzu zählen auch die Wiederholungsvergütungen iSv. Nr. 16.2.2 UrhTV, die die Beklagte an arbeitnehmerähnliche Personen zahlt, die mit der Beklagten Verträge über von ihnen geschaffene urheberrechtlich geschützte Werke abgeschlossen haben.

21a) Dafür sprechen bereits Tarifwortlaut und Tarifsystematik. Nach Nr. 3.1 TV Urlaub wird das Urlaubsentgelt errechnet, indem die Summe der Entgelte, die der Mitarbeiter im Bemessungszeitraum von der Beklagten erhalten hat, durch die Anzahl der Werktage (ohne Samstage) im Bemessungszeitraum dividiert und dann mit der Zahl der Urlaubstage multipliziert wird.

22aa) Der TV Urlaub selbst legt nicht ausdrücklich fest, welche Leistungen zu den Entgelten zählen, und regelt damit nicht explizit, wie sich das Urlaubsentgelt konkret zusammensetzt. Er enthält keine einheitliche Terminologie und differenziert nicht zwischen den Begriffen „Entgelt“ und „Vergütung“, sondern bezeichnet die Vergütungskomponente des Anspruchs auf bezahlten Erholungsurlaub gleichermaßen als „Urlaubsvergütung“ und „Urlaubsentgelt“. Die Begriffe „Vergütung“ und „Entgelt“ haben damit im Kontext der Bezahlung des Urlaubs dieselbe Bedeutung. Sie knüpfen an das jeweilige vertragliche Leistungsversprechen an und sind die Bezeichnung für die dafür zu gewährende Gegenleistung. Nach allgemeinem Verständnis ist unter „Entgelt“ eine Bezahlung zu verstehen, die als Gegenleistung für geleistete Arbeit gewährt wird (Duden Online-Wörterbuch „Entgelt“). Als „Vergütung“ wird eine Geldsumme bezeichnet, mit der etwas vergütet wird (Duden Online-Wörterbuch „Vergütung“). Bezugspunkt beider Begriffe im tarifvertraglichen Kontext ist damit die von der arbeitnehmerähnlichen Person im Austauschverhältnis geschuldete Leistung. Diese wird durch das Entgelt bzw. die Vergütung abgegolten. Eine Beschränkung auf einzelne Entgelt- bzw. Vergütungsbestandteile ist dem Tarifwortlaut nicht zu entnehmen.

23bb) Mit dieser Auslegung korrespondiert die Terminologie aus dem UrhTV, der für arbeitnehmerähnliche Personen, die mit der Beklagten Verträge über von ihnen geschaffene urheberrechtlich geschützte Werke abgeschlossen haben, eine besondere Vergütungs- bzw. Entgeltstruktur vorsieht.

24(1) Nach Nr. 16.1.1 UrhTV erhält der Mitarbeiter seine „Vergütung als Entgelt für seine Leistungen und Rechteeinräumungen“. Die Begriffe „Vergütung“ und „Entgelt“ werden auch hier synonym verwendet. Die Vergütung ist das Entgelt für die Erfüllung der Vertragspflicht durch die arbeitnehmerähnliche Person, die gleichermaßen aus „Leistungen und Rechteeinräumungen“ besteht. Unter den UrhTV fallende arbeitnehmerähnliche Personen schulden nicht lediglich ein zielgerichtetes Tätigwerden für die Beklagte, sondern die Fertigstellung eines Beitrags nebst Übertragung der Nutzungsrechte und damit einen konkreten Leistungserfolg. Vertragsgegenstand sind das Arbeitsergebnis (vgl. Nr. 2.2 UrhTV) und die damit verbundenen Nutzungsrechte (vgl. Nr. 3.1 UrhTV), nicht dagegen die bloße Arbeitsleistung. Damit zählt zu dem dafür zu entrichtenden Entgelt nicht nur die Erstvergütung, sondern auch die für Wiederholungen im Sendegebiet der Beklagten zu zahlenden Wiederholungsvergütungen. Denn der UrhTV differenziert bei der als Entgelt für die Leistungen und Rechteeinräumungen zu zahlende Vergütung nicht danach, ob die vereinbarte Gegenleistung in vollem Umfang für die Einräumung des Nutzungsrechts oder auch - teilweise (in welchem Umfang?) - für die Herstellung des Werks geschuldet ist. Durch die nach dem UrhTV zu zahlenden Vergütungen werden die Herstellung des Werks und die Einräumung des Nutzungsrechts einheitlich abgegolten. Keiner der beiden Umstände kann hinweggedacht werden, ohne dass der durch den Vertrag bezweckte Erfolg ausbliebe. Die Arbeitsleistung des Mitarbeiters ist für die Beklagte ohne die Einräumung des Nutzungsrechts wertlos (vgl.  - Rn. 163) und die Entstehung des Nutzungsrechts ohne die auf die Herstellung des Werks gerichtete Arbeitsleistung nicht denkbar.

25(2) Dieses Verständnis der Tarifvertragsparteien findet auch Ausdruck in Nr. 16.1.2 UrhTV, die abweichend vom Prinzip der Erst- und Wiederholungsvergütung auf (nur im Vergütungstarifvertrag vorgesehene) Fälle abstellt, in denen eine einmalige Vergütung sämtlicher Leistungen und Rechteübertragungen für Sendezwecke erfolgt. Dies steht der Annahme der Beklagten entgegen, die Tarifvertragsparteien hätten bei der Vergütung arbeitnehmerähnlicher Personen strikt zwischen Werkherstellung und Rechteeinräumung trennen wollen.

26cc) Auch die Verwendung des bestimmten Artikels „die“ im TV Urlaub spricht dafür, dass sich „die Summe der Entgelte“ in Nr. 3.1 TV Urlaub aus einer Addition sämtlicher Vergütungsbestandteile errechnet und nicht nur eine Summe einzelner, nicht näher bestimmter Entgelte gemeint ist.

27b) Die Einbeziehung der Wiederholungsvergütungen in die Berechnung des Urlaubsentgelts entspricht auch dem Sinn und Zweck des TV Urlaub.

28aa) Die Tarifvertragsparteien haben durch den TV Urlaub den nach §§ 1, 2 Satz 2, § 3 BUrlG für arbeitnehmerähnliche Personen bestehenden Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub auf 31 Arbeitstage erweitert und - angepasst an die Besonderheiten arbeitnehmerähnlicher Personen - näher ausgestaltet. Der Tarifurlaub soll es - ebenso wie der in Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verankerte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub und der in § 1 BUrlG geregelte gesetzliche Mindesturlaub - einer arbeitnehmerähnlichen Person ermöglichen, sich von der Ausübung seiner vertraglich geschuldeten Aufgaben zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen (vgl. zum Zweck des unionsrechtlich überlagerten Anspruchs auf gesetzlichen Mindesturlaub:  - [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 32; - C-341/15 - [Maschek] Rn. 34 mwN;  - Rn. 21, BAGE 172, 66). Der Zweck des bezahlten Jahresurlaubs schließt die Fortzahlung der geschuldeten Wiederholungsvergütungen ein.

29(1) Die Richtlinie behandelt den Anspruch auf Jahresurlaub und denjenigen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs ( und C-570/16 - [Bauer und Willmeroth] Rn. 39;  - Rn. 12). Die beiden Aspekte stehen gleichwertig nebeneinander. Auch das Bundesurlaubsgesetz begründet mit § 1 BUrlG nicht nur einen Freistellungsanspruch, sondern auch einen Anspruch auf Bezahlung. Die mit der Freistellung verknüpfte Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubsvergütung ist integraler Bestandteil des Anspruchs auf bezahlten Urlaub ( - Rn. 30; - 9 AS 1/21 - Rn. 13). Dem entspricht der TV Urlaub, der die gesetzlichen Vorgaben der §§ 12 Satz 2 BUrlG umsetzen soll. Er gestaltet den Urlaubsanspruch ebenfalls als „Einheitsanspruch“ aus.

30(2) Nach der Rechtsprechung der Europäischen Union muss ein Arbeitnehmer für die urlaubsbedingte Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten ( - [Lock] Rn. 16; - C-155/10 - [Williams ua.] Rn. 19; - C-131/04 ua. - [Robinson-Steele ua.] Rn. 50). Durch das Erfordernis der Zahlung des Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist ( - [Hein] Rn. 32 ff.; - C-214/16 - [King] Rn. 35 mwN; - C-539/12 - [Lock] Rn. 17 mwN; - C-131/04 ua. - [Robinson-Steele ua.] Rn. 58; vgl. hierzu auch  - Rn. 32; - 10 AZR 210/19 (A) - Rn. 49 ff., BAGE 171, 114; - 9 AZR 429/15 - Rn. 19 mwN). Dabei muss jede Unannehmlichkeit, die untrennbar mit der Erfüllung der dem Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben verbunden ist und durch einen in die Berechnung seines Gesamtentgelts eingehenden Geldbetrag abgegolten wird, zwingend Teil des Betrags sein, auf den der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs Anspruch hat ( - [Lock] Rn. 29). Fortzuzahlen sind auch diejenigen Bestandteile des Gesamtentgelts, die an die persönliche und berufliche Stellung des Arbeitnehmers anknüpfen (vgl.  - [Lock] Rn. 30; - C-155/10 - [Williams ua.] Rn. 27). Maßgeblich ist, ob ein innerer Zusammenhang zwischen dem Entgeltbestandteil und der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben besteht ( - [Lock] Rn. 32).

31bb) Danach soll auch der TV Urlaub sicherstellen, dass die ihm unterliegenden arbeitnehmerähnlichen Personen während des Jahresurlaubs ihre gewöhnliche Vergütung erhalten. Bei der Beurteilung, welche Vergütungsbestandteile in die Berechnung des Urlaubsentgelts arbeitnehmerähnlicher Personen, die mit der Beklagten Verträge über von ihnen geschaffene urheberrechtlich geschützte Werke abgeschlossen haben, einzubeziehen sind, damit dieser Zweck erreicht wird, ist zu beachten, dass das Austauschverhältnis dieser Personengruppe - anders als bei Arbeitnehmern - keine Arbeitsleistung, sondern ein der Beklagten zur Nutzung überlassenes Arbeitsergebnis zum Gegenstand hat, dessen Wert sich für diese nach dem Grad der Nutzung richtet. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann deshalb nicht darauf abgestellt werden, ob ein innerer Zusammenhang zwischen dem Entgeltbestandteil und der Erfüllung der zur Herstellung des Werks erforderlichen Tätigkeit besteht. Maßgebend für die Beurteilung, welche Entgeltbestandteile als „Summe der Entgelte“ in die Berechnung des Urlaubsentgelts einfließen, ist die gewöhnlich - dh. die im Bemessungszeitraum - für das Arbeitsergebnis und dessen Nutzung zu gewährende Gegenleistung. In der Vertragsbeziehung zu den og. arbeitnehmerähnlichen Personen ist dies die Vergütung, die als Entgelt für die Leistungen und Rechteeinräumungen gezahlt wird. Zum Urlaubsentgelt zählt damit auch die für die Rechteverwertung zu zahlende Wiederholungsvergütung. Dies gilt unabhängig davon, ob mit der Erstvergütung die vertraglich vereinbarte Erstellung der Produktion zum Zwecke der Erstverwertung abgegolten wird und den Wiederholungsvergütungen in der Person der arbeitnehmerähnlichen Person entstandene, originäre urheberrechtliche Schutzrechte - und damit keine Arbeitsleistung im engeren Sinne - zugrunde liegen. Denn dies stellt nicht in Frage, dass auch die Wiederholungsvergütungen aus dem Austauschverhältnis der Vertragsparteien resultieren (vgl.  - Rn. 16 „im Austauschverhältnis“ und  - Rn. 22, BAGE 166, 222 „tarifvertraglich bestimmte besondere Vergütung für eine weitergehende Nutzung der Werke des Urhebers“).

32c) Das Auslegungsergebnis, demzufolge die Summe der Entgelte iSv. Nr. 3.1 TV Urlaub auch die Wiederholungsvergütungen umfassen, entspricht auch der vom Landesarbeitsgericht festgestellten langjährig bis November 2017 gehandhabten Tarifpraxis (zu deren Berücksichtigung im Rahmen der Auslegung:  - Rn. 27; - 6 AZR 707/13 - Rn. 27 mwN).

33III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:171023.U.9AZR39.23.0

Fundstelle(n):
BB 2024 S. 371 Nr. 7
NJW 2024 S. 10 Nr. 8
ZAAAJ-57873