BAG Urteil v. - 6 AZR 549/17

Anspruch auf Nachtarbeitsausgleich gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG bei Polizeiangestellten im Anwendungsbereich des TV AL II

Gesetze: § 1 TVG, § 6 Abs 5 ArbZG

Instanzenzug: ArbG Kaiserslautern Az: 8 Ca 969/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 5 Sa 40/17 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit.

2Die Klägerin ist bei den US-amerikanischen Stationierungsstreitkräften als Polizeiangestellte in der Funktion einer Teamleiterin auf dem Flugplatz R beschäftigt. Sie arbeitet permanent im Wechselschichtdienst und wird zeitlich überwiegend in Nachtschichten eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft Bezugnahme der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) vom anzuwenden. Nach dessen Sonderbestimmungen im Anhang Z unter anderem für Polizeipersonal erhält die Klägerin ein „Monatspauschalgehalt“ der Gehaltsgruppe ZP 5 (Endstufe) in Höhe von zuletzt 3.509,12 Euro brutto zuzüglich einer verstetigten monatlichen Polizeizulage in Höhe von 119,23 Euro brutto bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 43 Stunden (Teil I Ziff. 3 Buchst. a Abs. 4 Unterbuchst. a des Anhangs Z zum TV AL II).

3Die allgemeinen Bestimmungen des TV AL II sehen eine regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden in der Arbeitswoche vor (§ 9 Ziff. 1 Buchst. a). Weiter enthält der TV AL II auszugsweise folgende Regelungen:

4Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein angemessener Ausgleich für die geleistete Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG zu, der nach Wahl der Beklagten in Geld und/oder in Freizeit erfolgen könne. Der TV AL II enthalte für das Polizeipersonal keine angemessene Ausgleichsregelung. Teil I Ziff. 8 Buchst. a des Anhangs Z zum TV AL II schließe unter anderem für diesen Personenkreis den in § 20 Ziff. 1 Buchst. b TV AL II geregelten Nachtarbeitszuschlag ausdrücklich aus. Die einmalige Bezeichnung der Vergütung des Polizeipersonals im Wechselschichtdienst als „Monatspauschalgehalt“ in Teil III Ziff. 4 Buchst. b des Anhangs Z zum TV AL II allein verdeutliche nicht hinreichend, dass darin nach dem Willen der Tarifvertragsparteien ein Ausgleich für geleistete Nachtarbeit enthalten sei. Das folge ebenso wenig aus der Höhe der Vergütung. Der systematische Vergleich mit der Regelung in Teil I Ziff. 10 Buchst. e des Anhangs P zum TV AL II verdeutliche vielmehr, dass bei der Entlohnung des Polizeipersonals ein Nachtarbeitsausgleich nicht eingeschlossen sei. Während Teil I Ziff. 10 Buchst. e des Anhangs P zum TV AL II dies ausdrücklich vorsehe, fehle eine entsprechende Regelung für das Polizeipersonal.

5Die Klägerin hat zuletzt beantragt

6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, der TV AL II enthalte auch für das Polizeipersonal eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Ausgleichsregelung. Durch die Verwendung des Begriffs „Monatspauschalgehalt“ komme hinreichend klar zum Ausdruck, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien in dem im Vergleich zu anderen Beschäftigtengruppen erhöhten Grundentgelt ein angemessener Nachtarbeitszuschlag enthalten sei. Dem stehe die Regelung in Teil I Ziff. 10 Buchst. e Satz 1 des Anhangs P zum TV AL II nicht entgegen. Dass der Nachtarbeitszuschlag im Grundentgelt enthalten sei, sei darin nur deswegen erwähnt, weil im Satz 2 dieser Regelung Ausnahmen zu diesem Grundsatz definiert worden seien.

7Die Vorinstanzen sind der Argumentation der Beklagten gefolgt und haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel unverändert weiter.

Gründe

8Die zulässige Revision ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich in Höhe von 25 % für die von ihr ab dem geleistete Nachtarbeit, der wahlweise durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beiden zu erfüllen ist.

9I. Die Klage ist zulässig.

101. Das Landesarbeitsgericht geht unausgesprochen, aber zutreffend davon aus, dass die Rechtsstreitigkeit der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit unterliegt und die Beklagte in Prozessstandschaft für die Vereinigten Staaten von Amerika in Anspruch zu nehmen ist.

11a) Nach Art. 56 Abs. 8 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom (ZA-NTS) unterliegen Streitigkeiten aus einem eingegangenen Arbeitsverhältnis zwischen dem der NATO zugehörigen Entsendestaat und der von ihm eingestellten zivilen Arbeitskraft der deutschen Gerichtsbarkeit. Klagen der zivilen Arbeitskräfte sind gegen die Bundesrepublik zu richten, die für den Entsendestaat in Prozessstandschaft auftritt ( - zu B I 1 a der Gründe mwN, BAGE 114, 299). An dieser Rechtslage hat sich durch die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands nichts geändert (Verordnung vom zu dem Notenwechsel vom zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom und zu dem Zusatzabkommen zu diesem Abkommen vom nebst zugehörigen Übereinkünften sowie zu dem Notenwechsel vom zu dem befristeten Verbleib von Streitkräften der Französischen Republik, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin, BGBl. II S. 1250). Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass die Klägerin als Polizeiangestellte zu dem von Art. 56 Abs. 8 iVm. Abs. 1 ZA-NTS erfassten Personenkreis der zivilen Arbeitskräfte gehört.

12b) Der Durchführung des Erkenntnisverfahrens steht nicht entgegen, dass die Klägerin nicht ausschließlich eine Geldforderung geltend macht. Auf solche Forderungen hat die Bundesrepublik nach Art. 25 des Gesetzes zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom zu diesem Abkommen vom (BGBl. II S. 1183) für den Entsendestaat als Schuldner zu leisten. Sie sind deshalb ggf. gegen die Bundesrepublik zu vollstrecken. Ob eine solche Vollstreckungsmöglichkeit bei der von der Klägerin auch erstrebten Verurteilung zur Gewährung einer bezahlten Freistellung besteht, kann offenbleiben. Mögliche Schwierigkeiten bei der Vollstreckung eines solchen Titels ändern nichts daran, dass auch andere Ansprüche als Geldforderungen gegen die Bundesrepublik als Prozessstandschafterin zu verfolgen sind ( - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 114, 299). Im vorliegenden Erkenntnisverfahren ist nicht darüber zu entscheiden, in welcher Weise im Fall der Verurteilung der Beklagten die Zwangsvollstreckung durchzuführen wäre bzw. welche etwaigen Schutz- und Hilfspflichten insoweit die Bundesrepublik zugunsten ihrer bei den Stationierungsstreitkräften als Arbeitnehmer tätigen Staatsbürger zu erfüllen hätte (vgl.  - juris-Rn. 22, BAGE 51, 104). Auch diesbezüglich erhebt die Beklagte keine Einwände.

132. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Nach ihrem Vorbringen begehrt die Klägerin für die Zeit ab dem die Feststellung des Bestehens eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG für in der gesetzlichen Nachtzeit (§ 2 Abs. 3 ArbZG) geleistete Arbeitsstunden in näher bezeichnetem Umfang. Dabei kann dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 ArbZG folgend der Ausgleich wahlweise durch Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags, durch Gewährung freier Tage oder durch eine Kombination von beiden erfolgen. Dadurch trägt die Klägerin der gesetzlichen Vorgabe Rechnung, ohne dass dadurch ausgeschlossen wäre, dass sich die begehrte Feststellung im Fall der zwischenzeitlichen Ausübung des Wahlrechts für Zeiträume vor Schluss der mündlichen Verhandlung des Landesarbeitsgerichts auf eine Form des Ausgleichs konkretisiert hat (vgl. zu dieser Form der Antragstellung  - Rn. 11 mwN, BAGE 153, 378). Eine solche Alternativklage ist vorliegend nicht deswegen ausgeschlossen, weil nach § 20 Ziff. 6 TV AL II Zeitzuschläge nicht durch Arbeitsbefreiung abgegolten werden dürfen. Diese Tarifnorm bezieht sich aufgrund ihrer systematischen Stellung allein auf die in § 20 Ziff. 1 und Ziff. 2 TV AL II geregelten tariflichen Zeitzuschläge. Sie beansprucht hingegen keine Geltung für die streitgegenständlichen Ausgleichsansprüche nach § 6 Abs. 5 ArbZG.

143. Der Klageantrag ist auf die Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet, nämlich auf die Angemessenheit des Ausgleichs für im Arbeitsverhältnis geleistete Nachtarbeitsstunden gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG. Die Feststellungsklage kann sich nach § 256 Abs. 1 ZPO auf einzelne Ansprüche beschränken. Gegenstand des Feststellungsantrags ist nicht die Überprüfung einer abstrakten Rechtsfrage ( - Rn. 12 mwN, BAGE 153, 378). An dieser Feststellung hat die Klägerin ein rechtliches Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin war auch nach dem Fälligwerden der ab dem geltend gemachten Ansprüche nicht verpflichtet, insoweit auf Leistungsanträge überzugehen ( - Rn. 13 mwN, aaO).

15II. Die Klage ist begründet. Die unstreitig als Nachtarbeitnehmerin iSv. § 2 Abs. 5 Nr. 1 iVm. Abs. 3 und Abs. 4 ArbZG anzusehende Klägerin hat für die im Streitzeitraum geleistete Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG einen Anspruch auf Gewährung eines angemessenen Ausgleichs im geltend gemachten Umfang.

161. Nach § 6 Abs. 5 ArbZG hat der Arbeitgeber, soweit eine tarifliche Ausgleichsregelung nicht besteht, dem Nachtarbeitnehmer (§ 2 Abs. 5 ArbZG) für die während der Nachtzeit (§ 2 Abs. 3 ArbZG) geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Der Arbeitgeber kann wählen, ob er den Ausgleichsanspruch des § 6 Abs. 5 ArbZG durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beiden erfüllt. Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen erst dann, wenn der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausübt ( - Rn. 15 mwN).

172. Eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht. Der TV AL II sieht keinen angemessenen Ausgleich für die vom Polizeipersonal (Teil II Ziff. 5 Buchst. b des Anhangs Z zum TV AL II) geleistete Nachtarbeit vor.

18a) § 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit wegen der größeren Sachnähe den Tarifvertragsparteien und schafft nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch ( - zu B II 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, BAGE 114, 272; - 1 ABR 16/97 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 86, 249). Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, wie sie den Ausgleich regeln. Um den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu ersetzen, muss die tarifliche Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorsehen. Dies folgt aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG. Der tarifliche Ausgleich kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend geregelt sein (vgl.  - zu B II 1 b der Gründe, aaO). Letzteres ist aber nur der Fall, wenn entweder der Tarifvertrag selbst entsprechende Hinweise enthält oder sich dafür aus der Tarifgeschichte oder aus Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte ergeben ( - Rn. 14; - 10 AZR 369/10 - Rn. 18 mwN; zu arbeitsvertraglichen Ausgleichsregelungen  - Rn. 49, BAGE 153, 378).

19b) Eine Ausgleichsregelung für Nachtarbeit enthält zwar § 20 Ziff. 1 Buchst. b TV AL II. Diese wird aber für die Klägerin, die als Polizeiangestellte zum Polizeipersonal iSd. Teil II Ziff. 5 Buchst. b des Anhangs Z zum TV AL II gehört, durch Teil I Ziff. 8 Buchst. a Abs. 1 des Anhangs Z zum TV AL II unmissverständlich ausgeschlossen. Darin liegt jedoch keine Ausgleichsregelung iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG. Die tarifliche Regelung für das Polizeipersonal enthält keinerlei ausdrückliche Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Erschwernisse und Belastungen. Allein der Ausschluss eines Anspruchs auf Nachtarbeitszuschläge dient erkennbar nicht dem Gesundheitsschutz. Dadurch wird die Nachtarbeit gerade nicht mit Zusatzkosten verbunden und für den Arbeitgeber weniger attraktiv gemacht ( - Rn. 23; - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb (1) (a) (bb) der Gründe, BAGE 114, 272).

20c) Ebenso wenig enthält der TV AL II ausreichende Hinweise darauf, dass die Belastungen des Polizeipersonals durch Nachtarbeit in anderer Weise berücksichtigt wurden. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (hierzu zuletzt  - Rn. 33, BAGE 160, 192).

21aa) Aus der Bezeichnung der Vergütung des Polizeipersonals im Wechselschichtdienst als „Monatspauschalgehalt“ folgt nicht hinreichend klar, dass dieses einen Ausgleich für Nachtarbeit enthält.

22(1) Der in Teil III Ziff. 4 Buchst. b des Anhangs Z zum TV AL II verwendete Begriff des „Monatspauschalgehalts“ lässt auch unter Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Grundgehalt zugleich einen Ausgleich der mit der Nachtarbeit verbundenen Erschwernisse und Belastungen verfolgt haben. Es trifft zwar zu, dass eine Pauschale mehrere durch überschlägige Schätzung ermittelte Teilsummen zusammenfasst und dabei einen Rundungsvorgang zum Ausdruck bringt, bei dem von Einzelheiten abstrahiert und sehr stark verallgemeinert wird ( - zu I 1 der Gründe). Bei einer Pauschalvergütung als besonderer Entlohnungsform wird statt Einzelzahlungen eine Gesamtvergütung geleistet ( - Rn. 25, BAGE 120, 239). Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, aus welchen Teilsummen sich die Pauschalvergütung zusammensetzt, mit anderen Worten, ob auch die Nachteile der Nachtarbeit in der Gesamtvergütung berücksichtigt wurden. Der Wortlaut des TV AL II lässt sich auch dahingehend verstehen, dass nur die mit dem Wechselschichtdienst verbundenen Belastungen in pauschaler Weise ausgeglichen werden sollen. Um den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu suspendieren, muss die tarifliche Regelung aber eine Kompensation für die gerade mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen darstellen. Das folgt aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“ und entspricht dem Sinn und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG ( - Rn. 15 mwN).

23(2) Eine eindeutige Bestimmung dessen, was unter „Monatspauschalgehalt“ zu verstehen ist, folgt auch nicht aus der Tarifsystematik. Dem TV AL II liegt kein einheitliches Verständnis des Begriffs „Monatspauschalgehalt“ zugrunde. So erhalten Lehrer die Sätze der in der Gehaltsgruppeneinteilung C (L) angegebenen Gehaltsgruppen der Gehaltstabelle C (§ 63 TV AL II) als „monatliche Pauschalabgeltung für ihre regelmäßige Arbeitszeit einschließlich Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit“ (Teil III Ziff. 1 Buchst. a des Anhangs C zum TV AL II). Auch in den Vergütungen des Feuerwehr-, Werkschutz- und Wachpersonals ist die Vergütung unter anderem der Nachtarbeit grundsätzlich bereits berücksichtigt (Teil I Ziff. 10 Buchst. e des Anhangs P zum TV AL II). Teil III des Anhangs P zum TV AL II spricht dementsprechend von „monatlichen Pauschalsätzen“. Für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker legt die in Teil III des Anhangs K zum TV AL II enthaltene Gehaltstabelle K für das medizinische Personal hingegen „monatliche Vergütungssätze“ fest, obwohl darin die Vergütung unter anderem von Nachtarbeit bereits berücksichtigt ist (Teil I Ziff. 6 Buchst. c des Anhangs K zum TV AL II). Gleiches gilt für Geschäftsführer in Betrieben und Betriebsabteilungen mit Einzelhandelstätigkeiten (Anhang T zum TV AL II). Deren Nachtarbeit wird nicht gesondert abgegolten, sondern ist in der „Monatsvergütung“ berücksichtigt (Teil I Ziff. 9 Buchst. d des Anhangs T zum TV AL II, Teil III Ziff. 4 des Anhangs T zum TV AL II).

24bb) Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang lässt sich hingegen darauf schließen, dass die Tarifvertragsparteien immer dann, wenn Erschwernisse und Belastungen durch das Grundentgelt bereits mit abgegolten sein sollen, dies so auch ausdrücklich bestimmt haben. Die Regel hierzu enthält § 20 Ziff. 4 Buchst. b TV AL II, der auch für das Polizeipersonal gilt. Danach ist für Arbeitnehmer mit Monatsgehalt oder Monatslohn im Sinne einer verstetigten Vergütung, worunter auch das Monatspauschalgehalt der Gehaltstabelle ZP in Teil III Ziff. 4 Buchst. b des Anhangs Z zum TV AL II fällt, bei der Abgeltung von Nachtarbeit, Sonntagsarbeit oder Feiertagsarbeit die Grundvergütung für die betreffenden Arbeitsstunden bereits in der monatlichen Grundvergütung (§ 16 Ziff. 1 Buchst. a, Ziff. 2 TV AL II) enthalten, es sei denn, dass es sich um Mehrarbeit (§ 10 Ziff. 1, Ziff. 2 TV AL II) handelt. Im Umkehrschluss hierzu gehen die Tarifvertragsparteien bei den Zeitzuschlägen für diese besonderen Formen der Arbeit davon aus, dass sie grundsätzlich zusätzlich zu vergüten sind. Für eine Ausnahme von diesem Grundsatz bedarf es gesonderter Anhaltspunkte. Entsprechende Bestimmungen finden sich beispielsweise in Teil III Ziff. 1 Buchst. a des Anhangs C zum TV AL II für Lehrer, in Teil I Ziff. 6 Buchst. c des Anhangs K zum TV AL II für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker, in Teil I Ziff. 10 Buchst. e Satz 1 des Anhangs P zum TV AL II für Feuerwehr-, Werkschutz- und Wachpersonal sowie in Teil I Ziff. 9 Buchst. d des Anhangs T zum TV AL II für Geschäftsführer in Betrieben und Betriebsabteilungen mit Einzelhandelstätigkeiten. Eine äquivalente Regelung für das Polizeipersonal enthält der Anhang Z zum TV AL II dagegen nicht. Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass, wie die Beklagte meint, die Regelung für das Feuerwehr-, Werkschutz- und Wachpersonal in Teil I Ziff. 10 Buchst. e Satz 1 des Anhangs P zum TV AL II nur „überobligatorisch“ aufgenommen worden sei, weil die Tarifvertragsparteien sodann in Satz 2 Unterausnahmen definiert haben. Dazu hätte es des Satzes 1 nicht zwingend bedurft.

25cc) Auch der Umstand, dass in der Gehaltstabelle ZP für das Polizeipersonal im Wechselschichtdienst höhere Gehälter als für andere Gehaltsgruppen in anderen Gehaltstabellen vorgesehen sind, spricht für sich genommen nicht dafür, dass darin ein Nachtarbeitsausgleich inkludiert ist. Die Unterschiede in den Gehältern beruhen auf den Unterschieden der jeweils zugrunde liegenden Tätigkeiten sowie Arbeitszeiten und sind Ergebnis der Verhandlungen der Tarifvertragsparteien in Ausübung der verfassungsrechtlich verbürgten Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG). Dass in den Gehältern nach der Gehaltstabelle ZP auch ein etwaiger Ausgleich für Nachtarbeit „eingepreist“ wäre, kommt in ihnen nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck. Aus diesem Grund kommt es auf die von den Parteien diskutierte Frage, mit welcher anderen Lohn- bzw. Gehaltsgruppe diejenige der Klägerin vergleichbar sei, nicht an.

26dd) Eine stillschweigende tarifvertragliche Ausgleichsregelung lässt sich schließlich nicht damit begründen, dass die Monatspauschalgehälter in Teil III Ziff. 4 Buchst. b des Anhangs Z zum TV AL II lediglich Polizeipersonal im Wechselschichtdienst beträfen und Wechselschichtdienst per definitionem auch Nachtarbeit umfasse (vgl. Teil I Ziff. 6 Buchst. b Abs. 1 des Anhangs Z zum TV AL II). Die Tarifvertragsparteien des TV AL II stellen bei ihrer pauschalierenden Bewertung des Wechselschichtdienstes allein auf die Arbeitsleistung innerhalb des Wechselschichtsystems als solche unabhängig davon ab, zu welchen Zeiten sie erbracht wird. Eine Unterscheidung zwischen tagsüber und nachts geleisteter Wechselschichtarbeit findet nicht statt. In Fällen ständiger oder nahezu ausschließlicher Nachtarbeit - etwa bei Nachtwächtern - mag die Annahme gerechtfertigt sein, ein Nachtzuschlag sei bereits bei der Höhe der tariflichen Grundvergütung berücksichtigt (vgl.  - Rn. 26 mwN; - 10 AZR 369/10 - Rn. 22). Derartige Verhältnisse sind vom Landesarbeitsgericht bei den vom Geltungsbereich des Anhangs Z zum TV AL II erfassten Polizeiangestellten im Wechselschichtdienst nicht festgestellt. Deren Tätigkeit findet nicht zwingend überwiegend oder gar ausschließlich nachts, sondern auch tagsüber, an Wochenenden und an Feiertagen statt. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass sämtliche Beschäftigte in gleichem Umfang zu Nachtarbeit herangezogen werden. Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten die Belastungen gerade auch der Nachtarbeit mit dem Grundgehalt abgelten wollen.

27ee) Die von der Beklagten angeführte gelebte Tarifpraxis steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Eine solche ist als Auslegungskriterium nur heranzuziehen, wenn nach Wortlaut und Systematik eine eindeutige Tarifauslegung nicht möglich ist sowie beiden Tarifvertragsparteien die tarifliche Handhabung bekannt war und sie diese gebilligt haben. Nur dann erlaubt die Tarifpraxis einen Rückschluss auf den Willen der Tarifvertragspartner bei Vertragsabschluss ( - Rn. 27). Das war hier nicht der Fall.

283. Der von der Klägerin begehrte Nachtarbeitsausgleich von 25 % ist der Höhe nach angemessen und nicht zu beanstanden. Regelmäßig stellt ein Zuschlag in Höhe von 25 % auf den jeweiligen Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl von bezahlten freien Tagen einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG dar ( - Rn. 21 ff., BAGE 153, 378). Demgemäß ist es im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast Sache des Arbeitgebers, im Einzelnen darzulegen, aufgrund welcher Faktoren ein geringerer Zuschlagsanspruch angemessen sein soll ( - Rn. 34, aaO). Dahingehende Tatsachen sind nicht festgestellt.

29III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:131218.U.6AZR549.17.0

Fundstelle(n):
BB 2019 S. 563 Nr. 10
RAAAH-08044