Online-Nachricht - Montag, 15.01.2024

Einkommensteuer | Entgeltlicher Verzicht auf ein Nießbrauchrecht stellt keine Veräußerung (FG)

Die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchrechts stellt keinen Veräußerungsvorgang i. S. des § 23 EStG dar, sondern einen von dieser Vorschrift nicht erfassten veräußerungsähnlichen Vorgang (; Revision zugelassen).

Sachverhalt: Der Klägerin wurde im Jahr 2008 im Wege eines Vermächtnisses ein Nießbrauchrecht an einem Grundstück zugewendet. Im Jahr 2012 überließ sie das Grundstück an eine Kommanditgesellschaft, an der sie selbst als Gesellschafterin beteiligt war. Die Mieteinnahmen stellten Sonderbetriebseinnahmen dar. Nachdem die Klägerin im Jahr 2018 aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden war, überführte sie das Nießbrauchrecht in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu einem Wert von 0 € in ihr steuerliches Privatvermögen und erfasste die Mieteinnahmen fortan als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im November 2019 verzichtete die Klägerin sodann gegen eine Entschädigungszahlung auf ihr Nießbrauchrecht.

Im Rahmen der bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Ablösung des Nießbrauchs zu Einkünften i. S. von § 23 EStG geführt hat. Die Entnahme des Nießbrauchrechts aus dem Sonderbetriebsvermögen hat zu einer Anschaffung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG geführt, sodass der entgeltliche Verzicht innerhalb der – aufgrund der Nutzung als Einkunftsquelle gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG verlängerten – zehnjährigen Veräußerungsfrist erfolgt ist. Die Klägerin vertrat demgegenüber u.a. die Auffassung, dass das Nießbrauchrecht nicht veräußert wurde, sondern – als nicht übertragbares Recht – lediglich abgelöst worden ist.

Das FG Münster hat der Klage vollumfänglich stattgegeben:

  • Das Nießbrauchrecht stellt zwar als ein ggü. dem Eigentum an der belasteten Sache verselbständigtes, dingliches Nutzungsrecht ein Wirtschaftsgut i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar.

  • Auch sind Nießbrauchrechte einlage- und damit auch entnahmefähig, sodass die Klägerin das Nießbrauchrecht im Jahr 2018 gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG durch Entnahme in das Privatvermögen übernommen hat.

  • Durch den entgeltlichen Verzicht im Jahr 2019 ist das Nießbrauchrecht jedoch nicht veräußert worden.

  • Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten zu verstehen. Eine "Veräußerung" setzt somit nicht nur die Entgeltlichkeit des Übertragungsvorgangs, sondern auch einen Rechtsträgerwechsel an dem veräußerten Wirtschaftsgut voraus.

  • Davon abzugrenzen sind sog. veräußerungsähnliche Vorgänge – also die Erbringung eines Entgeltes dafür, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird.

  • Da das Nießbrauchrecht gem. § 1059 BGB kraft ausdrücklich gesetzlicher Regelung nicht übertragbar ist, fehlt es an einem Rechtsträgerwechsel.

  • Der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht führt nicht dazu, dass dieses Wirtschaftsgut an den Grundstückseigentümer (zurück) übertragen wird, sondern zu dessen Erlöschen. Insofern handelt es sich um die endgültige Aufgabe eines Vermögenswertes in seiner Substanz und damit um einen veräußerungsähnlichen Vorgang.

  • Solche veräußerungsähnlichen Vorgänge sind von § 23 EStG nicht erfasst. Hierfür spricht neben dem Wortlaut auch der Charakter des § 23 EStG, der als Ausnahmevorschrift im Rahmen des Dualismus der Einkunftsarten nur ausgewählte Wertveränderungen des Privatvermögens der Besteuerung unterwirft. Hätte der Gesetzgeber auch veräußerungsähnliche Vorgänge von § 23 EStG erfasst wissen wollen, hätte er eine entsprechende Erweiterung der Norm vorgenommen. In § 23 EStG fehlt jedoch eine entsprechende Vorschrift zu § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG, durch die der Veräußerung verschiedene Ersatztatbestände gleichgestellt werden.

Hinweis

Der Senat hat die Revision zum BFH in München zugelassen.

Den Volltext des Urteils finden Sie hier. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.

Quelle: FG Münster Newsletter v. (JT)

Fundstelle(n):
CAAAJ-56874