BGH Urteil v. - IX ZR 250/22

Voraussetzungen einer Zurückverweisung einer Insolvenzverwalterklage auf Rückgewähr eines veräußerten Erbbaurechts an das erstinstanzliche Gericht wegen eines Verfahrensmangels; Rückabwicklung der erbrachten Leistungen bei insolvenzrechtlicher Anfechtung nur des Verpflichtungsgeschäfts; Wert der durch den Eigengebrauch der Kaufsache gezogenen Nutzungen

Leitsatz

1. Zu den Voraussetzungen einer Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht wegen eines Verfahrensmangels.

2. a) Ist Gegenstand der Anfechtung nur das Verpflichtungsgeschäft, richtet sich die Rückabwicklung der daraus erbrachten Leistungen zu Gunsten der Insolvenzmasse nach allgemeinen Vorschriften.

2. b) Ist nur ein Kaufvertrag angefochten, richtet sich der Wert der durch den Eigengebrauch der Kaufsache gezogenen Nutzungen im Grundsatz nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer; ist der Kaufvertrag als unentgeltliche Leistung angefochten, ist die Wertminderung am objektiven Wert der Sache zu messen.

Gesetze: § 538 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO, § 129 InsO, §§ 129ff InsO, § 134 InsO, § 143 InsO, § 812 BGB, §§ 812ff BGB, § 818 Abs 1 BGB, § 818 Abs 2 BGB

Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 5 U 195/21vorgehend LG Magdeburg Az: 11 O 951/18

Tatbestand

1Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H.         GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Die Schuldnerin war Erbbauberechtigte an einem Grundstück, das sie mit einer Schüttgutlagerhalle hatte bebauen lassen. Sie nutzte die Halle zur Einlagerung von Getreide und Dünger. Am unterbreitete die Schuldnerin der Beklagten zu 1 (nachfolgend nur noch: Beklagte), deren Komplementärin die Beklagte zu 2 ist, ein notariell beglaubigtes Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags über das Erbbaurecht zu einem Kaufpreis von 590.000 €. Das Angebot sah vor, dass die Beklagte berechtigt sein sollte, den Kaufpreis durch Aufrechnung mit einem ihr gegen die Schuldnerin zustehenden Darlehensrückzahlungsanspruch zu erfüllen. Zugleich bewilligte die Schuldnerin eine Auflassungsvormerkung zugunsten der Beklagten, die am im Grundbuch eingetragen wurde.

2Am nahm die Beklagte das Angebot auf Abschluss des Kaufvertrags an und erklärte die Aufrechnung mit ihrem Darlehensrückzahlungsanspruch gegen den Kaufpreisanspruch. Die Übertragung des Erbbaurechts wurde vorgenommen und am im Grundbuch eingetragen.

3Am machte der Kläger die (Insolvenz-)Anfechtbarkeit des Angebots auf Abschluss eines Kaufvertrags über das Erbbaurecht geltend. In einem Rechtsstreit über die Anfechtbarkeit wurde die teilweise Unentgeltlichkeit des Austauschgeschäfts festgestellt und die Beklagte deshalb rechtskräftig zur Rückübertragung des Erbbaurechts verurteilt. Am wurde die Schuldnerin wieder als Erbbauberechtigte im Grundbuch eingetragen.

4Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagten auf Herausgabe von Nutzungen des Erbbaurechts für die Jahre 2014 bis 2017 in Anspruch. Das Landgericht hat der Zahlungsklage des Klägers im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision wollen die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage erreichen.

Gründe

5Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6Das Berufungsgericht hat die Sache gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen. Es hat gemeint, das erstinstanzliche Urteil beruhe auf wesentlichen Verfahrensfehlern. Da ein unaufgeklärter Sachverhalt vorliege und eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich sei, fehle die Grundlage für eine eigene Sachentscheidung des Senats. Es erscheine auch unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots untunlich, dass der Senat die nötigen Ermittlungen selbst anstelle, zumal den Parteien dadurch eine Tatsacheninstanz verloren ginge.

7Der Kläger habe dem Grunde nach einen Anspruch gegen die Beklagten auf Herausgabe von Nutzungen aus § 143 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 818 Abs. 1 oder 2 BGB. Hinsichtlich der Höhe der herauszugebenden Nutzungen sei die Sache nicht entscheidungsreif und bedürfe weiterer Aufklärung. Zunächst komme es darauf an, ob die Beklagte das Lagergeschäft fortgeführt und Lagergeld erzielt oder ob sie die Schüttgutlagerhalle für den Eigengebrauch verwendet habe. Habe die Beklagte das Lagergeschäft fortgeführt, bestehe Anspruch auf Herausgabe der tatsächlich erzielten Lagergelder. Im Falle der Eigennutzung sei Wertersatz für die Gebrauchsvorteile zu leisten. Für die Bewertung der Gebrauchsvorteile sei ausnahmsweise nicht die zeitanteilige lineare Wertminderung maßgeblich, sondern - um den Zielen des Insolvenzanfechtungsrechts Rechnung zu tragen - der fiktive Mietzins. Auch von seinem Rechtsstandpunkt aus habe das Landgericht zu Unrecht von der Ermittlung der Fruchtgewinnungskosten abgesehen, weil es gehörswidrig überhöhte Anforderungen an die Darlegung dieser Kosten durch die Beklagten gestellt habe.

II.

8Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

91. Die Revision ist zulässig. Die Beklagten sind durch die vom Berufungsgericht ausgesprochene Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht beschwert, weil damit ihrem Hauptbegehren auf eine die Klage insgesamt abweisende Sachentscheidung nicht stattgegeben worden ist (vgl. , TranspR 2018, 384 Rn. 5 mwN).

102. Die Revision ist auch begründet. Mit Recht machen die Beklagten geltend, dass die vom Berufungsgericht auf Hilfsantrag des Klägers ausgesprochene Zurückverweisung der Sache an das Landgericht in § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO keine Stütze findet. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass aufgrund eines wesentlichen Verfahrensmangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

11a) Gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO darf das Berufungsgericht auf Antrag einer Partei die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen, soweit das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Die Vorschrift ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, nach dem das Berufungsgericht die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden hat (§ 538 Abs. 1 ZPO).

12Die Möglichkeiten zur Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht sind gegenüber dem früheren Recht (§§ 538 ff ZPO aF) im Interesse der Verfahrensbeschleunigung erheblich eingeschränkt worden (BT-Drucks. 14/4722, S. 102). Wegen eines Verfahrensmangels ist eine Zurückverweisung nur noch statthaft, wenn es sich um einen wesentlichen Verfahrensmangel handelt und aufgrund des Mangels eine umfangreiche (z.B. Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen oder Sachverständigen) oder aufwändige (z.B. an einem weit entfernt liegenden Ort vorzunehmende) Beweisaufnahme erforderlich ist (BT-Drucks. 14/4722, aaO). Die Notwendigkeit der Vernehmung nur eines Zeugen (vgl. BT-Drucks. 14/4722, aaO) oder der Befassung eines Sachverständigen mit lediglich einem Werkmangel (vgl. , MDR 2005, 645) reicht dafür regelmäßig nicht.

13Die Beweisaufnahme muss gerade aufgrund des erstinstanzlichen Verfahrensmangels notwendig sein. Bewertet das Berufungsgericht das Parteivorbringen materiell-rechtlich anders als das Erstgericht, indem es zum Beispiel an die Schlüssigkeit oder die Substantiierung andere Anforderungen stellt, kann eine Zurückverweisung auch dann nicht erfolgen, wenn infolge der abweichenden Beurteilung eine Beweisaufnahme erforderlich wird (vgl. , ZIP 2013, 1642 Rn. 10). Eine Zurückverweisung scheidet auch aus, wenn zwar nach der Lösung des Erstgerichts eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme erforderlich wäre, es aber nach den materiell-rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts auf die Beweisaufnahme nicht ankommt (vgl. , NJW 1997, 1710; Urteil vom - VI ZR 74/00, NJW 2001, 2550; jeweils zu § 539 ZPO aF).

14Die von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorausgesetzte Notwendigkeit der Beweisaufnahme liegt nicht vor, wenn den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben ist und erst danach möglicherweise eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme erforderlich wird. Das widerspräche Wortlaut und Sinn der Vorschrift, den Aufwand mehrfacher Bearbeitung klein zu halten und Verfahrensverzögerungen durch Hin- und Herschieben von Fällen in den Instanzen zu vermeiden (vgl. , WM 2017, 924 Rn. 11 mwN). Die umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme muss sicher zu erwarten sein (, NJW 2016, 2274 Rn. 19).

15Das Berufungsgericht ist gehalten nachprüfbar darzulegen, inwieweit eine noch ausstehende Beweisaufnahme so umfangreich oder aufwändig ist, dass es gerechtfertigt ist, die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen. Dabei hat es in Erwägung zu ziehen, dass eine Zurückverweisung der Sache in aller Regel zu einer weiteren Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits und zu weiteren Nachteilen führt und dies den schützenswerten Interessen der Parteien entgegenstehen kann (vgl. , MDR 2005, 645 mwN).

16b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

17aa) Das Berufungsgericht meint, für die Entscheidung komme es zunächst maßgeblich darauf an, ob die Beklagte das Lagergeschäft fortgeführt und Lagergelder erzielt oder ob sie die Schüttgutlagerhalle selbst genutzt habe. Inwieweit zur Klärung dieser Frage eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme erforderlich sei und dies auf einem wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens beruhe, sagt das Berufungsgericht nicht. Dies ist auch nicht sonst ersichtlich.

18Im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ist als unstreitig festgestellt, dass die Beklagte die Schüttgutlagerhalle selbst genutzt hat. Davon ist das Landgericht auch in seinen Entscheidungsgründen ausgegangen. Der Tatbestand des landgerichtlichen Urteils erbringt nach § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen in der ersten Instanz. Abweichender Vortrag in der Berufungsinstanz war damit - in den Grenzen der §§ 530, 531 ZPO - nicht ausgeschlossen. Die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen waren nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 ZPO zu überprüfen und gegebenenfalls abweichende oder neue Feststellungen zu treffen (vgl. , WM 2021, 1532 Rn. 19 mwN). In den genannten Grenzen war das Berufungsgericht insbesondere nicht daran gehindert, neues Vorbringen der Parteien zur Frage der Nutzung der Schüttgutlagerhalle zu berücksichtigen. Eine auf der Grundlage neuen Vortrags möglicherweise erforderliche Beweisaufnahme musste es dann jedoch selbst vornehmen.

19bb) Die weiterhin erforderlichen Feststellungen macht das Berufungsgericht abhängig von der - unter Berücksichtigung des Vorstehenden - von ihm selbst zu beantwortenden Frage der Nutzung der Schüttgutlagerhalle durch die Beklagte. Ob und worüber konkret Beweis zu erheben sein wird und ob dies auf einem wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens beruht, hängt demnach von der Frage der Nutzung der Schüttgutlagerhalle ab. Eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO käme vor diesem Hintergrund nur in Betracht, wenn in jedem Fall der in Betracht gezogenen Nutzung der Schüttgutlagerhalle eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig würde und dies auf einem wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens beruhte.

20(1) Das trifft nicht zu. Im Falle einer Eigennutzung soll nach der Auffassung des Berufungsgerichts der dann geschuldete Wertersatz für die gezogenen Nutzungen nach der ortsüblichen Miete für die Anmietung einer Schüttgutlagerhalle wie der streitbefangenen zu bestimmen sein. Das ist ein anderer materiell-rechtlicher Gesichtspunkt als der des Landgerichts, welches das im Falle der gewerblichen Nutzung erzielbare Lagergeld für maßgeblich gehalten hat. Eine Beweisaufnahme zu diesem Punkt beruhte demnach allenfalls auf einer fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts durch das Landgericht und nicht auf einem wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens. Überdies ist nicht ersichtlich, dass eine Beweisaufnahme, die auch nur bei einem Streit der Parteien über die Höhe der ortsüblichen Miete erforderlich wäre, umfangreich oder aufwändig würde. Erforderlich wäre (nur) die Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens. Eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme aufgrund eines wesentlichen Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens ist damit nicht sicher zu erwarten.

21(2) Dahinstehen kann vor diesem Hintergrund, dass die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO auch dann nicht nachprüfbar dargelegt wären, wenn die Beklagte das Lagergeschäft fortgeführt und Lagergelder erzielt hätte.

22Die Fortführung des Lagergeschäfts und die daraus abzuleitenden rechtlichen Folgen für den streitgegenständlichen Nutzungsersatz sind Gesichtspunkte, die das Landgericht nicht erwogen hat, weil es davon ausgegangen ist, die Eigennutzung durch die Beklagte sei unstreitig. Dass dies auf einem wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens beruhte, ist nicht dargelegt. Für die Höhe etwa erzielter Lagergelder hält das Berufungsgericht weiteren Vortrag des Klägers für erforderlich. Ob es im Anschluss daran zu einer Beweisaufnahme kommt, hängt vom weiteren Parteivortrag ab. Offen ist auch, ob eine solche Beweisaufnahme umfangreich oder aufwändig wäre. Vom weiteren Vortrag zu den erzielten Lagergeldern hängt auch ab, ob und falls ja inwieweit etwaige Fruchterzielungskosten Bedeutung erlangen. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Vortrag der Beklagten zu ihr entstandenen Fruchtgewinnungskosten vom Landgericht fehlerhaft im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unberücksichtigt geblieben wäre, wäre derzeit nicht sicher, dass hierzu eine Beweisaufnahme notwendig würde. Dass eine solche umfangreich oder aufwändig würde, ist ohnehin nicht nachprüfbar dargelegt.

III.

23Das Urteil ist danach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur (eigenen) Sachentscheidung zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

241. Das Berufungsgericht geht zu Unrecht davon aus, dass sich der von ihm angenommene Anspruch auf Nutzungsersatz aus § 143 InsO in Verbindung mit § 818 Abs. 1 oder 2 BGB ergibt.

25a) Angefochten hat der Kläger das Angebot auf Abschluss des Kaufvertrags über das Erbbaurecht und damit einen Teil des Verpflichtungsgeschäfts. Das Verfügungsgeschäft, das auch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewickelt worden ist, ist ersichtlich nicht angefochten worden. Grund- und Erfüllungsgeschäft sind auch anfechtungsrechtlich selbständige Rechtshandlungen (, WM 2007, 1221 Rn. 27). Ist Gegenstand der Anfechtung - wie hier - nur das Verpflichtungsgeschäft, bleibt das Erfüllungsgeschäft wirksam, ist jedoch anfechtungsrechtlich als Leistung ohne Rechtsgrund anzusehen. Die Rückabwicklung der daraus erbrachten Leistungen zu Gunsten der Insolvenzmasse bemisst sich daher nach allgemeinen Vorschriften, insbesondere nach den §§ 812 ff BGB (vgl. MünchKomm-InsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl., § 129 Rn. 57; Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 129 Rn. 103; HK-InsO/Thole, 11. Aufl., § 129 Rn. 18; Jaeger/Henckel, InsO, § 129 Rn. 106 f, 110 und § 143 Rn. 39; Graf-Schlicker/Huber, InsO, 6. Aufl., § 129 Rn. 6; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, 4. Aufl., § 129 Rn. 38 und § 143 Rn. 14).

26b) Da sich der vom Berufungsgericht angenommene Anspruch direkt aus den §§ 812 ff BGB ergibt, kann offenbleiben, ob § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO überhaupt auf § 818 Abs. 1 und 2 BGB verweist oder nur auf § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 (vgl. , BGHZ 221, 100 Rn. 97). Die in § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO vorgesehene Privilegierung des Empfängers einer unentgeltlichen Leistung kommt von vornherein nicht in Betracht.

272. Unter Berücksichtigung der bisher getroffenen Feststellungen geht das Berufungsgericht zu Unrecht davon aus, dass sich die Höhe des von ihm angenommenen Anspruchs im Falle einer (in erster Instanz unstreitigen) Eigennutzung nach dem fiktiven Mietzins und nicht nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung richtet.

28a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird angenommen, dass der Wert der durch den Gebrauch einer Sache gezogenen Nutzungen im Falle der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines nicht zustande gekommenen Kaufvertrags (§ 818 Abs. 1 und 2 BGB) nicht nach dem üblichen oder einem fiktiven Mietzins für eine gleichartige Sache zu ermitteln ist, sondern durch Schätzung der zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer (, ZIP 1996, 137, 140 f; vgl. auch Staudinger/Lorenz, BGB, 2007, § 818 Rn. 13; MünchKomm-BGB/Schwab, 8. Aufl., § 818 Rn. 99). Das entspricht dem Stand der Rechtsprechung zur Rückabwicklung eines Kaufvertrags im Wege des großen Schadensersatzes (, BGHZ 164, 235, 238 f) und - gestützt auf § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB - nach Rücktritt (, BGHZ 215, 157 Rn. 26 ff). Zur Begründung wird jeweils verwiesen auf die (Investitions-)Entscheidung des Käufers zu kaufen und nicht zu mieten ( aaO; vom , aaO S. 239; vom , aaO). Diese Entscheidung schließe eine Bestimmung des Werts der Gebrauchsvorteile nach dem fiktiven Mietzins aus (vgl. aaO; vom , aaO Rn. 28).

29b) Die Investitionsentscheidung des Käufers ist grundsätzlich auch dann zu achten, wenn die aufgrund eines Vertrags erbrachten Leistungen deshalb rückabzuwickeln sind, weil der Insolvenzverwalter das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft nach Maßgabe der §§ 129 ff InsO erfolgreich angefochten hat. Das kann ausnahmsweise dann anders sein, wenn es an einer echten Investitionsentscheidung fehlt; etwa deshalb, weil der Käufer in das Beiseiteschaffen von haftendem Schuldnervermögen eingebunden ist. Für einen solchen Ausnahmefall fehlt es hier an Feststellungen.

30Wird allerdings der Kaufvertrag, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, erfolgreich als unentgeltliche Leistung nach § 134 InsO angefochten, ist Ausgangspunkt für die Berechnung der linearen Wertminderung nicht der vereinbarte (zu niedrige) Kaufpreis. Maßgeblich ist vielmehr der objektive Wert des Kaufgegenstands. Der von § 134 InsO bezweckte Schutz von Gläubigern entgeltlich begründeter Rechte gegen die Folgen unentgeltlicher Verfügungen des Schuldners (vgl. , ZIP 2011, 484 Rn. 10; vgl. auch , BGHZ 113, 393, 396) geriete sonst zu kurz.

313. Das Berufungsgericht wird auch eine verschärfte Haftung gemäß § 818 Abs. 4 oder § 819 Abs. 1 BGB in Betracht zu ziehen haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:261023UIXZR250.22.0

Fundstelle(n):
BB 2024 S. 66 Nr. 3
DStR-Aktuell 2024 S. 9 Nr. 5
NJW 2024 S. 9 Nr. 7
WM 2024 S. 83 Nr. 2
ZIP 2024 S. 622 Nr. 12
ZIP 2024 S. 622 Nr. 12
ZIP 2024 S. 91 Nr. 2
IAAAJ-56094