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Online-Nachricht - Dienstag, 02.01.2024

Umsatzsteuer | Steuer bei Transfergesellschaften (FG)

Aufstockungsbeiträge zum bisherigen Gehalt (weiterbelastete Remanenzkosten), die der bisherige Arbeitgeber an eine Transfergesellschaft im Rahmen der Übernahme der Arbeitnehmer leistet, sind steuerbar sowie Teil des steuerpflichtigen Entgelts im Leistungsaustausch zwischen Transfergesellschaft - Alt-Arbeitgeber und keine durchlaufenden Posten. Im Gegensatz zu den Remanenzkosten stellen die an die Transfergesellschaft geleisteten Abfindungszahlungen wegen Auflösung der Arbeitsverhältnisse, die auf Ansprüchen beruhen, die beim Übergang der Arbeitnehmer durch die Transfergesellschaft fortbestehen und beim Ausscheiden aus der Transfergesellschaft fällig werden, bei der Transfergesellschaft durchlaufende Posten dar (; Revision anhängig, BFH-Az. V R 10/23).

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine GmbH, die für Unternehmen, die Arbeitsplätze abbauen müssen, Transfergesellschaften i. S. des SGB III betreibt und eine Trägerzulassung nach § 178 Abs. 3 SGB III besitzt. Arbeitnehmer werden von der Transfergesellschaft in ein zeitlich befristetes Transferarbeitsverhältnis übernommen. Sie erhalten teilweise Zahlungen von der Agentur für Arbeit. Die Transfergesellschaften schließen jeweils dreiseitige Verträge mit dem Alt-Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Außerdem besteht regelmäßig eine Betriebsvereinbarung zwischen dem Betriebsrat und dem Alt-Arbeitgeber und ein Vertrag zur Durchführung des Interessenausgleichs und Sozialplans zwischen Transfergesellschaft und Alt-Arbeitgeber (Durchführungsvertrag).

Die Alt-Arbeitgeber zahlten an die Klägerin regelmäßig zunächst einen Verwaltungs- und Treuhandkostenzuschuss für die Durchführung der Personalverwaltung und Lohn- und Gehaltsabrechnungen. Zusätzlich wurden der Klägerin Kosten für Profilingmaßnahmen (Erfassung der Arbeitnehmer und deren Qualifikationen) vergütet. Schließlich erhielt die Klägerin in den ersten zwölf Monaten nach Eintritt des Arbeitnehmers in die Transfergesellschaft Zahlungen zur Aufstockung des Transferkurzarbeitergeldes sowie anschließend die gesamten Lohn- und Gehaltskosten einschließlich zusätzlicher Arbeitgeberkosten (sog. Remanenzkosten, dazu zählten u.a. Urlaubsgeld, betriebliche Sonderzahlungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung). Die Beträge wurden über Treuhandkonten an die Arbeitnehmer ausgezahlt.

Die Klägerin stellte den Alt-Arbeitgebern Rechnungen, in denen auf die Verwaltungs- und Qualifizierungskosten 19% Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Die anderen Beträge wurden nicht der Umsatzsteuer unterworfen, sondern als nicht steuerbar behandelt. Demgegenüber bewertete das beklagte Finanzamt die weiterbelasteten Remanenzkosten und die an Arbeitnehmer bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen gezahlten Abfindungen als umsatzsteuerpflichtig. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Das FG entschied, dass die von den Alt-Arbeitgebern an die Klägerin bezahlten Remanenzkosten Entgelt für eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung der Klägerin an die Alt-Arbeitgeber darstellen. Die Abfindungen gehören als durchlaufende Posten dagegen nicht zum Entgelt:

  • Der Senat hat durch Zwischenurteil lediglich über die Steuerbarkeit und Steuerpflicht der Remanenzkosten entschieden, jedoch nicht über den Zeitpunkt der Steuerentstehung. Auf die Steuerentstehung kommt es nicht an, wenn der BFH zu dem Ergebnis kommt, dass die Remanenzkosten und die Abfindungen nicht zum Entgelt für eine Leistung der Klägerin an die Alt-Arbeitgeber zählen. Sollten die Remanenzkosten und/oder die Abfindungen dagegen steuerpflichtiges Entgelt darstellen, müssen die Entgelte einschließlich der Anzahlungen den richtigen Besteuerungszeiträumen zugeordnet werden. Das ist vorliegend zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ohne weiteres möglich. Die Klägerin hat zwar die erhaltenen Anzahlungen beziffert, aber auch -nicht bezifferte- Rückzahlungen erwähnt.

  • Die Remanenzkosten sind Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin an die Alt-Arbeitgeber nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG. Neben den hier unstreitigen Regiekosten und Qualifizierungskosten sind auch die von der Klägerin an die Alt-Arbeitgeber weiterbelasteten Remanenzkosten Teil des Entgelts für eine Leistung der Klägerin an die Alt-Arbeitgeber

  • Die Leistung der Klägerin an die Alt-Arbeitgeber erschöpft sich nicht in der Durchführung der Personalverwaltung und der Lohn- und Gehaltsabrechnungen, sondern umfasst auch die Übernahme der Beschäftigungsverhältnisse. Die Überführung der Arbeitnehmer in eine „betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit“ (im Streitfall die Klägerin als gesellschaftsrechtlich selbständige Transfergesellschaft i.S. des § 111 Abs. 3 Satz 2 SGB III) ist nach § 111 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III Bedingung für die Zahlung des Transferkurzarbeitergeldes und liegt im Interesse der Alt-Arbeitgeber, die andernfalls unter Beachtung der Vorgaben der Sozialauswahl betriebsbedingte Kündigungen aussprechen müssen.

  • Die Alt-Arbeitgeber werden von den bisherigen Pflichten wie Lohnzahlung, Gewähren des Urlaubsanspruchs, Fortführung der betrieblichen Altersversorgung etc. befreit und können sich so am Markt besser positionieren, d.h. Sachmittel des abgebenden Unternehmens oder Teile hiervon ohne bestehende Arbeitsverhältnisse auf einen Dritten übertragen. Die Bezeichnung der Klägerin als „Transfergesellschaft“ verdeutlicht ihren wesentlichen Zweck.

  • Die Leistungsempfänger (Alt-Arbeitgeber) bringen die Remanenzkosten als weiteren Anreiz auf, um Arbeitnehmern den Übergang in die Transfergesellschaft schmackhaft zu machen. Da die Transfergesellschaft selbst über kein Kapital zur Zahlung der Aufstockungsbeträge verfügt, muss dieses von den Alt-Arbeitgebern aufgebracht werden. Unerheblich ist, dass die Klägerin die Remanenzkosten ohne Gewinnaufschlag als eine Art Aufwendungsersatz 1 : 1 an die Alt-Arbeitgeber weiterbelastet. Ohne Bedeutung ist auch, dass die Klägerin keinen Einfluss auf die Höhe der Aufstockungsbeträge hat; gleichwohl sind ihr diese bei Abschluss der Vereinbarungen bekannt.

  • Die Leistung der Klägerin an die Alt-Arbeitgeber beruht auf einem zwischen diesen Personen bestehenden Rechtsverhältnis. Der Durchführungsvertrag zwischen der Klägerin und B vom ... und die entsprechenden anderen Durchführungsverträge regeln sowohl die Übernahme der Arbeitsverhältnisse durch die Klägerin als auch die Übernahme der Remanenzkosten durch B. Im Gleichklang mit dem Durchführungsvertrag wird das Arbeitsverhältnis zwischen dem Alt-Arbeitgeber mit Abschluss des Dreiseitgen Vertrags beendet und mit der Klägerin als Transfergesellschaft neu begründet. Den in die Transfergesellschaft wechselnden Arbeitnehmern ist zwar bekannt, dass der Alt-Arbeitgeber letztlich für die Remanenzkosten aufkommt; dies ändert aber nichts daran, dass der Arbeitsvertrag, aus dem der Anspruch auf die Aufstockungsbeträge erwächst, ausschließlich zwischen der Transfergesellschaft und dem Arbeitnehmer besteht.

  • Bei dem Arbeitsverhältnis zwischen der Transfergesellschaft und dem Arbeitnehmer handelt es sich selbst dann um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, wenn „Kurzarbeit Null“ vereinbart ist. Sollte tatsächlich - wie von der Klägerin behauptet - das Transferkurzarbeitergeld durch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Alt-Arbeitgeber und/oder das Bestehen eines Aufstockungsanspruchs allein gegen den Alt-Arbeitgeber gefährdet sein, hätten die Vertragsbeteiligten diese Gefahr jedenfalls durch einen - auch für den Arbeitnehmer unmissverständlichen - Übergang des Arbeitsverhältnisses vom Alt-Arbeitgeber auf die Transfergesellschaft gebannt.

  • Das durch den Durchführungsvertrag zwischen der Klägerin und den Alt-Arbeitgebern für die umsatzsteuerliche Beurteilung maßgebende Rechtsverhältnis wird nicht durch die Betriebsvereinbarung zwischen B und dem Betriebsrat vom ... überlagert oder verdrängt. In der Betriebsvereinbarung wird zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile infolge der Stilllegung des Werkes nicht die Zahlung der Aufstockungsbeträge an die Arbeitnehmer als Entschädigung vereinbart, sondern - neben einer Abfindung - die Ermöglichung der Teilnahme an einer Transfergesellschaft.

  • Die weiterbelasteten Remanenzkosten sind für die Klägerin keine durchlaufenden Posten. Vorliegend besteht mit dem Durchführungsvertrag eine direkte vertragliche Beziehung zwischen der Klägerin und den Alt-Arbeitgebern, auf dessen Grundlage die weiterbelasteten Remanenzkosten als Entgelt zu beurteilen sind. Daher können die Remanenzkosten für die Klägerin keine durchlaufenden Posten sein.

  • Anders verhalte es sich mit den Abfindungen, die für die Klägerin durchlaufende Posten sind. Abfindungsansprüche werden in allen Varianten dem Arbeitsverhältnis mit dem Alt-Arbeitgeber zugewiesen, die Klägerin kann lediglich als Zahlstelle fungieren. Die Abfindungen sind im Wesentlichen im früheren Arbeitsverhältnis mit dem Alt-Arbeitgeber erdient und erhöhen sich z.B. insbesondere durch eine längere Verweildauer in der Transfergesellschaft nicht mehr.

  • Die Klägerin hat die Berechnung und Auszahlung der Abfindungszahlungen nur deshalb übernommen, weil sie nach dem Übergang der Arbeitsverhältnisse auf sie im Besitz der hierfür erforderlichen Daten gewesen ist. Der Unterscheidung zwischen Aufstockungsbeträgen (Entgelt) und Abfindungszahlungen (kein Entgelt) entspricht es, dass Arbeitnehmer hinsichtlich der Aufstockungsbeträge zivilrechtlich die Transfergesellschaft verklagen.

  • Die Leistungen der Klägerin sind nicht als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL steuerfrei, weil sie hierfür nicht unerlässlich sind. Die Errichtung einer Transfergesellschaft einschließlich der Übernahme der Arbeitsverhältnisse ist zunächst gegenüber den Leistungsempfängern - den Alt-Arbeitgeber - keine Maßnahme der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit, da für diese im Vordergrund steht, die Arbeitnehmer freizusetzen, um die Sachmittel des Unternehmens ohne bestehende Arbeitsverhältnisse auf einen Dritten übertragen zu können. Die demnach steuerbaren und steuerpflichtigen Remanenzkosten sind nach Auffassung des Senats als Nettobeträge der Besteuerung zu Grunde zu legen.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 2/2023 v. (il)

Fundstelle(n):
WAAAJ-55865