BGH Beschluss v. - 5 StR 330/23

Möglichkeit der Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe bei Vorliegen zweier Vorverurteilungen

Gesetze: § 55 StGB, § 460 StPO

Instanzenzug: Az: 5 StR 330/23 Beschlussvorgehend LG Dresden Az: 15 KLs 303 Js 35141/22nachgehend Az: 5 StR 330/23 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung (Fall 6 der Urteilsgründe) unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es ihn wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls (Fall 8) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision, die in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg hat; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Die Bildung der Gesamtstrafe hält rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Urteilsgründe nicht den Vollstreckungsstand der mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden vom verhängten Geldstrafe mitteilen. Daher vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob die Strafkammer zu Recht von einer Zäsurwirkung des noch nicht vollstreckten Urteils des Amtsgerichts Dresden vom ausgegangen ist und nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe sowie eine weitere Freiheitsstrafe verhängen durfte. Im Einzelnen:

3a) Wurden die neu abzuurteilenden Taten zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus den Strafen für die neu abgeurteilten Taten und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Der letzten Vorverurteilung kommt, da die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis hätten geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet wurde oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann (vgl. , NStZ 2021, 36).

4b) Hier hat das Landgericht aus den für das verfahrensgegenständliche Tatgeschehen vom (Fall 6) verhängten zwei Einzelstrafen und aus den im Urteil des Amtsgerichts Dresden vom festgesetzten zwei Einzelstrafen eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Die dieser Verurteilung zugrundeliegenden Taten wurden am und begangen. Nach den weiteren Feststellungen hat das Amtsgericht Dresden am gegen den Angeklagten im Strafbefehlswege wegen eines am begangenen Diebstahls rechtskräftig eine Geldstrafe verhängt. Der Vollstreckungsstand dieser Entscheidung wird – anders als beim ebenfalls wegen dieser Tat verurteilten Mitangeklagten – weder mitgeteilt, noch lässt sich ein solcher dem Urteil entnehmen.

5Die einbezogenen Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom sind mithin für Taten verhängt worden, die vor Erlass des Strafbefehls des Amtsgerichts Dresden vom begangen wurden. Die vom Landgericht vorgenommene Gesamtstrafenbildung wäre daher nur dann zutreffend, wenn nicht schon dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden vom eine Zäsurwirkung zukommt. Da aber der Vollstreckungsstand des Strafbefehls vom zum (Urteil des Amtsgerichts Dresden) unbekannt ist, kann nicht beurteilt werden, ob insoweit nach § 460 StPO noch eine Gesamtstrafe gebildet werden muss, weil jedenfalls das Urteil vom noch nicht erledigt ist. Dann würde der Strafbefehl vom in Bezug auf die in das verfahrensgegenständliche Urteil einbezogenen Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom eine Zäsurwirkung entfalten und diese von einer Gesamtstrafenbildung im hiesigen Verfahren ausschließen.

6c) Eine Beschwer des Angeklagten durch die inmitten stehende Gesamtstrafenbildung kann daher nicht ausgeschlossen werden.

72. Der Senat entscheidet gemäß § 354 Abs. 1b StPO, der bei Rechtsfehlern, die ausschließlich die Bildung der Gesamtstrafe betreffen, die Möglichkeit eröffnet, auf eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung im Beschlusswege nach §§ 460, 462 StPO zu verweisen.

8Das neue Tatgericht wird zu berücksichtigen haben, dass die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§§ 55, 53 StGB), durch die ein Angeklagter nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden soll, nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der früheren tatrichterlichen Verhandlung – hier also dem – zu beurteilen ist (st. Rspr.; vgl. ).

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:211123B5STR330.23.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-55479