Körperschaftsteuer | "Finanzielle Eingliederung" bei qualifizierten Mehrheitserfordernissen (BFH)
Sieht die Satzung der Organgesellschaft für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung generell eine qualifizierte Mehrheit vor, muss der Organträger über eine entsprechend qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte verfügen, um die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung i. S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG zu erfüllen (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Streitig ist, ob in den Jahren 2014 bis 2016 eine körperschaftsteuerliche Organschaft bestand. Die "Organträgerin" war zu ca. 80 % an der "Organgesellschaft" beteiligt. Aufgrund der Satzung der "Organgesellschaft" war für bestimmte Geschäfte eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung waren mit einer Mehrheit von 91 % der Stimmen zu fassen.
Das Finanzamt verneinte eine finanzielle Eingliederung und damit den Bestand einer Organschaft (s. unsere Online-Nachricht v. 13.1.2021).
Die Revision der Klägerinnen war unbegründet und daher zurückzuweisen:
Die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft lagen in den Streitjahren aber nicht vor, so dass die ursprünglich positiven Feststellungsbescheide aufzuheben waren.
Zwar könnte der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG ("Mehrheit der Stimmrechte") dafür sprechen, entsprechend der gesellschaftsrechtlichen Grundnormen (§ 133 Abs. 1 AktG, § 47 Abs. 1 GmbHG) in jedem Fall eine einfache Mehrheit der Stimmrechte ausreichen zu lassen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs hat der Gesetzgeber aber bewusst auf die Mehrheit der Stimmrechte und nicht auf die Mehrheit der Anteile abgestellt, da es bei dem Kriterium der finanziellen Eingliederung um eine kapitalmäßige Verflechtung zwischen Organträger und Organgesellschaft gehe, die den Organträger in die Lage versetze, tatsächlich das Geschehen in der Organgesellschaft zu bestimmen.
Vor diesem Hintergrund hat das FG zutreffend die Rechtsprechung des BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft herangezogen. Dort setzt die finanzielle Eingliederung grundsätzlich voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein muss, dass er seinen Willen in der Gesellschafterversammlung durch Mehrheitsbeschluss durchsetzen kann (, ). Auch im wurde für die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft darauf abgestellt, ob der Organträger durch die Stimmrechte seinen auf die Organgesellschaft bezogenen Geschäftsleitungswillen durchsetzen kann. Demnach sind auch von den Mehrheitserfordernissen des § 133 Abs. 1 AktG und des § 47 Abs. 1 GmbHG abweichende Satzungsbestimmungen zu berücksichtigen.
Die neuere Rechtsprechung des BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, wonach eine Willensdurchsetzung auch bei nur 50 % der Stimmrechte möglich sei (), beruht dagegen auf einer Gesamtbetrachtung von finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Eingliederung, die nicht auf die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft übertragbar ist.
Nach diesen Maßgaben fehlte der Klägerin die für eine finanzielle Eingliederung erforderliche qualifizierte Stimmenmehrheit. Zwar hielt sie nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) 79,8 % der Anteile, so dass ihr die einfache Mehrheit der Stimmrechte zustand. Nach § 8 des Gesellschaftsvertrags war für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung aber generell eine Mehrheit von 91 % aller in der Gesellschafterversammlung anwesenden Stimmen erforderlich. Über diese qualifizierte Mehrheit verfügte die Klägerin nicht.
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
IAAAJ-54970