BVerwG Urteil v. - 2 C 7/22

Ausführungen zur Begründetheit bei einer als unzulässig verworfenen Berufung

Leitsatz

1. Ist die Frist zur Begründung der Berufung gemäß § 64 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW vom Vorsitzenden des zuständigen Senats des Oberverwaltungsgerichts für Disziplinarsachen verlängert worden, kann auch die Berufungsbegründung selbst dort fristwahrend eingereicht werden.

2. Die materielle Sachprüfungsbefugnis eines Gerichts ist nur eröffnet, wenn es die Zulässigkeit der Klage oder des Rechtsmittels festgestellt hat. Erwägungen zur Begründetheit bei einer als unzulässig bewerteten Klage oder einem als unzulässig anzusehenden Rechtsmittel sind verfahrensfehlerhaft.

3. Im hierauf bezogenen Revisionsverfahren ist ein Rückgriff auf die verfahrensfehlerhaft enthaltenen Begründetheitserwägungen nicht gesperrt.

Gesetze: § 124a Abs 3 S 2 VwGO, § 124a Abs 5 S 1 VwGO, § 129 VwGO, § 141 S 1 VwGO, § 137 Abs 2 VwGO, § 144 Abs 4 VwGO, § 191 Abs 2 VwGO, § 17b Abs 1 S 1 GVG, § 263 Abs 1 StGB, § 13 Abs 2 S 1 DG NW 2004, § 13 Abs 3 S 2 DG NW 2004, § 56 Abs 1 S 1 DG NW 2004, § 64 Abs 1 S 2 DG NW 2004, § 64 Abs 1 S 3 DG NW 2004, § 64 Abs 2 S 2 DG NW 2004

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 3d A 1185/20.O Urteilvorgehend Az: 31 K 8408/18.O Urteil

Tatbestand

1Der Rechtsstreit betrifft ein beamtenrechtliches Disziplinarverfahren. Die Beklagte wendet sich gegen die Aberkennung ihres Ruhegehalts.

2Die 1951 geborene Beklagte stand bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2017 als beamtete Lehrerin im Dienst des klagenden Landes. Im März 2018 verurteilte sie das Amtsgericht wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil sammelte die Beklagte als Klassenlehrerin Gelder für eine Klassenfahrt nach Barcelona sowie einen Tagesausflug nach London in Höhe von insgesamt 5 383 € ein, die sie anschließend - wie von ihr von vornherein beabsichtigt - für sich behielt und für eigene Zwecke verwendete.

3In dem im Wesentlichen sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht der zwischenzeitlich in den Ruhestand getretenen Beklagten das Ruhegehalt aberkannt.

4Gegen das am zugestellte Urteil hat die Beklagte am beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt und dort zugleich beantragt, die Frist für die Begründung der Berufung bis zum zu verlängern. Nach Eingang der Akten beim Oberverwaltungsgericht hat der Vorsitzende des Disziplinarsenats des Berufungsgerichts die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum verlängert. Am , 17:03 Uhr, ging die Berufungsbegründung beim Berufungsgericht ein. Mit Verfügung vom wies das Berufungsgericht darauf hin, dass die Berufungsbegründung beim Verwaltungsgericht eingereicht werden müsse; hierauf sei in der Rechtsmittelbelehrung zutreffend hingewiesen worden. Daraufhin hat die Beklagte den Berufungsbegründungsschriftsatz an das Verwaltungsgericht übermittelt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

5Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Nach den eindeutigen und einer Auslegung nicht zugänglichen Regelungen des Landesdisziplinargesetzes müsse die Berufungsbegründung beim Verwaltungsgericht eingereicht werden. Dies gelte auch dann, wenn eine Fristverlängerung durch das Berufungsgericht bewilligt werde. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden, weil es gefestigter Senatsrechtsprechung entspreche, dass die Berufungsbegründung auch im Fall der Fristverlängerung durch das Berufungsgericht beim Verwaltungsgericht eingereicht werden müsse. Unabhängig hiervon sei die Berufung auch unbegründet. Das Verwaltungsgericht habe der Beklagten zu Recht wegen eines schweren, einheitlichen Dienstvergehens das Ruhegehalt aberkannt. Im Hinblick auf den für Betrugsstraftaten geltenden Strafrahmen sei die Ahndung bis zur disziplinaren Höchstmaßnahme eröffnet und hier auch angemessen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte die besondere Vertrauensstellung als Klassenlehrerin missbraucht habe, in einer Vielzahl von Einzelvorgängen planmäßig vorgegangen sei und eine erhebliche Schadenshöhe verursacht habe. Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild oder Milderungsgründe fielen nicht derart ins Gewicht, dass eine mildere Disziplinarmaßnahme geboten sei.

6Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision. Sie macht neben prozessualen Rügen insbesondere eine fehlerhafte Würdigung der Milderungsgründe geltend und beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, hilfsweise, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom aufzuheben und auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Aberkennung des Ruhegehalts zu erkennen.

7Die Vertreterin des Klägers hat im Schriftsatz vom den Antrag angekündigt,

die Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom zurückzuweisen und der Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.

Gründe

8Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung zur Sache verhandeln und entscheiden, weil in der ordnungsgemäßen Ladung hierauf hingewiesen worden war (§ 141 Satz 1 i. V. m. § 125 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 102 Abs. 2 VwGO).

9Die Revision der Beklagten ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass ihre Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts als unbegründet zurückgewiesen wird. Zwar verstößt die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufungsbegründung könne auch im Fall der Fristverlängerung durch den Vorsitzenden des Disziplinarsenats nur beim Verwaltungsgericht eingereicht werden, gegen das Landesdisziplinargesetz als revisibles Recht (vgl. § 191 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG), sodass sich die Verwerfung der Berufung als fehlerhaft erweist (1.). Dem Berufungsgericht wäre bei dieser Annahme auch eine Sachprüfung der Begründetheit verwehrt gewesen (2.). Im Revisionsverfahren ist ein Rückgriff auf diese Gründe aber nicht gesperrt, sodass sich der Prüfungsumfang auch hierauf erstreckt (3.). Revisionsrechtlich bedeutsame Fehler in der Sachprüfung hat die Beklagte nicht aufgezeigt (4.). Die Revision ist daher in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen (5.).

101. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts enthält das Disziplinargesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom (GV. NRW. S. 624) in der Fassung vom (GV. NRW. S. 597 - LDG NRW -) keine eindeutige Regelung zu der Frage, bei welchem Gericht die Berufungsbegründung in dem Fall eingereicht werden muss, in dem die Berufungsbegründungsfrist durch den Senatsvorsitzenden am Berufungsgericht verlängert worden ist. Die damit erforderliche Auslegung ergibt, dass die Vorlage der Berufungsbegründung in dieser Fallgestaltung auch beim Berufungsgericht möglich ist.

11a) Nach § 64 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW ist die Berufung bei dem Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und zu begründen. Diese Regelung enthält - wie das Berufungsgericht zutreffend feststellt - einen eindeutigen und der Auslegung nicht weiter zugänglichen Inhalt.

12Schon vom Wortlaut her erfasst die Bestimmung die vorliegende Fallgestaltung indes nicht. Denn ein Fall, bei dem die Berufung "innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils" begründet wird, liegt nicht vor. Hiervon geht auch das Berufungsgericht nicht aus.

13Nach § 64 Abs. 1 Satz 3 LDG NRW kann die Begründungsfrist auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des zuständigen Senats für Disziplinarsachen verlängert werden. Bei welchem Gericht in dieser Fallgestaltung die Berufungsbegründung einzureichen ist, wird in der Vorschrift nicht geregelt. Eine ausdrückliche Bestimmung für die streitige Frage liegt damit nicht vor - erst recht keine, die jeder Auslegung entzogen wäre.

14Ob der Wortlaut der in § 64 Abs. 1 LDG NRW enthaltenen Regelungen eher für eine Einreichung beim Verwaltungsgericht (Satz 2) oder bei dem die Fristverlängerung gewährenden Berufungsgericht (Satz 3) spricht, ist daher eine Frage des Bezugspunkts. Eindeutig ist die Regelung in keinem Fall.

15b) Die vom Berufungsgericht herangezogenen Argumente der Entstehungsgeschichte stützen seine Auffassung nicht. Die Entstehungsmaterialien lassen den Schluss, der Landesgesetzgeber habe die Vorlage der Berufungsbegründung beim Oberverwaltungsgericht bewusst ausgeschlossen (UA S. 12), nicht zu.

16Eine ausdrückliche Stellungnahme zu der Frage, bei welchem Gericht die Berufungsbegründung im Fall der Fristverlängerung durch den Vorsitzenden des zuständigen Senats für Disziplinarsachen einzureichen ist, findet sich in den Gesetzesmaterialien nicht; Entsprechendes zeigt auch das Berufungsurteil nicht auf.

17Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, in der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung sei ausgeführt, dass die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung über die Zulassungsbedürftigkeit einer Berufung (§§ 124 und 124a VwGO) bei der Disziplinarklage nicht gelten (LT-Drs. 13/5220 S. 102), bezieht sich dies erkennbar nur auf die Frage der Zulassungsbedürftigkeit. Dies wird auch an den nachfolgenden Ausführungen deutlich, in denen auf die Zulassungsbeschränkungen der §§ 124 und 124a VwGO im Fall der Anfechtungsklage gegen eine Disziplinarverfügung verwiesen wird. Aus der Erwägung, dass es besonderer Regelungen zu Form, Einlegungs- und Begründungsfrist bedürfe, lässt sich keine Aussage zu deren Inhalt entnehmen. Insbesondere folgt hieraus kein Ausschluss der bundesgesetzlichen Vorbilder; Anliegen der Neuregelung des Landesdisziplinarrechts war vielmehr ausdrücklich die Angleichung der Regelungen an die Vorschriften für das Disziplinarrecht des Bundes (vgl. LT-Drs. 13/5220 S. 2 und 77).

18Soweit das Berufungsgericht schließlich die Entstehungsmaterialien zu § 64 BDG bemüht, vermag dies nicht zu überzeugen. Auch dort finden sich keine ausdrücklichen Stellungnahmen zu der Frage, bei welchem Gericht die Berufungsbegründung im Fall der Fristverlängerung durch den Vorsitzenden eingereicht werden muss. Ausdrücklich ist dort indes auf die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung verwiesen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 14/4659 S. 50). Dort ist durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom (BGBl. I S. 3987) - und damit noch vor den Beratungen zum Landesdisziplinarrecht in Nordrhein-Westfalen - in § 124a Abs. 3 Satz 2 VwGO die Klarstellung erfolgt, dass die Berufungsbegründung, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen ist. Diese bundesrechtlichen Regelungen waren Grundlage der Vereinheitlichungsbemühungen des Landesgesetzgebers.

19c) Systematische Gründe sprechen dafür, die fristwahrende Einreichung der Berufungsbegründung auch beim Berufungsgericht zuzulassen, wenn der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Disziplinarsenats die Berufungsbegründungsfrist verlängert hat (vgl. bereits 2 B 25.19 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 69 Rn. 8).

20Nach allgemeinen Grundsätzen wird die Anhängigkeit eines Rechtsstreits im Fall des Zuständigkeitsübergangs mit Eingang der Akten bewirkt (vgl. § 17b Abs. 1 Satz 1 GVG für den Fall der Verweisung). Hierdurch wird nicht nur sichergestellt, dass dem zur Entscheidung berufenen Gericht die für seine Tätigkeit erforderlichen Grundlagen vorliegen; vielmehr wird auch eine gespaltene Verfahrensherrschaft vermieden.

21Nachdem das Berufungsgericht für die Verlängerung der Berufungsbegründung zuständig ist und hierauf bezogene Schriftsätze daher auch dorthin zu adressieren sind, ist kein Sachgrund ersichtlich, warum es angezeigt sein könnte, die - nachfolgend einzureichende - Berufungsbegründung selbst gleichwohl beim Verwaltungsgericht vorzulegen. Auch das Berufungsgericht benennt hierfür keine Gesichtspunkte.

22Nach Abschluss des erstinstanzlichen Disziplinarklageverfahrens verfügt das Verwaltungsgericht aufgrund des mit der Einlegung der Berufung eintretenden Devolutiveffekts (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW i. V. m. § 124a Abs. 5 Satz 1 VwGO) über keinerlei Entscheidungskompetenz. Das Berufungsverfahren wird vollständig beim Oberverwaltungsgericht geführt ( 2 B 66.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 15 Rn. 8). Während es sachgerecht erscheinen mag, die Einlegung der Berufung selbst beim Verwaltungsgericht vorzusehen, bei dem allein das Verfahren bislang geführt wurde und bei dem sich auch die Akten in diesem Zeitpunkt noch befinden, ist nicht ersichtlich, warum das Verwaltungsgericht auch nachfolgend noch Adressat der das Berufungsverfahren betreffenden Schriftsätze sein sollte. In diesem Verfahrensstadium kann das Verwaltungsgericht nichts anderes mehr veranlassen, als die bei ihm eingehenden Schriftsätze an das Berufungsgericht weiterzuleiten.

23Der durch die Entscheidung über die Fristverlängerung begründete Rechtsschein einer Zuständigkeit des Berufungsgerichts "verleitet" aber dazu, auch die Berufungsbegründung bei diesem Gericht einzureichen (vgl. BT-Drs. 15/3482 S. 24 zur entsprechenden Änderung des § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO). Folgerichtig ist im allgemeinen Verwaltungsprozessrecht durch § 124a Abs. 3 Satz 2 VwGO für die Berufung und in § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO für den Antrag auf Zulassung der Berufung ausdrücklich geregelt, dass eine nicht mit dem Antrag vorgelegte Begründung unmittelbar bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen ist.

24d) Wird die Frist zur Begründung der Berufung auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden des Disziplinarsenats verlängert, kann die Begründung daher fristwahrend auch beim Berufungsgericht vorgelegt werden. Dies entspricht nicht nur der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, sondern auch der - mit Ausnahme des Berufungsgerichts - einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung zu den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen (vgl. etwa - juris Rn. 31 f.; - juris Rn. 54; OVG Weimar, Urteil vom - 8 DO 329/08 - juris Rn. 51 f.; 83 D 2.12 - juris Rn. 27; ebenso 21d A 956/07.BDG - juris Rn. 42 f. für die Vorschriften des BDG).

252. Rechtsfehlerhaft ist auch, dass das Berufungsgericht in eine Sachprüfung eingetreten ist und Ausführungen zur Begründetheit der Berufung gemacht hat, obwohl es deren Zulässigkeit verneint hat.

26Nach ständiger Rechtsprechung ist die materielle Sachprüfungsbefugnis eines Gerichts grundsätzlich erst eröffnet, wenn die Zulässigkeit der Klage festgestellt ist (vgl. etwa 2 C 14.84 - BVerwGE 71, 73 <74> und vom - 8 C 2.16 - BVerwGE 157, 292 Rn. 19); Entsprechendes gilt für Rechtsmittel (vgl. 2 B 49.21 - juris Rn. 4).

27Dies beruht auf der Unterschiedlichkeit der Rechtskraftwirkung von Prozess- und Sachurteilen (vgl. 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 <312>). Materielle Bindungswirkung kommt den "überschießenden" Sachausführungen eines Prozessurteils daher nicht zu; sie dürfen dem Betroffenen nicht entgegengehalten werden. Dies wird in der Rechtsprechung vielfach mit der Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass die verfahrensfehlerhaft beigefügten Begründungserwägungen als "nicht geschrieben" gelten (vgl. 6 B 133.18 - Buchholz 442.066 § 47 TKG Nr. 5 Rn. 22 m. w. N.).

283. Im Rahmen des Revisionsverfahrens ist ein Rückgriff auf diese Gründe aber nicht gesperrt.

29Dies folgt zunächst schon daraus, dass sich im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens Rechtskraftfragen nicht stellen. Weder die Erwägungen zur Zulässigkeit der Berufung noch die Ausführungen zu ihrer Begründetheit sind in Rechtskraft erwachsen. Sie stehen vielmehr zur Beurteilung durch das Revisionsgericht.

30Insoweit steht auch eine Verletzung subjektiver Rechte der Beklagten nicht zu befürchten (vgl. Kraft, in: FS Ekkehard Becker-Eberhard, 2022, S. 285 <292>). Die Beklagte muss nicht besorgen, dass ihr Ausführungen zur Begründetheit der Berufung ohne Sachprüfung entgegengehalten werden. Vielmehr führt gerade die Einbeziehung der Begründetheitserwägungen des Berufungsgerichts zur Möglichkeit einer Überprüfung und ggf. zur Aufhebung oder Korrektur der Feststellungen. Damit wird der Verfahrensfehler des Berufungsurteils korrigiert (vgl. Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 144 Rn. 21).

31Das Revisionsgericht kann zur Sache entscheiden, wenn die im angefochtenen Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen eine hinreichende Grundlage hierfür bieten (vgl. 4 C 4.01 - BVerwGE 116, 169 <175>). Dass die Feststellungen für die vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung notwendig oder tragend gewesen wären, ist dabei nicht erforderlich (vgl. 4 C 1.62 - DVBl. 1963, 521 und vom - 6 C 6.83 - juris Rn. 16).

32Die Einbeziehung der Ausführungen zur Begründetheit schmälert auch nicht den Instanzenzug zulasten der Beklagten. Denn das Berufungsgericht hat zur Sache verhandelt und sich in den Entscheidungsgründen ausführlich und eigenständig tragend mit der Begründetheit der Berufung befasst.

33Schließlich steht auch das Verbot der reformatio in peius (§ 3 Abs. 1 LDG NRW i. V. m. §§ 129 und 141 Satz 1 VwGO; vgl. hierzu 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 33) einer Einbeziehung der nicht tragenden Begründetheitserwägungen im Berufungsurteil nicht entgegen. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig sichert dem Rechtsmittelführer keine schützenswerte Rechtsposition, denn er strebt mit seinem Rechtsmittel eine Entscheidung in der Sache an und geht damit auch das Risiko einer Zurückweisung der Berufung in der Sache ein (vgl. Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2022, § 144 Rn. 50).

344. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht entschieden, dass das Dienstvergehen der Beklagten mit der Aberkennung des Ruhegehalts zu ahnden ist (a). Aus den im Revisionsverfahren vorgetragenen Gesichtspunkten zur Milderung folgt nichts anderes (b).

35a) Das von der Beklagten begangene innerdienstliche Dienstvergehen rechtfertigt nach Art und Schwere die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme.

36aa) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils im sachgleichen Disziplinarverfahren bindend und der Entscheidung über die Disziplinarklage ungeprüft zugrunde zu legen (vgl. 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 22; Beschluss vom - 2 B 79.18 - juris Rn. 8). Gründe für eine "Lösung" von den Annahmen des Strafgerichts und die erneute Prüfung der dort getroffenen Feststellungen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

37Ausgehend hiervon ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte sich eines Betrugs in zwei Fällen schuldig gemacht und dabei ihre Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung sowie zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 2 und 3 BeamtStG) verletzt hat. Hierbei hat sie nach den auf dem strafgerichtlichen Urteil beruhenden Feststellungen des Berufungsgerichts ohne rechtfertigenden Grund vorsätzlich und schuldhaft gehandelt. Damit hat sie ein einheitliches, innerdienstliches Dienstvergehen i. S. d. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen, weil das pflichtwidrige Verhalten in ihr Amt und in die damit verbundenen dienstlichen Pflichten als Lehrerin eingebunden war (vgl. 2 A 4.09 - juris Rn. 194 und vom - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 19).

38bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass das Dienstvergehen nach seiner Art und Schwere mit der Aberkennung des Ruhegehalts zu ahnden ist (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 2 und § 12 LDG NRW).

39Welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten. Aus den gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung, die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall be- und entlastenden Gesichtspunkte zu bestimmen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt worden ist. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Sicherung der Funktion des öffentlichen Dienstes (vgl. 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>, vom - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 16 ff., vom - 2 A 11.10 - juris Rn. 71 m. w. N. und vom - 2 A 7.21 - BVerwGE 174, 219 Rn. 46).

40Bei der Gesamtwürdigung sind die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen nach Maßgabe des § 57 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW zu ermitteln und mit dem ihnen zukommendem Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist ( 2 A 11.10 - juris Rn. 72 f. m. w. N. und vom - 2 A 7.21 - BVerwGE 174, 219 Rn. 47). Bei einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn oder der Allgemeinheit ist der Beamte gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen oder es ist ihm das Ruhegehalt abzuerkennen, wenn er sich - wie hier die Beklagte - bereits im Ruhestand befindet (§ 13 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW).

41Ob und in welchem Umfang durch das Dienstvergehen eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (vgl. - NVwZ 2003, 1504 Rn. 30). Vorsätzlichen Straftaten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu ( 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 24). Bezugspunkt für die Bestimmung des berufserforderlichen Vertrauens ist das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne (vgl. 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 16 ff.).

42Die Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, orientiert sich am gesetzlich bestimmten Strafrahmen. Dies gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen und verhindert zugleich, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 17 ff.; Beschluss vom - 2 B 46.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 55 Rn. 11). Demgegenüber kommt der Höhe des Gesamtschadens entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts insoweit keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Rechtsprechung zur Einstufung des Dienstvergehens bei den sog. Zugriffsdelikten hat der Senat aufgegeben (vgl. 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 19).

43cc) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Beklagte ein schweres Dienstvergehen i. S. d. § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW begangen hat, das mit der Aberkennung des Ruhehalts zu ahnden ist.

44Der Strafrahmen des von der Beklagten begangenen Betrugs liegt nach § 263 Abs. 1 StGB bei einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Dementsprechend reicht der Orientierungsrahmen möglicher Disziplinarmaßnahmen bis zur Höchstmaßnahme.

45Die vom Berufungsgericht in Ausfüllung dieses Rahmens getroffene Bemessungsentscheidung begegnet keinen Bedenken. Im Hinblick auf die besondere Pflichtenstellung des Beamten hat es zutreffend darauf abgestellt, dass die Beklagte nicht nur erhebliche Straftaten begangen, sondern dabei das besondere Vertrauen ausgenutzt hat, das ihr in der ihr übertragenen Funktion als Klassenlehrerin von ihren Schülern und deren Sorgeberechtigten entgegengebracht worden ist und entgegengebracht werden muss. Ausweislich der bindenden Feststellungen im strafgerichtlichen Urteil hat die Beklagte dabei sogar eine niemals geplante Klassenfahrt vorgespiegelt, um weitere finanzielle Mittel für sich zu erlangen.

46In der Gesamtschau lässt das Dienstvergehen der Beklagten nur den Schluss zu, dass sie in ihrer Vertrauensstellung und Vorbildfunktion als Lehrerin versagt hat. Hiergegen wendet sich auch die Revision nicht.

47b) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die von der Beklagten geltend gemachten Milderungsgründe kein anderes Bild rechtfertigen.

48aa) Dem Umstand, dass die Beklagte weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet ist, kann keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden. Die straffreie Lebensführung und eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten darf der Dienstherr grundsätzlich von jedem Beamten erwarten. Hierin liegt kein besonderer Umstand, der im Einzelfall mildernd zu berücksichtigen wäre (vgl. etwa 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 43, vom - 2 C 12.19 - BVerwGE 168, 254 Rn. 41 und vom - 2 A 17.21 - Rn. 111).

49bb) Auch die Voraussetzungen des geltend gemachten Milderungsgrunds einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat liegen nicht vor (vgl. hierzu 1 D 50.87 - juris Rn. 21, vom - 1 D 33.99 - juris Rn. 19 und vom - 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 32; Beschluss vom - 2 B 60.14 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 26 Rn. 29).

50Dies gilt schon deshalb, weil die Verantwortlichkeit für die von den Schülern eingesammelten Gelder - entgegen dem Vorbringen der Revision - keine besondere Versuchungssituation darstellt. Im Übrigen war die Durchführung der Fahrt nach London nach den bindenden Feststellungen im Strafurteil nie beabsichtigt, sodass die beschriebene Versuchungssituation tatsächlich gar nicht gegeben war. Vielmehr hat sich die Beklagte diese Ausgangslage erst planmäßig und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verschafft.

51cc) Auch die vorgetragene unverschuldet ausweglose wirtschaftliche Notlage kann nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil nicht angenommen werden. Danach verblieben der Beklagten auch nach Abzug der Pfändungen noch etwa 1 600 € monatlich. Das Berufungsgericht hat auch festgestellt, dass ihr weder die Kündigung der Wohnung noch eine Stromsperre drohten. Verfahrensrügen hiergegen hat die Beklagte nicht erhoben (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).

52Auf die weiteren Erwägungen, dass die Verschuldungslage der Beklagten nicht unverschuldet gewesen sei und sie die erlangten Gelder auch nicht zur Abwendung der beschriebenen Notlage eingesetzt habe, kommt es daher nicht an.

53dd) Die Voraussetzungen einer "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ sind ebenfalls nicht ersichtlich (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 49.15 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 36 Rn. 10 und vom - 2 B 1.18 - Buchholz 235.1 § 38 BDG Nr. 1 Rn. 15).

54Nach den den Senat auch insoweit bindenden tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil hat die durch Immobilientransaktionen entstandene Schuldenlast die Beklagte gerade nicht aus der Bahn geworfen. Vielmehr hat sie die wirtschaftlich angespannte Lage bereits seit längerem bewältigt und war auch weiterhin in der Lage, ihren dienstlichen Verpflichtungen nachzukommen. Es fehlt daher an Anhaltspunkten dafür, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von der Beklagten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden konnte.

55ee) Schließlich kommt der Beklagten auch nicht der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens vor drohender Entdeckung zugute (vgl. hierzu 2 B 46.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 55 Rn. 22). Die geständige Einlassung der Beklagten im Strafverfahren erfolgte erst nach vollständiger Aufdeckung der betrügerischen Handlungen.

56ff) Die von der Beklagten im Revisionsverfahren geltend gemachten Umstände erschöpfen sich im Wesentlichen in einer von den bindenden Feststellungen abweichenden Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse.

575. Die Revision der Beklagten ist daher in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts als unbegründet zurückgewiesen wird.

58Nach § 144 Abs. 4 VwGO ist die Revision auch dann zurückzuweisen, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts ergeben, sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig darstellt. Eine unmittelbare Anwendung dieser Regelung scheidet vorliegend aus, weil der Fehler im angegriffenen Berufungsurteil nicht nur die Entscheidungsgründe, sondern auch die Urteilsformel (§ 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) erfasst. Das Berufungsgericht hätte die Berufung nicht durch Prozessurteil als unzulässig verwerfen dürfen.

59Der Umstand, dass das Begehren auch im Falle eines weiteren Revisionsverfahrens keinen Erfolg haben könnte, rechtfertigt aber auch in Fällen, in denen die Berufung nicht als unzulässig, sondern als unbegründet hätte zurückgewiesen werden müssen, eine entsprechende Anwendung der Norm (vgl. etwa 4 B 13.77 - BVerwGE 54, 99 <100 f.>; Urteile vom - 7 C 80.62 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 9, vom - 2 C 42.78 - Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 21 Rn. 25 und vom - 2 C 39.00 - BVerwGE 115, 89 Rn. 11 f.).

60Das Revisionsverfahren zielt auf die Herbeiführung einer abschließenden Entscheidung (vgl. Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 144 Rn. 4 f.). § 144 Abs. 4 VwGO trägt diesem Umstand Rechnung, indem er aus prozessökonomischen Erwägungen und Gründen der Kostenersparnis auch ein "Durcherkennen gegen den Revisionskläger" ( 2 C 166.60 - BVerwGE 17, 16 <19>) ermöglicht. Nur eine weite Anwendung der in § 144 Abs. 4 VwGO enthaltenen Befugnis wird der Bedeutung der Revision als eines echten Rechtsmittels gerecht, das - wie der Verwaltungsrechtsstreit insgesamt - letztlich der Verwirklichung des sachlichen Rechts zu dienen bestimmt ist. Hinter § 144 Abs. 4 VwGO steht demnach auch die Einsicht, dass ein Verfahren nicht um eines Fehlers willen fortgeführt werden soll, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis bedeutungslos bleiben wird. Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht die Berufung zu Unrecht als unzulässig angesehen hat, das Revisionsgericht jedoch in einem zukünftigen Revisionsverfahren auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Berufung als unbegründet beurteilen müsste (vgl. 4 CB 73.79 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 34 S. 4).

616. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW und § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung eines Streitwerts ist entbehrlich, weil für das Gerichtsverfahren eine Festgebühr erhoben wird (§ 75 Satz 1 LDG NRW i. V. m. dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu diesem Gesetz).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:130723U2C7.22.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 10 Nr. 4
GAAAJ-53228