Mehr als ein Werkzeug! Generative KI in der Prüfung
Liebe Leserinnen und Leser,
das Thema Künstliche Intelligenz ist in aller Munde, die Bandbreite der Meinungsäußerungen schwankt dabei zwischen „KI als größtem Fortschritt der Menschheit aller Zeiten“ am oberen Ende bis hin zum Untergang derselben am anderen Ende. Für den neutralen Beobachter ist es nicht einfach zu ermitteln, welche der vielen Schlagzeilen eher Marketing-Hype sind und was echter Fortschritt ist. Der Psychologe Gerd Gigerenzer beschreibt in seinem Buch „Klick“ das Fiasko, das IBM vor gut zehn Jahren mit seiner KI „Watson“ erlebte, die Krebserkrankungen zuverlässig erkennen sollte und Therapieempfehlungen gab, die sich dann als ziemlicher Unfug herausstellten. Dass KI leistungsfähig ist, wenn die Bedingungen ihrer Anwendung passen, zeigte sich vor einigen Jahren zum Beispiel am Schachspiel. Neuronale Netze „lernten“ das Spiel anhand einer enormen Zahl von Schachpartien und bereicherten das Wissen über das Spiel exorbitant. Interessant war dabei, dass sie das Spiel völlig neu lernen mussten, wenn man nur die Felderfarbe von schwarz/weiß auf z. B. grün/blau änderte; das erneute Lernen bereitet einer Maschine aber erkennbar weniger Mühe als einem Menschen ... Generative KI wie ChatGPT unterstreicht für Jeden sichtbar ihre Leistungsfähigkeit, wenn sie zwar Sprache nicht versteht, aber mit ausgefeilter Statistik Texte zusammenfassen kann oder Informationen gewichtet. Auch hier gibt es sowohl beeindruckende Beispiele als auch ziemlichen Blödsinn.
Dass KI auch in der Wirtschaftsprüfung eine dominante Rolle einnehmen wird und das Fachgebiet nachhaltig zu verändern in der Lage ist, ist fast schon eine Binsenweisheit. Die Marketing-Variante ist dabei vermutlich die „Abschlussprüfung auf Knopfdruck“. Zeit also einmal zu schauen, wie leistungsfähig KI im Prüfungsalltag sein kann und wo ihre Stärken und ihre Grenzen liegen. Roger Odenthal und Kay Odenthal beschreiben in dieser Ausgabe ab , was generative KI ist, wie sie am Beispiel von ChatGPT funktioniert und was die Herausforderungen ihres Einsatzes sind. Den Kern des Beitrags bilden die realen Anwendungsbeispiele: von einem Prüfungskatalog für Lieferantenstammdaten über die Aufbereitung unsortierter Daten bis hin zu einem Excel-Skript oder einer Analyse einer gefälschten PDF-Rechnung. All diese Praxisbeispiele zeigen eindrucksvoll, zu was die Software in der Lage ist; der sprachbasierte Dialog mit der Maschine hat dabei durchaus Unterhaltungswert, so etwa, wenn der Nutzer sie auf Fehler bei der Umsatzsteuerberechnung hinweist.
Für die Prüferinnen und Prüfer zeigt sich, dass der Einzug der KI in das Prüfungsgeschäft eine Chance sein kann, sich mit diesem neuen Prüfungsgebiet zu befassen und damit „vor der Welle zu schwimmen“. Damit, wie Gerd Gigerenzer es in „Klick“ formulierte, nicht nur Häuser oder Fabriken smart werden, sondern auch die Menschen.
Außerdem in diesem Heft: WP/StB Prof. Dr. Holger Philipps, Herausgeber dieser Zeitschrift, analysiert im Rahmen seiner ISA (DE)-Reihe ab ISA (DE) 720 zu den Verantwortlichkeiten des Abschlussprüfers im Zusammenhang mit sonstigen Informationen. Im Examensfall ab hat er zudem alles Wissenswerte zum Vergütungsbericht zusammengestellt. In den Praxisfällen aus der Feder von WP/StB Prof. Dr. Christian Hanke geht es diesmal um die Verschwiegenheit vor der Auftragsannahme.
Beste Grüße
Christoph Linkemann
Fundstelle(n):
WP Praxis 12/2023 Seite 345
NWB TAAAJ-53092