BGH Beschluss v. - 1 StR 164/23

Gesetze: § 73 Abs 1 StGB, § 73b Abs 1 S 1 Nr 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 374 Abs 2 S 1 Alt 1 AO, § 1 Abs 2 HGB, § 105 Abs 1 HGB, § 105 Abs 2 HGB, § 105 Abs 3 HGB, § 718 BGB, § 424 Abs 1 StPO

Instanzenzug: Az: 1 StR 164/23 Beschlussvorgehend Az: 7 KLs 4/22nachgehend Az: 1 StR 164/23 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen und wegen Steuerhehlerei in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.029.985,68 Euro, davon in Höhe von 2.643.530,58 Euro gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten V.     , angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Der Schuldspruch bedarf einer Korrektur dahin, dass die Taten des Angeklagten in den Fällen 34, 36, 38, 40, 44, 50 und 63 der Urteilsgründe nicht nur den Grundtatbestand der Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 AO) erfüllen, sondern vielmehr den Qualifikationstatbestand der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1).

32. Die auf § 73 Abs. 1 Alternative 1, § 73c Satz 1 StGB gestützte Einziehungsanordnung begegnet in Bezug auf die Verkürzung von Tabaksteuer in allen zehn Fällen der Steuerhinterziehung (Fälle 10, 12, 14, 16, 18, 20, 24, 26, 29 und 31 der Urteilsgründe) durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

4a) Der Angeklagte und der Mitangeklagte V.     hatten sich – was das Landgericht verkannt hat – in diesen vorgenannten Fällen beim gemeinsamen Verbringen von unversteuerten Zigaretten aus Belgien (konkludent) zu einer offenen Handelsgesellschaft (§ 105 Abs. 1, 2, § 1 Abs. 2 HGB), zumindest aber zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen (insbesondere UA S. 20 f.). Die Tabaksteuerersparnis schlug sich im Vermögen der Gesellschaft nieder. Eine Einziehungsanordnung wäre daher gegen die Gesellschaft als Dritteinziehungsbeteiligte (§ 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 105 Abs. 1, 3 HGB, § 718 BGB, § 424 Abs. 1 StPO) zu richten gewesen (vgl. Rn. 7 mwN). Die Einziehungsanordnung hat insoweit zu entfallen.

5Der Wert der in den zehn genannten Fällen in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbrachten Zigaretten bzw. die anschließenden Verkaufserlöse wären allenfalls dann abzuschöpfen gewesen, wenn die Übernahme der Zigaretten, an denen auch keine belgischen Steuerzeichen angebracht waren, als (gewerbsmäßige) Steuerhehlerei ausgeurteilt worden wäre (§ 374 Abs. 4, § 370 Abs. 6 Satz 2, Abs. 7 AO; vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 530/15 Rn. 3 und vom – 1 StR 443/08, BGHR AO § 374 Konkurrenzen 3). Zwischen der Übernahme in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und dem anschließenden Weiterkauf im Inland könnte ein die Einziehung rechtfertigender ausreichender Kausal- und Zurechnungszusammenhang bestehen.

6b) Davon unberührt bleibt die weitergehende Einziehung des Wertes von Taterträgen in den sieben Fällen der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1, Abs. 2 AO). Jedenfalls dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass der Angeklagte und der Mitangeklagte V.     nach Belieben auf die im Inland erworbenen Zigaretten sowie anschließend auf die Verkaufserlöse zugriffen und damit die Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens unterliefen (insbesondere UA S. 28 vgl. Rn. 38 f. mwN). In Höhe von 707.000 Euro verbleibt es nach alledem bei einer gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Mitangeklagten V.     (Fälle 34, 36, 38, 40, 44 und 50 der Urteilsgründe).

73. Die Kostenentscheidung bezüglich der Einziehung beruht auf § 473 Abs. 4, § 465 Abs. 2 StPO analog (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 49/23 Rn. 10; vom – 1 StR 311/20 Rn. 9 ff. und vom – 1 StR 423/20, BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 8 Rn. 6 ff.).

Fundstelle(n):
wistra 2024 S. 3 Nr. 1
SAAAJ-52492