BVerwG Urteil v. - 9 A 5/22

Tatbestand

1Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für das Vorhaben "B 169 Cottbus - Plauen, Verlegung Salbitz - Riesa, 3. Bauabschnitt".

2Die Kläger zu 1, 2, 4 und 5 sind Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und Eigentümer von Grundstücken, die für das Vorhaben benötigt werden. Die Klägerin zu 3, eine Kommanditgesellschaft, ist Pächterin von für das Vorhaben benötigten Flächen; Komplementär der Gesellschaft ist der Kläger zu 4.

3Die B 169 führt von der A 72 bei Plauen über Chemnitz, Döbeln und Riesa zur A 15 bei Cottbus. Der 1. und 2. Ausbauabschnitt zwischen Riesa und Salbitz sind vom Stadtgebiet Riesa bis zum Knotenpunkt mit der B 6 fertiggestellt und stehen unter Verkehr. Im streitgegenständlichen 3. Abschnitt soll der Bau bis südwestlich von Salbitz fortgeführt werden. Ein 4. Bauabschnitt befindet sich noch im Verwaltungsverfahren.

4Die neue Trasse der Bundesstraße soll im Bereich des Vorhabens nordwestlich der bisherigen Trasse durch überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen verlaufen. Die Straße durchquert das FFH-Gebiet "Jahnaniederung" und verläuft südlich zweier Biogasanlagen. Die Biogasanlage R. wird gemeinsam von den Klägern zu 3 und 4 betrieben; der Bioenergiepark R. wird von einem Dritten betrieben, der nicht Verfahrensbeteiligter ist.

5Der Vorhabenträger beantragte mit Schreiben vom die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens. Infolge der ersten Planänderung im Jahr 2015 wurde die Trasse im Bereich des FFH-Gebiets um etwa 250 m in Richtung Norden verlegt. Die Kläger beteiligten sich am Verwaltungsverfahren und erhoben Einwendungen. Unter dem stellte der Beklagte den Plan fest. Die Auslegung erfolgte vom 22. August bis zum .

6Am haben die Kläger Klage erhoben. Sie bezweifeln die Planrechtfertigung, weil die Verkehrszahlen seit dem Beginn der Planung bereits erheblich zurückgegangen seien, ein weiterer Rückgang zu erwarten und durch andere inzwischen verwirklichte Ortsumfahrungen bereits eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse erreicht worden sei. Ferner rügen sie einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das FFH-Gebiet und sind der Auffassung, die Einhaltung des für den Störfall gebotenen Abstands der Straße zu den beiden Biogasanlagen sei nicht nachgewiesen. Schließlich halten sie andere Trassenvarianten, die landwirtschaftliche Flächen weniger durchschneiden, für vorzugswürdig.

7Die Kläger beantragen,

den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom für das Vorhaben B 169 Cottbus - Plauen, Verlegung Salbitz - Riesa, 3. Bauabschnitt, aufzuheben, hilfsweise für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

8Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9Er verteidigt den Plan und tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.

Gründe

10Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

11A. Die Klage ist zulässig.

121. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 5 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin (Verkehrswegebeschleunigungsgesetz - VerkPBG) vom (BGBl. I S. 2174), zuletzt geändert durch Art. 464 der Verordnung vom (BGBl. I S. 1474). Der planfestgestellte Ausbauabschnitt ist Teil einer Bundesfernstraße im Land Sachsen. Das Verfahren ist nach den Bestimmungen des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes zu Ende zu führen, weil das Planfeststellungsverfahren vor Ablauf des nach den Vorschriften dieses Gesetzes begonnen worden ist (§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VerkPBG, § 24 Abs. 1 Satz 2 FStrG; vgl. auch 7 A 9.21 - NVwZ 2023, 1090 Rn. 11).

132. Die Kläger sind klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Zahlreiche Grundstücke der Kläger zu 1, 2, 4 und 5 sollen nach dem Grunderwerbsverzeichnis vorhabenbedingt in Anspruch genommen werden. Der Klägerin zu 3 steht als Pächterin verschiedener beanspruchter Grundstücke ein Besitzrecht an den gepachteten Flächen zu, das den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genießt und Gegenstand der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses sein kann (vgl. - BVerfGE 89, 1 <6 f.>; 4 A 36.96 - BVerwGE 105, 178 <180> und vom - 4 A 12.19 - juris Rn. 17). Sie kann sich deshalb einem Eigentümer gleichgestellt gegen den Planfeststellungsbeschluss wenden.

14B. Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Rechtsfehler des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses aufgezeigt, der zu seiner Aufhebung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder Rechtswidrigkeitserklärung (§ 17c FStrG i. V. m. § 75 Abs. 1a VwVfG) führen würde. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben steht nicht in Zweifel (1.). Rechtsverstöße bei der FFH-Prüfung sind ebenso wenig dargelegt (2.) wie eine unzureichende Berücksichtigung der vorhandenen Biogasanlagen (3.). Die Trassenwahl ist ebenfalls nicht zu beanstanden (4.). Schließlich zeigt auch das Vorbringen zur Existenzgefährdung keine Abwägungsfehler auf (5.).

151. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung; das hierauf bezogene Vorbringen der Kläger geht dagegen von einem falschen Maßstab aus. Der Ausbau der B 169 im planfestgestellten Abschnitt ist im Bedarfsplan 2016 zum Bundesverkehrswegeplan (Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 Fernstraßenausbaugesetz - FStrAbG - in der Fassung vom - BGBl. I S. 3354) als laufende Nummer 1177 als "Vordringlicher Bedarf" aufgeführt.

16Die gesetzliche Bedarfsfeststellung ist für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich und schließt im Grundsatz die Nachprüfung aus, ob für die geplante Straße ein Verkehrsbedarf vorhanden ist. Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist eingebettet in die gesamtstaatliche Bundesverkehrswegeplanung und stellt eine verkehrspolitische Leitentscheidung auf einer der konkreten Planung weit vorgelagerten Ebene dar, die von zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Faktoren bestimmt wird; die gerichtliche Prüfung der sachlichen Rechtfertigung dieser Entscheidung ist auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Anhaltspunkte für eine Ermessensüberschreitung liegen nur dann vor, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, weil es für die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raumes an jeglicher Notwendigkeit fehlt, oder wenn sich die Verhältnisse seit der Bedarfsentscheidung des Gesetzgebers so grundlegend gewandelt haben, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden könnte (stRspr, vgl. 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 21 und vom - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 17).

17Die gesetzgeberische Bedarfsfeststellung wird vorliegend getragen durch das Ziel der Schaffung einer dem weiträumigen Verkehr dienenden schnellen und direkten Verbindung zwischen der A 13 in Brandenburg, der Stadt Riesa und der A 14 mit dem Anschluss insbesondere in Richtung Chemnitz und Erzgebirge; ferner sollen die bisher zahlreichen Ortsdurchfahrten der Bundesstraße vom Durchgangsverkehr, insbesondere dem Schwerlastverkehr, entlastet werden. Im streitgegenständlichen Abschnitt werden die Ortslagen Stauchitz, Seerhausen und Plotitz der Gemeinde Stauchitz sowie die Ortsteile Hof und Salbitz der Gemeinde Naundorf gegenwärtig von der Bestandstrasse mit hohen Verkehrsaufkommen durchquert (PFB S. 39 f.).

18Diese Planungsziele sind noch nicht erreicht und weiterhin erreichbar. Der Hinweis der Kläger auf einen prognostizierten Rückgang der Verkehrsmengen um 16 % bis zum Jahre 2030 und auf schon eingetretene Entlastungen durch andere fertiggestellte Umgehungsstraßen besagt nicht, dass keinerlei Verkehrsbedarf für die geplante weiträumige Verbindung mehr besteht. Vielmehr werden nach der neuesten in das Planfeststellungsverfahren eingeflossenen Verkehrsuntersuchung bereits ohne den Bau der neuen Straße im Planungsabschnitt Verkehrsmengen zwischen 12 000 und 16 000 Kfz/24 Stunden erwartet. Daher ist trotz eventueller Veränderungen in den Verkehrsverhältnissen seit Beginn der Planung die vom Gesetzgeber getroffene, noch im Jahr 2016 bestätigte Bedarfsfeststellung nicht evident unsachlich.

19Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die B 169 im streitgegenständlichen Abschnitt nach dem vom Beklagten bestätigten Vortrag der Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits seit rund sechs Monaten wegen Bauarbeiten gesperrt war. Dass die Verkehrsteilnehmer auf dem Weg etwa von Brandenburg in Richtung Erzgebirge aufgrund dieser Sperrung andere Straßen nutzen müssen, stellt das Planungsziel einer dem weiträumigen Verkehr dienenden schnellen und direkten Verbindung zwischen der A 13 in Brandenburg und der A 14 mit dem Anschluss insbesondere in Richtung Chemnitz und Erzgebirge nicht in Frage. Die Bedarfsfeststellung leitet sich hier nicht allein aus der bestehenden oder zu erwartenden Verkehrsbelastung, sondern auch aus dem Ziel der verkehrlichen Erschließung eines zu entwickelnden Raumes her (vgl. 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 18).

202. Die Kläger haben keinen Rechtsverstoß der FFH-Verträglichkeitsprüfung dargelegt. Sie sind der Auffassung, die Prüfung werde den strengen Anforderungen für einen Eingriff in das FFH-Gebiet "Jahnaniederung" nicht gerecht; wegen des Vorliegens von Trassenalternativen bestünden keine zwingenden Gründe, das FFH-Gebiet in Anspruch zu nehmen. Die Kläger gehen auch insoweit von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab aus.

21Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie u. a. geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Wenn die Prüfung der Verträglichkeit ergibt, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es grundsätzlich unzulässig (§ 34 Abs. 2 BNatSchG) und darf nur aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses (§ 34 Abs. 3 BNatSchG) zugelassen werden, soweit zumutbare Alternativen nicht gegeben sind.

22Der Beklagte legt zu Grunde, dass vom Vorhabenträger geplante oder im Rahmen der Planfeststellung angeordnete Schutz- und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden dürfen, wenn sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des Gebiets verhindert werden (PFB S. 98). Hierauf gestützt kommt er zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben bereits zu keiner erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Gebiets führt. Diese Vorgehensweise entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt Urteil vom - 9 A 1.21 - BVerwGE 176, 94 Rn. 53). Der Planfeststellungsbeschluss verneint danach bereits eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets, weshalb es auf die von den Klägern allein in den Blick genommenen Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BNatSchG nicht ankommt.

23Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, Vorgaben der TA Luft zum Schutz des FFH-Gebiets seien nicht eingehalten, geht ebenfalls fehl. Im Planfeststellungsbeschluss (S. 101 ff.) wird dargestellt, dass durch das Vorhaben hervorgerufene Stickstoffeinträge in das FFH-Gebiet unter Zugrundelegung des vom Umweltbundesamt herausgegebenen Handbuchs für Emissionsfaktoren nach dem von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannten Konzept der sogenannten Critical Loads überprüft werden. Die TA Luft findet dafür keine Anwendung (so ausdrücklich PFB S. 265). Damit setzen sich die Kläger nicht auseinander.

243. Ohne Erfolg beanstanden die Kläger eine unzureichende Berücksichtigung der beiden in der Nähe der Straßentrasse vorhandenen Biogasanlagen. Dies gilt sowohl unter dem Aspekt der Anlagensicherheit (a) als auch unter dem Aspekt befürchteter Restriktionen für etwaige spätere Erweiterungen der Anlagen (b).

25a) Ein unzureichender Abstand der Anlagen zur geplanten Straße (aa) ist nicht substantiiert geltend gemacht (bb).

26aa) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 164) geht davon aus, dass nach § 50 Satz 1 Alt. 2 BImSchG die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen sind, dass die Auswirkungen von Störfällen (§ 2 Nr. 7 der 12. BImSchV) soweit wie möglich vermieden werden. Für die Beurteilung, ob im Einzelfall angemessene Sicherheitsabstände gewahrt werden, zieht er den Leitfaden "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG" der Kommission für Anlagensicherheit (KAS-18) und die Arbeitshilfe "Szenarienspezifische Fragestellungen zum Leitfaden KAS-18 der Kommission für Anlagensicherheit" (KAS-32) heran. Zur Ausfüllung der dortigen Empfehlungen holte der Vorhabenträger auf Einwendungen im Verwaltungsverfahren hin (PFB S. 165) ein Sachverständigengutachten der S. GmbH ein. Die Biogasanlage R. unterfällt danach mit ihrer Größe bereits nicht dem Anwendungsbereich der Störfallverordnung, für den Bioenergiepark R. kam das Gutachten zu dem Ergebnis, dass der angemessene Abstand der Straßentrasse zu dieser Anlage sichergestellt ist. Die G. GmbH bestätigte dieses Ergebnis bei einer ihr von der Planfeststellungsbehörde aufgetragenen Plausibilitätsprüfung des Gutachtens.

27bb) Hiermit setzen sich die Kläger nicht hinreichend auseinander. Mit der Pflicht zur Begründung einer Klage in Verfahren mit Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO geht die Pflicht des Bevollmächtigten zur Sichtung und rechtlichen Einordnung der Tatsachen, auf die die Klage gestützt werden soll, einher. Dabei muss er sich mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss auseinandersetzen; eine lediglich pauschale Bezugnahme auf im Planfeststellungsverfahren erhobene Einwände oder deren Wiederholung ohne Würdigung des Planfeststellungsbeschlusses genügen ebenso wenig wie ein bloßes Bestreiten tatsächlicher Feststellungen der Planung. Auch muss das Klagevorbringen aus sich heraus ohne Weiteres verständlich sein. Denn es ist nicht Aufgabe des Gerichts, aus den eingereichten Schriftsätzen im Wege der Auslegung den Sachvortrag zu ermitteln oder zu konkretisieren. Insoweit dient der Vertretungszwang auch einer geordneten und konzentrierten Verfahrensführung; durch die Herausarbeitung und den sachdienlichen Vortrag der für das Verfahren maßgebenden Gesichtspunkte soll das Bundesverwaltungsgericht in die Lage versetzt werden, sich auf die Aufgaben eines obersten Gerichtshofs des Bundes und erstinstanzlichen Gerichts in besonders bedeutsamen Angelegenheiten zu konzentrieren. Hieran muss sich der Vortrag der Beteiligten mit der Folge messen lassen, dass nur ein Vorbringen, das diesen Anforderungen genügt, berücksichtigt und beschieden werden muss (stRspr, s. etwa 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 17 m. w. N.; vgl. auch Schenk, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 67 VwGO Rn. 8; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 67 Rn. 28).

28Nach Maßgabe dieser Grundsätze hatte der Senat nicht in eine Prüfung einzutreten, ob den Annahmen des Planfeststellungsbeschlusses zum angemessenen Abstand der Straße von den Biogasanlagen gefolgt werden kann. Die Kläger wiederholen lediglich ihre bereits im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwendungen, ohne sich innerhalb der Klagebegründungsfrist mit der umfassenden und gerade auf diese Einwendung hin erfolgten Würdigung der Abstandsproblematik im Planfeststellungsbeschluss (S. 164 ff.) und mit dem dazu eingeholten Gutachten der Firma S. sowie der Plausibilitätsprüfung dieses Gutachtens durch die Firma G. inhaltlich auseinanderzusetzen.

29Die auf einer formalen Ebene bleibende Behauptung, die Firma G. sei zu weit überwiegenden Teilen ihrer Tätigkeit Unterauftragnehmer der Firma S., weshalb die Plausibilitätsprüfung nicht von einem im Verhältnis zu diesem Unternehmen unabhängigen Gutachter erstellt worden sei, ist ins Blaue hinein erhoben worden. Die Planfeststellungsbehörde hatte im Rahmen ihrer Sachverhaltsermittlung (§ 24 VwVfG) zur Frage des angemessenen Abstands der Biogasanlagen die Firma G. mit einer Plausibilitätsprüfung des vom Vorhabenträger vorgelegten Gutachtens der Firma S. beauftragt. Der sachbearbeitende Ingenieur der Firma G. ist Sachverständiger nach § 29b BImSchG und hat erklärt, seine Beurteilung ohne Beeinflussung durch das Gutachterbüro S. erstellt zu haben. Die Unabhängigkeit seiner Beurteilung kommt auch darin zum Ausdruck, dass er die Frage des angemessenen Abstands der dem Störfallrecht unterfallenden Biogasanlage aufgrund einer eigenständigen Berechnung auf anderem Weg als das Gutachten von S. ermittelt hat; auch hat er sich mit dem S. Gutachten an anderer Stelle kritisch auseinandergesetzt.

30Die ebenfalls nicht die inhaltliche Begutachtung betreffende Rüge einer fehlenden Ortsbesichtigung des Gutachters geht bereits deshalb fehl, weil die Kläger nicht dargelegt haben, aus welchen rechtlichen Vorgaben sich die Notwendigkeit einer Ortsbesichtigung durch den Gutachter ergeben soll. Aus der von den Klägern in Bezug genommenen Arbeitshilfe KAS-32 ergibt sich dies jedenfalls nicht. Der im Leitfaden KAS-18 angesprochene Katastrophenplan ist vom Anlagenbetreiber aufzustellen und beinhaltet keine Anforderungen an die Art und Weise der Gutachtertätigkeit bei der Ermittlung eines angemessenen Abstands.

31b) Die Behauptung, die Trassenführung der Straße behindere eine spätere Erweiterung der beiden Biogasanlagen, ist - soweit sie die von einem Dritten betriebene Anlage der Bioenergiepark GmbH betrifft - bereits nicht vom Umfang der Rügebefugnis der Kläger umfasst. Durch eine Planung mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung Betroffene - wie hier alle Klagenden - können zwar im Grundsatz eine umfassende gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses verlangen. Dieses grundsätzliche Recht, sich gegen eine vermeintlich nicht dem Allgemeinwohl dienende Inanspruchnahme des Eigentums zu wenden, umfasst jedoch nicht die Befugnis, sich zum Sachwalter von Rechten zu machen, die nach der Rechtsordnung bestimmten anderen Rechtsinhabern zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung und Konkretisierung zugewiesen sind (stRspr, vgl. 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 27 und vom - 9 A 10.20 - Buchholz 407.4 § 17d FStrG Nr. 3 Rn. 15). Deshalb sind die Kläger nicht befugt, sich auf etwaige Restriktionen für den zukünftigen Betrieb der Biogasanlage eines Dritten zu berufen.

32Soweit sich die Behauptung der Kläger auf eine beabsichtigte, aber noch nicht beantragte Erweiterung der im Eigentum des Klägers zu 4 befindlichen Biogasbehälteranlage bezieht, in denen die Klägerin zu 3 Strom und Wärme erzeugt, bleibt die Klagebegründung unsubstantiiert. Der Planfeststellungsbeschluss befasst sich ausführlich (S. 167) damit, dass eine Erweiterung aufgrund einer Änderung der Düngemittelverordnung möglicherweise notwendig wird, sowie damit, dass eine solche Erweiterung umgesetzt werden kann, ohne dass die Anlage dann zwingend dem Störfallrecht unterfällt. Damit setzt sich die Klagebegründung nicht auseinander. Unabhängig davon müsste sich eine erst nach der Auslegung der Planunterlagen für die Straße beantragte Erweiterung der Biogasanlage nach der dann zeitlich vorrangigen Straßentrasse richten ("Prioritätsprinzip", vgl. jüngst etwa 7 A 9.21 - NVwZ 2023, 1090 Rn. 37 f.).

334. Die Kläger haben keinen Abwägungsfehler (§ 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG) bei der Prüfung der Varianten für die Trassenführung aufgezeigt. Die Auswahl unter verschiedenen Ausführungsvarianten eines Vorhabens ist ungeachtet hierbei zu beachtender, rechtlich zwingender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen. Alternativen, die bereits aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, dürfen vorab ausgeschieden werden; die hiernach verbleibenden Trassenalternativen müssen detaillierter untersucht und verglichen werden. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Trassenwahl sind erst dann überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist oder wenn sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eine andere als die gewählte Trassenführung eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 98 und vom - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 660).

34Nach Maßgabe dieser Grundsätze bleibt die Kritik der Kläger erfolglos. Sie beanstanden die Wahl der Variante 2, die das FFH-Gebiet durchquert, sich der von ihnen bewohnten Ortslage R. annähert und landwirtschaftliche Flächen mittig durchschneidet. Sie halten die Variante 3 mit ihren Untervarianten 3a bis c für vorzugswürdig, da sie zwar Umwege für die überregionalen Verkehrsbeziehungen aufweise, jedoch weitgehend gebündelt mit vorhandenen Straßen verlaufe, eine Durchquerung des FFH-Gebiets ganz vermeide und größeren Abstand zu den Biogasanlagen halte.

35a) Soweit die Kläger ohne Auseinandersetzung mit dem Planfeststellungsbeschluss lediglich ihre Einwendungen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholen, genügt ihr Vortrag bereits nicht den dargestellten Anforderungen an eine substantiierte Klagebegründung. Dies betrifft die Rüge, die Variante 2 rücke an ein bewohntes Haus bis auf 40 m und damit deutlich näher heran als dies bei den Varianten 3 der Fall sei, außerdem werde die den Varianten 3 nächstgelegene Ortslage nur von acht Menschen bewohnt, die Ortslage R. dagegen von mehr als 100. Diese Einwendung wurde im Planfeststellungsbeschluss (S. 51 sowie S. 262) ausführlich beschieden mit dem Argument, dass für die Lärmabwägung nicht die Einwohnerzahl eines Ortsteils, sondern die Zahl der tatsächlich Lärmbetroffenen maßgeblich sei und in der Ortslage R. nur wenige Häuser stärker lärmbetroffen seien, weil die geplante Straße nur den Ortsrand auf einer kurzen Länge streife. Unabhängig davon ist die Behauptung in der Klagebegründung, Lärmschutzwände schützten nicht gegen Abgase, sachlich nicht zutreffend.

36b) Im Übrigen ergibt sich aus der Klagebegründung nicht, dass sich eine der Trassenvarianten 3a bis c im Sinne der dargestellten Maßgaben als eindeutig vorzugswürdig aufdrängt. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 44 ff.) stellt dar, dass jede dieser Untervarianten Nachteile aufweist, die die Abwägung zum Anlass nehmen durfte, sie zu verwerfen. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung durch die Präsentation des Beklagten zur Variantenauswahl bestätigt.

37(aa) Die Planfeststellungsbehörde durfte die Variante 3a ausschließen, weil sie die Planungsziele nicht erfüllt. Die Variante 3a führt die B 169 im Planungsabschnitt zu größeren Teilen auf vorhandenen Straßen, der Staatsstraße S 30 und der Bundesstraße B 6. Diese Bündelung führt zwar zum geringsten Flächenverbrauch und vermeidet die mittige Zerschneidung landwirtschaftlicher Flächen. Sie kann aber das Planungsziel der Schaffung einer dem weiträumigen Verkehr dienenden schnellen und direkten Verbindung zwischen der A 13 in Brandenburg, der Stadt Riesa und der A 14 mit dem Anschluss insbesondere in Richtung Chemnitz und Erzgebirge nicht erreichen, weil diese Variante für den weiträumigen Verkehr nicht nur einen erheblichen Umweg bedeutet, sondern wegen zahlreicher plangleicher Knotenpunkte der vorhandenen Straßen nicht leistungsfähig ist. Der überregionale Verkehr müsste sich die Straße mit dem örtlichen Verkehr einschließlich des landwirtschaftlichen Verkehrs teilen.

38(bb) Zur Vermeidung dieses Ausschlusskriteriums sieht die Variante 3b eine mit den vorhandenen Straßen S 30 und B 6 gebündelte zusätzliche Trasse für die B 169 vor. Nachteilig sind hier aber ebenfalls die im Planungsabschnitt weniger direkte, sondern mit einem erheblichen Umweg verbundene Streckenführung für den überregionalen Verkehr sowie die Notwendigkeit eines teilweisen Rückbaus des schon vorhandenen Knotens zwischen der B 6 und der B 169.

39(cc) Zur Vermeidung des letztgenannten Nachteils wurde schließlich die Variante 3c konzipiert, die den schon gebauten Knotenpunkt nutzt, damit aber eine wiederum in geringerem Maße an vorhandene Straßen angelehnte Streckenführung und deshalb eine größere Zerschneidungswirkung und zugleich die geringste Entlastung für die Ortsdurchfahrten vom Durchgangsverkehr aufweist (PFB S. 46).

40dd) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 50 sowie S. 262 f.) und die Präsentation des Beklagten in der mündlichen Verhandlung haben ferner überzeugend dargestellt, dass entgegen dem Vortrag der Kläger der Verbrauch landwirtschaftlicher Nutzfläche und die Versiegelung bei den Varianten 3b und 3c durch die Parallelführung der neuen B 169 zu den vorhandenen Straßen mit rund 56 bzw. 57 ha größer ist als bei der für den überregionalen Verkehr direkten Streckenführung in der Variante 2 mit aufgerundet 36 ha. Bei dieser Berechnung der zu versiegelnden Flächen sind, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, auch Zusatzflächen wie etwa Böschungen und das notwendige landwirtschaftliche Wegenetz bei Verwirklichung der jeweiligen Variante berücksichtigt.

41c) Es trifft zwar zu, dass die Zerschneidungswirkung der gewählten Variante für landwirtschaftliche Flächen aufgrund der direkten Streckenführung größer ist als bei einer an die vorhandenen Straßen angelehnten Trasse, bei der landwirtschaftlich genutzte Flächen nicht mittig durchschnitten, sondern überwiegend nur in Randbereichen angeschnitten würden. Diesen Nachteil der gewählten Trasse durfte die Abwägung des Beklagten zur Erreichung der Planungsziele jedoch in Kauf nehmen. Das Abwägungsgebot ist nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. zuletzt 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73 m. w. N. und vom - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 656). Aus der Klagebegründung ergibt sich auch nicht, dass die Vermeidung der größeren Zerschneidungswirkung gegenüber den Vorteilen der kürzeren Baustrecke, der direkteren Streckenführung und dem Planungsziel einer leistungsfähigen schnellen Strecke so großes Gewicht hat, dass sie sich eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere Variante hätte aufdrängen müssen.

42d) Die hohe Bodenqualität im gesamten Bereich des Vorhabens in der Lommatzscher Pflege ist entgegen der Auffassung der Kläger ebenfalls berücksichtigt worden (PFB S. 81 f.). Der Beklagte hat dazu ferner überzeugend darauf hingewiesen, dass dieser Gesichtspunkt gleichermaßen für alle der in Rede stehenden Varianten 2 und 3 zutrifft, da keine kleinräumigen Unterschiede erkennbar sind.

435. Schließlich zeigt auch das Vorbringen, dem Kläger zu 5 gingen durch die Planung landwirtschaftlich genutzte Flächen in existenzgefährdendem Umfang verloren, keinen Abwägungsfehler auf. Die Planfeststellungsbehörde geht davon aus, dass dieser Kläger 7,85 % seiner bewirtschafteten Fläche verliert, und unterstellt auf dieser Grundlage ohne Einholung eines Existenzgefährdungsgutachtens eine Existenzgefährdung des Klägers zu 5 als wahr (PFB S. 278). Sie hält das überwiegende öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens mit der festgelegten Trassenführung für so gewichtig, dass sie bereit ist, die Existenzvernichtung des landwirtschaftlichen Betriebs dafür in Kauf zu nehmen (PFB S. 281).

44Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Macht ein von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses (§ 19 Abs. 1 und 2 FStrG) Betroffener geltend, durch das Vorhaben werde sein landwirtschaftlicher Betrieb in seiner Existenz gefährdet oder gar vernichtet, gehört dieser Einwand zu den Belangen, mit denen sich die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange (§ 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG) grundsätzlich auseinandersetzen muss. Zeichnet sich eine solche Gefährdung ernsthaft ab, darf die Planfeststellungsbehörde nicht die Augen vor der Tragweite ihrer Entscheidung verschließen. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Einwand ist allerdings dann entbehrlich, wenn die Planfeststellung die behauptete Existenzgefährdung im Wege der Wahrunterstellung ihrer Abwägung (hypothetisch) zugrunde legt und dabei deutlich macht, dass sie die für das Vorhaben streitenden Belange für so gewichtig hält, dass es auch um den Preis einer Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung des betroffenen landwirtschaftlichen Betriebs verwirklicht werden soll (stRspr, vgl. 4 C 34.79 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 34 S. 109 f. und vom - 9 A 13.08 - BVerwGE 136, 332 Rn. 26).

45Vorliegend sieht die Planfeststellung die Existenzvernichtung zwar als eine reale Möglichkeit an, hält es jedoch für genauso denkbar, dass sie durch das beabsichtigte Unternehmensflurbereinigungsverfahren abgewendet werden kann (PFB S. 279 f.). Nach den ergänzenden Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung sind für das Vorhaben inzwischen zwei Flurbereinigungsverfahren eingeleitet worden. Der Beklagte hat dazu zu Protokoll erklärt, dass er sich im Rahmen der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten bemühen wird, den Belangen des Klägers zu 5 in dem ihn betreffenden Flurbereinigungsverfahren in besonderer Weise Rechnung zu tragen.

466. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:040723U9A5.22.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-49146