BGH Beschluss v. - XII ZB 115/23

Berufsbetreuung: Anspruch auf Aufwendungsersatz für Erstellung einer Einkommensteuererklärung

Leitsatz

Zum Anspruch eines anwaltlichen Berufsbetreuers auf Aufwendungsersatz für die Erstellung einer Einkommensteuererklärung für den Betreuten.

Gesetze: § 34 Abs 1 AO, § 3 S 1 Nr 1 StBerG, § 4 Nr 4 StBerG, § 1835 Abs 3 BGB vom , § 1836 Abs 1 S 2 BGB vom , § 1836 Abs 1 S 3 BGB vom , § 1908i Abs 1 S 1 BGB vom

Instanzenzug: Az: 8 T 68/22vorgehend Az: 56 XVII 14/20

Gründe

I.

1Für den 1983 geborenen und mittellosen Betroffenen ist eine Betreuung unter anderem mit dem Aufgabenbereich der Vermögenssorge eingerichtet und der als Rechtsanwalt zugelassene Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betreuer) zum Berufsbetreuer bestellt. Der Betreuer fertigte für den Betroffenen die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 an, reichte diese bei der Finanzbehörde ein und prüfte den am erlassenen Einkommensteuerbescheid. Hierfür hat er die Festsetzung einer nach den Gebührensätzen der Steuerberatervergütungsverordnung berechneten Vergütung in Höhe von 129,41 € gegen die Staatskasse beantragt. Das Amtsgericht hat den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betreuers ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich seine zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

2Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

31. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass Aufwendungsersatz für anwaltsspezifische Tätigkeiten nach §§ 1835 Abs. 3, 1908 i BGB aF nur dann geschuldet sei, wenn ein nicht entsprechend qualifizierter Betreuer hierzu bei sachgerechter Arbeitsweise seinerseits einen Rechtsanwalt beauftragt hätte. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts sei hier aber nicht erforderlich. Insbesondere könne der Anspruch nicht darauf gestützt werden, dass nach § 3 StBerG nur ein bestimmter Personenkreis - zu dem auch der Betreuer gehöre - zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen berechtigt sei. Hilfeleistung in Steuersachen im Sinne des Steuerberatungsgesetzes liege nur bei der Besorgung fremder Steuerangelegenheiten vor, während die Besorgung eigener Steuerangelegenheiten nicht als Hilfeleistung angesehen werde. Eine fremde Steuerangelegenheit des Betreuers sei aber nicht gegeben, denn er sei im Rahmen des § 34 Abs. 1 AO als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen tätig geworden, was für ihn ein eigenständiges Pflichtenverhältnis zur Finanzbehörde begründet habe; dazu gehöre auch die Abgabe von Steuererklärungen. Der Betreuer habe nicht dargelegt, dass die Abgabe der Steuererklärung für den Betroffenen besondere Schwierigkeiten aufgeworfen hätte, zumal dieser nur Einkünfte aus einer Erwerbsminderungsrente bezogen habe und lediglich Vorsorgeaufwendungen und Pauschbeträge einschließlich des Behindertenpauschbetrages zu berücksichtigen gewesen seien.

42. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

5a) Auf den geltend gemachten Vergütungsanspruch des Betreuers für die im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuererklärung und der Prüfung des Einkommensteuerbescheides bis zum April 2022 entfalteten Tätigkeiten ist das bis zum geltende Recht anzuwenden (vgl. auch Senatsbeschluss vom - XII ZB 104/22 - FamRZ 2023, 793 Rn. 7).

6b) Mit der pauschalen Vergütung nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB aF, §§ 4, 5 VBVG aF ist grundsätzlich die gesamte Tätigkeit des Betreuers abgegolten. Nach § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB aF kann jedoch ein Betreuer dem Betreuten erbrachte Leistungen, die zu seinem Beruf gehören, als Aufwendungen gesondert geltend machen. Der Betreuer kann daher eine im Rahmen der Betreuung entfaltete Tätigkeit gemäß § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB aF nach dem für seinen Beruf maßgeblichen Gebührenrecht abrechnen, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für diesen Beruf spezifische Tätigkeit darstellt. Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass der Betreute - und bei mittellosen Betreuten die Staatskasse - keinen Vorteil daraus ziehen soll, wenn sein Betreuer aufgrund seiner Spezialkenntnisse etwas verrichten kann, wozu ein anderer Betreuer berechtigterweise gegen Entgelt fremde Hilfe in Anspruch genommen hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 311/22 - FamRZ 2023, 470 Rn. 6 und vom - XII ZB 683/11 - FamRZ 2014, 1628 Rn. 10 mwN). Andererseits darf die Einstandspflicht der Staatskasse für den Aufwendungsersatz des Betreuers bei mittellosen Betreuten nicht dazu führen, dass ihnen auf diesem Wege aus öffentlichen Kassen Sozialleistungen gewährt werden, auf die sie als Unbemittelte ohne Einrichtung einer Betreuung keinen Anspruch hätten (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 382). Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass das Gericht bereits bei der Betreuerbestellung die Qualifikation des Betreuers berücksichtigt hat und sich diese auf die Höhe der pauschalen Vergütung auswirkt (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 573, 574; Jurgeleit/Maier Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1877 BGB Rn. 22; vgl. auch Senatsbeschluss vom - XII ZB 311/22 - FamRZ 2023, 470 Rn. 9).

7c) Die Besorgung von Steuerangelegenheiten des Betreuten durch einen Berufsbetreuer gebietet auch mit Blick auf das Steuerberatungsgesetz keine grundlegend abweichende Beurteilung. Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, dass Steuererklärungen für den Betreuten nur durch solche Berufsbetreuer abgegeben werden dürften, die nach § 3 Nr. 1 StBerG zur uneingeschränkten Hilfe in Steuersachen befugt seien (ebenso LG Düsseldorf NJW-RR 2008, 1606), und es deshalb auf die Komplexität der für den Betreuten zu erstellenden Steuererklärung im Einzelfall nicht ankomme, trifft nicht zu.

8aa) Ein Betreuer, dem - wie hier - der Aufgabenbereich der Vermögenssorge übertragen worden ist, hat als gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB aF, jetzt § 1823 BGB) des Betreuten nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO dessen steuerliche Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. - juris Rn. 6). Er hat dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Seine Pflicht, die steuerlichen Verpflichtungen des Betreuten zu erfüllen, ist grundsätzlich umfassend. Der Betreuer ist insbesondere zur Abgabe und gegebenenfalls auch zur Berichtigung von Steuererklärungen verpflichtet (vgl. FG Rheinland-Pfalz DStRE 2013, 680, 682; Klein/Rätke AO 16. Aufl. § 149 Rn. 3; Koenig/Haselmann AO 4. Aufl. § 149 Rn. 10; Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1823 BGB Rn. 117).

9bb) Ob - wie das Beschwerdegericht meint - aus dieser abgabenrechtlichen Pflichtenlage des Betreuers ohne weiteres hergeleitet werden kann, dass er mit der Hilfestellung bei der Steuererklärung für den von ihm gesetzlich vertretenen Betreuten keine fremde, sondern eine eigene Angelegenheit im Sinne des Steuerberatungsgesetzes besorgt, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn die Frage, ob eine eigene oder eine fremde Steuerangelegenheit betroffen ist, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt (vgl. - juris Rn. 16). Indessen verhilft es der Rechtsbeschwerde auch nicht zum Erfolg, wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass ein Berufsbetreuer bei der Erstellung einer Einkommensteuererklärung für seine Betreuten im Rahmen geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen tätig wird und er deshalb hierfür eine Befugnis nach den §§ 2 bis 4 StBerG benötigt.

10Denn ein berufsmäßiger Betreuer mit dem Aufgabenbereich Vermögenssorge, der seine (uneingeschränkte) Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen nicht aus § 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG herleiten kann, weil er nicht zu den dort genannten Berufsträgern (Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer) gehört, ist jedenfalls nach § 4 Nr. 4 StBerG als berechtigt anzusehen, dem Betreuten Hilfestellung bei dessen eigener Steuererklärung zu geben (vgl. Kuhls/Maxl/Riddermann StBerG 4. Aufl. § 4 Rn. 28; HK-BUR/Bauer/Deinert [Stand: April 2023] § 1823 BGB nF Rn. 13). Nach § 4 Nr. 4 StBerG sind Verwalter fremden Vermögens hinsichtlich des von ihnen verwalteten Vermögens zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Der Erlaubnistatbestand des § 4 Nr. 4 StBerG ist dabei nicht restriktiv auszulegen (vgl. BFH NJW 2015, 2607 Rn. 8 f.). Verwalten im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, die wirtschaftlichen Interessen eines Dritten mit einer gewissen Handlungsfreiheit und für eine gewisse Dauer wahrzunehmen (vgl. Erbs/Kohlhaas/Senge/von Galen [Stand: April 2023] StBerG § 4 Rn. 8). Dem entspricht grundsätzlich die Tätigkeit eines Betreuers mit dem Aufgabenbereich der Vermögenssorge, zu dessen gesetzlichen Aufgaben es gehört, das Vermögen des Betreuten - wenngleich unter Beachtung bestimmter gesetzlicher Maßgaben (vgl. §§ 1835 ff. BGB) - zu verwalten und folglich auch die damit im Zusammenhang stehenden steuerlichen Erklärungen zu erstellen. Wäre demgegenüber § 4 Nr. 4 StBerG auf einen Vermögensbetreuer nicht anwendbar, hätte dies zur Konsequenz, dass ein berufsmäßiger Betreuer, der nicht zu den in § 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG genannten Berufsträgern gehört, die ihm persönlich durch § 34 Abs. 1 Satz 1 AO gegenüber der Finanzbehörde auferlegte Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung für den Betreuten nicht erfüllen könnte, ohne zuvor für deren Erstellung die Hilfe eines qualifizierten Dritten in Anspruch nehmen zu müssen. Es ergibt sich nichts für die Annahme, dass eine unterschiedliche Behandlung von Betreuern bei der Erfüllung ihrer aus § 34 Abs. 1 Satz 1 AO erwachsenen Pflichten den Intentionen des Gesetzgebers entsprochen haben könnte.

11d) Das Beschwerdegericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass es auch im Zusammenhang mit der Hilfeleistung bei Steuerangelegenheiten allein auf den konkreten Umfang der Tätigkeit und die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten ankommt (so auch MünchKommBGB/Fröschle 8. Aufl. § 1835 Rn. 40). Gemessen daran hat das Beschwerdegericht zu Recht entschieden, dass der Betreuer hier keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB aF hat. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts war die Erstellung der Steuererklärung für den Betroffenen weder umfangreich noch schwierig, weil in dieser Erklärung lediglich Renteneinkünfte, Vorsorgeaufwendungen und Pauschbeträge einschließlich des Pauschbetrages für Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen gewesen sind. Die darauf gestützte Annahme, dass ein nicht zu den Berufsträgern nach § 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG gehörender Betreuer der höchsten Vergütungsstufe unter diesen Umständen keinen Steuerberater mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung für den Betroffenen beauftragt hätte, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Hiergegen erinnert letztlich auch die Rechtsbeschwerde nichts.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:190723BXIIZB115.23.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2023 S. 1479 Nr. 12
DStR 2023 S. 2806 Nr. 50
DStR 2023 S. 2806 Nr. 50
NJW 2023 S. 3295 Nr. 45
NJW 2023 S. 3297 Nr. 45
NWB-Eilnachricht Nr. 1/2024 S. 15
NWB-Eilnachricht Nr. 1/2024 S. 15
PAAAJ-46966