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WP Praxis Nr. 9 vom Seite 257

Das Hinweisgebersystem nach dem HinSchG als Baustein eines Compliance Management Systems

Überblick und Auswirkungen auf die Jahresabschlussprüfung

Rechtsanwältin Barbara Scheben, Stina Neuenfeldt, LL.M. und Rechtsanwalt Dr. Robert Wilkens

Seit Juli 2023 gilt in Deutschland das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), wonach Beschäftigungsgeber ab einer bestimmten Größenordnung interne Meldekanäle einzurichten haben. Dies soll zum einen dem Schutz des Whistleblowers dienen, zum anderen wird hierdurch ein wesentlicher Baustein eines modernen Compliance-Managementsystems geregelt, der lange umstritten war. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Inhalte des Gesetzes und beleuchtet dessen Auswirkungen auf die Jahresabschlussprüfung.

Peitz/Seegers/Götzke, Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz – Voraussetzungen und Hürden einer gesetzeskonformen Meldestelle, NWB 21/2023 S. 1512 NWB LAAAJ-40320.

Schumm, Das Hinweisgeberschutzgesetz – Aufriss und Übersicht wesentlicher Regelungen, StuB 15/2023 S. 622 NWB VAAAJ-44728

Kernaussagen
  • Das HinSchG sichert einen umfassenden Schutz für Personen zu, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit straf- und bußgeldbewährte Verstöße melden oder offenlegen.

  • Während Hinweisgebersysteme schon seit längerem als wichtiger Baustein von Compliance Management Systemen gelten, wird ihre Einrichtung nunmehr durch das HinSchG für Unternehmen mit i. d. R. mindestens 50 Beschäftigten verpflichtend, einschließlich zahlreicher detaillierter Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung.

  • Ob und wie ein Unternehmen die HinSchG-Pflichten umgesetzt hat, kann auch im Rahmen der Jahresabschlussprüfung relevant sein.

I. Das Hinweisgeberschutzgesetz – Ein Überblick

Hinweisgebende Personen, sog. Whistleblower, können maßgeblich dazu beitragen, Wirtschaftskriminalität und anderes Fehlverhalten aufzudecken und einzudämmen. Bislang existierte in Deutschland allerdings kein umfassendes, einheitliches System, das Whistleblowern Schutz vor Repressalien und Benachteiligungen bietet, die sie aufgrund ihrer Meldung ggf. befürchten müssen. Personen, die über Insiderwissen zu bestehenden Missständen verfügen, könnten dadurch davon abgehalten werden, diese Sachverhalte zu melden oder öffentlich zu machen.

Auf EU-Ebene wurde deshalb bereits 2019 mit der Hinweisgeberrichtlinie (2019/1937) ein einheitlicher Rechtsrahmen für den Schutz von Whistleblowern geschaffen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Die Regelungen der Richtlinie wurden nun mit einiger Verspätung in deutsches Recht umgesetzt: Am hat der Bundestag das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG)“ beschlossen, nachdem dieses zuvor im Vermittlungsausschuss nachverhandelt worden war. Einen Tag später hat auch der Bundesrat dieser geänderten Fassung zugestimmt. Das HinSchG trat am in S. 258Kraft und geht inhaltlich noch über die Vorgaben der EU-Hinweisgeberrichtlinie hinaus.

1. Weiter Anwendungsbereich

Das HinSchG regelt den Schutz von natürlichen Personen („hinweisgebende Personen“), die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach dem Gesetz vorgesehenen Meldestellen (siehe Kap. I.2 und I.3) melden oder offenlegen (§ 1 Abs. 1 HinSchG). Der geschützte Personenkreis ist hierbei weit auszulegen. So fallen etwa Beschäftigte, Auszubildende, Praktikanten oder auch Personen, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist bzw. noch nicht begonnen hat, in den persönlichen Anwendungsbereich. Verstöße, von denen eine Person „im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit“ (§ 1 Abs. 1 HinSchG) Kenntnis erlangt, meint dabei auch nicht zwingend nur Fehlverhalten beim eigenen Arbeitgeber. Vielmehr bezieht sich das Gesetz ebenso auf Verstöße bei anderen Stellen, mit denen eine hinweisgebende Person „aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit im Kontakt steht oder stand“ (§ 3 Abs. 3 HinSchG). Das Fehlverhalten muss dabei jedoch im Rahmen einer beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit erfolgt sein (§ 3 Abs. 2 HinSchG). Das heißt, die Meldung von Informationen über privates Fehlverhalten fällt nicht unter den Schutz des Gesetzes.

Der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG ist nicht auf Verstöße gegen das Unionsrecht beschränkt und geht insofern über die EU-Hinweisgeberrichtlinie (vgl. dort Art. 2 Abs. 1) hinaus. So umfasst das Gesetz gem. § 2 HinSchG alle strafbewehrten sowie bestimmte bußgeldbewehrte Verstöße. Daneben zählt das Gesetz weitere Rechtsbereiche auf, die Gegenstand einer Meldung sein können, wie beispielsweise Verstöße im Zusammenhang mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Produktsicherheit, Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit und Datenschutz, ebenso Verstöße gegen die Vorgaben zur Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (§ 316a Satz 2 HGB) oder gegen die Vorgaben zur Rechnungslegung einschließlich der Buchführung von kapitalmarktorientierten Unternehmen (§ 264d HGB) und Unternehmen des Finanzsektors.

Zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurden zudem noch Verstöße gegen den EU Digital Markets Act sowie verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamten mit aufgenommen. Zusätzlich erweitert wird der sachliche Anwendungsbereich dadurch, dass ein „Verstoß“ i. S. des HinSchG nicht nur eindeutig rechtswidrige Handlungen oder Unterlassungen meint, sondern ein solcher auch bei „missbräuchlichen Handlungen oder Unterlassungen“ vorliegen kann, wenn diese dem Ziel oder Zweck einer von § 2 HinSchG umfassten Regelung zuwiderlaufen (§ 3 Abs. 2 HinSchG).

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