Online-Nachricht - Donnerstag, 17.08.2023

DBA | Betriebsstätte/feste Einrichtung im Dienstleistungsbereich (BFH)

Den Anforderungen an eine Betriebsstätte i.S. des § 12 Satz 1 AO, die auch für den abkommensrechtlichen Begriff der Betriebsstätte/festen Einrichtung (hier: DBA-Großbritannien 1964/1970 und 2010) prägend sind, wird entsprochen, wenn dem Dienstleistenden im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung personenbeschränkte Nutzungsstrukturen an ortsbezogenen Geschäftseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach dem im Streitfall einschlägigen DBA werden Einkünfte, die eine in einem der Gebiete ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art bezieht, nur in diesem Gebiet besteuert, es sei denn, dass die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Gebiet regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt. In diesem Fall kann der Teil der Einkünfte, der dieser Einrichtung zuzurechnen ist, in dem anderen Gebiet besteuert werden.

Sachverhalt: Streitig ist, ob der Kläger in den Streitjahren 2008 bis 2014 in der Bundesrepublik Deutschland steuerpflichtig ist: Der Kläger hatte in den Streitjahren sowohl einen inländischen Wohnsitz als auch einen Wohnsitz in Großbritannien (und einen dortigen Mittelpunkt der Lebensinteressen). Er ist Flugzeugingenieur und Inhaber von Lizenzen zur Wartung von Flugzeugen verschiedener Typen. Zugleich ist er alleiniger Gesellschafter und (ohne schriftlichen Arbeitsvertrag) Director der am …2006 gegründeten X Ltd. mit (Satzungs-)Sitz in Großbritannien.

In dem Gebäude sind über das dort ebenfalls ansässige Steuerbüro mehr als 130 Firmen registriert. Die X Ltd. verfügt über keine eigene Website und Telefonnummer. Die in Großbritannien erstellten Bilanzen der X Ltd. weisen im Jahr 2011 Gehaltszahlungen an den Kläger in seiner Funktion als Director aus.

Die in Großbritannien ansässige Y Ltd. hatte mit der in Deutschland ansässigen A GmbH, einem Betreiber und Charterer von Flugzeugen, im Jahr 2008 sog. Line Maintenance Agreements mit dem Gegenstand abgeschlossen, lizenziertes Flugzeugwartungspersonal (und deren Werkzeug) zu überlassen. Der Kläger und die Y Ltd. vereinbarten einen "Freelancer Contract", worin der "Freelancer" verpflichtet wurde, flugzeugbezogene Wartungsleistungen als Subunternehmer des Auftraggebers zu erbringen. Der Vertrag wurde vom Kläger mit seinem Namen (ohne Zusatz, als Organ der X Ltd. zu handeln) unterzeichnet.

Der Kläger übte seine Tätigkeit auf dem Flughafengelände der A GmbH aus. Für die im Auftrag der Y Ltd. tätigen Ingenieure und Mechaniker waren auf diesem Gelände (in durch die Y Ltd. von der A GmbH angemieteten Räumen) Umkleide-, Verwaltungs- und Gemeinschaftsflächen vorhanden. Die Mitarbeiter hatten u.a. einen verschließbaren Spind, um ihre Kleidung aufzubewahren (auf der Spindtür war ein Schild mit dem jeweiligen Namen des Mitarbeiters und der Y Ltd. angebracht). Die Dokumentation der am Flugzeug durchgeführten Arbeiten (mit Unterschrift und Stempel) erfolgte im sog. Log-Buch des Flugzeugs in einem mit Computern ausgestatteten Raum der Y Ltd. neben dem Hangar. In diesem Raum hatte jeder Mitarbeiter ein mit seinem Namen und dem Namen der Y Ltd. beschriftetes Schließfach, in dem er persönliche Gegenstände wie Handy, Schlüssel, Geld etc. aufbewahren konnte. Am Eingang des Gebäudes mussten sich die Mitarbeiter einer Sicherheitskontrolle unterziehen, anschließend konnten sie sich in dem Gebäude frei bewegen.

Der Kläger war Inhaber eines Sicherheitsausweises für den Flughafen. Der Zutritt war unabhängig von der schichtplanorganisierten Einteilung zum Dienst technisch möglich. Die für die Y Ltd. tätigen Mitarbeiter buchten sich bei Arbeitsbeginn und -ende im Zeiterfassungssystem der A GmbH ein und aus. Die Y Ltd. erstellte ihre Rechnungen an die A GmbH anhand der Arbeitszeiten, die ihr von der A GmbH mitgeteilt worden waren.

Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung kam die Prüferin zu dem Ergebnis, dass der Kläger ab April 2008 Einnahmen aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch die Wartung von Flugzeugen erzielt habe. Als Flugzeugingenieur habe er seine Tätigkeit ausschließlich auf dem Flughafen erbracht. Dem schloss sich das FA an und behandelte die Vergütungen des Klägers als unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg ().

Die Richter des BFH dagegen nahmen eine unbeschränkte Steuerpflicht des Klägers an und hoben das erstinstanzliche Urteil auf:

  • Der Kläger ist in den Streitjahren in Deutschland nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 EStG mit Blick auf den inländischen Wohnsitz (§ 8 AO) unbeschränkt steuerpflichtig.

  • Der Kläger ist Zurechnungssubjekt der mittels des Freelancer Contract erzielten Einkünfte, die als freiberufliche Einkünfte im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Flugzeugingenieur) zu qualifizieren sind.

  • Die Besteuerung in Deutschland ist nicht durch Maßgaben des DBA-Großbritannien gehindert. Denn die vom Kläger erzielten Einkünfte wurden durch Nutzung einer ihm in Deutschland regelmäßig zur Verfügung stehenden festen Einrichtung bzw. Betriebsstätte erzielt.

  • Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme einer Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.

  • Es geht darum, dass die eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird ("Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit).

  • Diesen Anforderungen, die auch für den abkommensrechtlichen Begriff der Betriebsstätte/festen Einrichtung (hier: DBA-Großbritannien 1964/1970 und 2010) prägend sind, wird entsprochen, wenn dem Dienstleistenden (hier: Flugzeugmechaniker/-ingenieur) im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung (hier: Wartungsarbeiten an Flugzeugen) personenbeschränkte Nutzungsstrukturen an ortsbezogenen Geschäftseinrichtungen (hier: Spind und Schließfach in Gemeinschaftsräumen auf dem Flughafengelände) zur Verfügung gestellt werden.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB TAAAJ-46366