BFH zu Betriebsveranstaltungen: das Umsatzsteuerrecht kennt keine Freibeträge
Bei Betriebsveranstaltungen gilt im Umsatzsteuerrecht eine Freigrenze von 110 €
Mit Wirkung zum hat der Gesetzgeber in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG die vormals geltende Freigrenze von 110 € für Betriebsveranstaltungen durch einen Freibetrag in gleicher Höhe ersetzt. Übersteigen die Kosten je Arbeitnehmer 110 €, ist nur der übersteigende Betrag als lohnsteuerrechtliche Zuwendung zu erfassen. Für die Ermittlung des Betrags sind dabei sämtliche Kosten (z. B. auch Kosten für den äußeren Rahmen wie Raumkosten) gleichmäßig auf die tatsächlich anwesenden Teilnehmer zu verteilen.
Für die Umsatzsteuer gelten diese Grundsätze nur eingeschränkt. So bestätigt der BFH die Rechtsauffassung des BStBl 2015 I S. 832, Tz. 7), wonach für den Vorsteuerabzug weiterhin von einer Freigrenze in Höhe von 110 € auszugehen ist (, NWB ZAAAJ-45019). Liegen die Kosten für eine Betriebsveranstaltung über 110 € je Teilnehmer, besteht insgesamt kein Recht auf Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Veranstaltung. Denn das Umsatzsteuerrecht kennt keine Freibeträge, wie der BFH klarstellt. Dies ergibt sich, nach Ansicht des BFH, so auch aus dem EU-Recht.
Bei der Ermittlung des auf den jeweiligen Teilnehmer entfallenden Betrags orientiert sich der BFH hingegen an den lohnsteuerrechtlichen Grundsätzen. So bestätigt der BFH, dass die Kosten der Veranstaltung nur auf die anwesenden – und nicht auf die angemeldeten – Teilnehmer zu verteilen sind.
Welche Kosten auf die Teilnehmer zu verteilen sind, kann allerdings zwischen Umsatz- und Ertragsteuerrecht unterschiedlich sein. Zwar bestätigt der BFH im vorliegenden Fall, dass auch die Kosten für den äußeren Rahmen mit zu berücksichtigen sind (z. B. Raummieten), obwohl diese bei der Ermittlung nach der alten Freigrenze nicht relevant waren. Ob dies in allen Fällen gilt, ist jedoch unklar. Denn im Urteilsfall sind die Kosten für den äußeren Rahmen deswegen mit einzubeziehen, weil das durchgeführte Kochevent in einer Kochschule eine einheitliche Leistung darstellt. Auf die Verbindung aus Räumlichkeiten (Kochschule) und Veranstaltung (Kochevent) kommt es gerade an. Entsprechendes wird regelmäßig bei Betriebsveranstaltungen der Fall sein. In der Praxis ist bei knappem Überschreiten der 110 €-Grenze dennoch zu prüfen, ob im Einzelfall ein Ausscheiden von Kostenelementen zulässig ist. Dies lässt sich etwa dann vertreten, wenn die Örtlichkeit für das Event keine besondere Rolle spielt. Rechtsstreitigkeiten sind hier vorprogrammiert.
Im Ergebnis ist der Vorsteuerabzug bei Betriebsveranstaltungen somit abweichend vom Lohnsteuerrecht zu beurteilen. So nimmt der BFH für die Umsatzsteuer „das Schlechte“ aus beiden Welten: die 110 €-Freigrenze aus der alten Regelung und – im Regelfall – die Einbeziehung aller Kosten aus der neuen Regelung. Unternehmer und Berater müssen daher beim Thema Vorsteuerabzug aus Betriebsveranstaltungen besonders genau hinsehen.
Andreas Fietz
Fundstelle(n):
NWB 2023 Seite 2265
NWB XAAAJ-46223