BFH Beschluss v. - VIII B 27/22

Zu den Anforderungen an die ordnungsgemäße Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde

Leitsatz

1. NV: Der Vertretungszwang des § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verlangt, dass der Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde übernehmen muss; die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss daher von dem Prozessbevollmächtigten selbst stammen.

2. NV: Daran fehlt es, wenn der Prozessbevollmächtigte eine Begründung des Klägers unter seinem Briefkopf als „Wortlautzitat“ wiedergibt und anführt, es handele sich ausschließlich um eine Begründung des Klägers oder wenn der Prozessbevollmächtigte auf die Zulassungsgründe im Katalog des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO verweist und mitteilt, der Kläger sei der Auffassung, dass die Revision aus diesen Gründen zuzulassen sei.

Gesetze: FGO § 62 Abs. 4; FGO § 116 Abs. 3 Satz 3;

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig.

2 Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) dem Bundesfinanzhof (BFH) eine selbst verfasste Beschwerdebegründung, der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers die Begründung des Klägers auf eigenem Briefkopf als Beschwerdebegründung übermittelt und die frühere Prozessbevollmächtige des Klägers eine weitere Begründung eingereicht haben, genügt dies jeweils nicht den Anforderungen des § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist danach zwar fristgerecht erhoben, jedoch nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO begründet worden. Dies führt zur Unzulässigkeit der Beschwerde.

3 1. Vor dem BFH muss sich jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln (§ 62 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO). Dieses Erfordernis gilt nicht nur für die Einlegung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, sondern auch für deren Begründung (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - X B 41/13; vom  - XI B 49/17, Rz 2, 3). Im Streitfall ist der Vertretungszwang bei der Begründung der Beschwerde nicht eingehalten worden.

4 a) Der Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO bedeutet, dass der jeweilige Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde übernehmen muss; die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss daher von dem Prozessbevollmächtigten selbst stammen. Nicht ausreichend hierfür ist zum Beispiel, wenn der Prozessbevollmächtigte die Kopie eines vom Beschwerdeführer verfassten Schreibens beifügt, mit einem Begleitschreiben einen von (dem Geschäftsführer) der Beschwerdeführerin unterschriebenen Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde übersendet, die Begründung gemeinsam mit der Mandantin unter Bindung an dessen Weisungen erstellt hat, lediglich einen von einem Beteiligten selbst verfassten Schriftsatz unterschreibt, auf einen von seinem Mandanten selbst verfassten Schriftsatz Bezug nimmt oder als wörtliche Wiedergabe gekennzeichnete Ausführungen des Beschwerdeführers mit dem formelhaften Hinweis übersendet, diesen sei „kaum etwas hinzuzusetzen“ (, Rz 5, m.w.N.).

5 b) Gemessen an diesen Vorgaben ist der Vertretungszwang hinsichtlich der Beschwerdebegründung nicht gewahrt worden. Soweit der nicht postulationsfähige Kläger dem BFH eine persönlich verfasste Beschwerdebegründung übermittelt hat, ist der Vertretungszwang offenkundig nicht beachtet worden. Der vom aktuellen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt X am zur Beschwerdebegründung eingereichte Schriftsatz genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße und eigenständige Begründung durch den Prozessbevollmächtigten nicht. Nach diesem Schriftsatz wird die Beschwerde „in Zitatform“ begründet und anschließend der Inhalt des klägerischen Schriftsatzes an den BFH unverändert wiedergegeben. Abschließend wird betont, dass es sich bei der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ausschließlich um eine solche des Klägers selbst handelt. Auch soweit die frühere Prozessbevollmächtigte (Sozietät Y), die am zwar die Mandatsniederlegung angezeigt hatte, beim BFH am aber eine weitere Beschwerdebegründung eingereicht hat, ist der Vertretungszwang nicht gewahrt. In diesem Schriftsatz werden lediglich die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO), der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) sowie Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) angesprochen und vorgetragen, der Kläger sei der Ansicht, dass die Revision aus diesen Gründen zuzulassen sei. Damit fehlt es auch insoweit an einer von einem Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst verfassten und selbst verantworteten Beschwerdebegründung.

6 2. Der Senat sieht von einer Darstellung des Tatbestands und von einer weiteren Begründung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

7 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2023:B.250723.VIIIB27.22.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 1877 Nr. 33
BFH/NV 2023 S. 1214 Nr. 10
VAAAJ-45914